Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.12.2021, Az.: 12 MS 97/21
Genehmigung, immissionsschutzrechtliche; Windenergieanlage; Zielabweichung; Zielabweichungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.12.2021
- Aktenzeichen
- 12 MS 97/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71098
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs 3 BauGB
- § 13 BImSchG
- § 8 ROG ND
- § 6 Abs 2 S 1 ROG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage erstreckt sich auch auf eine Entscheidung über die Abweichung von einer Ausschlusswirkung, die als Ziel einer raumordnungsrechtlichen Konzentrationsflächenplanung festgelegt ist.
Tenor:
Das Verfahren wird abgetrennt und unter dem neuen Aktenzeichen 12 MS 188/21 fortgeführt, soweit der Antragsteller vorläufigen Rechtschutz gegen den Sofortvollzug der Genehmigung vom 31. Juli 2020 zur Errichtung und zum Betrieb der WEA „ A. 01“ begehrt.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 17. August 2020 gegen die Genehmigung vom 31. Juli 2020 zur Errichtung und zum Betrieb der WEA „ A. 02, A. 03 und A. 04“ wird angeordnet.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,- EUR für die Zeit vor und auf 11.250,- EUR für die Zeit nach der Verfahrenstrennung festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist eine rechtsfähige und nach § 3 UmwRG bundesweit anerkannte Umweltvereinigung.
Er begehrt, ihm vorläufigen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehbarkeit zweier immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen vom 31. Juli 2020 (Anlagen 2 und 3 zur Antragsschrift vom 28. Juni 2021) zu gewähren, gegen die er am 17. August 2020 Widersprüche (vgl. Anlagen 4 und 5 zu seiner Antragsschrift) erhoben hat. Durch diese beiden Verwaltungsakte wurden der Beigeladenen – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung – in zwei Bauabschnitten (F. I = 2. Bauabschnitt bzw. F. II = 5. Bauabschnitt) die Errichtung und der Betrieb von einer bzw. drei Windenergieanlagen (WEA) des Windparks „F.“ genehmigt (vgl. Bl. 169 der Gerichtsakte – GA –). Raumordnungsrechtlich soll die Zulässigkeit der WEA des Bauabschnitts „F. II“ durch ein Zielabweichungsverfahren erreicht werden Die übrigen – hier nicht streitgegenständlichen – sechs weiteren WEA des gesamten Bauprojekts – möglicherweise eine Windfarm im Sinne des § 2 Abs. 5 UVPG bestehend aus den Windparks „F.“ und „G.“ – soll nicht die Beigeladene, sondern die Bürgerwindpark G. Betreibergesellschaft mbH & Co. KG in vier weiteren Bauabschnitten (1., 3., 4. und 6.) als Vorhabenträgerin verwirklichen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 24.9.2021 - 12 ME 45/21 -, juris, Rn. 6).
Die Genehmigung für den Bauabschnitt „F. I“ (Az: I20190019) bezieht sich auf die WEA „ A. 01“ (Typ: H. I.; Nabenhöhe: 166,5 m, zzgl. 3 m Fundamenterhöhung; Rotordurchmesser: 162 m; Gesamthöhe 250 m; Nennleistung: 5.600 kW) auf dem Flurstück J. der Flur K. der Gemarkung L..
Die Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ (Az: I20190034) betrifft (als gemeinsame Anlage im Sinne des § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV) die WEA „ A. 02, A. 03 und A. 04“ (selben Typs und gleicher Leistungsdaten wie oben) auf dem Flurstück M. der Flur N. der Gemarkung F. – A. 02 –, dem Flurstück O. der Flur P. der Gemarkung Q. – A. 03 – und dem Flurstück R. der Flur P. der Gemarkung F. – A. 04 – (vgl. vgl. hinter Trennblatt – TrBl. – 1.3.1 in Beiakte – BA – 5).
Während die Anlagen der Bauabschnitte 1., 2., 3., 4. und 6. (wohl) zumindest mit den Mastfüßen innerhalb des örtlichen durch das Regionale Raumordnungsprogramm für den Landkreis Uelzen 2019 (RROP 2019) festgelegten Vorrang- und Eignungsgebiets Windenergienutzung „F.“ (vormals Potentialfläche Nr. 43 „F.“) liegen, soll die Zulässigkeit der drei WEA des 5. Bauabschnitts (F. II) durch eine Zielabweichungsentscheidung erreicht werden.
II.
1. Der Senat trennt gemäß § 93 Satz 2 VwGO das Verfahren über den Streit um die Vollziehbarkeit der Genehmigung für den Bauabschnitt „F. I“ ab, weil es die hier im Folgenden problematisierte Rechtsfrage der Erstreckung der Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf eine raumordnungsrechtliche Zielabweichungsentscheidung nicht aufwirft, aber weitere Prüfungen erfordert, welche die Entscheidung über das den Bauabschnitt „F. II“ betreffende Rechtschutzersuchen des Antragstellers verzögern können.
2. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Wiederspruchs gegen die Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ vom 31. Juli 2020 zur Errichtung und zum Betrieb der WEA „ A. 02, A. 03 und A. 04“ ist zulässig (a, b) und begründet (c).
a) Der Antragsteller ist als anerkannter Umweltverband (§ 3 UmwRG) gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 Buchst. a) UmwRG antragsbefugt, da er in dem Verfahren über den Antrag auf Erteilung der angefochtenen Genehmigung vom 31. Juli 2020 zur Beteiligung berechtigt war sowie geltend macht, diese Genehmigung widerspreche als Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG solchen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein könnten, und berühre ihn in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes.
b) Im Hinblick darauf, dass dem Widerspruch des Antragstellers – wenn auch nur als Folge der vor dem Inkrafttreten des § 63 BImSchG n. F. bekanntgegebenen Anordnung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides durch den Antragsgegner – bereits keine aufschiebende Wirkung mehr zukam, begehrt der Antragsteller zu Recht die Anordnung (vgl. §§ 80a Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO), nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 24.9.2021 - 12 ME 45/21 -, juris, Rn. 73).
c) Nach derzeitigem Sachstand ist davon auszugehen, dass das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs die Vollzugsinteressen der Beigeladenen und der Öffentlichkeit überwiegt. Denn der Wiederspruch des Antragstellers gegen die Genehmigung vom 31. Juli 2020 für den Bauabschnitt „F. II“ ist voraussichtlich zulässig und begründet (aa bis ee).
Hinsichtlich der Zulässigkeit des Widerspruchs gelten die obigen Ausführungen unter II. 2. a) entsprechend. Die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO wurde ebenfalls eingehalten.
Der Widerspruch dürfte gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UmwRG begründet sein, weil er sich gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG richtet (aa), die voraussichtlich gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind (bb), der Verstoß nicht gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG i. V. m. § 46 VwVfG folgenlos bleibt (cc) und Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die der Antragsteller nach seiner Satzung fördert (dd), und weil außerdem bei der angefochtenen Genehmigungsentscheidung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestanden hat (ee).
aa) Die angefochtene Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ ist eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG, weil nach § 7 UVPG oder – dies mag hier offenbleiben – nach den § 9 i. V. m. § 7 UVPG jeweils i. V. m. Nr. 1.6.2 der Anlage 1 (Liste „UVP-pflichtige Vorhaben“) aufgrund einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen konnte.
bb) Die Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ dürfte gegen § 13 BImSchG sowie gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. § 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB verstoßen, die für die Genehmigungsentscheidung von Bedeutung sind.
(α) Ausweislich der Ausführungen unter 3.1 auf der Seite 33 ihres Abdrucks (Anlage 3 zur Antragsschrift vom 28. Juni 2021) beruht diese Genehmigung u. a. auf folgender Erwägung: Ihrer Erteilung stehe (nach den §§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB) das unter Kapitel 4.2 02 Satz 1 und 2 (auf der Seite 43) der Beschreibenden Darstellung des RROP 2019 (https://www.landkreis-uelzen.de/textonly/Portaldata/2/Resources/landkreis_uelzen/amt_63/dokumente/regionales_raumordnungsprogramm_2019/01_Beschreibende_Darstellung_RROP_2019.pdf) festgelegte Ziel („In der Zeichnerischen Darstellung sind für die Nutzung der Windenergie geeignete Standorte als Vorranggebiete Windenergienutzung festgelegt, die gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ROG zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten haben. Außerhalb dieser Vorranggebiete ist die Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen, einschließlich des Repowerings bestehender Windenergieanlagen, unzulässig.“) deshalb nicht entgegen, weil der Zielabweichungsbescheid vom 10. Oktober 2019 (Anlage 11 zur Antragsschrift vom 28. Juni 2021) ergangen sei. Diesem Bescheid sei ein entsprechender Antrag der Beigeladenen vom 13. Juni 2019 vorausgegangen, den der Antragsteller mit einer Klage angefochten habe. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dessen Bescheidung gehöre nicht zum hiesigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren.
Aufgrund dieses Inhalts enthält die Genehmigung ihrerseits keine Zulassung einer Abweichung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ROG, § 8 NROG (β), sondern baut insoweit entgegen § 13 BImSchG (γ) nur auf dem Zielabweichungsbescheid vom 10. Oktober 2019 auf, der im Verfahren über den gegen die Genehmigung erhobenen Widerspruch inzident zu überprüfen ist (δ), aber seinerseits gegen § 13 BImSchG verstößt (ε) – was letztlich zu einem Verstoß der Genehmigung auch gegen die §§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB führen dürfte (ζ).
β) Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ enthält entgegen der Annahme der Beigeladenen ihrerseits keine Zulassung einer Abweichung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ROG, § 8 NROG. Denn die These, die Ersetzungswirkung des § 13 BImSchG trete auch dann ein, wenn die Genehmigungsbehörde sie habe ausschließen wollen (VG Ansbach, Urt. v. 9.10.2001 - AN 1 K 01.00600 -, juris, Rn. 136; ähnlich: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.8.2020 - 10 S 2941/19 -, NuR 2021, 135 ff. [VGH Baden-Württemberg 14.04.2020 - 3 S 6/20] hier zitiert nach juris, Rnrn. 2 und 12), verdient keine Zustimmung. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes bestimmt sich gemäß § 43 Satz 2 VwVfG (i. V. m. den § 1 Abs. 1 NVwVfG) vorrangig anhand des bekanntgegebenen Inhalts des Verwaltungsaktes. Es mag hier dahinstehen, ob – was insbesondere bei im Ermessen der Behörde stehenden Entscheidungen zweifelhaft erscheint – davon auszugehen ist, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung eine andere, die Anlage betreffende behördliche Entscheidung, zu deren Voraussetzungen sie sich verschweigt, regelmäßig bereits deshalb ersetzend mitumfasst, weil sie diese Entscheidung nach § 13 BImSchG umfassen sollte (vgl. Seibert, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Werkstand: Mai 2021, § 13 BImSchG, Rn. 36). Denn § 13 BImSchG enthält – recht verstanden – jedenfalls nur das Gebot einer Entscheidungskonzentration, nicht aber eine Interpretations- und Rechtsfolgenanordnung, die dergestalt von § 43 Satz 2 VwVfG abwiche, dass einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auch dann ein bestimmter Regelungsgehalt (hier: die Zulassung einer Zielabweichung) beizulegen wäre, wenn eine herkömmliche Auslegung der Genehmigung unter entsprechender Anwendung der Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB – also zum einen nach ihrem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Erklärung und zum anderen danach, wie sie ihr Adressat oder ein Drittbetroffener nach Treu und Glauben verstehen durfte (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 24.10.2019 - 12 KS 127/17 -, juris, Rn. 157, m. w. N.) – zu einem eindeutig gegenteiligen Ergebnis führt. So aber liegt es im vorliegenden Falle. Denn die soeben unter II. 2. c) bb) α) wiedergegebenen Erwägungen des Antragsgegners lassen eindeutig erkennen, dass er – entsprechend seiner auch in dem hiesigen Eilrechtsstreits vertretenen Rechtsauffassung – die Frage der Zulassung einer Zielabweichung gerade nicht zum Gegenstand der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und der in dem Genehmigungsverfahren vorzunehmenden Prüfung machen wollte und machte. Er betrachtete sie vielmehr ausschließlich als Gegenstand des gesonderten Zielabweichungsverfahrens, das er bereits durch den Bescheid vom 10. Oktober 2019 abgeschlossen hatte. Deshalb verweigerte er sich in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (ausweislich des obigen Zitats aus deren Begründung) sogar ausdrücklich einer nochmaligen inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen einer Zielabweichung. Es kann folglich keine Rede davon sein, dass sich der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ auch eine Zielabweichungsentscheidung entnehmen ließe. Vielmehr baut die Genehmigung insoweit lediglich auf dem Bescheid vom 10. Oktober 2019 auf.
γ) Es verstößt indessen gegen § 13 BImSchG, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ nur auf dem Zielabweichungsbescheid vom 10. Oktober 2019 aufbaut, anstatt die Entscheidung über die Zielabweichung selbst einzuschließen.
Gemäß § 13 BImSchG schließt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung andere die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen ein, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen mit Ausnahme von Planfeststellungen, Zulassungen bergrechtlicher Betriebspläne, behördlichen Entscheidungen auf Grund atomrechtlicher Vorschriften und wasserrechtlichen Erlaubnissen und Bewilligungen nach § WHG § 8 in Verbindung mit § WHG § 10 des Wasserhaushaltsgesetzes. Die Entscheidung über die Zulassung einer Zielabweichung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ROG, § 8 NROG ist eine öffentlich-rechtliche Zulassung und zählt nicht zu den von der Konzentrationswirkung ausdrücklich ausgenommenen Entscheidungen.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen ist die hier getroffene Zielabweichungsentscheidung zudem eine „die Anlage betreffende“ andere behördliche Entscheidung.
Von der Konzentrationswirkung umfasst sind allerdings nur behördliche Entscheidungen, die vom Bürger vor Errichtung bzw. Betrieb der Anlage eingeholt werden müssen, die also Voraussetzung für die Errichtung und den Betrieb der Anlage sind und insoweit eine Freigabewirkung für den Betreiber der Anlage haben (vgl. Seibert, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Werkstand: Mai 2021, § 13 BImSchG, Rn. 72; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.3.2007 - 1 S 1041/05 -, GewArch 2007, 299 ff. [VGH Baden-Württemberg 19.03.2007 - 1 S 1041/05], hier zitiert nach juris, Rn. 56). Derartige Entscheidungen müssen dabei unter anderem von solchen Zulassungen unterschieden werden, die eine Errichtung der Anlage nur vorbereiten und auf die sich die Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG deshalb nicht erstreckt (vgl. Seibert, a. a. O., § 13 BImSchG, Rnrn. 74 f.).
Die Beigeladene stellt in Abrede, dass die hier umstrittene Zielabweichungsentscheidung von der Konzentrationswirkung gemäß § 13 BImSchG erfasst wird, indem sie geltend macht, mit der Abweichung sei lediglich eine neue Abgrenzung des Planungsraumes beantragt worden und das Antragserfordernis sei bundesrechtlich nicht zwingend. Der Antragsgegner verneint eine Freigabewirkung der Zielabweichung ebenfalls. Er betrachtet das Zielabweichungsverfahren als eine dem Genehmigungsverfahren vorgelagerte Verfahrensstufe und fürchtet eine faktische Unterminierung der Zielbindungskraft, schlössen Vorhabengenehmigungen auch die Zielabweichungsentscheidungen ein. Eine Konzentrationswirkung sei daher auf die Fälle des § 19 Satz 2 ROG beschränkt, sofern sie nicht auf landesrechtlicher Grundlage gesetzlich gesondert vorgesehen worden sei.
Den beschließenden Senat überzeugen diese Bedenken nicht, sondern er folgt auf der Grundlage summarischer Prüfung im Eilverfahren für die vorliegende Konstellation der neueren Literatur, in der sich die Stimmen mehren, die sich für eine Anwendbarkeit des § 13 BImSchG auf Zielabweichungsentscheidungen aussprechen (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 13 Rn. 6a; Lange, in: Appel/Ohms/Saurer [Hrsg.], BImSchG, 1. Aufl. 2021, § 13 BImSchG, Rn. 25; Kümper, NuR 2021, 588 ff. [589, Fn. 11]), und damit für eine Konzentrationswirkung, die in entsprechender Form für das Planfeststellungrecht (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) seit Längerem vertreten wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 8.7.2002 - 5 S 2715/01 -, ZLW 2004, 160 ff. [VGH Baden-Württemberg 08.07.2002 - 5 S 2715/01], hier zitiert nach juris, Rn. 81, Kupfer, in: Schoch/Schneider [Hrsg.], VwR, Werkstand: Juli 2021, § 75 VwVfG, Rn. 41 und Fn. 63, m. w. N.; Starnofsky, in: Pielok/Starnofsky, NROG, 1. Aufl. 2018, § 8 Anm. 4.3.1.2).
Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich: Aus Anlass des hiesigen Falles ist es weder sachgerecht noch notwendig, eine allumfassende abstrakte Diskussion über das Verhältnis der Zielabweichung nach § 6 Abs. 2 ROG zu verschiedenen bundesgesetzlich geregelten Konzentrationswirkungen zu führen. Denn Ziele der Raumordnung können zum einen gemäß §§ 1, 3 Nr. 2 ROG sehr verschiedenartige Inhalte haben und wirken zum anderen auf durchaus unterschiedliche Weise (vgl. etwa § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 ROG, § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB und § 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB als für die jeweilige Wirkungsweise maßgebliche Brückennormen) in die Verfahren der Vorhabenzulassung hinein. Es erscheint deshalb keineswegs zwingend, für alle denkbaren Zielvarianten, Brückennormen und zeitlichen Abläufe zu derselben Antwort auf die Frage zu gelangen, ob eine Konzentrationswirkung eine Zielabweichungsentscheidung umfasst.
Hier beantragte die Beigeladene selbst die Zielabweichung unter dem 13. Juni 2019 und die Vorhabenzulassung unter dem 30. August 2019 (eingegangen am 10. September 2019). Zielabweichungsentscheidung und Vorhabenzulassung sind also vom Vorhabenträger in einem engen zeitlichen Zusammenhang aus Anlass des Vorhabens initiiert und die entsprechenden Verwaltungsverfahren kurzzeitig sogar nebeneinander geführt worden. Insofern handelt es sich bei der hier begehrten Zielabweichung weniger um eine rechtslogisch vorgelagerte als vielmehr um eine willentlich ausgelagerte Verfahrensstufe. Außerdem steht die Abweichung von einer besonderen Art der Zielbindung in Rede. Denn betroffen ist die Bindung an (Vorrang- und) Eignungsgebiete für die Windenergienutzung (vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und 3 sowie Satz 3 ROG), die als sogenannte Ausschlusswirkung über § 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB (i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) unmittelbar in die Vorhabenzulassung hineinreicht. Diese Bindung soll – wie es der Antragsgegner selbst formuliert – folgendermaßen wirken: „Außerhalb dieser Vorranggebiete ist die Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen … unzulässig“. Bei natürlicher Betrachtung stellt sich deshalb das in Rede stehende Ziel als ein in das Verfahren der Vorhabenzulassung hineinwirkendes Verbot der Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen an (unter anderem) denjenigen Standorten dar, an denen die Beigeladene ihre drei raumbedeutsamen Windenergieanlagen des Bauabschnitts „F. II“ errichten möchte. Liegt damit aber der Anlagenbezug des raumordnungsrechtlichen Ziels geradezu auf der Hand, so muss dasselbe für die Zulassung einer Abweichung von diesem Ziel gelten. Aus § 19 Satz 2 ROG vermag der beschließende Senat ebenfalls nichts im Sinne des Antragsgegners zu folgern. Denn diese Norm setzt das Bestehen einer Konzentrationswirkung nach anderen Vorschriften voraus, ohne diese Vorschriften erkennbar einzuschränken. Der Senat teilt auch nicht die teleologischen Bedenken des Antragsgegners hinsichtlich einer faktische Unterminierung der Zielbindungskraft. Gegen viele aus einer bundesrechtlich angeordneten Konzentrationswirkung resultierende Zuständigkeitsverlagerungen lassen sich Bedenken äußern, die darauf hinauslaufen, dass die jeweils in ihrer Zuständigkeit verdrängte Behörde eine neutralere Sachwalterin der öffentlichen Interessen auf ihrem Sachgebiet wäre, als es (angeblich) die in dem Verfahren der Vorhabenzulassung zuständig gewordene Behörde sei. Dieser (etwaige) Nachteil wird aber überbewertet. Das gilt im hiesigen Falle schon deshalb, weil der Antragsgegner sowohl im immissionsschutzrechtlichen Verfahren als auch in einem gesonderten Zielabweichungsverfahren zuständig ist. Selbst ohne sonstige verfahrensrechtliche Sicherungen würde er deshalb das eigene Verwaltungshandeln dahin koordinieren können, dass keine Unterminierung seiner regionalen Raumplanung durch von ihm selbst zugelassene Vorhaben stattfindet. Im Übrigen wäre aber auch eine weiter gehende Zuständigkeitsverlagerung (einschließlich der Zuständigkeit für die Ermessensausübung im Rahmen der Zielabweichungsentscheidung) unbedenklich. Eine dadurch verdrängte Behörde wäre zwar allein nach Bundesrecht auf eine Anhörung im konzentrierten Verfahren beschränkt (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 13, Rn. 24); durch Landesrecht oder Verwaltungsvorschriften kann aber auch eine intensivere Beteiligung vorgeschrieben werden – was hier durch das Erfordernis des Einvernehmens nach § 8 NROG geschehen ist (vgl. Starnofsky, in: Pielok/Starnofsky, NROG, 1. Aufl. 2018, § 8 Anm. 4.1.4). Die von dem Antragsgegner ins Feld geführten (möglicherweise) tendenziell abweichenden Verwaltungsvorschriften können sich gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 13 BImSchG ebenso wenig durchsetzen wie eine abweichende bisherige Verwaltungspraxis.
Nach alledem spricht Überwiegendes dafür, dass eine verfahrensrechtliche Verselbständigung der Zielabweichungsentscheidung für die vorliegende Fallgestaltung nur eine unzulässige Verkomplizierung bedeutet – die sich dann zudem in weiteren Unklarheiten und Streitigkeiten über die Reichweite des gerichtlichen Rechtsschutzes für anerkannte Umweltverbände fortsetzt.
δ) An dem vorstehend hergeleiteten Befund einer Rechtswidrigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ ändert sich nichts, obwohl der Zielabweichungsbescheid vom 10. Oktober 2019, auf dem sie aufbaut, eine Tatbestandswirkung entfaltet. Denn dieser Zielabweichungsbescheid ist in dem Verfahren über den gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erhobenen Widerspruch inzident zu überprüfen – und unterliegt damit auch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren einer mittelbaren Kontrolle.
αα) Es ist allerdings rechtlich möglich, dass ein noch nicht bestandskräftiger Zielabweichungsbescheid – hier also derjenige vom 10. Oktober 2019 – eine Tatbestandswirkung (vgl. Kment, in: Kment, ROG, 1. Aufl. 2019, § 6 Rn. 108) entfaltet, die seiner umfassenden, namentlich gerichtlichen, Inzidentkontrolle entgegensteht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, DVBl. 2017, 1440 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 124 ff.; dies offenlassend nachfolgend: BVerwG, Beschl. v. 12.7.2018 - BVerwG 7 B 15.17 -, Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1, hier zitiert nach juris, Rn. 11, siehe auch Seibert, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Werkstand: Mai 2021, § 13 BImSchG, Rn. 52).
Diese Möglichkeit entfällt im vorliegenden Falle auch nicht bereits aufgrund der gegen den Zielabweichungsbescheid erhobenen Klage des Antragstellers. Denn es entspricht zwar zutreffender und wohl überwiegender Rechtsmeinung, dass die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts durch den Eintritt der aufschiebenden Wirkung eines gegen ihn erhobenen Rechtsbehelfs unterbrochen wird (vgl. dies allerdings offenlassend: BVerwG, Urt. v. 14.4.2021 - BVerwG 5 C 13.19 -, NVwZ-RR 2021, 897 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 23, m. w. N.), sodass sie sich demjenigen nicht erfolgreich entgegenhalten lässt, der den Zielabweichungsbescheid bereits zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Prozess gegen die Anlagengenehmigung maßgeblichen Zeitpunkt mit einem nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf angefochten hatte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.3.2021 - 12 LB 148/20 -, RdL 2021, 216 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 95), der aufschiebenden Wirkung entfaltete (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.1.2018 - BVerwG 1 VR 14.17 -, NVwZ 2018, 1485 ff. [1488 unter 2.2]). Die etwaige aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Zielabweichungsbescheid vom 10. Oktober 2019 hat aber nach § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Ablauf des 2. November 2021 geendet.
ββ) Gleichwohl steht die Tatbestandswirkung des Zielabweichungsbescheides vom 10. Oktober 2019 seiner Inzidentkontrolle im hiesigen Widerspruchs- und Gerichtsverfahren nicht entgegen. Denn der Bescheid ist nicht bestandskräftig und die Annahme einer gleichwohl nur auf seine Wirksamkeit beschränkten Kontrolle in Verfahren über die Anfechtung der späteren Anlagengenehmigung (und mit diesen korrespondierenden Eilverfahren) müsste, um gerechtfertigt zu sein, dem Rechtstaatsprinzip und einer Rechtslage Rechnung tragen, wonach über die Zielabweichung in einem eigenen Verwaltungsverfahren entschieden werden soll, welches durch einen rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt zum Abschluss gebracht wird (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 4.7.2017 - 7 KS 7/15 -, a. a. O., juris, Rnrn. 125 f.). Der argumentative Wert der abschichtenden Funktion eines gesonderten Verfahrens und Bescheides entfällt aber, wenn – wie hier – diese Abschichtung nicht rechtens war, sondern eine Zielabweichungsentscheidung nach § 13 BImSchG allenfalls als Bestandteil der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hätte getroffen werden können (vgl. soeben unter II. 2. c] bb] γ]), aber nicht getroffen wurde (vgl. unter II. 2. c] bb] β]). Dagegen besaß und besitzt der Antragsgegner – und zwar als Immissionsschutzbehörde – die Kompetenz, den Zielabweichungsbescheid vom 10. Oktober 2019 gerade aus Anlass des Verfahrens zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf seine Vereinbarkeit mit § 13 BImSchG inzident zu überprüfen und bei Rechtswidrigkeit aufzuheben (vgl. Seibert, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Werkstand: Mai 2021, § 13 BImSchG, Rnrn. 53 und 55).
ε) Eine solche Prüfung wird hier zum Ergebnis haben müssen, dass der Zielabweichungsbescheid vom 10. Oktober 2019 seinerseits rechtswidrig und jedenfalls dann aufzuheben ist, wenn andernfalls die darauf aufbauende Genehmigungsentscheidung rechtswidrig ist.
αα) Denn unterfällt – wie vorliegend (vgl. soeben unter II. 2. c] bb] γ]) – eine Zielabweichungsentscheidung der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG, so greift als Vorwirkung (vgl. Storost, in: Ule/Laubinger/Repkewitz, BImSchG, Werkstand: Sep. 2021, § 13 BImSchG, Rn. D 58) der Konzentrationswirkung ein Verbot der Erteilung eines gesonderten Zielabweichungsbescheides (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.10.2019 - 12 LB 104/19 -, NVwZ-RR 2020, 393 f. [OVG Hamburg 11.09.2019 - 1 Bf 82/18.Z], hier zitiert nach juris, Rn. 14 f.; Seibert, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Werkstand: Mai 2021, § 13 BImSchG, Rn. 50, m. w. N.). Die hier gleichwohl durch gesonderten Verwaltungsakt erteilte Zulassung einer Zielabweichung ist nicht nur nach den falschen Verfahrensvorschriften, sondern auch ohne Rechtsgrundlage erteilt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.12.2019 - 10 S 566/19 -, ZNER 2020, 62 ff., hier zitiert nach juris; Rn. 14, m. w. N.).
ββ) Es mag offenbleiben, ob die Zielabweichungsentscheidung vom 10. Oktober 2019 darüber hinaus materiell-rechtlichen Bedenken begegnet, die sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 ROG beziehen und unter anderem daran anknüpfen könnten, dass die Zielabweichung zugunsten der Beigeladenen in ähnlicher Weise wirkt wie eine normative Änderungsplanung, durch die ein weiteres Vorranggebiet für die Windenergienutzung in die Ausschlusszone der bisherigen Konzentrationsflächenplanung eingefügt würde (vgl. für die Ebene der Flächennutzungsplanung: Nds. OVG, Urt. v. 26.2.2020 - 12 KN 182/17 -, BauR 2020, 938 ff., hier zitiert nach juris). Bei allen Maßnahmen, die im Ergebnis als Ausdehnung der Konzentrationszonen zu Lasten der Ausschlusszone wirken, stellt sich nämlich zum einen das Problem, ob eine Verschiebung der in der vorausgegangenen Planung austarierten Gewichte zwischen diesen beiden Zonenarten vorliegt, die einer neuen Legitimierung durch eine mehrstufige Konzentrationsflächenplanung (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 26.2.2020 - 12 KN 182/17 -, a. a. O., Rn. 103, und Urt. v. 12.4.2021 - 12 KN 159/18 -, BauR 2021, 1061 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 110, – jeweils zur Flächennutzungsplanung) bedürfte (vgl. Starnofsky, in: Pielok/Starnofsky, NROG, 1. Aufl. 2018, § 8 Anm. 3.2 und 4.1.2). Zum anderen könnte, auch wenn eine mehrstufige Änderungsplanung nicht erforderlich sein sollte, die stattdessen gewählte Vorgehensweise – hier das Zielabweichungsverfahren – mit einer unrechtmäßigen Verkürzung des erforderlichen Prüfprogramms (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 26.2.2020 - 12 KN 182/17 -, a. a. O., Rn. 115) und/oder einer unzulässigen Verschiebung genuiner Planungsentscheidungen von der Vertretungskörperschaft auf die Verwaltung eines kommunalen Planungsträgers verbunden sein. Zu den genuinen Planungsentscheidungen dürfte namentlich die verbindliche Auswahl unter etwa alternativ für die Festlegung als Vorranggebiet in Betracht kommenden Potentialflächen gehören. Jedenfalls darf durch eine Zielabweichungsentscheidung in beiden vorgenannten Konstellationen keine Notwendigkeit einer normativen Änderungsplanung umgangen werden.
ζ) Infolge des Fehlens einer rechtmäßigen Zielabweichungsentscheidung dürfte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ auch gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. § 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB verstoßen. Denn die Standorte der WEA „ A. 02, A. 03 und A. 04“ liegen innerhalb der durch die Konzentrationsflächenplanung des RROP 2019 vorgesehenen Ausschlusszone.
Soweit die Beigeladene vorträgt, dass das RROP 2019 mit einem Normenkontrollantrag angegriffen wurde (12 KN 51/20), ist dies unerheblich, weil solche Anträge keine aufschiebende Wirkung gegenüber dem Inkrafttreten der Normen entfalten, auf die sie sich beziehen. Es scheidet auch aus, hier zugunsten der Beigeladenen eine Unwirksamkeit des RROP 2019 zu unterstellen, welche dann die Zulassung einer Zielabweichung entbehrlich machen könnte. Ebenso wenig ist es die Aufgabe des Senats, von Amts wegen im hiesigen Eilverfahren Gründe für eine etwaige Unwirksamkeit des RROP 2019 zu ermitteln, um so eine anderweitige Grundlage für die Annahme der bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der WEA des Bauabschnitts „F. II“ zu schaffen, die der Antragsgegner selbst bei seiner Genehmigungsentscheidung nicht berücksichtigt hatte, welche aber im Ergebnis eine Aufrechterhaltung seiner Genehmigungsentscheidung ermöglichen könnte (vgl. zu einem vergleichbaren rechtlichen Problem: Nds. OVG, Urt. v. 25.10.2018 - 12 LB 118/16 -, BauR 2019, 651 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 233 [am Ende]).
cc) Die Verstöße der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. § 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB und § 13 BImSchG bleiben nicht gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG i. V. m. § 46 VwVfG folgenlos.
α) Die voraussichtliche Unvereinbarkeit des Vorhabens mit § 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB (i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) wegen Fehlens einer rechtmäßigen Zielabweichungsentscheidung stellt sich schon nicht lediglich als Verfahrensfehler dar, sondern führt auch zur materiellen Rechtswidrigkeit der Vorhabenzulassung.
β) Der Verstoß der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gegen § 13 BImSchG kann nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich sein, weil die Entscheidung in der Sache schon dadurch als beeinflusst zu betrachten ist, dass sie die für erforderlich gehaltene Zulassung einer Zielabweichung – und damit die entsprechende Freigabe – nicht einschließt (vgl. oben unter II. 2] c] bb] β]).
dd) Die Verstöße der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bauabschnitt „F. II“ gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. § 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB und § 13 BImSchG berühren Belange, die zu den Zielen gehören, die der Antragsteller nach seiner Satzung fördert. Denn hierzu genügt es, dass die vom Rechtsverstoß betroffene, d. h. rechtswidrige, Entscheidung vom satzungsmäßigen Aufgabenbereich des Verbands (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) erfasst wird. Ein spezifischer und unmittelbarer Bezug des jeweiligen Rechtsverstoßes zu Umweltbelangen ist damit aber bei unionsrechtskonformer Auslegung nicht gefordert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.7.2018 - BVerwG 7 B 15.17 -, Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1, hier zitiert nach juris, Rn. 19, sowie Nds. OVG, Beschl. v. 11.5.2020 - 12 LA 150/19 -, ZNER 2020, 265 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 36; vgl. auch Lange, in: Appel/Ohms/Saurer [Hrsg.], BImSchG, 1. Aufl. 2021, § 13 BImSchG, Rn. 53).
ee) Bei der angefochtenen Genehmigungsentscheidung für den Bauabschnitt „F. II“ hat eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestanden. Der Ergebnisrichtigkeit der entsprechenden Feststellung des Antragsgegners vom 5. Dezember 2019 (in BA 7) sind alle Beteiligten im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen folgt aus der Verweisung von § 2 Abs. 4 Satz 2 UmwRG auf § 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG nicht, dass der Rechtsbehelf eines anerkannten Umweltverbandes nur dann begründet ist, wenn eine UVP-Pflicht nach Anlage 1 zum UVPG besteht. Denn sollte dies nicht der Fall sein, könnte der Verband die Genehmigung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG angreifen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2019 - BVerwG 7 C 5.18 -, BVerwGE 166, 321 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 25).
3. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 154 Abs. 1 und 3 sowie 162 Abs. 3 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 40 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG und trägt dem mehrfachen Anfall von Gebühren infolge der Verfahrenstrennung Rechnung (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider [Hrsg.] VwGO, Werkstand Juli 2021, § 93 Rn. 26, m. w. N.). Sie orientiert sich an den Vorschlägen unter Nrn. 7. g) i. V. m. 17. b) des Streitwertkatalogs der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des beschließenden Gerichts (NdsVBl. 2021, 247 ff.).
III.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 146 Abs. 2, 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).