Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 03.09.1997, Az.: 2 U 119/97
Anforderungen an die Beweisführung des Versicherungsnehmers im Diebstahlsfall; Vorliegen des äußeren Bilds eines Diebstahls bei Erinnerungsverlust des Versicherungsnehmers; Möglichkeit der Aussetzung des zivilrechtlichen Verfahrens bis zur Erledigung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zum Zwecke der Zeugenermittlung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 03.09.1997
- Aktenzeichen
- 2 U 119/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 22712
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:0903.2U119.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 12 Nr. 1 I b AKB
- § 141 ZPO
- § 373 ZPO
- § 149 ZPO
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Minimalbeweis für das äußere Bild bedingungsgemäßer Entwendung in der Fahrzeugversicherung auch bei Gedächtnisverlust des VN.-
- 2.
Keine Aussetzung nach § 149 ZPO zwecks Zeugenermittlung.
Gründe
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen gemäß § 12 Nr. 1 I b AKB. Sie hat die behauptete Entwendung des Fahrzeugs nicht bewiesen.
Zwar sind an die Beweisführung des Versicherungsnehmers im Diebstahlsfall keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, da sonst der Wert der Diebstahlsversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung von vornherein in Frage gestellt wäre. Deshalb erbringt der Versicherungsnehmer den ihm obliegenden Beweis in aller Regel schon dann, wenn er Tatsachen vorträgt und im Bestreitensfall beweist, aus denen sich das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung ergibt (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH NJW 1995, 2169; Senat VersR 1996, 840). Das äußere Bild eines Diebstahls ist im Allgemeinen schon dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später gegen seinen Willen nicht mehr vorfindet (BGH a.a.O.; Römer, NJW 1996, 2329 ff).
Mangels Erinnerungsvermögens des Geschäftsführers der Klägerin ist durch dessen gemäß § 141 ZPO erfolgte Anhörung vor dem Landgericht der notwendige Beweis für das äußere Bild eines Diebstahls jedoch nicht erbracht. Auf die zutreffende Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil wird verwiesen. Dagegen bringt die Berufung auch nichts vor. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Tatsachenvortrags lediglich behauptet, dass ihr Geschäftsführer auf Grund einer früher erlittenen Gehirnblutung zu entsprechenden Darlegungen nicht mehr in der Lage sei. Der in diesem Zusammenhang vorgetragenen Rechtsauffassung, der Beweis der Tatsachen für das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung sei nicht zu fordern, wenn der Versicherungsnehmer aus gesundheitlichen Gründen zu entsprechenden Darlegungen nicht fähig sei, folgt der Senat nicht. Andernfalls müsste der gesundheitsbedingt an Erinnerungslücken leidende Versicherungsnehmer zum Eintritt des Versicherungsfalls in der Regel nichts beweisen. Anspruchsvoraussetzung wäre im Ergebnis insoweit lediglich der Wunsch auf Zahlung der Versicherungsleistung. Dass dies nicht richtig ist, bedarf keiner Ausführungen.
Die Klägerin hat auch nicht den Vollbeweis für den Diebstahl des Fahrzeugs geführt. Ihre Behauptung, S habe den Diebstahl begangen, hat der Zeuge O nicht bestätigt.
Eine Vernehmung des Zeugen S wird abgelehnt. Der Zeuge ist unerreichbar, da dessen ladungsfähige Anschrift unbekannt ist und dieser Zustand auf unabsehbare Zeit voraussichtlich fortbestehen wird. Die Klägerin ist nicht in der Lage, die Anschrift des Zeugen zu ermitteln. Dies hat sie nach entsprechender Fristsetzung durch den Senat ausdrücklich eingeräumt. Auch steht nicht zu erwarten, dass in absehbarer Zeit im Rahmen des gegen S gerichteten Ermittlungsverfahrens der Aufenthaltsort des Zeugen bekannt werden wird. Der Zeuge ist bereits seit über einem Jahr, nämlich seit dem 19.04.1996, erfolglos zur Aufenthaltsermittlung von der Staatsanwaltschaft O ausgeschrieben. Ferner ist er seit längerem von der Staatsanwaltschaft H zur Verhaftung ausgeschrieben, wie sich aus einem Vermerk der Kriminalpolizei ergibt. Auch der Zeuge O konnte keine konkreten Angaben zum Aufenthaltsort des S machen, sondern nur angeben, eine Schwester des S habe ihm vor ca. einem Jahr berichtet, dieser sitze in Russland bzw. in der Ukraine in Untersuchungshaft.
Es besteht schließlich kein Anlass zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 149 ZPO bis zur Erledigung des Ermittlungsverfahrens gegen S. Zweck der Aussetzung ist es, dem infolge der Verhandlungsmaxime zur Wahrheitsermittlung nur bedingt geeigneten Zivilprozess die im Strafverfahren besseren Erkenntnismöglichkeiten zunutze zu machen und widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Dabei steht es im Ermessen des Gerichts, ob es der Beschleunigung des Zivilprozesses den Vorrang gibt oder die besseren Erkenntnismöglichkeiten des Strafverfahrens nutzen will (Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., § 149 Rdn. 1a). Vorliegend ist zu bedenken, dass eine Aussetzung jedenfalls zunächst nur dem Zweck dienen könnte, die ladungsfähige Anschrift des Zeugen S zu ermitteln. Dabei handelt es sich um eine grundsätzlich allein der sich auf den Zeugen berufenden Partei obliegende Pflicht, § 373 ZPO. Ob unter Umständen auch die Beschaffung der ladungsfähigen Anschrift eines Zeugen überhaupt vom Anwendungsbereich des § 149 ZPO erfasst wird, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist im Rahmen der Ermessensausübung zu beachten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aussetzung einerseits zu einer erheblichen Verzögerung des Rechtsstreits führen würde, andererseits die Ermittlung der Anschrift des Zeugen unwahrscheinlich ist. Denn wie bereits dargelegt, ist der Zeuge bereits seit über einem Jahr ohne Erfolg zur Aufenthaltsermittlung bzw. Verhaftung ausgeschrieben. Es fehlt zudem - wie ebenfalls schon ausgeführt - an konkreten Anhaltspunkten für den Aufenthaltsort des Zeugen. Unter diesen Umständen ist dem Beschleunigungsgebot des Zivilprozesses der Vorrang einzuräumen.