Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 09.09.1997, Az.: 5 U 49/97

Gesamthandseigentum des Mitglieds einer Erbengemeinschaft an einem in der ehemaligen DDR belegenen Grundstück

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
09.09.1997
Aktenzeichen
5 U 49/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21738
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0909.5U49.97.0A

Fundstelle

  • MittRhNotK 1998, 136-137

Amtlicher Leitsatz

Das Gesamthandseigentum des Mitglieds einer Erbengemeinschaft an einem in der ehemaligen DDR belegenen Grundstück wird von § 25 Abs. 2 RAG-DDR erfasst.

Tatbestand

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Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

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1.

Der Senat ist - ebenso wie das Landgericht - der Auffassung, dass die Beklagte als gesetzliche Erbin zu 1/4 nach dem am 25.6.1985 an seinem Wohnsitz in Hamburg verstorbenen H. B. (Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB, Art. 24 Abs. 1, 25 EGBGB a.F. i.V.m. §§ 1925 Abs. 1, 1931 Abs. 1 Satz 1, 1371 BGB) kein gesamthänderisches Eigentum an dem inzwischen veräußerten Grundstück hatte, das in dem Gebiet der früheren DDR be-

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legen ist und an dem H. B. seinerseits bis zu seinem Tode als Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach der am 14.4.1975 verstorbenen E. B. zu 1/2 beteiligt war. Denn in Bezug auf diese gesamthänderische Beteiligung an dem Grundstück ist mit dem Tode von H.B. Nachlassspaltung eingetreten. Alleinige gesetzliche Erbin insoweit nach H. B. ist dessen Ehefrau, die Rechtsvorgängerin der Klägerin, geworden.

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Entsprechend § 25 Abs. 2 RAG-DDR i.V.m. Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB, Art. 28 EGBGB a.F. (= Art. 3 Abs. 3 EGBGB n.F.) bestimmen sich "die erbrechtlichen Verhältnisse" nach dem am 25.6.1985 an seinem Wohnsitz in Hamburg verstorbenen H.B. "in Bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden" im Gebiet der früheren DDR nach dem damals dort geltenden Recht (vgl. BGH DtZ 1996, 84). Alleinerbin in Bezug auf die gesamthänderische Beteiligung, die H.B. als Mitglied der Erbengemeinschaft nach E. B. an dem Grundstück innehatte, ist somit nach § 25 Abs. 2 RAG-DDR i.V.m. § 366 ZGB-DDR dessen Ehefrau, die Rechtsvorgängerin der Klägerin geworden, sofern es sich bei dieser Beteiligung um Eigentum oder andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden" i.S.v. § 25 Abs. 2 RAG-DDR handelte.

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Zu dieser zwischen den Parteien streitigen Rechtsfrage ist - soweit ersichtlich - bisher lediglich der Beschluss des OLG Dresden vom 22.5.1997 (dem wesentlichen Inhalt nach) veröffentlicht worden (DNotI-Report 1997, 179). Darin wird im Anschluss an die Ausführungen von Schotten/Johnen (DtZ 1991, 257, 260) unter Hinweis auf den Ausnahmecharakter dieser Norm ausgeführt, es trete keine Nachlassspaltung nach § 25 Abs. 2 RAG-DDR ein, wenn zum Nachlass der Anteil an einer ungeteilten Erbengemeinschaft mit einem Grundstück in der ehemaligen DDR gehört. In dem Beschluss des BayObLG vom 13.2.1995 (BayObLGZ 95, 79, 85) wird dies offen gelassen.

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Der Senat ist demgegenüber - ebenso wie das Landgericht - der Auffassung, dass die gesamthänderische Beteiligung des H. B. an dem Grundstück von § 25 Abs. 2 RAG-DDR erfasst wird. Diese Bestimmung, deren Zweck darin lag, für Eigentums- und Nutzungsverhältnisse an Grundstücken und Gebäuden in der früheren DDR deren "untrennbaren Zusammenhang mit der ökonomischen und sozialen Entwicklung" zu Gewähr leisten, ist in Übereinstimmung mit der Rechtspraxis der DDR auszulegen (BGHZ 124, 270, 276 f. [BGH 01.12.1993 - IV ZR 261/92]; BGH DtZ 1996, 84 f.). Danach wurden nicht nur das Grundstückseigentum, das Gebäudeeigentum und dingliche Rechte an Grundstücken und Gebäuden, sondern auch sog. grundstücksgebundene Forderungen (Steuern, Abgaben, Versicherungsbeiträge) sowie Guthaben, die aus Haus- und Grundstückserträgnissen entstanden waren und objektgebunden den devisenrechtlichen Bestimmungen der DDR unterlagen, von der Nachlassspaltung erfasst (BGH, DtZ 1996, 84 f.; OLG Zweibrücken, DtZ 1992, 360; Staudinger/Rauscher, BGB, 13. Auflage, Art. 235 § 1 EGBGB, Rdn. 18). Dementsprechend fällt auch die gesamthänderische Beteiligung des H. B. an dem Grundstück als Mitglied der ungeteilten Erbengemeinschaft nach E.B. unter § 25 Abs. 2 RAG-DDR.

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Diese Auslegung von § 25 Abs. 2 RAG-DDR findet eine bestätigende Parallele darin, dass Mitglieder einer Erbengemeinschaft gemäß §§ 2032 ff. BGB nach überwiegender Auffassung nicht nur Anteile zur gesamten Hand an dem Nachlass als solchem, sondern auch Anteile an den einzelnen Nachlassgegenständen haben (RGZ 94, 239, 243; BayObLGZ 82, 59, 67; Staudinger/Werner, a.a.O., § 2032 Rdn. 8) und dass die Veräußerung eines Grundstücks durch eine Erbengemeinschaft, an der ein Mündel beteiligt ist, der Genehmigung nach § 1821 Abs. 1 Zif. 1 BGB bedarf (BGH NJW 1971, 1805, 1807; Soergel/Damrau, BGB, 12.Aufl., Vor § 1821 Rdn. 6; Palandt/Diederichsen, BGB, 56. Aufl., § 1820 Rdn. 5 ff.). Der Wortlaut dieser Bestimmung "Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück" und von § 25 Abs. 2 RAG-DDR "erbrechtliche Verhältnisse in Bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden" entsprechen sich.

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Der in dem Beschluss des OLG Dresden vom 22.5.1997 (a.a.O.) im Anschluss an die Ausführungen von Schotten/Johnen (a.a.O.) hervorgehobene Ausnahmecharakter von § 25 Abs. 2 RAG-DDR ist demgegenüber für sich gesehen kein tragfähiges Auslegungskriterium (vgl. Schneider, Logik für Juristen, 4. Aufl., S. 141; Gast, Juristische Rhetorik, 2. Aufl., Rdn. 333).

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2.

Die Parteien als verbliebene Beteiligte an dem Nachlass von E. B. und H.B. sind sich darüber einig, dass der inzwischen aus dem Grundstück erzielte Verkaufserlös und der wegen Beschädigungen des Gebäudes gezahlte Betrag - unbeschadet der im Übrigen, insbesondere im Hinblick auf ein weiteres im Gebiet der ehemaligen DDR belegenes Grundstück, noch ausstehenden Auseinandersetzung - vorab zwischen ihnen verteilt werden soll. Bedenken gegen diese, nach § 423 ZGB ebenso wie nach § 2042 BGB (vgl. BGH NJW 1985, 51 f.; Palandt-Edenhofer, BGB, 56. Aufl., § 2042 BGB Rdn. 17 ff.) nur ausnahmsweise zulässige, gegenständlich beschränkte Teilauseinandersetzung bestehen nicht.

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3.

Der Senat folgt nicht der Anregung der Beklagten, die Revision zuzulassen. Denn die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO. Dass die Divergenz zu dem Beschluss des OLG Dresden vom 22.5.1997 (a.a.O.) diese nicht begründet, folgt bereits im Umkehrschluss aus § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO (vgl. OLG Bremen, OLGZ 80, 215, 217). Im Übrigen spricht gegen die Zulassung nach § 546 Abs. 1

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Satz 2 Nr. 1 ZPO, dass es sich bei § 25 Abs. 2 RAG-DDR um eine auslaufende Vorschrift handelt, zu der - soweit ersichtlich - bisher lediglich die Entscheidung eines Obergerichts veröffentlicht und die auch im Schrifttum noch nicht eingehend diskutiert worden ist (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 546 Rdn. 6 f.; Walchshöfer in: MüKo-ZPO, § 546 Rdn. 36 f.)

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 und 546 Abs. 2 ZPO.