Landgericht Göttingen
Urt. v. 14.06.2011, Az.: 8 O 124/11
Vertraglich zwischen Finanzdienstleistungsunternehmen und Handelsmakler vereinbartes Konkurrenzverbot besteht fort bei unwirksamer Kündigung eines Handelsmaklers; Auswirkungen eines vertraglich zwischen Finanzdienstleistungsunternehmen und Handelsmakler vereinbarten Konkurrenzverbots im Hinblick auf eine unwirksame Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 14.06.2011
- Aktenzeichen
- 8 O 124/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 29230
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2011:0614.8O124.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 86 HGB
- § 93 HGB
Redaktioneller Leitsatz
Die Ausübung des unternehmerischen Dispositionsrechts ist kein Grund, der das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer unzumutbar machen würde.
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren [...] hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen auf die mündliche Verhandlung vom 07.06.2011 durch die Richterin am Landgericht B. als Einzelrichterin für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Dem Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, bis zur Beendigung des mit der Verfügungsklägerin bestehenden Handelsvertreterverhältnisses (30. Juni 2011) im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs eine konkurrierende Tätigkeit zu der Verfügungsklägerin auszuüben, insbesondere für ein Konkurrenzunternehmen der Verfügungsklägerin, das sich mit dem Vertrieb von Versicherungen, Bausparverträgen, Immobilien- und Kapitalanlageprodukten sowie Finanzierungen befasst, tätig zu werden und/oder sich an einem Konkurrenzunternehmen direkt oder Indirekt, mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen oder dieses in anderer Weise zu unterstützen.
- 2.
Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung I. H. v. 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um Finanzdienstleistungsunternehmen, das als Handelsmaklerin gem.§ 93 HGB tätig ist und sich u.a. mit der Beratung, Betreuung und Vermittlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungsverträgen befasst. Der Verfügungsbeklagte ist seit dem 1. Mai 2009 als selbständiger Handelsvertreter für die Verfügungsklägerin tätig und beschäftigt sich insbesondere mit der Vermittlung von Versicherungen, Bausparverträgen, Finanzierungen, Immobilien, Kapitalanlagen und Maklerverträgen. Die Beteiligten schlössen zunächst im April/Mai 2009 den als Anlage AS 2 vorgelegten Finanzberatervertrag, auf dessen Grundlage der Verfügungsbeklagte bei der Verfügungsklägerin die Position eines Finanzberaters übernahm (Ziff. 2.5). Unter dem 31. Januar/8. Februar 2011 schlössen die Parteien einen weiteren Finanzberatervertrag, welcher vollumfänglich an die Stelle des ursprünglichen Vertrages trat und diesen ersetzte (Anlage AS 3). Ausweislich Ziff. 7 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Finanzberatervertrag (Anlage 1 d. Vertrages) unterliegt der Verfügungsbeklagte für die Dauer seines Vertragsverhältnisses mit der Verfügungsklägerin einem Wettbewerbsverbot.
Mit Schreiben vom 10. März 2011 kündigte der Verfügungsbeklagte den Finanzberatervertrag ordentlich zum nächstmöglichen Termin (Anlage AS 6). Die Verfügungsklägerin bestätigte mit Schreiben vom 18. März 2011 das Ende des Finanzberatervertrages zum 30. Juni 2011 (Anlage AS 7). Unter dem 11. April 2011 legitimierte sich der Verfügungsbeklagtenvertreter und kündigte per Telefax an, für den Verfügungsbeklagten die fristlose Kündigung des Finanzberatervertrages ausgesprochen zu haben (Anlage AS 11). Unter dem 12. April 2011 ging die ausgesprochene fristlose Kündigung bei der Verfügungsklägerin ein (Anlage AS 12). Ein Kündigungsgrund war nicht enthalten. Die Verfügungsklägerin wies mit Schreiben vom 13. April 2011 die fristlose Kündigung zurück (Anlage AS 13). Gleichzeitig forderte sie den Verfügungsbeklagten auf, bis zum 19. April 2011 zu erklären, dass er sich an seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Finanzberatervertrag, insbesondere das Wettbewerbsverbot, halten werde. Eine Rückäußerung erhielt die Verfügungsklägerin nicht.
Der Verfügungsbeklagte ist zwischenzeitlich für die M. AG mit Sitz in E. tätig. Bei der M. AG handelt es sich ebenfalls um ein Finanzdienstleistungsunternehmen.
Die Verfügungsklägerin begehrt die Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen von dem Verfügungsbeklagten, insbesondere in der Form der Aufnahme einer im Verhältnis zu ihr stehenden Konkurrenztätigkeit.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
wie erkannt.
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Verfügungsbeklagte rügt zunächst die sachliche, hilfsweise auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Er ist der Auffassung, es handele sich um eine arbeitsgerichtliche Streitigkeit.
Der Verfügungsbeklagte ist weiter der Ansicht, das Vertragsverhältnis der Parteien habe am 30.04.2011 schon aufgrund der ordentlichen Kündigung vom 10.03.2011 geendet. Weil ein neuer Vertrag an die Stelle des bisherigen Vertrages getreten sei, sei der bisherige Vertrag der Parteien mit Wirkung vom 01.03.2011 an nicht mehr existent. Aus Ziff. 6 des neuen Vertrages ergebe sich, dass das Vertragverhältnis im ersten Jahr der Zusammenarbeit mit einer Frist von 1 Monat gekündigt werden könne.
Der Verfügungsbeklagte trägt weiter vor, aus seiner eidesstattlichen Versicherung (Bl. 44 ff. d.A.) gehe eindeutig hervor, dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Finanzberatervertrages vorgelegen habe und die außerordentliche Kündigung daher wirksam sei. Er sei davon ausgegangen, dass es sich bei der Klägerin um ein unabhängiges Unternehmen handele. Dies sei wegen der geplanten Beteiligung der S. indes nicht der Fall.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war stattzugeben. Die Verfügungsklägerin hat sowohl einen Verfügungsanspruch wie auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.
Die Zuständigkeitsrüge des Verfügungsbeklagten ist unbegründet, weit die ordentlichen Gerichte zuständig sind (§ 13 GVG). insbesondere ist nicht das Arbeitsgericht gem. § 5 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz zuständig. Voraussetzung dafür wäre, dass der Verfügungsbeklagte als Einfirmenvertreter i.S.v. § 92 a HGB anzusehen wäre, was indes nicht der Fall ist. Einfirmenvertreter nach § 92 a Z HGB ist derjenige Handelsvertreter, dem die Tätigkeit für einen anderen Unternehmer entweder aufgrund seines Handelsvertretervertrages verboten (Einfirmenvertreter kraft Vertrages) oder wegen Art und Umfang der von ihm geschuldeten Dienstleistungen tatsächlich nicht möglich ist (Einfirmenvertreter kraft Weisung). Im Falle des Einfirmenvertreters kraft Vertrages muss der Handelsvertretervertrag eine weitere gewerbliche Betätigung ausdrücklich untersagen oder von einer Genehmigung des Unternehmers abhängig machen. Nur mittelbar wirkende vertragliche Einschränkungen einer weiteren Betätigung wie ein Wettbewerbsverbot oder das Gebot, die volle Arbeitskraft der Erfüllung des Vertrages zu widmen, begründen die Eigenschaft als Einfirmenvertreter kraft Vertrages hingegen nicht. Vorliegend wurde dem Verfügungsbeklagten nach Ziff. 7 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen der Verfügungsklägerin zu dem zwischen den Parteien geschlossenen Handelsvertretervertrag lediglich eine nach § 86 HGB ohnehin verbotene Konkurrenztätigkeit untersagt. Dem Verfugungsbeklagten steht es dagegen frei, als Handelsvertreter Produkte und Dienstleistungen aus anderen Branchen zu vertreiben.
Hierzu bedarf er nach dem Vertrag auch nicht der Genehmigung der Verfügungsklägerin.
Der Verfügungsbeklagte kann dem auch nicht entgegenhalten, ihm sei faktisch eine andere Tätigkeit nicht möglich gewesen. Der Vortrag, er habe sich tagein tagaus mit seiner neuen beruflichen Tätigkeit befasst und sich nicht selten bis spät abends im Büro aufgehalten, ist nicht hinreichend substantiiert. Gegen eine Einfirmenvertretereigenschaft des Verfügungsbeklagten spricht insbesondere auch das geringe Provisionsaufkommen, welches er im Vertragszeitraum erwirtschaftet hat.
Der Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin ergibt sich aus dem zwischen den Parteien im Vermittlervertrag vereinbarten Konkurrenzverbot. Da der Vertrag noch bis zum 30.06.2011 fortbesteht, gilt auch die im Vertrag enthaltene Konkurrenzklausel bis zu diesem Zeitpunkt. Eine frühere Vertragsbeendigung ist nicht gegeben. Insbesondere hat der Vertrag nicht durch die ordentliche Kündigung des Antragsgegners vom 30.06.2011 schon am 30.04.2011 geendet. Gem. Ziff. 6 des zweiten Finanzberatervertrages ist das Vertragsverhältnis unbefristet. Es kann im ersten Jahr der Zusammenarbeit mit einer Frist von 1 Monat, im zweiten Jahr mit einer Frist von 3 Monaten und ab dem dritten Jahr mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden. Für die Berechnung der Kündigungsfrist gilt der Beginn des vorangegangenen Finanzberatervertrages zwischen den Parteien als maßgeblich. Aus dieser Vorschrift ergibt sich somit eindeutig, dass es zur Bemessung der Länge der Kündigungsfrist auf den 1. Mai 2009 und damit auf den Zeitpunkt, zu dem der Verfügungsbeklagte seine Tätigkeit für die Verfügungsklägerin aufgenommen hat, ankommt. Unklarheiten der Vertragsklausel sind nicht ersichtlich. Ziff. 6 des Finanzberatervertrages ist klar formuliert.
Die von dem Verfügungsbeklagten ausgesprochene fristlose Kündigung ist unwirksam. Ein Kündigungsgrund ist nicht ersichtlich. Auch die in der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten vom 07.06.2011 vorgebrachten Erwägungen sind nicht als wichtiger Grund anzusehen. Insbesondere die geplante Beteiligung der S. bietet keinen Anlass, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Ein Unternehmer ist in seinen geschäftlichen Dispositionen grundsätzlich frei und hat das Recht, seinen Betrieb so einzurichten und ggf. umzugestalten, wie es ihm wirtschaftlich und sinnvoll erscheint. Dem Unternehmer ist es grundsätzlich unbenommen, selbständig zu disponieren und sein Vertriebssystem zu ändern, wenn er dies für zweckmäßig und erforderlich hält. Dazu gehört selbstverständlich auch, wirtschaftlich sinnvolle Beteiligungen einzugehen. Sofern dies einem Arbeitnehmer nicht gefällt, kann er das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen. Die Ausübung des unternehmerischen Dispositionsrechts stellt jedoch keinen Grund dar, der das Abwarten der ordentlichen Kündigungsfristen unzumutbar machen würde.
Die Verfügungsklägerin hat auch einen Verfügungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Im Übrigen ist die Aufnahme der Tätigkeit für die M. AG seitens des Verfügungsbeklagten nicht substantiiert bestritten worden.
Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war somit vollumfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.