Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 12.04.2018, Az.: 9 A 26/16
Beschränkung von BBCH-Stadien; Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung; Feldhase; HNVF-Indikator; Pflanzenschutzmittel; Prüfungskompetenz des beteiligten Mitgliedstaates; Regenwurmpopulation; Risikominderungsmaßnahmen; zonales Zulassungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 12.04.2018
- Aktenzeichen
- 9 A 26/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74334
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 36 EGV 1107/2009
- Art 35 EGV 1107/2009
- Art 33 EGV 1107/2009
- Art 29 EGV 1107/2009
- Art 28 EGV 1107/2009
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Risikominderungsmaßnahmen i. S. d. Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 setzen in tatbestandlicher Hinsicht voraus, dass in einem beteiligten Mitgliedstaat entweder spezifische Verwendungsbedingungen oder spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen vorliegen und der Mitgliedstaat hinsichtlich des zuzulassenden Pflanzenschutzmittels Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt hat.
2. An die Voraussetzungen von Risikominderungsmaßnahmen sind keine überhöhten Anforderungen zu stellen.
3. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 gegeben sind, ist der Zeitpunkt der Prüfung durch den beteiligten Mitgliedstaat, d. h. nach erfolgter Entscheidung durch den prüfenden Mitgliedstaat.
4. Die Prüfung der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 berechtigt den beteiligten Mitgliedstaat nicht zur Neubewertung der Risikobetrachtung des jeweiligen Pflanzenschutzmittels durch den prüfenden Mitgliedstaat.
Tenor:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die beantragte pflanzenschutzrechtliche Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „F.“ für das Anwendungsgebiet Weizen in Bezug auf die Anwendungen 001 bis 004 mit den Kulturstadien BBCH 31 bis 38 unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 28. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2017 zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.
Das Urteil ist im Umfang des streitig entschiedenen Teils der Klage wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im zonalen Zulassungsverfahren hinsichtlich der zusätzlichen Kulturstadien BBCH 25 bis 38 für das Anwendungsobjekt „Weizen“ bezüglich der Schadorganismen „Septoria-Blattdürre“, „Gelbrost“, „Braunrost“ und „Echter Mehltau“ (Anwendungen 001 – 004).
Die Klägerin ist ein in der Republik Irland ansässiges Unternehmen, das darauf spezialisiert ist, patentfreie bzw. generische Pflanzenschutzprodukte zu vertreiben.
Unter dem 6. Mai 2014 beantragte die Klägerin, unter Beteiligung eines Consulting-Unternehmens, bei der Beklagten die Erteilung einer zonalen pflanzenschutzrechtlichen Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „G.“. Es handelt sich bei diesem Mittel, das zwischenzeitlich in „F.“ umbenannt worden ist, um ein Fungizid, das den Wirkstoff „H.“ in einer Konzentration von 60 g/l enthält.
Am 14. Juni 2006 war von der Beklagten zuvor nach § 15 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (PflSchG) bereits ein anderes, auf Molekularbasis stoffidentisches sowie wirkstoff- und formulierungsidentisches Pflanzenschutzmittel für ein anderes Unternehmen zugelassen worden. Diese Zulassung endete ursprünglich am 31. Dezember 2016 und wurde durch die Beklagte am 9. August 2016 unter Anwendung von Art. 43 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bis zum 30. April 2019 verlängert. Die Zulassung in Deutschland beinhaltete für das Anwendungsgebiet „Weizen“ in Bezug auf die Schadorganismen „Septoria-Blattdürre“, „Gelbrost“, „Braunrost“ und „Echter Mehltau“ die Kulturstadien BBCH 25 - 61. Das in Deutschland zugelassene Mittel wurde im April 2011 auch bereits im Vereinigten Königreich Großbritannien und Irland (Vereinigtes Königreich) zugelassen. Das Pflanzenschutzmittel der Klägerin ist das generische Pendant zu dem in der Bundesrepublik Deutschland und im Vereinigten Königreich zugelassenen Mittel.
Es handelte sich bei dem Antrag der Klägerin um einen sogenannten ZV3-Antrag mit der Bundesrepublik Deutschland als einzigem beteiligten Mitgliedstaat (cMS) und dem Vereinigten Königreich als prüfendem Mitgliedstaat (zRMS).
Die Vorprüfung des Antrags wurde von der Beklagten im November 2014 abgeschlossen, worüber das Consulting-Unternehmen im Rahmen einer Zwischenmitteilung vom 17. November 2014 informiert wurde. Die Beklagte wies zudem darauf hin, dass „Datenlücken“ festgestellt worden seien und ohne verschiedene, im Einzelnen angeführte, zusätzliche Unterlagen eine Zulassung in Deutschland nicht möglich sei.
Ende Januar 2015 stellten die Behörden des Vereinigten Königreiches der Beklagten den draft Registration Report (dRR) zur Verfügung und gaben ihr bis zum 11. März 2015 Gelegenheit zur Kommentierung. Die Beklagte übermittelte den dRR nebst weiterer Unterlagen sodann Anfang Februar 2015 zur Kommentierung an das Bundesamt für Risikobewertung (BfR), das Julius-Kühn-Institut (JKI) sowie das Umweltbundesamt (UBA). Mitte März 2015 wies die Beklagte die Behörden des Vereinigten Königreiches darauf hin, dass ihre Kommentare auf die Plattform „CIRCABC“ hochgeladen worden seien.
Das Vereinigte Königreich erteilte der Klägerin für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel am 27. März 2015 eine zonale Zulassung, welche bis zum 29. Februar 2020 befristet wurde. Hierbei legte die Zulassungsbehörde des Vereinigten Königreiches ein Daten-Dossier aus dem Jahr 2005 zu Grunde, welches der Original-Hersteller seinerzeit für die dortige Zulassung des Original-Präparates eingereicht hatte, da die Klägerin nicht über ergänzende eigene Unterlagen verfügte. Die Zulassung durch den zRMS umfasste für das Anwendungsobjekt „Weizen“ und die Schadorganismen „Septoria-Blattdürre“, „Gelbrost“, „Braunrost“ und „Echter Mehltau“ die Kulturstadien BBCH 25 - 61.
Nach Eingang der entsprechenden Stellungnahmen der Bewertungsbehörden informierte die Beklagte das Consulting-Unternehmen der Klägerin sodann am 30. März 2015 über die beabsichtigte Ablehnung des Zulassungsantrages. Dies begründete sie damit, dass der prüfende Mitgliedstaat keinen dRR gemäß Art. 36 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorgelegt habe. Auf der Basis der vorgelegten Bewertungen des Vereinigten Königreiches sei eine Zulassung in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich. Der prüfende Mitgliedstaat habe entsprechende Kommentare mit der Kommentierungstabelle erhalten. Die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme (nach mehreren Verlängerungsanträgen der Klägerin) bis zum 20. Juli 2015.
Die Zulassungsentscheidung des Vereinigten Königreiches und der finale Registration Report (RR) gingen am 21. April 2015 bei der Beklagten ein.
Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 16. Juli 2015 und 6. August 2015 Stellung zu der angekündigten Absicht der Beklagten, den Antrag abzulehnen. Sie führte im Wesentlichen aus, die geplante Ablehnung des Zulassungsantrages sei rechtswidrig, da der Beklagten keine über die Prüfung der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hinausgehende Prüfungskompetenz zukomme, dessen Voraussetzung jedoch nicht vorliegen würden.
Die Klägerin hat am 18. März 2016 zunächst Untätigkeitsklage bei dem erkennenden Gericht erhoben, da die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt nicht über ihren Zulassungsantrag entschieden hatte.
Das Umweltbundesamt hat unter dem 31. Mai 2016 sein Einvernehmen weitgehend versagt (ausgenommen die Indikationen 005 und 014) mit der Begründung, unannehmbare Auswirkungen auf den Naturhaushalt infolge der Anwendung des Pflanzenschutzmittels seien unter Berücksichtigung der spezifischen ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland nicht auszuschließen. Diese könnten auch nicht durch Ausschluss bzw. Einschränkung der Anwendungsgebiete oder durch Festsetzung anderer Anwendungsbestimmungen zur Risikominderung vermieden werden. Das Umweltrisiko durch Anwendung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels im Acker- und Gemüsebau werde vor allem durch das unannehmbare langfristige Risiko für Säugetiere und Bodenorganismen bestimmt. Die während der letzten Jahrzehnte vollzogenen Veränderungen der Landschaftsstruktur in Deutschland hätten zu ungünstigen Erhaltungszuständen verschiedener Säugetierarten der Agrarlandschaft geführt. Von den in Deutschland heimischen Säugetierarten würden zwar die meisten als häufig angesehen und nur zwei als vom Aussterben bedroht (Feldhamster) bzw. gefährdet (Feldhase) eingestuft. Es ließen sich jedoch für viele Arten im langfristigen Trend Bestandsabnahmen konstatieren. Ein ungünstiger Erhaltungszustand von Populationen und ein geringer genetischer Austausch mit Nachbarpopulationen führten zu einer besonderen Empfindlichkeit gegenüber zusätzlichen Störungen, d. h. einem höheren Auslöschungsrisiko. Deutschland gehöre zu den EU-Mitgliedstaaten mit dem geringsten Anteil an für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft bedeutsamen Flächen. Im Referenzmitgliedstaat (Vereinigtes Königreich) sei der Anteil dieser Flächen doppelt so hoch. Der Referenzmitgliedstaat weise insgesamt hinsichtlich des Anteils der landwirtschaftlich genutzten Flächen und deren Nutzungsintensität große Unterschiede zu Deutschland auf, die auf eine biodiversitätsverträglichere Landnutzung hinweisen würden. Es lägen insofern auch spezifische landwirtschaftliche Bedingungen in Deutschland vor, die einen Unterschied zum Referenzmitgliedstaat deutlich machen würden und daher in der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln gemäß Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu berücksichtigen seien. Diese bestünden in einer weiträumig hohen landwirtschaftlichen Nutzungsintensität und damit einhergehenden Einschränkung der Lebensraumfunktion bzw. dem Verlust von Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert. Das Pflanzenschutzmittel bzw. der darin enthaltene Wirkstoff weise ein hohes Gefährdungspotenzial für Säugetiere, insbesondere Hasen und Kaninchen, auf. Der enthaltene Wirkstoff weise zudem ein hohes Gefährdungspotential für Regenwurmpopulationen auf. Die Prüfung habe ergeben, dass unter Berücksichtigung der für die Anwendung des Pflanzenschutzmittels in Deutschland zugrundeliegenden spezifischen ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen die Anwendung des Produktes ein unannehmbares Risiko für Bodenorganismen darstellen würde, das nicht durch Festsetzung von Anwendungsbestimmungen auf ein vertretbares Maß gesenkt werden könne. Das vom zRMS verwendete Expositionsszenario könne nicht als Entscheidungsbasis für die Prüfung der Zulassungsfähigkeit in Deutschland dienen; in Deutschland sei ein gesondertes Expositionsszenario für Bodenorganismen entwickelt worden, das den spezifischen Bedingungen in Deutschland gerecht werde. Auch das BfR hat sein Benehmen mit Schreiben vom 27. April 2016 nicht erklärt. Ebenso hat das JKI am 29. April 2016 ein negatives Benehmen erklärt, da der vorgelegte RR die Bedingungen des Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht erfülle, die durchgeführte Bewertung nicht transparent sei und somit nicht beurteilt werden könne, ob die Bewertung noch dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspreche.
Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel schließlich mit Bescheid vom 21. Oktober 2016 abgelehnt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht möglich sei, die vom Vereinigten Königreich vorgenommene Bewertung für eine Zulassung in der Bundesrepublik zu übernehmen, da von den dortigen Behörden diverse Verfahrensvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht beachtet worden seien. Es liege unter anderem keine Bewertung unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik sowie der zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügbaren Leitlinien vor. Trotz entsprechender Kommentierung des dRR habe der zRMS einen dem dRR wortgleichen RR finalisiert. Vorrangiges Ziel der anzuwendenden Verordnung sei die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus. Der Harmonisierungsgedanke müsse dahinter zurückstehen. Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 komme erst zum Tragen, wenn die Voraussetzungen nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung erfüllt seien, was hier nicht der Fall sei. Es müsse zudem vor einer Übernahme der Zulassung geprüft werden, ob die Unterlagen, die für die Bewertung u. a. im zRMS vorgelegt wurden, für den deutschen Zulassungsantrag unter Beachtung des Datenschutzes überhaupt berücksichtigt werden dürften. Zudem habe sie im Einvernehmen mit dem UBA zu entscheiden; dieses habe sein Einvernehmen jedoch versagt. Auch BfR und JKI hätten das Benehmen verweigert.
Mit Schriftsatz vom 24. November 2016 hat die Klägerin erklärt, die Klage unter Einbeziehung des Ablehnungsbescheides fortführen zu wollen.
Am 30. November 2016 hat eine erste mündliche Verhandlung der erkennenden Kammer stattgefunden, in deren Rahmen beschlossen wurde, das Verfahren zu vertagen, da zu diesem Zeitpunkt unklar war, ob die Ablehnung des Antrages durch die Beklagte (auch) auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gestützt werden sollte.
Auf eine Aufklärungsverfügung des Gerichts vom 23. Dezember 2016 hinsichtlich der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hat die Beklagte unter dem 10. Februar 2017 mitgeteilt, dass die Ablehnung des Zulassungsantrages nunmehr auf die vom UBA aufgeführten Gründe gestützt werde. Zugleich ist diesem Schreiben eine Stellungnahme des UBA beigefügt worden, in welcher umfangreiche Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gemacht worden sind. Insbesondere zur Zulassung eines gleichwertigen Pflanzenschutzmittels in der Bundesrepublik Deutschland hat das UBA ausgeführt, die Bewertung eines Produktes werde gemäß den Leitlinien durchgeführt, die zum Zeitpunkt der Antragstellung gültig seien. Sei die Zulassung für ein Mittel zu einem Zeitpunkt beantragt und der Antrag nach den dann gültigen Leitfäden durchgeführt worden, sei es möglich, dass einige Zeit später zum Zeitpunkt der Antragstellung für ein anderes Mittel ein neuer Leitfaden gültig sei. Das Bewertungsergebnis könne nach den unterschiedlichen Leitfäden insofern unterschiedlich ausfallen. Ergebe sich bei der Berechnung nach dem neuen Leitfaden ein Risiko, würden die Zulassungsvoraussetzungen in Bezug auf den neuen Antrag als nicht erfüllt angesehen, obwohl das erste Mittel gleichzeitig aus Gründen des Bestandsschutzes zugelassen bleibe. Im Hinblick auf die Risikobewertung von Säugern treffe dieser Fall hier zu, da das gleichwertige Pflanzenschutzmittel noch unter Verwendung der alten Bewertungsleitlinien zugelassen worden sei. Das streitgegenständliche Mittel falle hingegen unter die Bewertung nach den neuen Leitlinien, wobei eine Bewertung nach diesen Leitlinien den Nachweis nicht habe erbringen können, dass die Zulassungsvoraussetzungen für das streitgegenständliche Mittel in Bezug auf den Schutz der Umwelt erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 17. März 2017 hat sich die Beklagte im Folgenden an das UBA gewandt, da in einem Gespräch am 17. Februar 2017 mögliche Managementoptionen besprochen worden seien. Die Beklagte hat hinsichtlich der Säugerbewertung ausgeführt, dass in zwei anderen Zulassungsanträgen, welche den gleichen Wirkstoff wie das streitgegenständliche Mittel beinhalten würden und vom UBA im Jahr 2011 bewertet worden seien, statt einer NOEC von 4 mg/kg BW/d eine NOAEL von 8 mg/kg BW/d zur Bewertung herangezogen worden sei. Unter Berücksichtigung dieses Endpunktes bestehe bei den Anwendungen im Raps kein Risiko mehr für Säuger. Der Hase sei nur für den BBCH-Zeitraum „early (shoots)“ zu betrachten. Dieser Zeitraum ende spätestens mit BBCH 30. Eine Änderung des Behandlungszeitraumes von Beginn BBCH >25 auf >30 würde ein vertretbares Risiko für Säuger bedeuten. Die Risikobewertung für Regenwürmer sei entscheidend beeinflusst durch die bodenrelevanten Aufwandmengen. Diese könnten deutlich reduziert werden bei den Getreideanwendungen bei einer späteren Behandlung ab BBCH 40 mit 90% Interzeption. Bei den Rapsanwendungen reiche eine Verschiebung des Behandlungszeitraumes auf BBCH >20 alleine nicht. Wenn aber die Anzahl der Behandlungen zusätzlich auf eine reduziert werde, könne ein akzeptables Risiko erreicht werden.
Das UBA hat unter dem 23. März 2017 Stellung genommen und ausgeführt, es halte daran fest, die NOEC von 4 mg/kg KG/d zur Bewertung heranzuziehen, da dieser Wert in der EU-Endpunktliste als bewertungsrelevant festgestellt worden sei. Die frühere Abweichung widerspräche der Forderung nach einer Harmonisierung der Bewertung. Hinsichtlich der Anwendung der BBCH-Fenster für die Anwendung im Getreide und Reduzierung der Anwendungen im Raps von zwei auf eine hat es erklärt, es habe seine Bewertung in den dRR-Kapiteln entsprechend angepasst. Basierend auf den vorgeschlagenen Optionen seien die Anwendungen neu definiert worden, was im Folgenden genauer erläutert worden ist. Sofern der Antragsteller der Änderung der Indikationen zustimme, könne das Einvernehmen erteilt werden.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2017 hat die Beklagte die geänderte Fassung der Anwendungen u. a. an das JKI und das BfR zur Überprüfung bzw. Aktualisierung der Benehmenserklärungen übersandt. Unter dem 14. Juni 2017 hat das BfR sodann sein positives Benehmen erklärt. Dies sei jedoch nur möglich gewesen unter Einbeziehung weiterer, im eigenen Hause vorliegender Studien und eigenständiger Bewertungen zu dem Mittel, die eigentlich im ZV3-Verfahren nicht vorgesehen seien. Zudem sei eine Bewertung des Antrags nur unter Einbeziehung von Prüfunterlagen möglich gewesen, die ihm im Rahmen der deutschen Zulassung des Originalproduktes vorgelegt worden seien. Das streitgegenständliche Mittel sei im Hinblick auf die Rezeptur und die beantragten Anwendungen vergleichbar mit diesem Mittel. Da auch der deutsche Bewertungsbericht des Originalpräparates nicht den aktuellen Anforderungen der einschlägigen Verordnung und dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspreche, sei eine aktualisierte eigenständige Auswertung der Prüfunterlagen durchgeführt worden, um die für das streitgegenständliche Mittel beantragten Anwendungen zu bewerten. Mit Schreiben vom 19. Juli 2017 hat auch das JKI sein positives Benehmen erklärt.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2017 hat die Beklagte das von der Klägerin beauftragte Consulting-Unternehmen informiert, dass sie u. a. beabsichtige, die beantragten Anwendungsgebiete wie im Folgenden dargelegt festzusetzen. Bei der Anwendung in Weizen wurden hierbei für die Schadorganismen „Septoria-Blattdürre“, „Gelbrost“, „Braunrost“ und „Echter Mehltau“ jeweils die Kulturstadien 39 - 61 dargestellt.
Unter dem 26. Juli 2017 hat die Klägerin u. a. bestätigt, dass sie die im Schreiben vom 24. Juli 2017 aufgeführten Anforderungen akzeptiere.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2017 hat die Beklagte der Klägerin im Folgenden die Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel bis zum 30. April 2019 erteilt. Diese Zulassung umfasste für das Anwendungsgebiet „Weizen“ bezüglich der Schadorganismen „Septoria-Blattdürre“, „Gelbrost“, „Braunrost“ und „Echter Mehltau“ die Kulturstadien BBCH 39 - 61 bei einem Aufwand von 1,5 l/ha in 200 bis 400 l Wasser/ha. Für das Anwendungsgebiet „Winterraps“ im Hinblick auf den Schadorganismus „Wurzelhals- und Stängelfäule“ beinhaltete die Zulassung die Kulturstadien ab BBCH 20 bei einem Aufwand von 1,5 l/ha in 200 bis 400 l Wasser/ha.
Die Klägerin hat unter dem 9. August 2017 Widerspruch gegen den Zulassungsbescheid erhoben. Sie hat den Widerspruch auf die im Bescheid aufgeführten Anwendungszeiten beschränkt, sofern in Bezug auf das Anwendungsgebiet „Weizen“ eine Zulassung für die BBCH 25 - 61 verweigert worden sei und sofern in Bezug auf das Anwendungsgebiet „Winterraps“ eine Zulassung für die BBCH 14 - 59 versagt worden sei. Die Klägerin hat ihren Widerspruch damit begründet, dass die beantragten Anwendungsgebiete im Vereinigten Königreich zugelassen worden seien. Es bestehe somit eine Verpflichtung der Zulassungsbehörde eines Anerkennungsmitgliedstaates, dieselben Anwendungsgebiete und Anwendungszeiten für dasselbe Pflanzenschutzmittel zu gewähren, sofern nicht ausnahmsweise Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zur Anwendung komme. Hierzu sei dem Zulassungsbescheid jedoch nichts zu entnehmen. Zudem ergebe sich ein entsprechender Anspruch der Klägerin auf erweiterte Anwendungszeiten aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung. So sei das in Deutschland zugelassene stoffidentische Parallelprodukt ebenfalls für längere Anwendungszeiten zugelassen. Diese Zulassung umfasse insbesondere in Weizen ebenfalls das Stadium BBCH 25 - 61. Sie benötige die beantragten Anwendungszeiten, um ausreichend früh dem Befall von Pflanzen mit möglichen Krankheitserregern begegnen zu können.
Die Beklagte hat sodann unter dem 25. Oktober 2017 eine erneute Stellungnahme zum Widerspruch der Klägerin vom UBA angefordert. Dieses hat sich mit Schreiben vom 15. November 2017 im Wesentlichen dahingehend geäußert, dass auf Anregung der Beklagten eine Änderung der Anwendung geprüft und festgestellt worden sei, dass mit den angegriffenen Änderungen die mit der Anwendung verbundenen Risiken für die Umwelt auf ein annehmbares Maß gesenkt werden könnten. Dies resultiere daraus, dass bei einem Verschieben des Anwendungszeitpunktes im Getreide auf die festgelegten Wachstumsstadien ab BBCH 39 Getreidepflanzen keinen wesentlichen Anteil an der Nahrung pflanzenfressender Säugetiere mehr ausmachen würden und somit weniger der behandelten Pflanzen gefressen würden und die Beschränkung auf eine einmalige Anwendung im Raps ab BBCH 20 die Belastung des Bodens und damit das Risiko für Regenwürmer ausreichend senke. Diese Risikominderungsmaßnahmen seien angemessen und praktikabel und entsprächen daher der gebotenen Prüf- und Sorgfaltspflicht der Zulassungsbehörden. Eine explizite Begründung der Anwendungsänderungen sei bisher deshalb nicht gegeben worden, da man davon ausgegangen sei, dass die Klägerin der Änderung der Anwendungsgebiete zuvor zugestimmt habe. Zudem entsprächen die in Deutschland beantragten Anwendungen nicht vollumfänglich den im Referenzmitgliedstaat beantragten zugelassenen Anwendungen. Für die in Deutschland beantragten Verwendungen sei - insbesondere unter Berücksichtigung der spezifischen ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen gemäß Art. 36 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 - zu prüfen gewesen, inwieweit in Deutschland unannehmbare Risiken für die Umwelt auszuschließen seien. Es sei zudem nach Satz 1 der genannten Norm zu bestimmen, ob die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Senkung der Risiken für die Umwelt auf ein annehmbares Maß nötig und möglich sei. Im Rahmen der Prüfung sei außerdem die Vorgabe des Art. 1 Abs. 4 der genannten Verordnung zu beachten. Als Ergebnis dieser Überprüfung habe man festgestellt, dass ohne die Festsetzung zusätzlicher Risikominderungsmaßnahmen - in diesem Fall die Anpassung der BBCH-Fenster für die Anwendung im Getreide und die Reduzierung der Anwendungen im Raps von zwei auf eine - unannehmbare Risiken für die Umwelt nicht auszuschließen wären. Dies gelte für Populationen pflanzenfressender Säugetiere und Regenwürmer. Diese Risiken seien mindestens bei Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen in Deutschland als unvertretbar zu bewerten. Sofern die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen habe, dass das vergleichbare Originalprodukt in Deutschland für die für die Klägerin zugelassenen Indikationen mit abweichenden Anwendungszeiträumen zugelassen sei, sei darauf hinzuweisen, dass diese Anwendungsbedingungen nach heutigem Stand von Wissenschaft und Technik nicht mehr zulassungsfähig wären. Es stelle der Beklagten anheim zu prüfen, ob die bestehende Zulassung des Originalpräparates Bestandsschutz genieße oder gemäß Art. 44 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entsprechend zu ändern sei.
Im Hinblick auf die Anwendung „Winterraps“ hat die Klägerin unter dem 29. November 2017 den Widerspruch gegenüber der Beklagten zurückgenommen.
Die Beklagte hat sodann am 19. Dezember 2017 einen Widerspruchsbescheid erlassen, mit welchem sie den Widerspruch der Klägerin vom 9. August 2017 zurückgewiesen hat. Hierin hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der Widerspruch sei bereits wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässig, da die mit dem Widerspruch angegriffenen Inhalte zuvor mit der Klägerin abgestimmt worden seien. Darüber hinaus sei der Widerspruch auch unbegründet. Ohne die Festsetzung von Risikominderungsmaßnahmen - in diesem Fall die Anpassung der BBCH-Fenster für die Anwendung im Getreide - seien unannehmbare Risiken für die Umwelt nicht auszuschließen. Dies gelte für Populationen pflanzenfressender Säugetiere und Regenwürmer. Diese Risiken seien mindestens bei Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen in Deutschland als unvertretbar zu bewerten. Die spezifischen Bedingungen in Deutschland seien unter anderem die ungünstigen Erhaltungszustände der Populationen bestimmter Säugetierarten, insbesondere des Feldhasen, und Regenwurmarten. Zu beachten sei hierbei, dass die sich aus den Erhaltungszuständen ergebende spezifisch hohe Vulnerabilität der Populationen durch spezifisch ungünstige Lebensbedingungen wie Landschaftsstruktur und Bodentypen in intensiv genutzten Ackerlandschaften Deutschlands noch verstärkt werde. Der spezifischen Vulnerabilität der Populationen sei in der Bewertung zum einen dadurch Rechnung zu tragen, dass die der Bewertung zu Grunde liegende Methodik der Expositionsabschätzung die zu erwartende Exposition der Populationen gegenüber Rückständen des betreffenden Pflanzenschutzmittelwirkstoffs nicht unterschätze. In der Bewertung der Risiken für Regenwürmer sei aus diesem Grunde eine von der Bewertung im Bericht des Vereinigten Königreiches abweichende Methode zur Berechnung der im Boden entstehenden Höhe der Wirkstoffrückstände verwendet worden. Zum anderen erfordere die genannte spezifische Vulnerabilität der Populationen auch insgesamt eine besondere Sorgfalt in der Bewertung, damit die aus der Anwendung entstehenden Risiken nicht unterschätzt werden. Diesbezüglich sei besonders darauf zu achten gewesen, dass die Bewertung nach neuestem Stand von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügbaren Leitlinien erfolge. Die Prüfung des Bewertungsberichtes des Vereinigten Königreiches habe allerdings bereits in der sogenannten Kommentierungsphase ergeben, dass das Vereinigte Königreich keinen den Vorgaben des Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entsprechenden Bewertungsbericht für die zentrale Zone vorgelegt habe, sondern lediglich auf seit längerem bestehende Zulassungen verwiesen habe. Da der vom Vereinigten Königreich bereitgestellte Bewertungsbericht die Bewertung der in Deutschland zu besorgenden Umweltrisiken nicht ermöglicht habe, seien die Risiken für die Umwelt in Bezug auf kritische Bereiche notgedrungen in einer eigenen Bewertung unter Heranziehung der gültigen Leitlinien und des aktuellen Datenstandes geprüft worden. Nach dieser Bewertung seien die Zulassungsanforderungen in Bezug auf den Schutz der Umwelt nicht bzw. nur mit den genannten Maßnahmen der Risikominderung nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gegeben gewesen und die Zulassung infolgedessen mit den streitgegenständlichen Änderungen erteilt worden.
Unter dem 17. Januar 2018 hat die Klägerin erklärt, die Klage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides der Beklagten fortführen zu wollen.
Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus, die streitgegenständlichen Anwendungszeiträume seien vom Vereinigten Königreich zugelassen worden, weshalb eine Verpflichtung der Beklagten bestehe, dieselben Anwendungszeiten zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon sei nur gegeben, sofern Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zur Anwendung komme; eine weitergehende Prüfungskompetenz komme der Beklagten nicht zu. Der Beklagten, der insofern die Darlegungs- und Beweislast obliege, sei es nicht gelungen, das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nachzuweisen. Auch Risikominderungsmaßnahmen seien nur zulässig, wenn spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen vorlägen, die sich von jenen im Referenzmitgliedstaat bzw. von jenen der übrigen Länder der gleichen Zone unterschieden. Es genüge nicht, dass nach Auffassung der Beklagten nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese Anforderungen vorliegen. Zudem müssten weiter unannehmbare Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt - gerade bezogen auf das jeweilige Pflanzenschutzmittel - zu befürchten sein. Risikominderungsmaßnahmen seien daher an „hohen Hürden“ zu messen. Dies ergebe sich unter grammatischen und systematischen Auslegungsaspekten. Die Voraussetzungen der in sich geschlossenen Regelung des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 stünden dabei in einem Rangverhältnis. Sie bestreitet zudem, dass sich die ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland von jenen des Referenzmitgliedstaates bzw. von jenen aller übrigen Mitgliedstaaten der mittleren Zone unterscheiden würden; insbesondere, dass in Deutschland ein geringerer Anteil an für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft bedeutenden Flächen bestehe. Ebenfalls bestreitet sie die Aktualität der von der Beklagten zitierten sog. Roten Liste. Zudem sei die Verweisung des seinerzeit prüfenden Mitgliedstaates auf Unterlagen früherer Zulassungen rechtmäßig gewesen. Ein Anspruch auf erweiterte Anwendungszeiten ergebe sich auch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung, da das in Deutschland zugelassene stoffidentische Parallelprodukt ebenfalls längere Anwendungszeiten, genauer BBCH 25 - 61, besitze. Die von der Beklagten verkürzten Anwendungszeiträume würden die Vermarktung des Pflanzenschutzmittels beeinträchtigen und seien geeignet, erhebliche Schäden hervorzurufen. Der wirtschaftliche Wert der Zulassung sei deutlich beeinträchtigt. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege im Übrigen nicht darin, dass sie der von der Beklagten vorgeschlagenen Änderung der BBCH-Stadien im Vorfeld zugestimmt habe; sie habe lediglich eine kurzfristige und zumindest teilweise positive Entscheidung erstrebt, um den entstehenden Schaden zu mindern.
Ursprünglich hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihr die pflanzenschutzrechtliche Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel zu erteilen; hilfsweise, die Zulassung mit geeigneten Auflagen zu erteilen und äußerst hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über ihren Zulassungsantrag fristgebunden unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts zu entscheiden. Mit Schriftsatz vom 29. November 2016 hat die Klägerin den Antrag dahingehend umgestellt, die Beklagte zu verpflichten, ihr die begehrte Zulassung zu erteilen; hilfsweise die Zulassung nach erneuter Prüfung durch die im nationalen Verfahren zu beteiligenden Behörden fristgebunden zu erteilen; äußerst hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten ihr die Zulassung für die Anwendungsgebiete 005 und 014 erforderlichenfalls mit geeigneten Auflagen zu erteilen sowie hilfsweise festzustellen, dass die erfolgte Verweigerung des Benehmens bzw. Einvernehmens durch die zu beteiligenden nationalen Behörden rechtswidrig ist, soweit die beantragten Anwendungsgebiete abgelehnt wurden; ferner festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zulassung auch ohne Benehmen bzw. Einvernehmen dieser Behörden zu erteilen, sollten die Erklärungen nicht fristgerecht vorliegen; hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Zulassung für die Anwendungsgebiete 005 und 014 auch ohne das Benehmen des JKI und des BfR zu erteilen.
Im Hinblick auf die unter dem 28. Juli 2017 teilweise antragsgemäß erfolgte Zulassung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels durch die Beklagte haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2018 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Nach Umstellung des Klageantrags mit Schriftsatz vom 17. Januar 2018 beantragt die Klägerin im Übrigen noch,
die Beklagte zu verpflichten, ihr die beantragte pflanzenschutzrechtliche Zulassung für das Pflanzenschutzmittel „F.“ für das Anwendungsgebiet Weizen in Bezug auf die Anwendungen 001 bis 004 mit den Kulturstadien BBCH 25 bis 38 zu erteilen, und den Bescheid vom 28. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2017 insoweit aufzuheben, als er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt die Beklagte Bezug auf die Ausführungen in ihren Verwaltungsentscheidungen. Ergänzend trägt sie vor, die Beschränkung der BBCH-Stadien stelle eine Risikominderungsmaßnahme dar, zu der der cMS gemäß Art. 36 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 jederzeit befugt sei, ohne an die strengen Voraussetzungen von Satz 2 dieser Vorschrift gebunden zu sein. Es sei kein einheitlicher Maßstab hinsichtlich der Voraussetzungen nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 der VO (EG) Nr. 1107/2009 anzuwenden. Dies ergebe sich zum einen bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Der Wortlaut des Art. 36 Abs. 3 Satz 1 sei „weniger streng“ formuliert als jener in Satz 2. Der Begriff des „unannehmbaren Risikos“ werde in Art. 36 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung gerade nicht verwendet. Ebenso würden die Begriffe „Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt“ in Art. 36 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung nicht genannt. Vielmehr sei ganz allgemein von Maßnahmen zu Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, die Rede. Zum anderen sei der Sinn und Zweck des Art. 36 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung „abweichend von Absatz 2“ geeignete Bedingungen und andere Maßnahmen zu Risikominderung festzulegen. Insofern beziehe sich Art. 36 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 explizit auf Art. 36 Abs. 2 der Verordnung und gerade nicht auf Art. 36 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung. Eine rechtliche Verknüpfung von Satz 1 und Satz 2 des Absatzes 3 sei daher nicht zwingend geboten. Auch aus historischer Sicht sei fraglich, ob die Möglichkeit eines nationalen Risikomanagements tatsächlich weitgehend habe ausgeschlossen werden sollen. Auf europäischer Ebene habe es bereits Versuche gegeben, neben der Bewertung auch das Risikomanagement zu harmonisieren. Hier habe es bisher jedoch wegen der Diversität in der Herangehensweise der einzelnen Mitgliedstaaten noch keine nennenswerten Erfolge gegeben. Der Grund hierfür sei nicht nur, dass die von den Mitgliedstaaten verwendeten Sets von Nebenbestimmungen unterschiedlich seien; auch die Regulatorien zur Umsetzung (Bescheid, Verordnung, Gesetz) seien unterschiedlich. Insofern stoße es auf erhebliche praktische Schwierigkeiten, überhaupt einen Überblick zu erhalten, welcher Sachverhalt wie in einem bestimmten Mitgliedstaat geregelt sei. Die Harmonisierung sei daher auch noch nicht abgeschlossen; die entsprechenden Projekte würden fortgeführt. Dieses Umfeld sei dem europäischen Verordnungsgeber bewusst gewesen. Es sei daher fraglich, ob dieser mit Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 eine Harmonisierung „durch die Hintertür“ habe erreichen wollen. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass den Mitgliedstaaten ein gewisser Spielraum habe verbleiben sollen, bis die Projekte zur Harmonisierung abgeschlossen seien. Auch seien praktische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Um die identische Beschreibung der festzulegenden Anwendungen vom zRMS übernehmen zu können, müsse die Fassung der Anwendungen als Grundlage der Bewertungen zunächst EU-weit harmonisiert werden. Derzeit sei dies aufgrund der fehlenden Harmonisierung von Bezeichnungen und Eingruppierungen für Kultur- und Schadorganismen nur bedingt möglich. Um alle Risikominderungsmaßnahmen von einem zRMS übernehmen zu können, müssten diese harmonisiert sein. Dies treffe aber nur auf den geringen Teil der Risikominderungsmaßnahmen zu, die in der Verordnung (EU) Nr. 547/2011 aufgeführt seien. Der überwiegende Anteil sei national geregelt. Insofern sei es durchaus denkbar, dass anzuerkennende Zulassungen für mehr oder weniger identische Pflanzenschutzmittel, aber mit Herkunft aus verschiedenen Mitgliedstaaten, jeweils mit abweichenden Risikominderungsmaßnahmen zuzulassen wären. Dies sei einem Anwender nur schwer zu vermitteln und unterminiere letztlich die Akzeptanz einzelner Risikominderungsmaßnahmen, sowohl bei der anerkannten Zulassung als auch bei der „Referenzzulassung“. Dies werfe ferner die Frage auf, inwiefern dann die einheitliche Kontrolle der ordnungsgemäßen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln durch die Bundesländer gewährleistet werden könne, insbesondere dann, wenn Verstöße gegen diese nicht harmonisierten Risikominderungsmaßnahmen mit Bußgeldern geahndet werden müssten. Auch die durch die Pflanzenschutzdienste zu gewährleistende Beratung der Landwirte im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung der Pflanzenschutzmittel werde durch die unterschiedlichen Vorgaben von Risikominderungsmaßnahmen massiv erschwert. Formulierungsidentische oder -ähnliche Produkte könnten bei ZV1-Verfahren (Deutschland als bewertender Mitgliedstaat) und ZV3/ZVU-Verfahren (anderer Mitgliedstaat als bewertender Mitgliedstaat) unterschiedliche Risikominderungsmaßnahmen erhalten. Eine Beratung durch die Bundesländer würde für diese Produkte unterschiedlich sein müssen, was von den Anwendern nicht nachvollzogen werden könnte. Dies würde zu Unverständnis bei den Anwendern führen und damit zu einer zunehmenden Anzahl von Fehlanwendungen. Schließlich werde auch in bestimmten Fällen das Schutzniveau in Deutschland zwangsläufig sinken. Weiterhin bestehe die Möglichkeit, dass in anderen Mitgliedsländern Risikominderungsmaßnahmen erteilt würden, deren Anwendung auf Deutschland nicht übertragbar wäre. Beispielsweise verweise das Vereinigte Königreich bei der Risikominderung auf sein LERAP-Schema (Local Environmental Risk Assessment for Pesticides), welches an den nationalen Gegebenheiten ausgerichtet sei. Fraglich sei auch, wie dem Inhaber der deutschen „Referenzzulassung“ vermittelt werden könne, dass ein mehr oder weniger identisches Produkt mit weniger strengen Nebenbestimmungen zugelassen werde. Umgekehrt stelle sich die Frage, wie der Antragsteller der gegenseitigen Anerkennung in dem ebenfalls möglichen Fall reagieren würde, wenn das deutsche „Referenzmittel“ mit günstigeren Nebenbestimmungen zugelassen sei. Somit ergäben sich auch Probleme bezüglich der Gleichbehandlung. Im Hinblick auf Gleichbehandlungsgesichtspunkte beabsichtige sie zudem, die in Deutschland bestehende Zulassung für das Originalprodukt ebenfalls zu ändern; sie habe zuvor eine Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Verfahren abwarten wollen. Ungeachtet dessen lägen die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hier jedoch ebenfalls vor. In der Bundesrepublik Deutschland bestünden spezifische ökologische bzw. landwirtschaftliche Bedingungen; auch seien vorliegend unannehmbare Risiken gegeben. Der Referenzmitgliedstaat unterscheide sich bezüglich seines Naturraums deutlich von der Situation in Deutschland. In der Bundesrepublik Deutschland sei insbesondere der Feldhase ein „Risikopatient“. Die Hasenpopulation sei so schwach, dass ein hohes Auslöschungsrisiko bestehe. Der Referenzmitgliedstaat habe die Situation in anderen Staaten der mittleren Zone, insbesondere in Deutschland, nicht geprüft. So gebe die Norm des Art. 36 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 lediglich eine Feststellung „so weit wie möglich“ vor, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung in derselben Zone die erforderlichen Anforderungen erfüllt. Die ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland unterschieden sich deutlich von jenen des Referenzmitgliedstaates. Hinsichtlich der Regenwurmgefährdung lege sie im Übrigen ein eigenes Expositionsszenario zugrunde. Das streitgegenständliche Mittel sei regenwurmgiftig; in der Bundesrepublik Deutschland existierten viele Sandböden; auch seien die Regenwurmbestände nicht gesund und damit besonders empfindlich, weshalb man sich für eine konservative Prüfung unter Zugrundelegung einer Eindringtiefe von 2,5 cm entschieden habe. Dem Audit-Bericht der Europäischen Kommission, in welchem diese Vorgehensweise kritisiert worden sei, sei zu widersprechen; insbesondere sei dort keine Prüfung durch Experten vorgenommen worden. Zwar seien die geschilderten spezifischen ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland insofern letztlich immer gegeben, jedoch handhabe sie die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 als Ausnahmetatbestand, so dass von ihr nur selten entsprechende Bedenken angenommen würden. Das UBA habe sein Einvernehmen im vorliegenden Fall erst erteilen können, nachdem die BBCH-Stadien geändert worden seien. Ohne die Änderungen wäre es bei der Versagung des Einvernehmens geblieben und damit zu einer auf Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gestützten Ablehnung gekommen. Die Klägerin sei zudem vor der Änderung der BBCH-Stadien angehört worden und habe den Änderungen ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt. Hierin sei bereits eine einvernehmliche Antragsänderung zu erblicken. Unter diesen Voraussetzungen mangele es an einer Beschwer, sofern die Klägerin nun gegen diese Änderung klage. Jedenfalls sei dieses Vorgehen treuewidrig.
In der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2018 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Schriftsatznachlass zu den Ausführungen der Beklagten mit Schriftsatz vom 5. April 2018 beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
Im Übrigen ist die Klage zulässig und teilweise begründet.
Der Klägerin fehlt insbesondere nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Zwar ist es richtig, dass diese der Beklagten unter dem 26. Juli 2017 (Bl. 283 d. GA) mitgeteilt hat, die Bedingungen in der Zwischenmitteilung vom 24. Juli 2017 zu akzeptieren („I can confirm that we accept the requirements outlined in the interim letter dated 24 July 2017 […]“), jedoch lässt dies nicht das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfallen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes folgt das Vorhandensein des für jedes Gesuch um gerichtlichen Rechtsschutz erforderlichen Interesses an der Erlangung dieses Rechtsschutzes bei verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklagen in aller Regel bereits aus dem Umstand, dass der Kläger einen auf Leistung an sich selbst gerichteten, bislang nicht erfüllten Anspruch geltend macht. Bereits dadurch, dass sich der Kläger - überhaupt - an das Gericht wendet, wird offenbar, dass er an der gerichtlichen Entscheidung „subjektiv“ interessiert ist. Daraus, dass der Kläger auf Leistung an sich klagt und somit jedenfalls niemand anderes als der - vermeintliche - Inhaber des eingeklagten materiellen Anspruchs um Rechtsschutz nachsucht, ergibt sich auch das „objektive“ Interesse der Rechtsordnung an der Inanspruchnahme des Gerichts. Denn es gilt der Grundsatz, dass die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, in aller Regel auch das Interesse dessen, der sich als der Inhaber dieses Rechtes sieht, am gerichtlichen Schutz dieses Rechtes anerkennt. Ein solches Rechtsschutzinteresse an einer vom vermeintlichen Inhaber des behaupteten Anspruchs erhobenen Klage fehlt deshalb nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die den dargestellten Zusammenhang außer Kraft setzen und das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.1989 – 9 C 44.87 = BVerwGE 81, 164 – juris, Rn. 9). Derartige besondere Umstände können beispielsweise darin bestehen, dass auch ein Obsiegen dem Kläger keinen rechtlichen Vorteil bringt, es einfachere oder effektivere Möglichkeiten des Rechtsschutzes gibt oder es sich als rechtsmissbräuchlich darstellt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Vorb. § 40, Rn. 37).
Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Beklagte sieht zu Unrecht die Zulässigkeit der Klage dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin die in der Zwischenmitteilung aufgeführten Bedingungen akzeptiert hat. Zwar gilt entsprechend § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch im Verwaltungsrecht der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.04.2004 – 4 B 17/04 – juris), der auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) umfasst (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 12.08.2016 - 15 ZB 15.696 - juris, Rn. 14), jedoch ist ein solcher Fall vorliegend nicht gegeben. In Bezug auf ein widersprüchliches Verhalten müssen die Gerichte besondere Zurückhaltung üben, weil stets eine Vielzahl möglicher Gründe denkbar sind, die einen Kläger zur Änderung seines Verhaltens bewogen haben können, aber von der Rechtsordnung gleichwohl hinzunehmen sind (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor § 40, Rn. 22). So liegt es auch hier. Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass sie zum damaligen Zeitpunkt keine Alternative zu einer Zulassung unter den von der Beklagten angebotenen Modalitäten sah. Nach ihren Angaben wollte sie zunächst „überhaupt Etwas“ in Form einer - wenigstens teilweisen - pflanzenschutzrechtlichen Zulassung erhalten (vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29.11.2005 – 1 S 1161/04 – juris, Rn. 57).
Damit steht zugleich fest, dass in einer derartigen Erklärung auch nicht bereits ein Klageverzicht gesehen werden kann. Ein den Erlass eines Sachurteils ausschließender Klageverzicht muss angesichts seiner prozessualen Tragweite - unter Anlegung eines strengen Maßstabes - eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1978 – VII C 50.75 – juris, Rn. 13 = BVerwGE 55, 355). Ein solcher ist dem Verhalten der Klägerin nicht zu entnehmen. Wer die vorgeschlagenen Bedingungen in einer Zwischenmitteilung akzeptiert, bringt damit nicht bereits ein mangelndes Interesse zum Ausdruck, sich gegebenenfalls im Folgenden hiergegen mittels einer Klage zu wenden, zumal ein Klageverzicht ohnehin erst nach Ergehen des belastenden Verwaltungsakts gegenüber dem Gericht oder dem Gegner einseitig erklärt oder mit ihm vereinbart werden könnte (Rennert, in: Eyermann, a.a.O., Rn. 24). Auch ist grundsätzlich erst nach Ergehen des Verwaltungsakts eine Prüfung der Begründung der belastenden Teile der Entscheidung möglich.
Die Klage ist auch teilweise begründet.
Die zum Teil erfolgte Ablehnung der begehrten pflanzenschutzrechtlichen Zulassung in Form der Beschränkung der BBCH-Stadien für das Anwendungsgebiet „Weizen“ ist in Teilen rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf die Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im zonalen Zulassungsverfahren hinsichtlich der Kulturstadien BBCH 31 bis 38 für das Anwendungsgebiet „Weizen“ bezüglich der Schadorganismen „Septoria-Blattdürre“, „Gelbrost“, „Braunrost“ und „Echter Mehltau“ - Anwendungen 001 bis 004 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Anspruchsgrundlage für die Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung im Wege der zonalen Zulassung sind die Art. 29ff. i. V. m. Art. 36 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1107/2009.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Gerichts zum Vorliegen des Rechtsschutzinteresses ist in dem Schreiben der Klägerin vom 26. Juli 2017 auch keine konkludente oder ausdrückliche Antragsänderung zu sehen, weshalb die formellen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind.
Das beabsichtigte Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels in der Bundesrepublik Deutschland bedarf gemäß Art. 28 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1107/2009 einer innerstaatlichen Zulassung, da kein Ausnahmetatbestand des Abs. 2 Anwendung findet.
Das Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels „F.“ ist in dem tenorierten Umfang auch zulassungsfähig.
Es handelt sich in dem vorliegenden Fall um ein sog. „Zonales Zulassungsverfahren“ nach Art. 33 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Dieses Verfahren untergliedert sich in zwei Arten. Zum einen kann der Antragsteller einen Zulassungsantrag nur in einem Mitgliedstaat oder parallel in mehreren Mitgliedstaaten stellen. In letzterem - hier vorliegenden – Fall, schlägt der Antragsteller den Mitgliedstaaten einer Zone vor, welcher Staat prüfender Mitgliedstaat (zonal Rapporteur Member State - zRMS) werden soll. Wird diesem Vorschlag entsprochen, so beantragt der Antragsteller bei diesem Mitgliedstaat für die betreffende Zone die Erteilung der zonalen Zulassung und gibt zugleich an, in welchen weiteren Mitgliedstaaten derselben Zone er eine Zulassung zu beantragen beabsichtigt (Art. 35 VO [EG] Nr. 1107/2009). Die übrigen Mitgliedstaaten derselben Zone, in welchen ebenfalls eine Zulassung beantragt werden soll, werden sodann beteiligte Mitgliedstaaten (concerned Member States - cMS). Neben dem Antrag beim gewünschten zRMS stellt der Antragsteller den Zulassungsantrag parallel bei sämtlichen gewünschten cMS. Die dem Antrag beizufügenden Unterlagen sind in Art. 33 VO (EG) Nr. 1107/2009 aufgeführt. Die Prüfung des Antrags erfolgt sodann gemäß Art. 35 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 durch den zRMS. Nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung nimmt der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vor. Er wendet die in Art. 29 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1107/2009 genannten einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an, um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung gemäß Art. 55 der Verordnung in der selben Zone und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen gemäß Art. 29 erfüllt (S. 3). Die beteiligten Mitgliedstaaten setzen gemäß Art. 35 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 die Bearbeitung des Antrags aus, bis die Bewertung durch den prüfenden Mitgliedstaat vorliegt. Der prüfende Mitgliedstaat erstellt sodann im Zuge der Bewertung den Entwurf eines Bewertungsberichtes (draft Registration Report - dRR) in einem zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmten Format. Dieser Entwurf wird an sämtliche Mitgliedstaaten der Zone zur Kommentierung verschickt (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VO [EG] Nr. 1107/2009). Nach Ablauf der Kommentierungsfrist erstellt der prüfende Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Mitgliedstaaten den Finalen Registration Report (RR) und entscheidet für sein Hoheitsgebiet über die Zulassung des jeweiligen Pflanzenschutzmittels. Im Folgenden übermittelt er den Finalen Registration Report sowie seine Zulassungsentscheidung an die anderen Mitgliedstaaten derselben Zone. Die anderen betroffenen Mitgliedstaaten entscheiden sodann innerhalb von höchstens 120 Tagen nach Erhalt des Bewertungsberichts und der Kopie der Zulassung über den Antrag gemäß Art. 36 Abs. 2 und 3 der Verordnung (Art. 37 Abs. 4 VO [EG] Nr. 1107/2009).
Gemäß Art. 36 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 gewähren oder verweigern die betreffenden Mitgliedstaaten die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den Mitgliedstaat, der den Antrag gemäß den Artikeln 31 und 32 der Verordnung prüft. Anders liegt es jedoch in Fällen, bei denen Art. 36 Abs. 3 der Verordnung Anwendung findet. Gemäß Art. 36 Abs. 3 Satz 1 können abweichend von Art. 36 Absatz 2 der Verordnung und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Art. 31 Abs. 3 und 4 der Verordnung und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden. Können die Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt (Satz 2).
Art. 36 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 verpflichtetet den cMS somit - mit Ausnahme von Fällen im Sinne von Art. 36 Abs. 3 der genannten Verordnung - zur Gewährung oder Verweigerung der Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den den Antrag prüfenden Mitgliedstaat. Eine weitergehende Prüfungskompetenz im Hinblick auf die Entscheidung des prüfenden Mitgliedstaates kommt dem beteiligten Mitgliedstaat grundsätzlich nicht zu. Die Beklagte ist daher grundsätzlich weder befugt noch verpflichtet, die Referenzzulassung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 36 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1107/2009, welcher ausdrücklich bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den prüfenden Mitgliedstaat gewähren oder verweigern. Die Einräumung einer, über die in Absatz 3 genannte Prüfung, hinausgehenden Prüfungskompetenz findet sich in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gerade nicht. Es hätte dem Verordnungsgeber offen gestanden, eine weitergehende Prüfungskompetenz zu normieren, wovon dieser jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.
Auch der Regelungszusammenhang spricht gegen eine weitergehende Prüfungskompetenz des nur beteiligten Mitgliedstaates. So hätte der Verordnungsgeber mit den Regelungen in Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 keine Ausnahmetatbestände schaffen müssen, wäre er davon ausgegangen, dass keine Bindungswirkung besteht.
Gegen eine weitergehende Prüfungskompetenz des beteiligten Mitgliedstaates spricht auch eine teleologische Interpretation unter besonderer Berücksichtigung des Normzweckes. Ausweislich der Erwägungsgründe Nr. 8 und 9 zur VO (EG) Nr. 1107/2009 war es das Ziel des Verordnungsgebers, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft der Gemeinschaft sicherzustellen. Um die aufgrund des unterschiedlichen Schutzniveaus in den Mitgliedstaaten möglicherweise bestehende Handelshemmnisse so weit wie möglich zu beseitigen, sollten zudem harmonisierte Regelungen u. a. für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln festgelegt werden. Zweck der Verordnung ist es, den freien Verkehr der entsprechenden Produkte und die Verfügbarkeit dieser Produkte in den Mitgliedstaaten zu verbessern. Zugleich beabsichtigte der Verordnungsgeber nach dem Rechtsgedanken des Erwägungsgrundes Nr. 14 eine Beschleunigung des gesamten Zulassungsverfahrens. Gemäß Erwägungsgrund Nr. 25 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sollten im Interesse der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Kohärenz die Kriterien, Verfahren und Bedingungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt harmonisiert werden. Dieses Harmonisierungsbestreben verfolgte der Verordnungsgeber mithin - ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 9 der Verordnung - in dem Bewusstsein, dass innerhalb der Mitgliedstaaten unterschiedliche Schutzniveaus bestehen. Das zonale Zulassungsverfahren soll gerade dazu dienen, dass die einzelnen beteiligten Mitgliedstaaten keine eigene Prüfung aller Zulassungsvoraussetzungen vornehmen, sondern die von dem anderen, prüfenden Mitgliedstaat bereits vorgenommene Prüfung der eigenen Entscheidung zugrunde legen. Diese Verfahrensweise dient damit gerade dem dargelegten Zweck der Harmonisierung der Zulassungspraxis innerhalb der Gemeinschaft sowie dem Beschleunigungs- und Effizienzbestreben, da zugleich doppelte Arbeiten vermieden werden (vgl. zur gegenseitigen Anerkennung pflanzenschutzrechtlicher Zulassung bereits Urt. der Kammer v. 30.11.2016 - 9 A 27/16 und 9 A 28/16 -, juris).
Das gemeinsame europäische System der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gründet sich insofern auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle hieran beteiligten Staaten die Vorgaben beachten, die ihre Grundlage in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 finden und ein hohes Schutzniveau gewährleisten (vgl. zur gegenseitigen Anerkennung von Tierarzneimittelzulassungen BVerwG, Urt. v. 19.09.2013 - 3 C 22/12 - juris, Rn. 22 m. w. N.). Hieraus ist die Vermutung abzuleiten, dass die Bearbeitung von Zulassungsanträgen für Pflanzenschutzmittel in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht. Die genannten Zwecke der Verordnung würden nicht erreicht, wenn der nur beteiligte Mitgliedstaat eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle der Referenzzulassung vornehmen müsste oder dürfte. Der Europäische Gerichtshof hat in Bezug auf eine gegenseitige Anerkennung der Zulassung eines Humanarzneimittels festgestellt, dass die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung in strikter Weise geregelt sei; das Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit bilde den einzigen Grund, auf den sich ein Mitgliedstaat berufen dürfe, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Humanarzneimittels die Anerkennung zu versagen (EuGH, Urt. v. 16.10.2008 - C-452/06, Synthon - Slg. I 7681 Rn. 26 und 28). Da sich das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das Verfahren der zonalen Zulassung unter Beteiligung eines cMS im Wesentlichen nur durch die zeitliche Abfolge unterscheiden, lassen sich die in dieser Entscheidung angestellten Erwägungen weitgehend auf den vorliegenden Fall übertragen, zumal im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gegebenenfalls sogar ein größerer zeitlicher Abstand zwischen der Referenzzulassung und der Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat liegen kann, als bei einem zonalen Zulassungsverfahren.
Ausgehend von diesen Überlegungen bilden die in Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 festgelegten Ausnahmen die einzigen Gründe, auf die sich ein beteiligter Mitgliedstaat im Rahmen eines zonalen Zulassungsverfahrens berufen kann, um einer von einem anderen, prüfenden Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen die Zulassung zu versagen. Das zonale Verfahren lässt somit keinen Raum für eine Versagung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels aus anderen als den in Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genannten Gründen. Eine andere Auslegung liefe dem Zweck der Verordnung zuwider und nähme den maßgeblichen Bestimmungen ihre praktische Wirksamkeit. Dürfte ein Mitgliedstaat, bei dem die nationale Zulassung bei Prüfung durch einen anderen Mitgliedstaat beantragt wird, diese Zulassung von einer zweiten Prüfung des gesamten Zulassungsantrags oder eines Teils davon abhängig machen, so liefe dies letztlich darauf hinaus, dem vom Verordnungsgeber geschaffenen Verfahren jeden Sinn zu nehmen und die Verwirklichung der mit der Verordnung verfolgten Ziele, wie insbesondere der in Erwägungsgrund Nr. 9 der Verordnung genannten Verbesserung des freien Verkehrs der entsprechenden Produkte, ernsthaft zu gefährden (vgl. EuGH, a. a. O., Rn. 32).
Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln teilweise nicht dem angestrebten hohen Schutzniveau entspricht. Es ist daher davon auszugehen, dass die genannte Vermutung widerlegt werden kann. Eine Widerlegung der Vermutung, dass die Bearbeitung von Zulassungsanträgen für Pflanzenschutzmittel in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht, ist jedoch aufgrund der gewichtigen Zwecke des gemeinsamen europäischen pflanzenschutzrechtlichen Zulassungssystems an hohe Hürden zu knüpfen, weshalb nicht jede mangelhafte Prüfung und nicht jeder Verstoß gegen die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genügt, um dem lediglich beteiligten Mitgliedstaat eine Prüfungskompetenz zuzubilligen. Jedenfalls solange sich nicht aufdrängt, dass ein Referenzmitgliedstaat die im jeweiligen Zulassungsverfahren zu beachtenden Rechtsvorschriften systematisch verletzt, besteht im nationalen Zulassungsverfahren kein Raum für eine weitergehende Überprüfung (vgl. BVerwG, a. a. O. und Urt. d. Kammer v. 30.11.2016, a. a. O.).
Gemessen an diesen Grundsätzen sind Anhaltspunkte für das Vorliegen systematischer Mängel im pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahren des Vereinigten Königreiches nicht erkennbar. Soweit die Beklagte die Nichtbeachtung fundamentaler rechtlicher Vorgaben gerügt hat und hierbei auf verschiedene - aus ihrer Sicht vorliegende - Verstöße des Referenzmitgliedstaates Bezug genommen hat, sind diese sowohl im Einzelnen als auch in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, systematische Mängel im pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahren des Vereinigten Königreiches zu begründen. Vereinzelte Rechtsverstöße in einem oder einigen wenigen pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahren sind bereits nicht geeignet, systematische Mängel des Zulassungsverfahrens darzulegen.
Dies gilt umso mehr, als der vom Referenzmitgliedstaat erstellte Bewertungsbericht für das hier streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel der Klägerin erkennen lässt, dass das Vereinigte Königreich einen Vergleich der Formulierungen der Pflanzenschutzmittel vorgenommen hat (vgl. etwa Part A Ziffer 1 RR). Auch hat es Erwägungen dazu angestellt, ob die Übertragung der Bewertung des Original-Pflanzenschutzmittels auf das Pflanzenschutzmittel der Klägerin vertretbar erscheint. Es hat hierzu ausgeführt, das streitgegenständliche Produkt liege vollständig im Risikobereich des bereits bestehenden Originalproduktes, weshalb es ohne zusätzliche Bewertung zugelassen werden könne (vgl. Part A Ziffer 3.1 RR). Das Vereinigte Königreich hat damit von einer eigenständigen, aktuellen Bewertung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels nicht etwa willkürlich und grundlos abgesehen, sondern Erwägungen zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens angestellt. Ob sich diese Erwägungen letztendlich als rechtlich tragfähig und belastbar erweisen würden, ist nicht maßgeblich.
Systematische Mängel mit der Folge einer weitergehenden Prüfungskompetenz der Beklagten resultieren auch nicht daraus, dass der prüfende Mitgliedstaat auf Unterlagen aus dem dortigen Zulassungsverfahren des Originalpräparates Bezug genommen hat und von der Klägerin aufgrund dessen keine eigenen Studien eingereicht wurden. Die Entscheidung, welche Unterlagen und Dokumente der Referenzmitgliedstaat seiner Bewertung zu Grunde legt, steht grundsätzlich in seiner Kompetenz. Sofern er - wie hier - die vorgelegten Dokumente aus dem Zulassungsverfahren des Originalpräparates aus dem Jahr 2005 als ausreichend erachtete, so ist die Beklagte hieran gebunden, auch wenn der prüfende Mitgliedstaat hierbei im Einzelfall fehlerhaft gehandelt haben sollte. Es kann daher hier dahinstehen, ob die Unterlagen aus dem Jahr 2005 im Jahr 2014 dem neuesten oder auch nur aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprachen und welcher Stand insofern zu fordern ist. Dasselbe gilt im Ergebnis auch für die Zugrundelegung überholter Leitlinien (Guidance Documents).
Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte ihre Beteiligungsrechte im Rahmen des Kommentierungsverfahrens fristgerecht und umfassend ausgeübt hat. Selbst wenn sie ihre Bedenken fristgerecht geschildert hätte, dies jedoch vom prüfenden Mitgliedstaat - wie vorgetragen - nicht aufgegriffen worden wäre, so hätte dies keine Auswirkungen auf die Verpflichtung der Beklagten, die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den Mitgliedstaat zu gewähren. Die Stellungnahmen der beteiligten Mitgliedstaaten sind gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 lediglich zu „berücksichtigen“. Dies meint nach dem Wortsinn lediglich, dass sie bei den eigenen Überlegungen zu beachten sind und in die eigenen Überlegungen einzubeziehen sind. Hieraus resultiert jedoch nicht zwangsläufig eine Verpflichtung des prüfenden Mitgliedstaates, etwaigen Bedenken durch entsprechende Anpassungen zu begegnen.
Der Verneinung systematischer Mängel des Zulassungsverfahrens des prüfenden Mitgliedstaates steht auch nicht entgegen, dass der in dem streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel enthaltene Wirkstoff „H.“ zwischenzeitlich als Substitutionskandidat eingestuft wurde. Ein „Substitutionskandidat“ (Candidate for Substitution, CfS) ist ein Wirkstoff, der gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genehmigt ist und eines oder mehrere der Kriterien des Anhangs II Ziffer 4 der genannten Verordnung erfüllt. Als Substitutionskandidaten gelistete Wirkstoffe werden für eine Dauer von höchstens 7 Jahren genehmigt. Die Genehmigung kann einmal oder mehrmals erneuert werden, so lange die Genehmigungsanforderungen erfüllt sind (vgl. Art. 24 VO [EG] Nr. 1107/2009). Gemäß Art. 80 Abs. 7 VO (EG) Nr. 1107/2009 erstellt die Kommission eine Liste der Substitutionskandidaten, auf welche Art. 50 VO (EG) Nr. 1107/2009 Anwendung findet.
Gemäß Art. 50 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ist von den Mitgliedstaaten eine vergleichende Bewertung durchzuführen, wenn sie einen Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels prüfen, das einen Wirkstoff enthält, der als Substitutionskandidat zugelassen ist. Die Einzelheiten der vergleichenden Bewertung sind in Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 1107/2009 geregelt. Die Mitgliedstaaten erteilen keine Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel oder beschränken die Verwendung eines Pflanzenschutzmittels, das einen Substitutionskandidaten enthält, auf eine bestimmte Kulturpflanze, wenn die vergleichende Bewertung der Risiken und des Nutzens gemäß Anhang IV ergibt, dass für die im Antrag genannten Verwendungen bereits ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel oder eine nichtchemische Bekämpfungs- oder Präventionsmethode besteht, das/die für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt deutlich sicherer ist, und die Substitution durch die Pflanzenschutzmittel bzw. die nichtchemischen Bekämpfungs- oder Präventionsmethoden keine wesentlichen wirtschaftlichen oder praktischen Nachteile aufweist, und ggf. die chemische Vielfalt der Wirkstoffe oder die Methoden und Verfahren der Kulturführung und der Schädlingsprävention ausreichend sind, um das Entstehen einer Resistenz beim Zielorganismus zu minimieren, und die Auswirkungen auf die Zulassungen für geringfügige Verwendungen berücksichtigt werden (Art. 50 Abs. 1 Satz 2 VO [EG] Nr. 1107/2009). Bei Pflanzenschutzmitteln, die einen Substitutionskandidaten enthalten, führen die Mitgliedstaaten nach Art. 50 Abs. 4 der Verordnung die vergleichende Bewertung regelmäßig und spätestens bei der Erneuerung oder Änderung der Zulassung durch. Anhand der Ergebnisse dieser vergleichenden Bewertung bestätigen die Mitgliedstaaten die Zulassung, heben sie auf oder ändern sie. Beschließt ein Mitgliedstaat, eine Genehmigung aufzuheben oder zu ändern, so wird diese Aufhebung oder Änderung drei Jahre nach diesem Beschluss des Mitgliedstaates oder - sofern dieser Zeitraum früher endet - am Ende des Genehmigungszeitraumes des Substitutionskandidaten wirksam (Absatz 5).
Der Bejahung systematischer Mängel des Zulassungsverfahrens im Vereinigten Königreiches steht hier bereits entgegen, dass die Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 der Kommission vom 11. März 2015 zur Durchführung des Art. 80 Abs. 7 der VO (EG) Nr. 1107/2009 und zur Erstellung einer Liste mit Substitutionskandidaten, mit welcher der Wirkstoff „H.“ als Substitutionskandidat eingestuft wurde, erst nach der Zulassung des streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittels im Vereinigten Königreich in Kraft trat (vgl. Art. 3 DVO [EU] 2015/408, ABl. L 67 v. 12.03.2015, S. 18; siehe auch Art. 2 DVO [EU] 2015/408).
Darüber hinaus schließt die Einstufung eines Wirkstoffes als Substitutionskandidat nach den o. g. Ausführungen die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, das diesen Wirkstoff enthält, nicht zwingend aus. Es ist vielmehr die dargestellte vergleichende Bewertung durchzuführen. Dass diese Vergleichsbewertung zu einer Versagung der Zulassung durch den prüfenden Mitgliedstaat hätte führen müssen, hat die Beklagte bereits nicht (substantiiert) dargelegt. Im Übrigen wäre es die Aufgabe des Referenzmitgliedstaates, gegebenenfalls Maßnahmen zur Aufhebung oder Änderung der Zulassung zu ergreifen. Das der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zugrundeliegende Prinzip gegenseitigen Vertrauens bedingt auch in dieser Hinsicht die Vermutung, dass das Vereinigte Königreich unter Beachtung des geltenden Unionsrechts eine Änderung oder Aufhebung der Zulassung veranlassen würde, sofern dies aufgrund neuerer Erkenntnisse geboten wäre.
Ebenso vermag an diesem Ergebnis nicht zu ändern, dass nach Darlegung der Beklagten die Einstufung und Kennzeichnung des streitgegenständlichen Mittels durch den prüfenden Mitgliedstaat von der des in Deutschland zugelassenen Originalproduktes abweicht (Risiko- und Sicherheitssätze - R- und S-Sätze).
Die von der Beklagten angeführten Gründe begründen damit sowohl einzeln als auch zusammengenommen keine - über die Prüfung der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 hinausgehende - Prüfungskompetenz der Beklagten.
Die auf Art. 36 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gestützte Risikominderungsmaßnahme in Form der Beschränkung der BBCH-Stadien für das Anwendungsgebiet „Weizen“ durch die Beklagte stellt sich nach den anzulegenden Maßstäben (siehe hierzu Ziffer 1.) jedoch nur teilweise, genauer im Hinblick auf die BBCH-Stadien 25 bis 30, als rechtmäßig dar (siehe hierzu Ziffer 2.). Bezüglich der Versagung der BBCH-Stadien 31 bis 38 liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1107/2009 nicht vor (siehe hierzu Ziffer 3.).
1. Wie erläutert, können nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 abweichend von Absatz 2 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Art. 31 Abs. 3 und 4 der Verordnung und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden. Die hier erfolgte Beschränkung der BBCH-Stadien stellt eine solche Risikominderungsmaßnahme dar.
Risikominderungsmaßnahmen setzen neben den bereits genannten Anforderungen voraus, dass ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die Gewährung der Zulassung Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt hat (Satz 2, 1. HS).
Eine Einbeziehung dieser Voraussetzung des Art. 36 Abs. 3 Satz 2, 1. HS der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ergibt sich nach Auffassung der Kammer bereits unter grammatischen bzw. systematischen Gesichtspunkten.
Nach dem Wortlaut der Regelung in Art. 36 Abs. 3 Satz 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 ist eine Verweigerung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels (erst) dann zulässig, wenn „die Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt“ werden können. Der erste Halbsatz des Satzes 2 nimmt somit ausdrücklich Bezug auf die Regelung des Satzes 1 (= Unterabsatz 1). Dies verdeutlicht, dass „Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt“ als Voraussetzung zur Vornahme von Risikominderungsmaßnahmen vorliegen müssen. Art. 36 Abs. 3 Satz 2, 1. HS ist somit - quasi als „2. Halbsatz“ – in Art. 36 Abs. 3 Satz 1 „hineinzulesen“. Unterstützt wird diese Auslegung durch Art. 31 Abs. 4 Buchst. a VO (EG) Nr. 1107/2009, der hinsichtlich Einschränkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels – wie hier – ebenfalls auf den Schutz der Gesundheit unter anderem der Verbraucher oder der Umwelt abstellt.
Weitergehende tatbestandliche Voraussetzungen bestehen nach Ansicht der Kammer im Hinblick auf Risikominderungsmaßnahmen jedoch nicht. Insbesondere setzen sie nicht voraus, dass die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 Satz 2 HS 2 der VO (EG) Nr. 1107/2009 vorliegen, weshalb Risikominderungsmaßnahmen nicht erst dann zulässig sind, wenn ein Mitgliedstaat „angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt“.
Dies wird anhand einer historischen Interpretation deutlich. So war in dem ersten Entwurf einer Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln die streitgegenständliche Ausnahmeregelung (seinerzeit Art. 35 Ziffer 3.) wie folgt formuliert:
„Abweichend von Absatz 2 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts können zusätzliche Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 30 Absatz 3 festgelegt werden.“
Art. 30 Abs. 3 des Entwurfs konkretisierte hierbei die Bedingungen für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und stellte klar, dass hierunter auch Einschränkungen in Bezug auf den Vertrieb und die Verwendung des Pflanzenschutzmittels, die dem Schutz der Vertreiber, Verwender und betroffenen Arbeitnehmer dienen sollen, und die Verpflichtung, vor Einsatz des Produkts Nachbarn zu unterrichten, die der Sprühnebelabdrift ausgesetzt sein könnten, sofern diese eine Unterrichtung gefordert haben, fallen konnten (s. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 12.07.2006, KOM(2006) 388 endgültig, 2006/0136 (COD), SEK (2006), 930, 931).
Hiernach waren folglich u. a. Einschränkungen des Vertriebs und der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln jedenfalls dann voraussetzungslos möglich, sofern dies dem Schutz der Vertreiber, Verwender und betroffenen Arbeitnehmer dienen sollte.
Im Gemeinsamen Standpunkt des Rates (EG) Nr. 25/2008, vom Rat festgelegt am 15. September 2008 (2008/C 266 E/01, ABl. C 266 E/1 v. 21.10.2008), wurde im Folgenden die Formulierung des Art. 36 Abs. 3 Sätze 1 und 2 aufgenommen:
„Abweichend von Absatz 2 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts können geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absatz 3 Buchstaben a und b und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden.
Können die Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat als letztes Mittel (Hervorhebung durch das Gericht) die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts sehr spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt ein schwerwiegendes Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.“
In der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf die Annahme der Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (KOM[2008] 578 endgültig, 2006/0136 [COD]) führte diese daraufhin unter dem 22. September 2008 aus, es werde im Gemeinsamen Standpunkt an der obligatorischen gegenseitigen Anerkennung festgehalten, jedoch erlaube eine Ausnahmeregelung (Art. 35 Abs. 3) eine „Anpassung an lokale Bedingungen“ sowie „in Ausnahmefällen die Verweigerung – seitens der Mitgliedstaaten – einer Zulassung aufgrund spezifischer und begründeter Risiken für Gesundheit oder Umwelt, die anders nicht ausgeschlossen werden könnten“.
Der Europäische Gesetzgeber unterschied somit deutlich zwischen „Anpassungen“ und der „Verweigerung“ der Zulassung, die nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen sollte. Aufgrund dessen ist das Gericht davon überzeugt, dass Risikominderungsmaßnahmen nach dem Willen des Verordnungsgebers unter erleichterten Bedingungen möglich sein sollten, als eine vollständige Versagung der Zulassung, die ausweislich der o. g. Materialien das letzte Mittel i. S. einer „ultima ratio“ darstellen sollte. Für eine solche wurden daher deutlich höhere Anforderungen formuliert.
Dass der Europäische Verordnungsgeber Risikominderungsmaßnahmen als ein regelmäßig anzuwendendes, eher niedrigschwelliges Instrument zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt erachtete, wird insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion zu dem hier streitgegenständlichen Wirkstoff deutlich. So findet sich bereits in dem Bericht I.der Hinweis, dass die Mitgliedstaaten besonders auf den Schutz von aquarischen Organismen, Vögeln und Säugetieren achten müssten. Die Zulassungsbedingungen sollten gegebenenfalls Maßnahmen zur Risikobegrenzung enthalten („K“.).
Das Gericht ist daher der Auffassung, dass für Risikominderungsmaßnahmen und die vollständige Versagung der Zulassung unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen gelten. Risikominderungsmaßnahmen sollten bereits möglich sein, sofern „spezifische Verwendungsbedingungen“ sowie „Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt“ vorliegen. Demgegenüber erfordert die vollständige Verweigerung der Zulassung „spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen in einem Mitgliedstaat“ sowie dass „ein Mitgliedstaat berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt“.
Die Formulierung in Art. 36 Abs. 3 Satz 2, 2. HS der Verordnung (EG) Nr. 1107/ 2009 „noch immer“ steht dieser Auslegung nicht entgegen, da hierdurch nach Ansicht der Kammer lediglich verdeutlicht werden sollte, dass Risikominderungsmaßnahmen im Sinne eines „milderen Mittels“ aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vorrangig vor einer vollständigen Verweigerung der Zulassung zu prüfen sind. Dies gerade vor dem Hintergrund der bereits genannten ursprünglichen Formulierung der Norm, die auf eine Verweigerung als „letztes Mittel“ abstellte, die Formulierung „noch immer“ aber nicht enthielt.
Dabei ist die Kammer der Auffassung, dass Maßnahmen zur Risikominderung auch möglich sein müssen, sofern – neben den genannten weiteren Anforderungen – zwar keine „spezifischen Verwendungsbedingungen“ jedoch „spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen“ im Sinne des Art. 36 Abs. 3 Satz 2, 2. HS der Verordnung vorliegen.
Der Begriff der „spezifischen Verwendungsbedingungen“ ist in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht legaldefiniert. Ein Vergleich mit dem Wortlaut in Satz 2 des Absatzes 3, wo von „spezifischen ökologischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen“ die Rede ist, legt jedoch den Schluss nahe, dass mit „spezifischen Verwendungsbedingungen“ gerade nicht die nationalen ökologischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen gemeint sein können, wobei der Wortlaut dafür spricht, dass hiermit die ökologischen und landwirtschaftlichen „Rahmenbedingungen“ im Sinne einer Situationsbeschreibung gemeint sind.
In Abgrenzung hierzu ist das Gericht der Auffassung, dass „spezifische Verwendungsbedingungen“ eher die konkrete Art und Weise der Verwendung betreffen. Verdeutlicht wird dies durch die Regelung in Art. 31 VO (EG) Nr. 1107/2009. Absatz 2 dieser Norm enthält die Formulierung „Bedingungen für die Verwendung“. Hiernach werden in der Zulassung die Anforderungen für das Inverkehrbringen und die Verwendung des Pflanzenschutzmittels festgelegt, wozu zumindest die Bedingungen für die Verwendung gehören, die notwendig sind, um die in der Genehmigungsverordnung für die Wirkstoffe, Safener und Synergisten festgelegten Bedingungen und Anforderungen zu erfüllen. Art. 31 Abs. 3 und 4 der Verordnung nennen im Folgenden u. a. Beispiele für die entsprechenden Anforderungen nach Absatz 2. Erfasst werden hiernach beispielsweise die Höchstdosis pro Hektar bei jeder Verwendung, der Zeitraum zwischen der letzten Verwendung und der Ernte, die Höchstzahl der Verwendungen pro Jahr, Einschränkungen in Bezug auf Vertrieb und Verwendung des Pflanzenschutzmittels, die dem Schutz der Gesundheit der Vertreiber, Verwender, umstehenden Personen, Anrainer, Verbraucher oder betroffenen Arbeitnehmer oder der Umwelt dienen sollen, die Verpflichtung, Nachbarn vorab zu unterrichten, Angaben über die ordnungsgemäße Verwendung, Festlegung von Verwenderkategorien, das genehmigte Etikett, die Intervalle zwischen den Anwendungen, den Zeitraum zwischen der letzten Anwendung und dem Verzehr des Pflanzenerzeugnisses, die Wiederbetretungsfrist und die Größe und das Material der Verpackung.
Wenn Risikominderungsmaßnahmen bereits zulässig sind, sofern sich die Art und Weise der Verwendung in einem Mitgliedstaat von jener in anderen Mitgliedstaaten unterscheidet, so muss im Sinne eines „Erst-recht-Schlusses“ davon ausgegangen werden, dass Risikominderungsmaßnahmen auch zulässig sein müssen, sofern (sogar) spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen vorliegen, da es sich hierbei um eine weitaus höhere Anforderung handelt.
Risikominderungsmaßnahmen i. S. d. Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 setzen somit in tatbestandlicher Hinsicht voraus, dass in einem Mitgliedstaat entweder spezifische Verwendungsbedingungen oder spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen vorliegen und ein Mitgliedstaat hinsichtlich des zuzulassenden Pflanzenschutzmittels Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt hat.
In der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ist - angesichts der mit ihr verfolgten und bereits dargelegten Zwecke und im Hinblick auf das Konzept normativer Vergewisserung – auch bereits angelegt, dass an die Voraussetzungen von Risikominderungsmaßnahmen keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind. Da Art. 36 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1107/2009 grundsätzlich zu einer Übernahme der Zulassung des prüfenden Mitgliedstaates verpflichtet, muss es den nationalen Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund des Zieles der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und die Umwelt zu gewährleisten (siehe Erwägungsgrund Nr. 8), möglich sein, unter den dargelegten Voraussetzungen durch die Vornahme von Risikominderungsmaßnahmen die Details der Zulassung an die nationalen Gegebenheiten anzupassen. In diesem Sinne sind auch der bereits zitierte Bericht L. sowie die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament vom 22. September 2008 zu verstehen (s. o.). Dies erschließt sich gerade auch vor dem Hintergrund eines europaweit nicht vollständig harmonisierten Risikomanagements. An eine vollständige Verweigerung der Zulassung sind demgegenüber weitaus höhere Anforderungen zu stellen.
Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 gegeben sind, ist dabei der Zeitpunkt der Prüfung durch den beteiligten Mitgliedstaat, d. h. nach erfolgter Entscheidung durch den prüfenden Mitgliedstaat. Die Entscheidung hat hierbei auf der Basis der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden maßgeblichen Erkenntnisse zu erfolgen. In diesem Zusammenhang ist jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 der genannten Verordnung den jeweiligen Mitgliedstaat keinesfalls zu einer Neubewertung der Risikobetrachtung des Mittels durch den prüfenden Mitgliedstaat berechtigt.
2. Nach diesen Maßstäben ist das Gericht der Ansicht, dass im vorliegenden Fall in der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls im Hinblick auf die Situation des Feldhasen spezifische ökologische bzw. landwirtschaftliche Bedingungen vorliegen.
Die Beklagte, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast zukommt, hat dies aus Sicht der Kammer überzeugend belegt. Die Kammer geht – wie dargelegt – davon aus, dass unter „spezifischen ökologischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen“ (in Abgrenzung zu spezifischen Verwendungsbedingungen) die ökologischen und landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen innerhalb eines Mitgliedstaates zu verstehen sind. So ist auch in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament vom 22. September 2008 (s. o., a. a. O.) von einer „Anpassung an lokale Bedingungen“ die Rede (lat. localis = örtlich).
Die hier einschlägigen spezifischen ökologischen bzw. landwirtschaftlichen Bedingungen liegen in den besonders ungünstigen agrar- und landschaftsstrukturellen Parametern in Deutschland in Verbindung mit ungünstigen Erhaltungszuständen des Feldhasen.
Die ungünstigen agrar- und landschaftsstrukturellen Parameter in Deutschland werden belegt durch den EU-weit im Rahmen der Gemeinsamen Agrarförderpolitik erhobenen HNVF-Indikator („high nature value farmland“ – Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert), welcher im Rahmen der Europäischen Förderpolitik (ELER) eingeführt worden ist. Die Mitgliedstaaten - in Deutschland der Bund ebenso wie die Länder - sind verpflichtet, für diesen Indikator die Daten regelmäßig zu erfassen und zu berichten. Der Indikator soll dazu beitragen, Aussagen zu Auswirkungen der Landwirtschaft auf die biologische Vielfalt sowie zu Erfolgen bei der Förderung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft zu treffen. Der Indikator bilanziert den Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert an der gesamten Landwirtschaftsfläche. Als Landwirtschaftsfläche mit hohem Naturwert gelten extensiv genutzte, artenreiche Grünland-, Acker-, Streuobst- und Weinbergsflächen sowie Brachen. Hinzu kommen strukturreiche Landschaftselemente wie zum Beispiel Hecken, Raine, Feldgehölze und Kleingewässer, soweit sie zur landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft gehören. Die Einstufung von Flächen und Landschaftselementen erfolgt nach einem festgelegten System von Qualitätskriterien. HNV-Farmland-Flächen werden in Flächen mit äußerst hohem, sehr hohem und mäßig hohem Naturwert unterteilt. Sie werden in Deutschland bundesweit in einer repräsentativen Stichprobe auf 915 Flächen von je 1 km² Größe erfasst. Bei der Erstaufnahme im Jahr 2009 wurden alle Stichprobenflächen bearbeitet; seitdem wird alle 2 Jahre auf jeweils der Hälfte der Stichprobenflächen eine Wiederholungskartierung durchgeführt. Damit lagen im Jahr 2013 für jede Stichprobenfläche 2 vollständige Erfassungen vor. Bei der Kartierung werden alle Landwirtschaftsflächen einer Stichprobenfläche im Gelände begutachtet. Für Flächen und Strukturelemente, die gemäß dem bundesweit einheitlichen Erfassungsschlüssel als HNV-Farmland anzusprechen sind, werden Flächentyp und Bewertung aufgenommen und die Flächen werden in einem geographischen Informationssystem digitalisiert. Die Größe der Landwirtschaftsfläche mit hohem Naturwert in den drei Wertstufen wird aus der Stichprobe für ganz Deutschland hochgerechnet und in Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche angegeben (s. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Indikatorenbericht 2014 zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, S. 63f.).
Nach dem Bericht der European Environment Agency „Updated High Nature Value Farmland in Europe“ von September 2012 belief sich der Anteil solcher, für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft bedeutenden Flächen, in Deutschland auf 15,1 %. Nach Luxemburg (9,7 %) verfügte die Bundesrepublik Deutschland damit über den zweitgeringsten Anteil derartiger Flächen in der mittleren Zone (Zone B), zu welcher insgesamt 13 Mitgliedstaaten gehören (Belgien, Deutschland, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich, s. Anhang I zur VO [EG] Nr. 1107/2009). Neben Luxemburg, weisen lediglich die Niederlande und die Slowakei ebenfalls einen Anteil von unter 20 % auf. Dem gegenüber verfügen beispielsweise Slowenien (75,6 %) oder auch Österreich (64,1 %) über deutlich höhere Anteile derartiger, für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft bedeutenden Flächen. Der Referenzmitgliedstaat, Vereinigtes Königreich, weist einen Anteil von 27,9 % aus.
Eine vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zwischen 2009 und 2013 festgestellte Verschlechterung des HNVF-Indikators in Deutschland weist zudem auf einen anhaltend negativen Trend bei der Entwicklung der Agrar- und Landschaftsstrukturparameter hin. Die Kartierungsergebnisse aus dem Jahr 2013 lieferten nach Angaben des Bundesministeriums einen Indikatorwert von 11,8 % Anteil der HNV-Farmland-Flächen an der gesamten Landwirtschaftsfläche. 2,2 % der Landwirtschaftsfläche wurden als Flächen mit äußerst hohem und 4,3 % als Flächen mit sehr hohem Naturwert eingestuft. Mit 5,3 % Flächenanteil wurde knapp die Hälfte der HNV-Farmland-Fläche als Landwirtschaftsfläche mit mäßig hohem Naturwert eingestuft. Insgesamt verschlechterte sich hiernach der Indikatorwert im Vergleich zum Jahr 2009 um 1,3 Prozentpunkte. Besonders starke Rückgänge waren bei extensiv genutztem Grünland und Äckern sowie artenreichen Brachen festzustellen, während der Anteil strukturreicher Landschaftselemente im Wesentlichen gleichgeblieben ist (s. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Indikatorenbericht 2014 zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, S. 65f.).
Nach der Darstellung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (a. a. O., S. 63), die insofern mit den Ausführungen der Beklagten und des Umweltbundesamtes (vgl. Bl. 132f d. GA) übereinstimmt, ist die biologische Vielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen in den letzten Jahren gerade durch veränderte Bewirtschaftungsformen, insbesondere durch die fortschreitende Technisierung der Landwirtschaft, in Deutschland deutlich zurückgegangen.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), insbesondere die sog. „Greening-Verpflichtung“, bei den oben genannten Erkenntnissen noch keine Berücksichtigung gefunden hat. „Greening“ ist in Deutschland erst seit dem 1. Januar 2015 verpflichtend, weshalb davon auszugehen ist, dass mögliche Auswirkungen auf die Biodiversität noch nicht nachweisbar sind (so auch Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, Erfahrungen mit dem Greening im Jahr 2016 v. 21.12.2016, BT-Drs. 18/10746, S. 4).
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Tatsache bestritten hat, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein geringerer Anteil an für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft bedeutenden Flächen und insgesamt schlechtere Verhältnisse als in den übrigen Mitgliedstaaten derselben Zone bestehen, ist sein Vortrag unsubstantiiert geblieben und rechtfertigt vor diesem Hintergrund eine andere Beurteilung nicht.
Der Annahme spezifischer ökologischer bzw. landwirtschaftlicher Bedingungen in Deutschland steht dabei nicht entgegen, dass auch Luxemburg und die Niederlande ähnlich niedrige HNVF-Indikatoren aufweisen. Die Kammer ist der Auffassung, dass es insofern keiner Unterschiede zu sämtlichen anderen Mitgliedstaaten derselben Zone bedarf, sondern dass spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen auch dann vorlegen können, wenn sie jedenfalls nur einige wenige Mitgliedstaaten einer Zone, wie hier 3 von 13 Mitgliedstaaten, betreffen. Zwar normiert Art. 36 Abs. 1 Satz 3 der VO (EG) Nr. 1107/2009, dass der prüfende Mitgliedstaat die Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln anwendet, um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung „in derselben Zone“ und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen des Art. 29 der Verordnung erfüllt. Grundsätzlich hat der prüfende Mitgliedstaat daher nicht nur zu prüfen, ob bei einer Zulassung im eigenen Staat die genannten Anforderungen erfüllt sind, sondern er hat diese Prüfung regelmäßig für die gesamte Zone (s. o.) vorzunehmen. Diese Pflicht zur zonalen Prüfung steht jedoch unter der Einschränkung des Möglichen („soweit wie möglich“) und muss auch deshalb nicht umfassend im Hinblick auf die Situation in sämtlichen Mitgliedstaaten derselben Zone sein, weil Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 den anderen Mitgliedstaaten gerade die Möglichkeit eröffnet, auf spezifische Bedingungen zu reagieren.
Unter Einbeziehung der Tatsache, dass in der Bundesrepublik Deutschland ungünstige Erhaltungszustände des Feldhasen bestehen, geht die Kammer davon aus, dass in der Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall spezifische ökologische bzw. landwirtschaftlichen Bedingungen gegeben sind.
So wird der Feldhase (lepus europaeus) ausweislich der sog. Roten Liste des Bundesamtes für Naturschutz (Ausgabe 2009) als „gefährdet“ eingestuft. Rote Listen, als Verzeichnisse ausgestorbener, verschollener und gefährdeter Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, Pflanzengesellschaften sowie Biotoptypen und Biotopkomplexe, sind wissenschaftliche Fachgutachten, in denen der Gefährdungsstatus für einen bestimmten Bezugsraum dargestellt ist. Sie bewerten die Gefährdung anhand der Bestandsgröße und der Bestandsentwicklung (vgl. Informationen des Bundesamtes für Naturschutz, abrufbar unter https://www.bfn.de/themen/rote-liste.html, letzter Abruf: 19.06.2018).
Der Annahme einer Gefährdung des Feldhasen steht dabei nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Aktualität der Roten Liste 2009 im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens (einfach) bestritten hat, denn sein Bestreiten bleibt auch insoweit ohne nähere Substantiierung. Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz wird die Rote Liste auf Bundesebene derzeit aktualisiert (s. Informationen des Bundesamtes für Naturschutz, a. a. O.); dennoch stellt sie für Wirbeltiere den aktuellen Informationsstand auf Bundesebene dar. Im Übrigen sind die Hasendichten auch unter Berücksichtigung aktueller Bestandszählungen und Jagdstrecken (vgl. Entwicklung des Feldhasenbesatzes in allen Referenzgebieten, Frühjahre 2004 – 2014, in: WILD, Jahresbericht 2014, Bl. 206 f. d. GA) eher rückläufig. Der Vertreter des Umweltbundesamtes, dem insofern eine besondere Sachkunde zukommt, hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2018 aus Sicht der Kammer überzeugend ausgeführt, dass die ungünstigen Erhaltungszustände des Feldhasen u. a. auf die negative Situation von agrar- und landschaftsstrukturellen Parametern in Deutschland zurückzuführen sind. Die Situation des Feldhasen in Deutschland sei eine besondere; dieser sei besonders auffällig im Sinne eines „Risikopatienten“. Ein solcher ungünstiger Erhaltungszustand einer Population und ein geringer genetischer Austausch mit Nachbarpopulationen führten zu einer besonderen Empfindlichkeit gegenüber zusätzlichen Störungen und damit insbesondere zu einem höheren Auslöschungsrisiko. Folgen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln könnten sich hier viel stärker auswirken und wegen der bestehenden ungünstigen Lebensbedingungen könne sich die Population nicht erholen.
Angesichts der Einschätzung des Gerichts, dass derartige spezifische ökologische bzw. landwirtschaftliche Bedingungen nach diesen Ausführungen in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen vorliegen dürften, ist im Hinblick auf die erforderlichen Bedenken des Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt grundsätzlich eine restriktive Handhabung angezeigt. So müssen etwaige Bedenken - gerade in Bezug auf das jeweilige Pflanzenschutzmittel - durch eine entsprechende Tatsachengrundlage belegt sein. Reine Mutmaßungen, ohne dass hierfür tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen würden, genügen insofern nicht. Eine Gefährdung muss jedoch auch nicht zweifelsfrei feststehen.
Nach diesen Maßstäben ist die Kammer der Ansicht, dass die Beklagte teilweise zu Recht Bedenken in Bezug auf die Feldhasenpopulation geltend macht. So weist das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel bzw. der darin enthaltene Wirkstoff „H.“ nach den - aus Sicht des Gerichts nachvollziehbaren - Darlegungen der Beklagten ein hohes Gefährdungspotenzial für Säugetiere, insbesondere für Hasen, auf. Bewertungsbestimmend sei hier die NOEC (oder NOEL - No Observed Effect Level oder Concentration, ein toxikologischer Endpunkt in der Toxizitätsbestimmung) für Rattus von 4 mg/kg KG (an welcher das Umweltbundesamt auch in seinem Schreiben vom 23. März 2017 festgehalten hat, da dieser Wert in der EU-Endpunktliste als bewertungsrelevant festgestellt worden sei). Ausgehend von den geltenden Modellen zur Risikobewertung gemäß EFSA GD (2009) werde das Akzeptabilitätskriterium TER ≥ 5 gemäß Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 546/2011, Teil C Entscheidungsverfahren – Spezielle Grundsätze, Punkt 2.5.2.1, nicht erreicht. Unannehmbare Auswirkungen seien somit nicht auszuschließen.
In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 17. März 2017 (s. Beiakte 005 VG) der Hase nur für den BBCH-Zeitraum „early (shoots)“ zu betrachten ist. Dieser Zeitraum ende entsprechend des GD Risk Assessment for Birds and Mammals (EFSA Journal 2009; 7 (12): 1438) spätestens mit BBCH 30. Eine Änderung des Behandlungszeitraumes auf Beginn >30 bedeute ein vertretbares Risiko für Säuger. Dem hat das Umweltbundesamt in seinem Schreiben vom 23. März 2017 nicht widersprochen. Hinreichende Bedenken der Beklagten in Bezug auf die Gesundheit von Feldhasen liegen somit lediglich hinsichtlich des BBCH-Zeitraumes bis einschließlich 30 vor.
Aus diesem Grund sind nach Auffassung des Gerichts die tatbestandlichen Voraussetzungen der Beschränkung der BBCH-Zeiträume im Sinne einer Risikominderungsmaßnahme nach Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 im Hinblick auf die Feldhasenpopulation lediglich für den BBCH-Zeitraum 25 bis einschließlich 30 gegeben. In diesem Umfang ist der Beklagten mithin auf Rechtsfolgenseite Ermessen eröffnet, Risikominderungsmaßnamen in Form der Beschränkung der genannten BBCH-Stadien vorzunehmen. Ermessensfehler, auf deren Vorliegen gemäß § 114 Satz 1 VwGO im Falle von Vorschriften, die einen behördlichen Ermessensspielraum eröffnen, aufgrund des Grundsatzes der Gewaltenteilung die gerichtliche Kontrolle beschränkt ist, sind hier weder vorgetragen noch für die Kammer ersichtlich.
Ein Ermessensfehler bzw. ein Zulassungsanspruch der Klägerin in Bezug auf die BBCH-Stadien 25 bis 30 ergibt sich insbesondere nicht aus einem Anspruch auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Zwar trifft es zu, dass das Originalprodukt von der Beklagten in Deutschland mit den hier streitgegenständlichen BBCH-Stadien zugelassen ist, gleichwohl kann die Klägerin hieraus keine für sie günstigeren Rechtsfolgen herleiten. Zum einen ist bereits offen, ob die Konstellation des Widerrufs einer bestehenden pflanzenschutzrechtlichen Zulassung mit jener der Erteilung einer solchen vergleichbar ist. Und selbst wenn sich die Zulassung des Originalproduktes als abweichend von den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt und daher als rechtswidrig darstellen würde, so könnte die Klägerin hieraus keinen subjektiven Anspruch herleiten. Im Hinblick auf die von der Verfassung angeordnete Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz ergibt sich aus Art. 3 GG kein Anspruch des Bürgers auf Wiederholung eines rechtswidrigen Verhaltens („keine Gleichheit im Unrecht“, vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.06.1986 - 8 B 16/86 - juris, Rn. 4). Im Übrigen hat die Beklagte im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung bereits angekündigt, die für das Originalprodukt bestehende Zulassung ändern zu wollen; sie habe jedoch zunächst die Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Verfahren abwarten wollen.
3. Im Hinblick auf die Regenwurmpopulation in Deutschland stellt sich die Situation aus Sicht der Kammer hingegen anders dar. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass auch im Hinblick auf ungünstige Erhaltungszustände der Populationen der Regenwürmer in Deutschland spezifische ökologische bzw. landwirtschaftliche Bedingungen vorliegen würden (vgl. Bl. 307 d. GA), so hat die Beklagte nach Ansicht der Kammer überzeugende Bedenken in Bezug auf die Regenwurmpopulation i. S. d. Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 nicht dargelegt.
Es wurde im Vorfeld der vollständigen Ablehnung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung ausgeführt, der im streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel enthaltene Wirkstoff „H.“ weise ein hohes Gefährdungspotenzial für Regenwurmpopulationen auf. Bewertungsbestimmend sei hier die NOEC für Eisenia fetida von 0,9 mg/kg Substrat. Ausgehend von einem Datensatz charakteristischer Eigenschaften des Wirkstoffes und der Berechnung der zu erwartenden Konzentration im Boden mit dem Modell ESCAPE 2.0 werde das Akzeptabilitätskriterium TER ≥ 5 gemäß Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 546/2011, Teil C Entscheidungsverfahren - Spezielle Grundsätze, 2.5.2.5. nicht erreicht. Unannehmbare Auswirkungen auf Regenwurmpopulationen seien somit nicht auszuschließen.
Die Kammer hält diesbezüglich bereits das gewählte Expositionsszenario für nicht hinreichend nachvollziehbar. Die Beklagte bzw. das Umweltbundesamt hat nach eigenen Angaben in Deutschland ein gesondertes Expositionsszenario für Bodenorganismen entwickelt, das den spezifischen Bedingungen in Deutschland gerecht werden soll. Die Validität des Modells werde durch aktuelle Ergebnisse aus Forschungsvorhaben mit Böden in Deutschland bestätigt. Ein Ignorieren dieser Verhältnisse in der Bewertung könne zu einem Unterschätzen der Exposition von Bodenorganismen und damit auch zu einem Unterschätzen der Risiken führen. Die Anwendung des gesonderten Expositionsmodells für Deutschland sei auch deshalb angezeigt, da Teile der Regenwurmzönosen in Deutschland besonders vulnerabel seien. Für landwirtschaftlich genutzte Böden seien für die Fläche der Bundesrepublik Deutschland Referenzwerte für die Regenwurmgemeinschaften verschiedene Ackerbiotoptypen abgeleitet worden. Die für weite Teile der nördlichen Gebiete und auch für gewisse Bereiche des Mittelgebirgsraumes der Bundesrepublik Deutschland typischen Sandböden, zum Teil mit niedrigen Gehalten an organischem Kohlenstoff, wiesen demnach eine sehr niedrige Besiedlungsdichte mit Regenwürmern auf. Seien für Ackerstandorte im Biotoptyp „Kalk“ im Mittel etwa 30 Individuen pro Quadratmeter zu erwarten und 3 - 4 Arten, so seien die Erwartungswerte für lehmige Ackerböden bei ca. 100 Individuen pro Quadratmeter und 4 - 5 Arten. Sandböden hingegen wiesen mittlere Dichten von unter 20 Individuen pro Quadratmeter auf und es würden nur 1 - 2 Arten in diesen Böden erwartet. Da Regenwürmer sehr wichtige Funktionen in Böden erfüllten, bedürften sie in Böden mit schwächerer Regenwurmdichte besonderen Schutzes. Es sei deshalb gerade für die individuenschwachen Bestände Sorge zu tragen, dass keine zusätzliche Schädigung durch den Einfluss der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auftrete. Die Expositionsabschätzung erfolge deshalb nach einer Methode, die den spezifischen Bodenbedingungen in Deutschland Rechnung trage und sicherstelle, dass die Exposition der Regenwurmfauna nicht unterschätzt werde. So werde in Deutschland als Standardannahme zur Beschreibung der Risiken für Regenwurmpopulationen infolge der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels dessen Verteilung in den oberen 2,5 cm des Bodens einer behandelten Fläche angenommen. Nach Ansicht der Beklagten unterschätze die Annahme einer Verteilung der Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf 5,0 cm Bodentiefe in Bezug auf für Deutschland typische Böden die infolge der Anwendung zu erwartende Exposition von Bodenorganismen, da die Eindringtiefe in Abhängigkeit von Bodeneigenschaften und den physikalisch chemischen Eigenschaften der Mittel geringer seien. Die Annahme einer Verteilung auf 5,0 cm komme einer rechnerischen Verdünnung gleich, weshalb in der Folge die Auswirkungen der Anwendung auf die Regenwurmpopulationen unterschätzt würden. Dies könne pflanzenschutzrechtlich dann annehmbar sein, wenn der Erhaltungszustand der exponierten Populationen gut sei und deren Resilienz deshalb so groß, dass die Population ein gewisses Maß an Effekten eines Pflanzenschutzmittels tolerieren könne, ohne in ihrem Bestand gefährdet zu werden. In Ackerflächen bestimmter Bodenarten in Deutschland wiesen Regenwurmpopulationen jedoch (wie erläutert) nur sehr geringe Individuendichten auf, sodass zusätzliche Schädigungen infolge der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels ausgeschlossen werden müssten. Vor diesem Hintergrund könne im Zulassungsverfahren in Bezug auf eine Zulassung in Deutschland nur die beschriebene Methodik zur Anwendung kommen, die die zu erwartenden Auswirkungen der Anwendung auf Regenwurmpopulationen zutreffender beschreibe als die alternative Methode unter Annahme eines größeren Verdünnungseffektes.
Im Rahmen eines Audits in Deutschland in der Zeit vom 29. Februar bis zum 4. März 2016 durch die Europäische Kommission zur Bewertung des Systems für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (s. Bericht der Europäischen Kommission DG(SANTE) 2016-8780-MR) wurde dieses Vorgehen der deutschen Behörden kritisiert. So wurde dargelegt, dass keine Angaben über das Vorliegen von einem Peer-Review unterzogenen wissenschaftlichen Studien gemacht worden seien, in denen der Gesundheitszustand der Regenwurmpopulationen in diesen Bodenarten mit der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in Verbindung gebracht werde. Ebenfalls wurde dargelegt, dass obwohl einige signifikante nationale Anforderungen bereits seit Jahren bestünden, die zuständigen Behörden nicht durchgängig nach Systemen gesucht hätten, um die verwendeten Modelle zu validieren, beispielsweise durch Erfahrungswerte aus der tatsächlichen Verwendung der Pflanzenschutzmittel. Daher ließen sich die belastenden Anforderungen an Antragsteller und zuständige Behörden kaum rechtfertigen. Es wurde angeregt, die Erfahrungswerte aus der tatsächlichen Verwendung der Pflanzenschutzmittel, welche die betreffenden Wirkstoffe enthalten, sowie alle Entwicklungen in Wissenschaft und Technik zu berücksichtigen.
Diesen Einwendungen ist die Beklagte bzw. das Umweltbundesamt entgegengetreten und hat unter anderem in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, das Auditteam habe sich mit der Thematik nicht tiefgreifend auseinandergesetzt, weil die Wahrung der Fristen nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 im Mittelpunkt der Überprüfung gestanden habe. Die Kritik gehe an der Problemstellung vorbei und sei deshalb in Bezug auf die Frage nach der fachlichen Richtigkeit und regulatorischen Eignung der Verfahrensweise in Deutschland nicht sachgerecht. Für die Bewertung der Höhe und damit der Vertretbarkeit der zu besorgenden Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels sei relevant, ob für das zu bewertende Pflanzenschutzmittel auf Basis der ökotoxikologischen Untersuchungen bei den prognostizierten Umweltkonzentrationen überhaupt von nachteiligen Auswirkungen auf Regenwürmer auszugehen sei und welchen Erhaltungszustand die betreffende Population zum Zeitpunkt der Exposition gegenüber dem Pflanzenschutzmittel aufweise. Der Erhaltungszustand sei ein wesentlicher Eingangsparameter für die Risikobewertung eines Pflanzenschutzmittels, da für eine bereits vorgeschädigte Population davon ausgegangen werden müsse, dass diese gegenüber einer zusätzlichen Beeinträchtigung durch Pflanzenschutzmittel empfindlicher als gesunde Populationen reagiere. Hierbei sei es weder fachlich noch rechtlich relevant, wodurch der ungünstige Erhaltungszustand einer Population herbeigeführt worden sei. Auch wenn ganz andere Faktoren als die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Vergangenheit den Erhaltungszustand verschlechtert hätten, könne nur die Einschätzung zum gegebenen Erhaltungszustand selbst als relevanter Maßstab im Rahmen der Umweltrisikobewertung zu einem Pflanzenschutzmittel Berücksichtigung finden. Daher stelle sich aus regulatorischer Sicht die Frage, ob die Anwendung des Pflanzenschutzmittels einen ungünstigen Erhaltungszustand weiter verschlechtere, und nicht, ob für das Herbeiführen des ungünstigen Erhaltungszustandes ein monokausaler Zusammenhang mit diesem einen Pflanzenschutzmittel bestehe. Entsprechend werde auch in anderen Rechtsbereichen verfahren.
Die Berücksichtigung von Studien, die nicht einem Peer-Review unterliegen, sei zum Teil darin begründet, dass es sich um Forschungsberichte aus Ressortforschungsvorhaben handele. Gleichwohl stellten wissenschaftliche Studien im Rahmen der Ressortforschung verlässliche Quellen dar, die im Rahmen behördlicher Entscheidungen berücksichtigt werden müssten. Auch die von den Herstellern im Rahmen von Zulassungsverfahren eingereichten Studien unterlägen zumeist nicht einem Peer-Review. Das Anzweifeln der wissenschaftlichen Plausibilität und Verlässlichkeit von Studien allein aufgrund dessen, dass diese nicht einem solchen unterlägen, würde ihres Erachtens die Wissenschaftlichkeit des Handelns von Fachbehörden insgesamt hinterfragen, da viele Ergebnisse im Rahmen der Arbeiten von Fachbehörden als Grundlage für das Behördenhandeln, jedoch nicht primär zum Zwecke einer „peer-reviewed“-Veröffentlichung erzeugt würden.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2018 hat der sachkundige Vertreter des Umweltbundesamtes ergänzt, das streitgegenständliche Mittel sei regenwurmgiftig, auch existierten viele Sandböden in Deutschland. Zudem seien die Bestände nicht gesund und daher besonders empfindlich, was eine konservative Prüfung erfordern würde. Dem Einwand der EU-Kommission, die zuständigen deutschen Behörden hätten nicht nach Möglichkeiten gesucht, um die verwendeten Modelle zu validieren, obgleich die nationalen Anforderungen bereits seit Jahren bestünden, ist die Beklagte damit hingegen nicht begegnet. Die Ausführungen der EU-Kommission im Rahmen des Audits erscheinen insoweit aber umso mehr als sachlich gerechtfertigt, als Deutschland als einziger Mitgliedstaat in der EU ein gesondertes Expositionsszenario für Bodenorganismen in der gewählten Form zu Grunde legt. Hinreichende Gründe hierfür hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts nicht darlegen können. Der Hinweis der Beklagten, der Auditbericht sei nicht von Experten erstellt worden, genügt insoweit nicht.
Damit ist festzustellen, dass im Hinblick auf die BBCH-Stadien 31 bis 38 bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1107/2009 nicht erfüllt sind, weshalb sich die von der Beklagten vorgenommene Risikominderungsmaßnahme in diesem Umfang als rechtswidrig darstellt.
Diesem Ergebnis steht auch nicht das sog. Vorsorgeprinzip entgegen. Sofern die Beklagte vorträgt, es sei angesichts der Höhe der in der Bewertung aufgezeigten Risiken bereits infrage gestellt, ob die Vorgabe des Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zur Anwendung des Vorsorgeprinzips im Falle wissenschaftlicher Ungewissheit die Anerkennung der Zulassung in Deutschland ohne die infrage stehenden Änderungen der Anwendungsbedingungen gestattet hätte, so kann ihr dies nicht zum Erfolg verhelfen. Sie bezieht sich insofern auf die Stellungnahme des Umweltbundesamtes vom 15. November 2017. Das Vorsorgeprinzip ist ein Prinzip der Umweltpolitik und Gesundheitspolitik und wurde erstmals in einer Mitteilung der Kommission vom Februar 2000 niedergelegt. Das Vorsorgeprinzip wird zudem in Art. 191 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) genannt. So zielt die Umweltpolitik der Union nach Art. 191 Abs. 2 AEUV unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union auf ein hohes Schutzniveau ab und beruht u. a. auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung. Art. 1 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 1107/2009 führt aus, dass die Bestimmungen der Verordnung auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen. Insbesondere sei es den Mitgliedstaaten freigestellt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen.
Das Vorsorgeprinzip verfolgt den Ansatz der Risikovermeidung, der besagt, dass eine Politik oder Maßnahme nicht durchgeführt werden darf, wenn sie der Allgemeinheit oder der Umwelt Schaden zufügen kann und weiterhin kein wissenschaftlicher Konsens zu diesem Thema besteht; eine Berufung auf das Vorsorgeprinzip ist nur dann möglich, wenn ein potentielles Risiko besteht und kann keinesfalls eine willkürliche Entscheidung rechtfertigen (vgl. Glossare von Zusammenfassungen, Vorsorgeprinzip, EUR-Lex, http://eur-lex.europa.eu/summary/glossary/precautionary_principle.html; letzter Abruf: 04.04.2018).
Aus der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000 (KOM[2000] 1 endgültig) geht hervor, dass das Vorsorgeprinzip angewendet wird in Fällen, in denen aufgrund einer objektiven wissenschaftlichen Bewertung berechtigter Grund für die Besorgnis besteht, dass die möglichen Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen nicht hinnehmbar oder mit dem hohen Schutzniveau der Gemeinschaft unvereinbar sein könnten. Eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Anwendung eines von sämtlichen anderen Mitgliedstaaten abweichenden Expositionsszenarios in Bezug auf Regenwürmer ist jedoch – wie dargelegt – nicht gegeben.
Das Gericht ist durch die Versagung des gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) erforderlichen Einvernehmens des Umweltbundesamtes auch nicht an einer Verpflichtung der Beklagten zur teilweisen Erteilung der Zulassung für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel gehindert. Denn die Rechtmäßigkeit des vom Umweltbundesamt verweigerten Einvernehmens wird im Streitverfahren um die Zulassungsentscheidung mit geprüft (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.04.1999 – 7 M 577/99 – juris, Rn. 7 m. w. N.).
Dem Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf Schriftsatznachlass bezüglich des Schreibens der Beklagten vom 5. April 2018 war abschließend nicht nachzukommen. § 283 ZPO findet über § 173 Satz 1 VwGO auch im Verwaltungsprozess entsprechende Anwendung. Allerdings sieht § 283 Satz 1 ZPO die Gewährung eines Schriftsatznachlasses nur bei verspätetem Vorbringen des Gegners vor. Der Ort für die Erörterung der Rechtsauffassung und Verfahrensweise des Gerichts ist hingegen die mündliche Verhandlung. Die Gewährung eines Schriftsatznachlasses kommt insoweit grundsätzlich nicht in Betracht. Es ist Aufgabe eines Prozessbevollmächtigten, sich auf die mündliche Verhandlung in einer Weise vorzubereiten, dass absehbare Rechts- und Verfahrensfragen abschließend erörtert werden können (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 23.09.2013 – 13 LA 79/13 – n. V.). Das Schreiben der Beklagten vom 5. April 2018, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits am Morgen (9.38 Uhr) des 6. April 2018 (und damit etwa eine Woche vor dem Termin) per Fax übermittelt wurde, enthielt im Übrigen keinen neuen erheblichen Tatsachenvortrag, sondern vertiefte lediglich den bisherigen Vortrag der Beklagten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zudem nicht dargelegt, warum ihm innerhalb des genannten Zeitraumes keine Stellungnahme hierzu möglich gewesen sein soll. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Gelegenheit, sich in der mündlichen Verhandlung hierzu zu äußern, umfangreich wahrgenommen.
Die Kostenentscheidung beruht bezüglich des streitig entschiedenen Teils der Klage auf § 155 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beruht die Kostenentscheidung auf § 161 Abs. 2 VwGO. Insoweit entsprach es billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hätte die Klage im Übrigen Erfolg gehabt, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.