Sozialgericht Aurich
Urt. v. 21.01.2015, Az.: S 44 AS 3530/14

Anspruch eines Sozialhilfeempfängers auf Gewährung einer Wohnungserstausstattung

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
21.01.2015
Aktenzeichen
S 44 AS 3530/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 11837
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGAURIC:2015:0121.S44AS3530.14.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Wohnungserstausstattung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der 1965 geborene Kläger bezieht seit Juli 2009 SGB II-Leistungen vom Beklagten. Er lebte bis wohl Frühjahr 2014 jahrelang in einem Pkw. Anschließend erwarb er einen gebrauchten Wohnwagen, in dem er nunmehr wohnt. Der Wohnwagen befindet sich unter der im Rubrum genannten Anschrift. Eine Versorgung des Wohnwagens mit Strom und Wasser ist auf dem Stellplatz nicht möglich. Der Kläger heizt mit Propangas. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 31.08.2014 u. a. die Gewährung einer Erstausstattung und verwies darauf, dass er acht Jahre in einem Auto gelebt habe. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.09.2014 ab. Zur Begründung führte er aus, dass das Wohnen in einem Wohnwagen nicht einem üblichen Wohnraum entspreche und der Kläger die Möglichkeit der Anmietung einer Wohnung habe oder in einer städtischen Unterkunft unterkommen könne. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 16.09.2014 Widerspruch ein. Er machte geltend, dass eine Erstausstattung von ihm nach achtjährigem Leben in einem Auto dringend benötigt werde. Im Widerspruchsverfahren erfolgte am 22.09.2014 ein sog. Hausbesuch bei dem Kläger durch den Ermittlungsdienst des Beklagten. In dem Bericht zu diesem Besuch wurde u. a. festgehalten, dass es sich um einen 2 x 5 Meter großen und ca. 40 Jahre alten Wohnwagen handele, den der Kläger ausbauen wolle. Der Wohnwagen sei nur bedingt für eine dauerhafte Nutzung ausgelegt. Der Wagen sei nicht wärmeisoliert und werde über kurz oder lang durch sein hohes Alter und den teilweisen Zerfall seine strukturelle Integrität verlieren. Anschließend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2014 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. In den Gründen führte er aus, dass der sehr alte, baufällige Wohnwagen keine Wohnung im Sinne des SGB II sei, da er nicht "vor den Unbilden der Witterung" schütze, sondern hierzu erst entsprechend isoliert werden müsse. Zudem sei festgestellt worden, dass der Wohnwagen durch sein hohes Alter und den teilweisen Zerfall über kurz oder lang seine strukturelle Integrität verlieren werde. Gegen diese Entscheidung des Beklagten hat der Kläger am 10.11.2014 Klage beim Sozialgericht Braunschweig erhoben und verfolgt damit sein Begehren weiter. Er trägt zur Klagebegründung im Wesentlichen vor: Er benötige eine Kochstelle (Gaskocher), Geschirr, Besteck, eine Waschmaschine, Beleuchtung, Radio und einen Fernseher. Außerdem brauche er einen Bodenbelag und Wandverkleidung für die Renovierung. Für sein Mobiliar benötige er Stoffe, eine Fußmatte und Schaumstoff für eine Sitzecke. Er benötige auch eine Solaranlage, um sich mit Strom zu versorgen. Er wünsche einen Pauschalbetrag, um sich all die aufgeführten Dinge nach und nach zu beschaffen. Zudem stimme es nicht, dass sein Wohnwagen nichts wert sei. Es sei ihm von einem Ingenieur bestätigt worden, dass der Wohnwagen noch jahrelang bewohnbar sei. Außerdem entstünden für den Beklagten keine Mietkosten, wenn er weiterhin in dem Wohnwagen bleiben könne.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 zu verurteilen, ihm eine Wohnungserstausstattung zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er beruft sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer entscheidet nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind hierzu in der Sitzung am 09.01.2015 gehört worden. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 16.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Wohnungserstausstattung. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst. Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht, § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Wohnungserstausstattung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind hier nicht erfüllt, da der Wohnwagen des Klägers keine Wohnung im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Eine Wohnung im Sinne des § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II ist eine Einrichtung bzw. Unterkunft, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre gewährleistet sowie die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse (z.B. Essen, Trinken, Schlafen) auf Dauer ermöglicht. Die Kammer hat bei dieser Definition den vom Bundessozialgericht (BSG) bei § 22 SGB II herangezogenen Begriff der "Unterkunft" (vgl. BSG, Urteil v. 17.06.2010, B 14 AS 79/09 R, zitiert nach Rn. 10) um die Komponente der Befriedigung existentieller menschlicher Bedürfnisse ergänzt. Denn der bloße Schutz vor der Witterung und die Gewährleistung einer Privatsphäre genügen ersichtlich nicht, um den Ansprüchen an ein nicht nur vorübergehendes, menschenwürdiges Wohnen in einer Unterkunft zu genügen. Es muss vielmehr gesichert sein, dass auch andere menschliche Grundbedürfnisse, deren Befriedigung eine Wohnung üblicherweise dient, in der Unterkunft befriedigt werden können. Zudem ist eine Wohnung begrifflich ein Spezialfall einer Unterkunft. Daher sind nach Ansicht der Kammer gegenüber dem Unterkunftsbegriff nach § 22 SGB II weitergehende Anforderungen an den Wohnungsbegriff gem. § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II zu stellen. Den genannten Anforderungen an eine Wohnung entspricht der Wohnwagen des Klägers nicht. Obwohl Wohnwagen und Wohnmobile nach dem bereits erwähnten Urteil des BSG eine Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II darstellen, erfüllt ein Wohnwagen die Voraussetzungen für eine Wohnung gem. § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - auf seinem Abstellplatz eine Versorgung mit Wasser und Strom nicht gewährleistet ist. Der Kläger verfügt in seinem Wohnwagen auf dem derzeitigen Stellplatz über keine Wasserversorgung. Er bezieht sein Wasser nach seinen Erklärungen aus Trinkflaschen aus dem Einzelhandel. Auch eine Stromversorgung ist im Wohnwagen des Klägers nicht gegeben, daher fordert er hier vom Beklagten u. a. die Übernahme der Kosten für eine Solaranlage. Ohne Strom- und Wasserversorgung ist aber die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse nicht dauerhaft gewährleistet. In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass bei einer längeren Stromsperre im Rahmen der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 SGB II überwiegend von einer mit Wohnungslosigkeit vergleichbaren Situation ausgegangen wird (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 13.03.2012, L 2 AS 477/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 22.06.2006, L 25 B 459/06 AS ER; SG Bremen, Beschluss v. 05.04.2011, S 23 AS 497/11 ER; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn. 244). Danach gehört auch die das Bewohnen einer Wohnung im üblichen Rahmen gewährleistende Energieversorgung zum menschwürdigen Existenzminimum (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O., zitiert nach Rn. 31). Demnach kann eine Unterkunft ohne Strom- und Wasserversorgung den Anforderungen an eine menschenwürdige Wohnung nicht genügen. Die Kammer lässt dahinstehen, ob der Wohnwagen des Klägers auch wegen der Beheizung mit Propangas unter Verwendung von Gasflaschen keine Wohnung darstellt. Denn die Anforderungen an eine Wohnung sind bereits wegen der fehlenden Wasser- und Stromversorgung nicht erfüllt. Schließlich ist es entgegen der Ansicht des Klägers für den Anspruch auf Wohnungserstausstattung unbeachtlich, dass der Beklagte ihm eine Brennstoffbeihilfe für die Beschaffung von Propangas gewährt hat. Eine verbindliche Anerkennung des Wohnwagens als Wohnung i. S. d. § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II oder die Zusicherung der Gewährung einer Erstausstattung folgt aus dem entsprechenden Bescheid nicht. Eine Erstausstattung kann der Kläger somit erst dann beanspruchen, wenn sein Wohnwagen - etwa nach einer Umsetzung auf einen anderen Stellplatz - den o. g. Anforderungen entspricht oder er eine Mietwohnung bezieht. Einen Umzug in eine normale Wohnung lehnt der Kläger indes kategorisch ab. Nach alledem besteht kein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten. Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.