Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.02.2024, Az.: 1 B 457/23

Anwendungsbestimmung; fall-back zRMS; Glyphosat; Methodenvorbehalt; NT307-90; NT308; Pflanzenschutz; Pflanzenschutzmittel; Pflanzenschutzrecht; Vorsorgeprinzip; Zulassung von Pflanzenschutzmitteln; Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 zum Schutz der Biodiversität; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
22.02.2024
Aktenzeichen
1 B 457/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 11100
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0222.1B457.23.00

Amtlicher Leitsatz

Der Berücksichtigung von Auswirkungen auf Nichtziel-Pflanzen auf der Anwendungsfläche steht nach Art 4 Abs 3 Buchstabe e) iii) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entgegen, dass die EFSA noch keine anerkannten wissenschaftlichen Methoden zur Bewertung derartiger Auswirkungen festgelegt hat, so dass diese Effekte im Rahmen der Risikobewertung weder als direkte noch indirekte Auswirkungen berücksichtigt werden dürfen. Das in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Vorsorgeprinzip kann nur innerhalb des Bewertungsvorgangs bzw. bei der abschließenden Beurteilung des Bewertungsergebnisses zum Tragen kommen und ist nicht geeignet, den in Art. 4 Abs. 3 Buchstabe e) der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 speziell geregelten Bewertungsgegenstand zu erweitern.

Beschluss
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 1. Kammer - am 22. Februar 2024 beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage (1 A 434/23) gegen die im Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit der festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT370-90 und NT308.

Bei der Antragstellerin handelt es sich um ein international tätiges Unternehmen, welches Pflanzenschutzmittel herstellt sowie vertreibt und Inhaberin verschiedener pflanzenschutzrechtlicher Zulassungen ist. Bei dem streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel E. handelt es sich um ein Herbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission vom 12. Dezember 2017 wurde die Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat bis zum 15. Dezember 2022 erneuert. Nachdem die Laufzeit der Genehmigung für Glyphosat im Dezember 2022 bis zum 15. Dezember 2023 verlängert worden war (Durchführungsverordnung (EU) 2022/2364), erneuerte die Kommission mit der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 vom 28. November 2023 die Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat bis zum 15. Dezember 2033.

Die Antragstellerin beantragte am 14. März 2018 bei der Beklagten die Erneuerung der Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. gemäß Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 im zonalen Zulassungsverfahren (ZV4-Antrag) mit Großbritannien als prüfendem Mitgliedstaat (zRMS) und mit der Antragsgegnerin als beteiligtem Mitgliedstaat (cMS). Großbritannien schloss im Oktober 2019 seine Bewertung ab und übermittelte den endgültigen Bewertungsbericht (Registration Report) an die beteiligten Mitgliedstaaten.

Im Core Assessment des Registration Report aus Januar 2018 gelangte Großbritannien in Part B, Kapitel 9.7.3 ("Effects on arthropods other than bees") zu der Einschätzung, dass für die vorgeschlagenen Verwendungen keine annehmbaren Risiken für Nichtziel-Arthropoden im Feld nachgewiesen worden seien. Höherwertige Studien seien nicht vorgelegt worden. Für die Verwendung außerhalb des Feldes seien dagegen bereits auf der ersten Stufe annehmbare Risiken für Nichtziel-Arthropoden nachgewiesen worden. In Part B, Kapitel 9.10 des Bewertungsberichts stellte Großbritannien hinsichtlich des Risikos für Nichtziel-Pflanzen ("Effects on non-target terrestrial plants") fest, dass bei der Ausbringungsmenge von höchstens 1500 g a.s./ha ein akzeptables Risiko in 1 m Höhe nachgewiesen worden sei. Den sich aus dem "worst-case"-Expositionsszenario ergebenden Risiken für die Wuchskraft der Nichtziel-Pflanzen könne durch die Einrichtung einer 5m-Pufferzone durch die Mitgliedstaaten begegnet werden. Eine Auswertung des prüfenden Mitgliedstaats Großbritannien hinsichtlich der indirekten Auswirkungen der Anwendung des Pflanzenschutzmittels E. auf die Biodiversität bzw. Auswirkungen auf Nahrungsnetze enthält der Bewertungsbericht hingegen nicht.

Zum 31. Januar 2020 verließ Großbritannien die Europäische Union (Brexit). Die Kommission vertrat in ihrem Schreiben "Notice to stakeholder - Withdrawl of the United Kingdom and EU rules on plant protection products" vom 25. Mai 2020 die Auffassung, dass bei Anträgen, bei denen Großbritannien als zRMS fungiert habe, die Rolle des zRMS von einem EU-Mitgliedstaat übernommen werden müsse, wenn - wie im vorliegenden Fall - Großbritannien seine nationale Zulassung nicht vor dem Brexit erteilt habe. Deutschland übernahm die Rolle des "fall-back zRMS" und agierte als Ausweich-zRMS.

Das Julius Kühn-Institut (JKI) erteilte sein Benehmen mit Schreiben vom 17. Dezember 2019, mit Schreiben vom 31. Januar 2020 erteilte das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) ebenfalls sein Benehmen. Das Umweltbundesamt (UBA) erklärte mit Schreiben vom 4. Februar 2020 sein eingeschränktes Einvernehmen unter der Voraussetzung, dass die Anwendungsbestimmung NT (neu-Ackerbegleitflora) festgesetzt wird. Alternativ erteilte es das Einvernehmen ohne die genannte Anwendungsbestimmung lediglich für eine zeitlich verkürzte Ergänzungszulassung bis zum 31. Dezember 2020.

Die Anwendungsbestimmung NT (neu- Ackerbegleitflora) sah insbesondere vor, dass zum Schutz der nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora die Anwendung des Pflanzenschutzmittels nur auf maximal 9/10 der zu behandelnden Anbaufläche erfolgen dürfe. Zur Begründung führte das UBA in den Schreiben vom 4. Februar 2020, 2. März 2020 und 26. August 2020 im Wesentlichen aus, dass die Anwendungsbestimmung NT (neu-Ackerbegleitflora) erforderlich sei, weil die Bewertung der Auswirkungen auf Nichtziel-Pflanzen bereits für Saumbiotope ohne zusätzliche Minderungsmaßnahmen ein unannehmbares Risiko aufzeigen würde. Im Vergleich dazu seien Nichtziel-Pflanzen auf den Anbauflächen einer ungleich höheren Exposition und einem entsprechend höheren Risiko einer nachhaltigen Schädigung ausgesetzt. Die Auswirkungen auf Nichtziel-Pflanzen auf den Anbauflächen wären aufgrund der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland ohne hinreichende Risikominderungsmaßnahmen unannehmbar hoch. Der in der Anwendungsbestimmung festgelegte Anteil von 10% unbehandelter Teilfläche könne das Risiko deutlich reduzieren. Die Anwendungsbestimmung NT (neu-Ackerbegleitflora) begründe sich zudem aus der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 vom 12. Dezember 2017. Diese schreibe den Mitgliedstaaten vor, mittelbare Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, in der Risikobewertung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel zu berücksichtigen und diese ggf. zu mindern. Dies gelte auch ohne Verfügbarkeit einer von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) akzeptierten Bewertungsmethode. Aus dem Erfordernis einer Risikominderung für nicht zu bekämpfende Arten der Ackerbegleitflora auf den Anwendungsflächen aufgrund unmittelbarer Auswirkungen leite sich die fachliche Notwendigkeit zur Vergabe der Anwendungsbestimmung NT (neu-Ackerbegleitflora) zur Minderung des Risikos für die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen (d.h. aufgrund mittelbarer Auswirkungen) ab. Denn die mittelbaren Auswirkungen würden aus den unmittelbaren Auswirkungen auf die Organismen der jeweils niedrigeren trophischen Ebene im Nahrungsnetz resultieren.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2020 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel E. und setzte das Gültigkeitsende der Zulassung auf den 15. Dezember 2023 fest. Für die Anwendungen -001, -002, -003, -004, -006, -007, -008, -010 und -011, hinsichtlich derer das UBA sein vorbehaltloses Einvernehmen wegen der von ihm für erforderlich gehaltenen Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT (neu-Ackerbegleitflora) beschränkte, befristete sie die Zulassung abweichend auf den 31. Dezember 2020. Die Festsetzung des Gültigkeitsendes auf den 15. Dezember 2023 begründete sich entsprechend der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin mit dem damaligen Endzeitpunkt der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat zum 15. Dezember 2022 gemäß Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 plus ein Jahr. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 informierte die Antragsgegnerin die übrigen beteiligten Mitgliedstaaten über die erteilte Zulassung und wies darauf hin, dass der finalisierte und von Großbritannien bereitgestellte Registration Report (Part B und C) gültig bleibe.

Auf den Widerspruch der Antragstellerin vom 18. Dezember 2020 gegen die Befristung der Zulassung für die Anwendungen -001, -002, -003, -004, -006, -007, -008, -010 und -011 stellte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Februar 2011 (richtig muss es 2021 heißen) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Nds. OVG, Beschl. v. 10.10.2019 - 10 ME 191/19 -, juris) fest, dass dem Widerspruch bis zum 15. Dezember 2023 aufschiebende Wirkung zukommt.

Aufgrund des drohenden Ablaufs der Gültigkeit der Zulassung und dem drohenden Ende der aufschiebenden Wirkung des Anfechtungswiderspruchs am 15. Dezember 2023 beantragte die Antragstellerin am 18. August 2023 beim erkennenden Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss vom 15. November 2023 verpflichtete die Kammer die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, die Geltungsdauer der Zulassung des Pflanzenschutzmittels E. für die Anwendungen -005 und -009 auf den 15. Dezember 2024 festzulegen (1 B 339/23). Im Übrigen wurde der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.

In Bezug auf ein anderes Pflanzenschutzmittel stellte das erkennende Gericht in seinem Urteil vom 29. September 2021 (1 A 130/21) die Rechtswidrigkeit der ursprünglich vom UBA geforderten Anwendungsbestimmung NT (neu- Ackerbegleitflora) fest. Das UBA aktualisierte daraufhin sein Einvernehmen mit Schreiben vom 4. Dezember 2023 dahingehend, dass es sein Einvernehmen für die Anwendungen -003- bis -007 und -009 bis -016 versagte. Dabei verwies es auf das Core Assessment des Registration Reports Großbritanniens Part B, Kapitel 9.7.3, wonach ein akzeptables Risiko für Nichtziel-Arthropoden auf den Anwendungsflächen nicht nachgewiesen worden sei. Higher-Tier-Studien zur Entkräftung des Risikos seien durch die Antragstellerin nicht vorgelegt worden. Da die direkten Auswirkungen bereits unannehmbar hoch seien, bestehe keine Notwendigkeit einer Bewertung möglicher indirekter Auswirkungen auf Arthropoden und Wirbeltiere. In Bezug auf die Anwendungen -001,-002 und -008 führte das UBA im Schreiben vom 4. Dezember 2023 aus, dass solche Anwendungen bei Zulassungen von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln auszunehmen seien, da nach § 3b Abs. 5 i. V. m. Anlage 3 Abschnitt A Nummer 4 oder 5 PflSchAnwV die Spätanwendung vor der Ernte mit Glyphosat- und Glyphosat-Trimesium-haltigen Pflanzenschutzmitteln untersagt sei. Daher nehme es keine weitergehende Bewertung für diese Anwendungen vor.

Für sein eigenes Hoheitsgebiet fertigte die Antragsgegnerin das sog. National Addendum Germany zum Registration Report (November 2023) an. In Part B Kapitel 9.2.2 des National Addendum Germany (indirekte Auswirkungen auf Vögel über trophische Wechselwirkungen) merkt das UBA bzw. die Antragsgegnerin an, dass Großbritannien als zRMS keine Bewertung der indirekten Auswirkungen der Anwendung des Pflanzenschutzmittels E. auf die Biodiversität bzw. der Auswirkungen auf Nahrungsnetze durchgeführt habe, obwohl Großbritannien hierzu nach den Bestimmungen der Kommission in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 vom 12. Dezember 2017 verpflichtet gewesen sei. Deshalb habe es die fehlende Risikobewertung für indirekte Auswirkungen auf höhere trophische Ebenen, einschließlich Vögel und Säugetiere, durch die Verwendung von E. ergänzt. Dafür habe es ein eigenes Risikobewertungsschema entwickelt, welches sich in folgende drei Schritte gliedere: Im ersten Schritt werde das Potenzial für indirekte Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln über das Nahrungsnetz auf der Grundlage des Ausmaßes der direkten Auswirkungen auf Nichtziel-Pflanzen und Nichtziel-Arthropoden im Feld bewertet. Wenn in Schritt 1 ein hohes Potenzial für indirekte Wirkungen festgestellt werde, würden anschließend selektive Pflanzenschutzmittel auf Grundlage der Selektivität der herbiziden und/oder insektiziden Wirkung herausgefiltert werden (Schritt 2). Im dritten Schritt bewerte der jeweilige Mitgliedstaat, ob das ermittelte Potenzial für indirekte Auswirkungen über das Nahrungsnetz tatsächlich zu einer inakzeptablen Auswirkung auf die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Arthropoden und -Wirbeltieren unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedingungen führen könne. Auf der Grundlage dieses Bewertungsschemas sei das UBA bzw. die Antragsgegnerin zu dem Schluss gekommen, es bestünde ein hohes Risiko dafür, dass indirekte Auswirkungen durch Anwendungen von E. auf Ackerflächen (Anwendungen 003, 004, 006, 007, 010 und 011) das Nahrungsnetz in den Agrarlandschaften Deutschlands störten und zu inakzeptablen Auswirkungen auf die Vielfalt und Abundanz von terrestrischen Nichtziel-Arthropoden und Wirbeltieren, einschließlich Vögeln, führen könnten. Daher seien Risikominderungsmaßnahmen erforderlich, die darauf abzielten, eine ausreichende Menge an unbehandelten Brut- und Nahrungshabitaten zu schaffen, um indirekte Auswirkungen auf höhere trophische Ebenen zu verringern. Es werde vorgeschlagen, einen Teil der Anbaufläche unbehandelt zu lassen. Um dies zu gewährleisten sei die Festsetzung der Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 für die Anwendungsgebiete 003, 004, 006, 007, 010 und 011 vorgesehen.

Mit Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2023 hob die Antragsgegnerin die Befristung der Zulassung der Anwendungen -001 bis -004 und -006 bis -008 sowie -010 und -011 bis zum 31. Dezember 2020 auf und setzte als Zulassungsende den 15. Dezember 2024 fest. Daneben setzte sie die hier streitgegenständlichen Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 für die Anwendungen -003, -004, -006, -007, -010 und -011 mit folgendem Inhalt fest:

NT307-90

Zum Schutz der nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora als Lebensraum und Nahrungsgrundlage für Arthropoden und Wirbeltiere darf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels nur auf höchstens 9/10 des für die Anwendung vorgesehenen Schlages erfolgen.

Die unbehandelte Teilfläche dient diesen Arten als Überlebensraum. Sie darf daher keine Bereiche enthalten, in denen während des Kulturverlaufs andere Mittel angewendet werden, die mit Anwendungsbestimmungen zugelassen sind, deren Kode mit der Nummer NT307 beginnt.

Die Anwendung des Mittels muss in einer Breite von mindestens 20 m zur angrenzenden unbehandelten Teilfläche mit einem verlustmindernden Gerät erfolgen, das in das Verzeichnis "Verlustmindernde Geräte" gemäß der Bekanntmachung vom 10. September 2013 (BAnzAT 23.10.2013 B4) in der jeweils geltenden Fassung, mindestens in die Abdriftminderungsklasse 90 % eingetragen ist.

Die unbehandelte Teilfläche ist vorzugsweise als Randstreifen mit Mindestbreiten von 5 m und einem reduzierten Düngereinsatz vorzusehen.

NT308

Das Mittel gefährdet aufgrund seiner pflanzenschädlichen Wirkung die Lebensgrundlage von terrestrischen Nichtziel-Arthropoden. Das Mittel darf daher nicht auf unbehandelten Teilflächen angewendet werden, die der Erfüllung von Anwendungsbestimmungen dienen, deren Kode mit der Nummer NT306 beginnt.

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2023 insbesondere aus, dass auf der Grundlage des vom UBA vorgelegten Bewertungsberichts die Zulassung des Pflanzenschutzmittels E. für die Anwendungen -003, -004, -006, -007, -010 und -011 an die Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT307-90 und der NT308 geknüpft sei.

Im Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2023 begründete die Antragsgegnerin die Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT307-90 damit, dass der in dem streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel enthaltene Wirkstoff Glyphosat ein hohes Gefährdungspotenzial für terrestrische Nichtziel-Arthropoden und -Wirbeltiere aufgrund indirekter Auswirkungen über das Nahrungsnetz aufweise, welche aus den unmittelbaren Effekten auf terrestrische Nicht-Zielpflanzen resultierten. Gemäß Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat hätten die Mitgliedstaaten insbesondere darauf zu achten, das Risiko unannehmbarer Auswirkungen auf terrestrische Nichtziel-Arthropoden und -Wirbeltiere infolge indirekter Effekte über das Nahrungsnetz zu bewerten. Aus den Schlussfolgerungen der Risikobewertung im Genehmigungsverfahren für den Wirkstoff Glyphosat (Bewertungsbericht und EFSA Peer Review, 2015) ergäben sich dabei konkrete Bedenken aufgrund der Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen (Nahrungsnetzeffekte), welche sich nach Prüfung der Übertragbarkeit der Schlussfolgerungen aus dem Genehmigungsverfahren auf das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel und seine Verwendungsbedingungen bestätigt hätten.

Die Anwendungsbestimmung NT308 solle sicherstellen, dass bei der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels die aufgrund einer Anwendungsbestimmung, deren Code mit NT306 beginne, unbehandelt zu haltenden Teilflächen geschützt blieben. Die so unbehandelt bleibenden Teilflächen gemäß den Anwendungsbestimmungen NT306-X dienten dem Schutz der Populationen von Nichtziel-Arthropoden vor den direkten toxikologischen Auswirkungen der Anwendung des betreffenden Mittels. Diese Flächen hätten deshalb für den Erhalt der Arthropoden eine besonders große Bedeutung. Die Anwendung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels könne durch Nahrungsnetzeffekte (direkte Wirkung auf Nichtziel-Pflanzen, indirekte Wirkung auf Arthropoden) die Eignung solcher Flächen als Lebensraum für Arthropoden erheblich verschlechtern. Das Verbot einer Anwendung des Mittels auf unbehandelten Teilflächen im Sinne der Anwendungsbestimmungen NT306-X sei erforderlich, um die Anforderung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 zu erfüllen.

Am 27. November 2023 erhob die Antragstellerin eine Untätigkeitsklage (1 A 434/23), welche sie nach Erlass des Widerspruchsbescheides und des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2023 dahingehend umstellte, dass sie sich nunmehr gegen die Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 richtet.

Mit Eilantrag vom 23. Dezember 2023 begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308. Zur Begründung trägt sie vor, die für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 seien rechtswidrig und verletzten sie in ihren subjektiven Rechten. Sie stellten einen Verstoß gegen den Methodenvorbehalt der EFSA gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dar. Nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 seien als Teilaspekt möglicher Auswirkungen auf die Umwelt auch Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem zu berücksichtigen. Dies sei aber nur der Fall, "soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt". Damit sei beabsichtigt, die Anwendung einheitlicher Bewertungsmethoden in allen Mitgliedstaaten zu gewährleistet. Die EFSA als zuständige Behörde habe bisher keine wissenschaftlichen Methoden zur Bewertung der indirekten Effekte von Pflanzenschutzmitteln auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem anerkannt. Dies werde in der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 vom 28. November 2023 unter Erwägungsgrund 24 ausdrücklich bestätigt. Der Auffassung des UBA, aus Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 würde sich ergeben, dass Maßnahmen zur Risikominderung durch die Mitgliedstaaten auch ohne Bewertungsmethoden der EFSA zu ergreifen wären, sei entgegenzuhalten, dass es sich um eine Durchführungsverordnung der Kommission handele, die nicht geeignet sei, die grundlegende Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zu ändern oder ihr einen anderen Inhalt zu geben. Der Methodenvorbehalt gelte im zonalen Zulassungsverfahren sowohl für den berichterstattenden Mitgliedstaat als auch für beteiligte Mitgliedstaaten, die über die Erteilung einer nationalen Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel zu entscheiden hätten. Zudem liege ein Verstoß gegen die einheitlichen Grundsätze gemäß Art. 29 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vor. Die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 UA 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 seien nicht erfüllt. Danach könnten abweichend von Art. 36 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absätze 3 und 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden. Die Festsetzung von Risikominderungsmaßnahmen i. S. d. Art. 36 Abs. 3 UA 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 setze in tatbestandlicher Hinsicht voraus, dass in einem Mitgliedstaat entweder spezifische Verwendungsbedingungen oder spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen vorlägen und ein Mitgliedstaat hinsichtlich des zuzulassenden Pflanzenschutzmittels Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt habe. Entgegen der Einschätzung des UBA lägen in Deutschland keine spezifischen Verwendungsbedingungen oder spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Hinblick auf die nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora als Lebensraum und Nahrungsgrundlage für Arthropoden und Wirbeltiere (höherer trophischer Ebenen) vor. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass die Gegebenheiten aller Mitgliedstaaten einer Zone vergleichbar seien. Aufgrund der Vergleichbarkeit der ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen seien der prüfende Mitgliedstaat und die Bundesrepublik Deutschland vom Verordnungsgeber bewusst gemäß Anhang 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in der Zone B (Mitte) zusammengefasst worden. Überdies handele es sich bei den streitgegenständlichen Anwendungsbestimmungen nicht um Risikominderungsmaßnahmen i. S. d. Art. 36 Abs. 3 UA 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, sondern um Kompensationsmaßnahmen, da der Bezug zur Anwendung des Pflanzenschutzmittels fehle. Es fehle zudem an einer hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage für die Festsetzung der streitgegenständlichen Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308. Nach der Anwendungsbestimmung NT307-90 dürfe das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel auf einem Teil der zu bewirtschaftenden Fläche nicht angewendet werden. Die streitgegenständliche Anwendungsbestimmung enthalte damit ein Teilflächenanwendungsverbot. Zwar könne eine Bewirtschaftung der unbehandelten Teilflächen erfolgen. Dies würde sich aufgrund der geringeren Qualität des Erntegutes sowie der zusätzlichen Produktionskosten jedoch nicht lohnen, so dass ein Ertragsverlust vorläge. Für eine Anwendungsbestimmung mit kompensatorischem Charakter sei weder in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 noch im Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) eine rechtliche Grundlage enthalten. Die streitgegenständlichen Anwendungsbestimmungen würden einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip darstellen. Aspekte, die mangels anerkannter Methoden nicht bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln berücksichtigt werden dürften, könnten auch keine Risikominderungsmaßnahmen rechtfertigen, so dass Risikominderungsmaßnahmen auf dieser Grundlage mangels legitimen Zwecks unverhältnismäßig seien. Die streitgegenständlichen Anwendungsbestimmungen seien zum Schutz der nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora als Lebensraum und Nahrungsgrundlage für Arthropoden und Wirbeltiere (höherer trophischer Ebenen) zudem ungeeignet. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass alle übrigen ackerbaulichen Maßnahmen auf der unbehandelten Teilfläche erfolgen dürften. Die Anwendungsbestimmungen seien nicht erforderlich und unangemessen. Das Ausmaß der Ertragsverluste für die Landwirtschaft sei verkannt worden. Die plötzliche und unerwartete Änderung der Bewertung durch das UBA betreffend das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel begründe einen Verstoß gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Insbesondere werde gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Das Aussetzungsinteresse überwiege vorliegend, da die streitgegenständlichen Anwendungsbestimmungen offensichtlich rechtswidrig seien und sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 und 14 GG und auch aus Art. 15, 16 und 17 GRCh verletzten. Die Vermarktung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels sei in Deutschland aktuell aufgrund der streitgegenständlichen Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 nicht möglich. Daraus ergebe sich auch die Dringlichkeit, denn das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel werde ab März 2024 angewendet.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2023 erhobenen Klage gegen die in dem Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 und dem diesem beigefügten Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2023 betreffend das Pflanzenschutzmittel E. für die Anwendungen 026923-00/00-003, 026923-00/00-004, 026923-00/00-006, 026923-00/00-007, 026923-00/00-010 und 026923-00/00-011 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt konkludent,

den Antrag abzulehnen

und erwidert im Wesentlichen, dass eine fachliche Notwendigkeit für die streitgegenständlichen Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 bestünde. Die Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat habe den Mitgliedstaaten im Anhang 1 explizit aufgetragen, bei der Gesamtbewertung auf "die Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen" zu achten. Dies bestätige auch die aktuelle Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 zur Erneuerung des Wirkstoffs Glyphosat. Dort heiße es in Anhang 1, dass die Mitgliedstaaten bei der Gesamtbewertung unter anderem insbesondere achten auf: "Indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität durch trophische Interaktionen, sobald einschlägige Methoden und Leitlinien zur Feststellung solcher Auswirkungen auf Unionsebene vereinbart werden. Solange solche Methoden und Leitlinien fehlen, können die Mitgliedstaaten Methoden anwenden, die ihnen zur Feststellung möglicher indirekter Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, geeignet erscheinen und ihren spezifischen Agrarumweltbedingungen Rechnung tragen. Stellen die Mitgliedstaaten hierbei mögliche indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität fest, so legen sie spezifische Bedingungen oder Einschränkungen für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, fest, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob praktisch alternative Bekämpfungs- oder Verhütungsmethoden mit geringeren Auswirkungen auf die Biodiversität zur Verfügung stehen." Das Fehlen einer harmonisierten Methode hindere die Mitgliedstaaten nicht daran, die entsprechenden Auswirkungen auf die Umwelt mit fachlich tragfähigen, aber noch nicht harmonisierten Methoden zu bewerten und nötigenfalls Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Die Prüfung und Zulassung eines glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittels ohne Berücksichtigung der Bedrohung von Nichtziel-Arten durch trophische Wechselwirkungen würde gegen die Bestimmungen der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 und der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verstoßen. Dies bestätige auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Montpellier N°2026224 vom 12. Mai 2023, mit dem die Zulassung eines glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittels in Frankreich aufgehoben wurde, weil die beklagte Zulassungsbehörde keine Bewertung der Auswirkungen auf Arthropoden und Landwirbeltiere durch Nahrungsnetzeffekte vorgenommen hätte. Dies sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Montpellier ein Verstoß gegen die bestehende Prüfpflicht gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324, welche nach der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 weiterhin Bestand habe, sowie gegen das Vorsorgegebot der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Zudem werde die vertretene Auffassung durch die Schlussanträge der Generalanwältin am EuGH in dem Verfahren C-308/22 vom 28. September 2023 gestützt, wonach ein Mitgliedstaat bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 alle einschlägigen und zuverlässigen aktuellen (d. h. neuesten) wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse berücksichtigen solle. Das Fehlen einer solchen Bewertung im Bewertungsbericht eines zRMS gebe somit zweifelsfrei Anlass zu der Besorgnis, dass die Anforderungen gemäß Art. 29 Verordnung Nr. 1107/2009 in Bezug auf das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel nicht erfüllt seien. Vielmehr könnten diese nur durch zusätzliche Maßnahmen der Risikominderung, namentlich die Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308, sichergestellt werden. Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 beruhe auf dem Vorsorgeprinzip, es gehe also insbesondere darum, schädliche Auswirkungen für Mensch und Tier zu vermeiden. Nach den Ausführungen der Generalanwältin folge eine insoweit erforderliche Abweichungskompetenz von der Entscheidung des zRMS zudem bereits aus dem Wesen des Vorsorgeprinzips, wonach es notwendig sei, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um mögliche Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt zu vermeiden. Demnach sei es unvereinbar, anzunehmen, dass der betreffende Mitgliedstaat nicht viel mehr tun dürfte, als den Schlussfolgerungen der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats systematisch zu folgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage (1 A 434/23) gegen die in dem Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 hat Erfolg.

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da die in der Hauptsache erhobene Klage gegen die Anordnung der Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft ist und gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 4 PflSchG keine aufschiebende Wirkung entfaltet.

Der Antrag ist auch begründet. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist begründet, wenn das Ergebnis einer Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehbarkeit der angefochtenen Anwendungsbestimmungen (Aussetzungsinteresse) das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung der Anwendungsbestimmungen (Vollzugsinteresse) überwiegt. Im Rahmen der Interessenabwägung sind im Wege einer summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen.

Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Allgemeinheit mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin fällt vorliegend zu Gunsten der Antragstellerin aus, weil durchgreifende rechtliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 bestehen.

Es handelt sich vorliegend um ein Verfahren zur Erneuerung der Zulassung nach Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (ZV4-Antrag) mit ursprünglich Großbritannien als prüfendem Mitgliedstaat (zonal Rapporteuer Member State - zRMS) und Deutschland als beteiligtem Mitgliedstaat (concerned Member State - cMS). Da Großbritannien vor dem sog. Brexit zwar seine Bewertung abgeschlossen, aber keine nationale Genehmigung erteilt hat, fungiert Deutschland als "fall-back zRMS".

Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung des bisherigen Sach- und Streitstandes sind die von der Antragsgegnerin festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 rechtswidrig. Denn sie beruhen auf der vom UBA vorgenommenen Bewertung des Risikos für die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen, d. h. aufgrund indirekter Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels über das Nahrungsnetz auf der Grundlage des Ausmaßes der direkten Auswirkungen auf Nichtziel-Pflanzen und Nichtziel-Arthropoden im Feld, obwohl die direkten Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels auf Nichtziel-Pflanzen im Feld und dessen indirekten Auswirkungen auf die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren keine Bewertungsgegenstände im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sind.

Gemäß Art. 43 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wird eine Zulassung auf Antrag des Zulassungsinhabers erneuert, sofern die Anforderungen gemäß Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 noch erfüllt sind. Ein Anspruch auf Erneuerung der Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel besteht demnach, wenn die Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorliegen. Unbeschadet des Artikels 50 der Verordnung wird ein Pflanzenschutzmittel danach nur zugelassen, wenn es entsprechend den einheitlichen Grundsätzen gemäß Art. 29 Abs. 6 der Verordnung unter anderem unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung erfüllt (Art. 29 Abs. 1 Buchst. e) Verordnung [EG] Nr. 1107/2009). Art. 4 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 lautet wie folgt:

"Pflanzenschutzmittel müssen als Folge der Verwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen folgende Anforderungen erfüllen:

a) Sie müssen hinreichend wirksam sein.

b) Sie dürfen keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich besonders gefährdeter Personengruppen, oder von Tieren - weder direkt noch über das Trinkwasser (unter Berücksichtigung der bei der Trinkwasserbehandlung entstehenden Produkte), über Nahrungs- oder Futtermittel oder über die Luft oder Auswirkungen am Arbeitsplatz oder durch andere indirekte Effekte unter Berücksichtigung bekannter Kumulations- und Synergieeffekte, soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt - noch auf das Grundwasser haben.

c) Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse haben.

d) Sie dürfen bei den zu bekämpfenden Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen verursachen.

e) Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben, und zwar unter besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte, soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt:

i) Verbleib und Ausbreitung in der Umwelt, insbesondere Kontamination von Oberflächengewässern einschließlich Mündungs- und Küstengewässern, Grundwasser, Luft und Boden, unter Berücksichtigung von Orten in großer Entfernung vom Ort der Verwendung nach einem Ferntransport in der Umwelt;

ii) Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen, einschließlich des dauerhaften Verhaltens dieser Arten;

iii) Auswirkung auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem."

Soweit das UBA sinngemäß geltend macht, die Verwendung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels führe zu unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt, weil das Pflanzenschutzmittel ein hohes Gefährdungspotenzial für die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen, d. h. aufgrund indirekter Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels über das Nahrungsnetz auf der Grundlage des Ausmaßes der direkten Auswirkungen auf Nichtziel-Pflanzen und Nichtziel-Arthropoden im Feld, aufweise, ist Voraussetzung für die Berücksichtigung derartiger Auswirkungen, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zunächst anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat (zu den näheren Einzelheiten: VG Braunschweig, Urteile v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris; Urt. des erkennenden Gerichts v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 50 ff.). Erst wenn die EFSA wissenschaftlich anerkannte Bewertungsmethoden festgelegt hat, sind die Mitgliedstaaten berechtigt, Auswirkungen auf die in Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu den Unterpunkten i) bis iii) genannten Teilaspekte bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu untersuchen und bei unannehmbaren Auswirkungen auf diese Teilbereiche des Schutzgutes Umwelt die Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel zu versagen bzw. mit Nebenbestimmungen zu versehen, die geeignet sind, unannehmbare Auswirkungen auszuräumen. Dies gilt für zonale Zulassungsverfahren ebenso wie für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Urt. des erkennenden Gerichts v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 55).

Für die Beurteilung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtziel-Pflanzen auf der Anwendungsfläche ("in-field") fehlt es bislang an anerkannten Bewertungsmethoden der EFSA, so dass diese Effekte im Rahmen der Risikobewertung weder als direkte noch indirekte Auswirkungen berücksichtigt werden dürfen.

Das erkennende Gericht hat bereits mit Urteil vom 29. September 2021 - 1 A 130/21 - (a. a. O.) entschieden, dass der in Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ausdrücklich geregelte Vorbehalt der vorherigen Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA der Berücksichtigung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtziel-Pflanzen auf der Anwendungsfläche ("in-field") entgegensteht, solange die EFSA noch keine anerkannten wissenschaftlichen Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat. Der vom UBA geforderten Anwendungsbestimmung NT (neu-Ackerbegleitflora), wonach insbesondere die Anwendung eines Pflanzenschutzmittels zum Schutz der nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora nur auf maximal 9/10 der zu behandelnden Anbaufläche erfolgen dürfe, fehlte damit die Grundlage. Diese Rechtsprechung beruht auf folgenden Erwägungen (a.a.O., juris Rn. 56 und 63):

"Für die Beurteilung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielpflanzen auf der Anwendungsfläche ("in-field") fehlt es allerdings bislang an anerkannten Bewertungsmethoden der EFSA. Das noch unter Geltung der Richtlinie 91/414/EWG von der Europäischen Kommission erstellte Guidance Document zur terrestrischen Ökotoxikologie vom 17. Oktober 2002, an dem die Europäische Kommission auch nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 festhält (vgl. Mitteilungen der Kommission 2013/C 95/01 und 2013/C 95/02 mit Listen der für die Durchführung der Verordnungen [EU] Nr. 283/2013 und Nr. 283/2014 relevanten Prüfmethoden und Leitliniendokumente) und das als von der EFSA anerkannt angesehen werden kann, weil sie es selbst bei der Entscheidung über die Erteilung von Wirkstoffgenehmigungen anwendet, sieht einen stufenweisen Ansatz der Risikobewertung ausschließlich für Nichtzielpflanzen vor, die sich außerhalb der Behandlungsfläche befinden. Im Guidance Document ist dazu ausgeführt, dass die Definition von Nichtzielpflanzen ein Schlüsselelement bei der Bewertung darstelle. Sodann enthält das Guidance Document eine Arbeitsdefinition ("working definition") der Nichtzielpflanzen, nach der Nichtzielpflanzen nur Nichtkulturpflanzen sind, die sich außerhalb des Behandlungsgebiets ("outside the treatment area") befinden (vgl. Guidance Document, Ziff. 7). Die folgenden Ausführungen zu den Datenanforderungen und Tests, zur Bewertung der Exposition, zur Risikobewertung und zu Möglichkeiten der Risikominderung (Ziff. 7.1. bis 7.4) knüpfen an die einleitend dargelegte Arbeitsdefinition an. Dass es sich dabei - wie vom UBA hervorgehoben - um eine (bloße) Arbeitsdefinition handelt, ändert nichts daran, dass sich der vorgesehene stufenweise Bewertungsansatz (Tier 1 bis Tier 3) allein auf Nichtkulturpflanzen außerhalb der Behandlungsfläche bezieht. Die einschränkende Definition des Begriffs der Nichtzielpflanzen im Guidance Document gestattet es nicht, die dargelegten Bewertungsansätze ohne Weiteres auf Nichtzielpflanzen innerhalb der Behandlungsfläche bzw. des Feldes zu übertragen. Auf dem Feld vorkommende NTTP sind vielmehr ausdrücklich vom Guidance Document ausgenommen.

[...]

Gehören Auswirkungen auf Nichtzielpflanzen auf der Behandlungsfläche damit derzeit nicht zum zulässigen Prüfumfang bei der Beurteilung der Zulassungsfähigkeit eines Pflanzenschutzmittels, können Sie auch nicht die Erteilung von Nebenbestimmungen, wie der Anwendungsbestimmung NT (neu-Ackerbegleitflora), rechtfertigen, die das UBA für notwendig hält, um die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen für das Pflanzenschutzmittel I. zu gewährleisten. Dies gilt sowohl für den erstzulassenden Mitgliedstaat als auch für einen Mitgliedstaat, dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung vorliegt."

Dass die EFSA seit dem Erlass des o. g. Urteils anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtziel-Pflanzen auf der Anwendungsfläche ("in-field") bestimmt hat, ist weder von der Antragsgegnerin vorgetragen worden noch von Amts wegen erkennbar.

Ebenso fehlt es im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung von indirekten Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte, so dass diese Effekte im Rahmen der Risikobewertung nicht berücksichtigt werden dürfen.

Wie das Verwaltungsgericht Braunschweig bereits in den Urteilen vom 4. September 2019 (9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) zu den vom UBA ursprünglich für erforderlich gehaltenen Anwendungsbestimmungen Biodiv1, Biodiv2 und NT(neu) zum Schutz der biologischen Vielfalt dargelegt hat, können gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte im Rahmen der Risikobewertung nur dann berücksichtigt werden, wenn die EFSA anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat. Eine solche von der EFSA anerkannte wissenschaftliche Bewertungsmethode liegt derzeit nicht vor. Dies ergibt sich bereits aus den in den Anhängen der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 der Kommission vom 28. November 2023 zur Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat genannten Sonderbestimmungen, wonach "indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität durch trophische Interaktionen" zu berücksichtigen sind, "sobald einschlägige Methoden und Leitlinien zur Feststellung solcher Auswirkungen auf Unionsebene vereinbart werden". Daneben hat die Kommission im zugehörigen Glyphosate Final Renewal Report 2023 ausgeführt, dass es derzeit keine vereinbarten harmonisierten Methoden für die Bewertung indirekter Auswirkungen über trophische Interaktionen gebe (vgl. S. 8 im Final Renewal report for the active substance glyphosate finalised in the Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed at its meeting on 13 October 2023 in view of the renewal of the approval of glyphosate in accordance with Regulation (EC) No 1107/2009 vom 13.10.2023, PLAN/2023/1497 RR - Rev 2: "In addition, the experts highlighted that there are currently no agreed harmonised methodologies for carrying out assessments of indirect effects via trophic interactions"). Ebenso bestätigt die EFSA das Fehlen einer von ihr anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung indirekter Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte, soweit es im Peer Review der Risikobewertung des Wirkstoffs Glyphosat der EFSA vom 6. Juli 2023 heißt, es seien keine ausreichenden Informationen vorgelegt worden, um eine sichere Schlussfolgerung zu den Auswirkungen auf die biologische Vielfalt durch indirekte Effekte und trophische Wechselwirkungen für die repräsentativen Verwendungen zu ziehen, und es mangele an harmonisierten Methoden und vereinbarten spezifischen Schutzzielen (vgl. S. 4 im Peer review of the pesticide risk assessment of the activesubstance glyphosate, veröffentlicht im EFSA Journal 2023;21(7):8164).

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den Verweisen des UBA bzw. der Antragsgegnerin auf die Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 der Kommission zur Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat, soweit es dort in den Sonderbestimmungen in den Anhängen wie folgt heißt:

"Bei dieser Gesamtbewertung achten die Mitgliedstaaten insbesondere auf Folgendes:

[...]

- die Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen"

[Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324]

und

"Bei dieser Gesamtbewertung achten die Mitgliedstaaten insbesondere auf Folgendes:

[...]

- indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität durch trophische Interaktionen, sobald einschlägige Methoden und Leitlinien zur Feststellung solcher Auswirkungen auf Unionsebene vereinbart werden. Solange solche Methoden und Leitlinien fehlen, können die Mitgliedstaaten Methoden anwenden, die ihnen zur Feststellung möglicher indirekter Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, geeignet erscheinen und ihren spezifischen Agrarumweltbedingungen Rechnung tragen. Stellen die Mitgliedstaaten hier bei mögliche indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität fest, so legen sie spezifische Bedingungen oder Einschränkungen für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, fest, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob praktische alternative Bekämpfungs- oder Verhütungsmethoden mit geringeren Auswirkungen auf die Biodiversität zur Verfügung stehen"

[Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660]

Die Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 der Kommission können eine von dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 abweichende Auslegung dahingehend, dass die Mitgliedstaaten die indirekten Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte im Rahmen der Risikobewertung auch ohne Vorliegen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung dieser Effekte berücksichtigen dürfen, nicht rechtfertigen.

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sind als Teilaspekt möglicher Auswirkungen auf die Umwelt zwar auch Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem zu berücksichtigen. Dies aber nur, "soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt". Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat in seinen Urteilen vom 4. September 2019 (9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) und vom 29. September 2021 (1 A 130/21 -, juris) dargelegt, dass sich der Begriff der "Behörde" im Sinne der Vorschrift auf die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und nicht auf die Behörden der Mitgliedstaaten bezieht. Daher ist die Berücksichtigung von Auswirkungen auf die so zu verstehende biologische Vielfalt im Zulassungsverfahren für ein Pflanzenschutzmittel gemäß Art. 29 Abs. 1 Buchst. e) i. V. m. Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 daran gebunden, dass die EFSA anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Auswirkungen festlegt, an denen es bislang fehlt.

Der Wille des europäischen Verordnungsgebers, der sich in der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 widerspiegelt, stützt ebenfalls die Annahme, dass die Mitgliedstaaten die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem als Teilaspekt möglicher Auswirkungen auf die Umwelt lediglich im Falle des Vorliegens einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung dieser Effekte berücksichtigen dürfen. So enthielt der erste Vorschlag der Kommission für die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 den Vorbehalt der vorherigen Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA für die Berücksichtigung von Auswirkungen auf die biologische Vielfalt noch nicht. Darin war vorgesehen, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben darf, und zwar unter besonderer Berücksichtigung unter anderem des Aspekts der Auswirkung auf die biologische Vielfalt (vgl. Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 12.07.2006 - COM/2006/388/Final -, S. 25). Das Europäische Parlament begehrte daraufhin die Erweiterung des Teilaspekts der biologischen Vielfalt in Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) des Verordnungsentwurfs um den Begriff des Ökosystems (vgl. Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 05.10.2007 - A6/2007/359 -, S. 41 zu Änderungsantrag 64, sowie Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 23.10.2007 - TC1-COD[2006]0136 -, S. 29). Der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 15. September 2008 berücksichtigte diesen Änderungsantrag nicht, sondern hielt an der ursprünglichen Formulierung fest (vgl. ABl. C 266 E S. 9). Das Europäische Parlament verfolgte sein Begehren weiter, indem es den Änderungsantrag 64 als Änderungsantrag 45 erneut einbrachte (vgl. Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 12.11.2008 - A6/2008/444 -, S. 32 f.). Der Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13. Januar 2009 (TC2-COD[2006]0136, S. 32), dessen Änderungen am Text der Verordnung von der Kommission (vgl. Stellungnahme vom 30.3.2009 - COM/2009/145/Final -) und vom Rat in zweiter Lesung am 24. September 2009 angenommen worden sind, enthält dann die vom Europäischen Parlament gewünschte Ergänzung der biologischen Vielfalt um das Ökosystem zu Unterpunkt iii) von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) der Verordnung, lässt die Berücksichtigung der Teilaspekte zu den Unterpunkten i) bis iii) aber nunmehr nur noch zu, "soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt". Bei dem konsolidierten Text handelt es sich entsprechend der Stellungnahme der Kommission vom 30. März 2009 (COM/2009/145/Final, S. 3) um das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission. Die Entstehungsgeschichte der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verdeutlicht damit, dass der Vorbehalt der Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA gezielt in die Bestimmung des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) der Verordnung aufgenommen wurde, um eine Einigung zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission herstellen zu können (so bereits: VG Braunschweig, Urt. v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) und v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris). Eine Umgehung des speziellen Vorbehalts von der EFSA anerkannter wissenschaftlicher Bewertungsmethoden durch den Rückgriff auf andere Prinzipien und Bestimmungen der Verordnung würde damit nicht nur dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) der Verordnung, sondern auch dem Willen des Verordnungsgebers widersprechen.

Sinn und Zweck des vom Verordnungsgeber ausdrücklich bestimmten Vorbehalts der Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA, der sich für Teilaspekte anderer Schutzgüter in gleicher Weise in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) und Art. 4 Abs. 3 Buchst. b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 findet, sind unter Berücksichtigung des mit der Verordnung verfolgten Harmonisierungsbestrebens (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 9 und 25 der Verordnung) darin zu sehen, gerade für Bereiche, deren Bewertung sich wegen einer Vielzahl einwirkender Faktoren schwierig gestaltet und verschiedenen Lösungsansätzen zugänglich ist, die Anwendung einheitlicher Bewertungsmethoden in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU zu gewährleisten (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) und v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris).

Folglich ist die Norm des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Verordnungsgebers dahingehend auszulegen, dass die Mitgliedstaaten die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem als Teilaspekt möglicher Auswirkungen auf die Umwelt lediglich im Falle des Vorliegens einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung dieser Effekte berücksichtigen dürfen. Die in den Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 der Kommission vorgeschlagene Praxis, wonach die Mitgliedstaaten auch ohne Vorliegen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Bewertungsmethode indirekte Auswirkungen auf die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen bzw. auf die Biodiversität durch trophische Interaktionen berücksichtigen können, kommt deshalb faktisch einer Abänderung des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) der Verordnung gleich. Eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wäre aber ausschließlich in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren von dem Europäischen Parlament und dem Rat auf Vorschlag der Kommission vorzunehmen (vgl. Art. 289, 294 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]). Da die Norm des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 als höherrangiges Recht einen Anwendungsvorrang gegenüber den Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 der Kommission genießt und damit maßgebend für die rechtliche Beurteilung ist, kann der auf die Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 gestützten Rechtsauffassung des UBA bzw. der Antragsgegnerin nicht gefolgt werden.

Ebenso vermag der Verweis des UBA bzw. der Antragsgegnerin auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Montpellier vom 12. Mai 2023 (N°2026224) das o. g. Auslegungsergebnis nicht zu ändern.

Das Verwaltungsgericht Montpellier hat in der als Anlage A17 vorgelegten Entscheidung vom 12. Mai 2023 (N°2026224) die Zulassung eines glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittels in Frankreich mit der Begründung aufgehoben, die beklagte Zulassungsbehörde habe keine Bewertung der Auswirkungen auf Arthropoden und Landwirbeltiere durch Nahrungsnetzeffekte vorgenommen und damit gegen die bestehende Prüfpflicht gemäß dem Wortlaut der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 und gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen (vgl. Ziffer 8. der Entscheidung).

Soweit das Verwaltungsgericht Montpellier die Rechtsauffassung vertritt, dass die in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 vorgesehene Bewertung des Risikos für Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen die Einführung einer einheitlichen Methodik auf europäischer Ebene nicht erfordern würde (vgl. Ziffer 8. der Entscheidung), setzt es sich in seiner Entscheidung nicht mit der Norm des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und dem oben aufgezeigten Rangverhältnis zwischen Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) der Verordnung und der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 auseinander.

Dem o. g. Auslegungsergebnis des erkennenden Gerichts steht auch nicht das in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Vorsorgeprinzip entgegen.

Das Vorsorgeprinzip ist ein Prinzip der Umweltpolitik und Gesundheitspolitik. So zielt die Umweltpolitik der Union nach Art. 191 Abs. 2 AEUV unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union auf ein hohes Schutzniveau ab und beruht u. a. auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung. Es obliegt somit dem Unionsgesetzgeber, beim Erlass von Vorschriften zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln wie den in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 enthaltenen das Vorsorgeprinzip zu befolgen. Dieses Prinzip bedeutet, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden. Wenn es sich als unmöglich erweist, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unschlüssig sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Gesundheit der Bevölkerung jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen (vgl. EuGH, Urt. v. 01.10.2019 - C-616/17 -, EUR-Lex Rn. 42 f.).

Insoweit geht aus dem achten Erwägungsgrund und aus Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hervor, dass die Bestimmungen der Verordnung auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen. Insbesondere sei es den Mitgliedstaaten freigestellt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen.

Das Vorsorgeprinzip verfolgt somit den Ansatz der Risikovermeidung, der besagt, dass eine Politik oder Maßnahme nicht durchgeführt werden darf, wenn sie der Allgemeinheit oder der Umwelt Schaden zufügen kann und weiterhin kein wissenschaftlicher Konsens zu diesem Thema besteht; eine Berufung auf das Vorsorgeprinzip ist nur dann möglich, wenn ein potentielles Risiko besteht und kann keinesfalls eine willkürliche Entscheidung rechtfertigen (vgl. Glossare von Zusammenfassungen, Vorsorgeprinzip, EUR-Lex, http://eur-lex.europa.eu/summary/glossary/precautionary_principle.html; zuletzt abgerufen am: 02.02.2024).

Aus der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000 (KOM[2000] 1 endgültig) geht hervor, dass das Vorsorgeprinzip angewendet wird in Fällen, in denen aufgrund einer objektiven wissenschaftlichen Bewertung berechtigter Grund für die Besorgnis besteht, dass die möglichen Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen nicht hinnehmbar oder mit dem hohen Schutzniveau der Gemeinschaft unvereinbar sein könnten (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 12.04.2018 - 9 A 26/16 -, juris).

Aufgrund dessen kann das in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Vorsorgeprinzip nur innerhalb des Bewertungsvorgangs bzw. bei der abschließenden Beurteilung des Bewertungsergebnisses zum Tragen kommen. Hingegen ist es nicht geeignet, den in Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 speziell geregelten Bewertungsgegenstand zu erweitern (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) und v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) iii) der Verordnung und dessen Entstehungsgeschichte sind die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem und damit die Auswirkungen auf Arthropoden und Landwirbeltiere durch Nahrungsnetzeffekte nur dann Gegenstand der anzustellenden Bewertung, wenn die EFSA zuvor anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung dieser Effekte festgelegt hat, was hier nicht der Fall ist.

Soweit das UBA bzw. die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Generalanwältin am EuGH Laila Medina in deren Schlussanträgen vom 28. September 2023 in dem Vorabentscheidungsverfahren zum Aktenzeichen C-308/22 vorträgt, aus dem Wesen des Vorsorgeprinzips folge eine Abweichungskompetenz von der Entscheidung des prüfenden Mitgliedstaates, rechtfertigt dieses Vorbringen nicht die Annahme, dass die Mitgliedstaaten die indirekten Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte im Rahmen der Risikobewertung auch ohne Vorliegen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung dieser Effekte berücksichtigen dürfen.

Zunächst ist der hiesige Sachverhalt nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Generalanwältin am EuGH Laila Medina in ihren Schlussanträgen vom 28. September 2023 (C-308/22) zugrunde liegt, und deren Schlussanträge enthalten keine Ausführungen zu dem Methodenvorbehalt gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Vielmehr ist im Vorabentscheidungsverfahren zum Aktenzeichen C-308/22 die Auslegung des Art. 36 Abs. 1 und 2 der Verordnung verfahrensgegenständlich zur Klärung der Fragen, ob und inwieweit der beteiligte Mitgliedstaat (cMS) von der Bewertung des prüfenden Mitgliedstaates (zRMS) abweichen darf (Frage 1) und wie die Formulierung "Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien" auszulegen ist (Fragen 4 und 5). Ausschließlich zu diesen Fragestellungen unterbreitet die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 28. September 2023 dem EuGH begründete Entscheidungsvorschläge. Dabei wird mit dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik (lediglich) der Bewertungsmaßstab angesprochen, nicht aber der Gegenstand der anzustellenden Bewertung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009.

Soweit die Generalanwältin am EuGH Laila Medina in ihren Schlussanträgen vom 28. September 2023 die hohe Bedeutung des in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerten Vorsorgeprinzips betont, kann daraus noch nicht geschlussfolgert werden, dass Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 im Lichte der Art. 191 Abs. 2 AEUV und Art. 1 Abs. 4 der Verordnung dahingehend auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten zur Schließung einer etwaigen Schutzlücke berechtigt sind, im Rahmen eines pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahrens die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem nach eigenen wissenschaftlichen Methoden zu bewerten, solange noch keine von der EFSA anerkannte wissenschaftliche Methode zur Bewertung dieser Effekte vorliegt. Denn nach der Auswertung der bisherigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs zum Vorsorgeprinzip und der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000 (KOM[2000] 1 endgültig) kann das in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Vorsorgeprinzip zur Überzeugung der Kammer nur innerhalb des Bewertungsvorgangs bzw. bei der abschließenden Beurteilung des Bewertungsergebnisses zum Tragen kommen und nicht den in Art. 4 Abs. 3 Buchst. e) der Verordnung speziell geregelten Bewertungsgegenstand erweitern.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Bestehen einer etwaigen Schutzlücke, die sich aus dem Fehlen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung von Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem ergibt, bereits seit Jahren bekannt ist. Wie dargelegt, hat das erkennende Gericht die Problematik schon in seinen Entscheidungen vom 4. September 2019 (a. a. O.) aufgegriffen und adressiert. Mithin war genügend Zeit gegeben, um entsprechende Bewertungsmethoden der EFSA zu entwickeln oder ggf. eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu verabschieden, sofern der Verordnungsgeber den Mitgliedstaaten insoweit unter Verzicht auf einen harmonisierten Ansatz eigenständige Prüfungs- und Bewertungsspielräume zugestehen wollte. Von einer gleichsam neu aufgetretenen Schutzlücke, für die gegebenenfalls ein Rückgriff auf das Vorsorgeprinzip zu erwägen sein könnte, kann mithin nicht die Rede sein.

Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob und inwieweit die Antragsgegnerin als "fall-back zRMS" berechtigt ist, von der Bewertung des ursprünglich prüfenden Mitgliedstaates Großbritannien abzuweichen. Denn der Methodenvorbehalt gilt sowohl für den prüfenden als auch für den beteiligten Mitgliedstaat und damit auch für die Antragsgegnerin als "fall-back zRMS". Da eine von der EFSA anerkannte wissenschaftliche Methode zur Bewertung von indirekten Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte fehlt, darf die Antragsgegnerin diese Effekte im Rahmen ihrer Risikobewertung nicht berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und orientiert sich an dem vom beschließenden Gericht für eine pflanzenschutzrechtliche Anwendungsbestimmung angenommenen Streitwert in Höhe von 50.000,00 €. Der Streitwert ist wegen der insoweit lediglich begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung, mit der eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht verbunden ist, für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in: NVwZ-Beilage 2013, 57) zu halbieren.