Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.02.2024, Az.: 1 B 455/23

Anwendungsbestimmung; Glyphosat; Methodenvorbehalt; NT307-90; NT308; Pflanzenschutz; Pflanzenschutzmittel; Pflanzenschutzrecht; Vorsorgeprinzip; Zulassung von Pflanzenschutzmitteln; Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 zum Schutz der Biodiversität; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
22.02.2024
Aktenzeichen
1 B 455/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 11644
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0222.1B455.23.00

Amtlicher Leitsatz

Der in Art. 4 Abs. 3 lit. e) ii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ausdrücklich geregelte Vorbehalt der vorherigen Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA steht der Berücksichtigung von - direkten oder indirekten - Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielpflanzen auf der Anwendungsfläche ( in-field ) entgegen, solange die EFSA noch keine anerkannten wissenschaftlichen Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat. Ebenso können indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte im Rahmen der Risikobewertung gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nur dann berücksichtigt werden, wenn die EFSA anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat. Das in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Vorsorgeprinzip kann nur innerhalb des Bewertungsvorgangs bzw. bei der abschließenden Beurteilung des Bewertungsergebnisses zum Tragen kommen und nicht den in Art. 4 Abs. 3 lit. e) der Verordnung speziell geregelten Bewertungsgegenstand erweitern.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage (1 A 454/23) gegen die im Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen die sofortige Vollziehbarkeit der im pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsbescheid der Antragsgegnerin festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308.

Bei dem hier im Streite stehenden Pflanzenschutzmittel der Antragstellerin E. handelt es sich um ein Herbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat in einer Konzentration von 360 g/l, welches als wasserlösliches Konzentrat formuliert ist. Mit der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission vom 12. Dezember 2017 wurde die Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat bis zum 15. Dezember 2022 erneuert. Nachdem die Laufzeit der Genehmigung für Glyphosat im Dezember 2022 bis zum 15. Dezember 2023 verlängert worden war (Durchführungsverordnung (EU) 2022/2364), erneuerte die Kommission am 28. November 2023 die Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat bis zum 15. Dezember 2033 (Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660).

Slowenien erteilte der Antragstellerin erstmalig mit Bescheid vom 13. September 2012 eine Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E.. Nach erneuter Genehmigung des im Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffs Glyphosat (Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324) beantragte die Antragstellerin am 16. März 2018 die Erneuerung der Zulassung des Pflanzenschutzmittels E. vom 13. September 2012 entsprechend Art. 43 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Nachdem Slowenien die Einhaltung der Anforderungen gemäß Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 unter Berücksichtigung der zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Wirkstoffgenehmigung erneut überprüft hatte, erneuerte es mit Bescheid vom 9. Dezember 2019 die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. gemäß Art. 43 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Die Gültigkeit dieser Zulassung wurde zuletzt mit Bescheid vom 4. September 2023 bis zum 15. Dezember 2024 verlängert.

Die von Slowenien mit Bescheid vom 9. Dezember 2019 erteilte pflanzenschutzrechtlicher Zulassung sieht keine Anwendungsbestimmungen zum Schutz der nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora als Lebensraum und Nahrungsgrundlage für Arthropoden und Wirbeltiere (höherer trophischer Ebenen) vor, welche inhaltlich mit den von der Antragsgegnerin festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 vergleichbar sind. Im Core Assessment des Registration Reports (Bewertungsbericht) vom Februar 2019 führte Slowenien unter anderem aus, dass es seine Bewertung des Risikos für terrestrische Nichtzielarthropoden und Nichtzielpflanzen im Einklang mit dem "Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology" (SANCO/10329/2002 rev 2 final, 17 October 2002) durchgeführt habe und im Rahmen der Risikobewertung für Nichtzielpflanzen lediglich die Effekte für Pflanzen außerhalb der Zielfläche ("off-field") betrachtet habe. Es komme zu dem Schluss, dass die Anwendung des Pflanzenschutzmittels kein inakzeptables Risiko für Nichtzielarthropoden im Feld und außerhalb des Feldes darstelle. In Abhängigkeit vom Anwendungsgebiet seien Risikominderungsmaßnahmen (z. B. unbesprühter Randstreifen, Einsatz von abdriftmindernden Düsen) erforderlich, um das Risiko für Nichtzielpflanzen außerhalb des Feldes zu reduzieren (vgl. Core Assessment des Registration Reports vom Februar 2019, Part B, Section 9, Ziffer 9.7 ["Effects on arthropods other than bees"] und 9.10 ["Effects on non-target terrestrial plants"]). Eine Auswertung des prüfenden Mitgliedstaats Slowenien hinsichtlich der indirekten Auswirkungen der Anwendung des Pflanzenschutzmittels E. auf die Biodiversität bzw. Auswirkungen auf Nahrungsnetze infolge einer Schädigung von Nichtzielpflanzen enthält der Bewertungsbericht hingegen nicht.

Am 5. Mai 2020 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (ZVU-Antrag) mit der slowenischen Erneuerungszulassung vom 9. Dezember 2019.

Das Julius Kühn-Institut (JKI) und das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) erklärten mit Schreiben vom 18. August 2020 und 25. August 2020 ihr Benehmen für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels E. für die beantragten Anwendungen -001 bis -011. Mit Schreiben vom 26. August 2020 erklärte das Umweltbundesamt (UBA) sein Einvernehmen zur pflanzenschutzrechtlichen Zulassung für die beantragten Anwendungen -001 bis -011 mit folgender Einschränkung: In Bezug auf die beantragten Anwendungen -001 und -003 (Ackerbaukulturen) sei sein Einvernehmen bis zum 31. Dezember 2020 befristet; es erteile sein unbefristetes Einvernehmen für die Anwendungen -001 und -003 unter der Bedingung, dass für diese Anwendungen die Anwendungsbestimmung NT (neu- Ackerbegleitflora) festgesetzt werde.

Die Anwendungsbestimmung NT (neu- Ackerbegleitflora) sieht insbesondere vor, dass zum Schutz der nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora die Anwendung des Pflanzenschutzmittels nur auf maximal 9/10 der zu behandelnden Anbaufläche erfolgen dürfe. Zur Begründung führte das UBA in den Schreiben vom 26. August 2020 und 8. September 2021 im Wesentlichen aus, die Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT (neu- Ackerbegleitflora) sei erforderlich, um das Risiko für nicht zu bekämpfende Arten der Ackerbegleitflora auf den Anwendungsflächen infolge unmittelbarer Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels sowie das Risiko für die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen (d. h. aufgrund mittelbarer Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels) zu minimieren. So habe der prüfende Mitgliedstaat Slowenien unter Anwendung der geltenden Leitlinie (Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology, SANCO/10329/2002 rev. 2 final) ein unannehmbar hohes Risiko für Nichtzielpflanzen durch die Verwendung des Pflanzenschutzmittels festgestellt und den Erlass von Risikominderungsmaßnahmen für notwendig erachtet (vgl. Core Assessment des Registration Reports, Part B, Section 9, Kapitel 9.10.2.4; National Assessment Slovenia des Registration Reports, Part A, Kapitel 3.8.6). Ein Risiko für Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche sei nicht zu besorgen. Die von Slowenien für das eigene Hoheitsgebiet festgesetzte Risikominderungsmaßnahme sei nicht auf das deutsche Hoheitsgebiet übertragbar. Denn unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf den Gefährdungsstatus von Ackerwildkräutern, sei die von Slowenien vorgesehene Risikominderungsmaßnahme ungeeignet für den Schutz der wesentlich stärker exponierten Nichtzielarten auf den deutschen Ackerflächen. Der in der Anwendungsbestimmung festgelegte Anteil von 10% unbehandelter Teilfläche könne das Risiko deutlich reduzieren. Dass zwischen den direkten Auswirkungen auf Nichtzielpflanzen und den indirekten Auswirkungen auf Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren ein Zusammenhang durch trophische Wechselwirkungen bestehe, ergebe sich aus der Durchführungsverordnung der Kommission Nr. 2017/2324 vom 12. Dezember 2017 (Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat). Danach hätten die Mitgliedstaaten "die Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen", also mittelbare Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, in der Risikobewertung Glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel zu berücksichtigen und diese ggf. zu mindern. Dies gelte auch dann, wenn eine von der EFSA akzeptierte Bewertungsmethode (noch) nicht zur Verfügung stünde.

Daraufhin erteilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit Bescheid vom 29. Oktober 2020 der Antragstellerin die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E., wobei es die Gültigkeit der Zulassung für die Anwendungen -001 und -003 auf den 31. Dezember 2020 und die Gültigkeit der Zulassung für die restlichen Anwendungen auf den 15. Dezember 2023 befristete.

Die Antragstellerin erhob am 2. November 2020 Widerspruch gegen die zum 31. Dezember 2020 festgesetzte Befristung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung für die Anwendungen -001 und -003. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2020 stellte das BVL fest, dass der Widerspruch gegen die Befristung aufschiebende Wirkung bis (längstens) zum 15. Dezember 2023 hat.

Das BVL teilte dem UBA mit Schreiben vom 26. Juli 2022 mit, dass das erkennende Gericht in seinem Urteil vom 29. September 2021 - Az. 1 A 130/21 - die Rechtswidrigkeit der Anwendungsbestimmung NT (neu- Ackerbegleitflora) festgestellt habe. Daraufhin aktualisierte das UBA sein Einvernehmen im Schreiben vom 29. November 2023 und erklärte nunmehr, sein Einvernehmen werde unter der Bedingung erteilt, dass für die Anwendungen -001 bis -004 die Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 festgesetzt würden. Diese lauten wie folgt:

"(NT307-90)

Zum Schutz der nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora als Lebensraum und Nahrungsgrundlage für Arthropoden und Wirbeltiere darf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels nur auf höchstens 9/10 des für die Anwendung vorgesehenen Schlages erfolgen.

Die unbehandelte Teilfläche dient diesen Arten als Überlebensraum. Sie darf daher keine Bereiche enthalten, in denen während des Kulturverlaufs andere Mittel angewendet werden, die mit Anwendungsbestimmungen zugelassen sind, deren Kode mit der Nummer NT307 beginnt.

Die Anwendung des Mittels muss in einer Breite von mindestens 20 m zur angrenzenden unbehandelten Teilfläche mit einem verlustmindernden Gerät erfolgen, das in das Verzeichnis "Verlustmindernde Geräte" gemäß der Bekanntmachung vom 10. September 2013 (BAnz AT 23.10.2013 B4) in der jeweils geltenden Fassung, mindestens in die Abdriftminderungsklasse 90 % eingetragen ist.

Die unbehandelte Teilfläche ist vorzugsweise als Randstreifen mit Mindestbreiten von 5 m und einem reduzierten Düngereinsatz vorzusehen."

"(NT308)

Das Mittel gefährdet aufgrund seiner pflanzenschädlichen Wirkung die Lebensgrundlage von terrestrischen Nichtziel-Arthropoden. Das Mittel darf daher nicht auf unbehandelten Teilflächen angewendet werden, die der Erfüllung von Anwendungsbestimmungen dienen, deren Kode mit der Nummer NT306 beginnt."

Im sog. National Addendum Germany zum Registration Report vom November 2023, Part B Section 9 merkt das UBA bzw. die Antragsgegnerin an, dass der prüfende Mitgliedsstaat Slowenien keine Bewertung der indirekten Auswirkungen der Anwendung des Pflanzenschutzmittels E. auf die Biodiversität bzw. Auswirkungen auf Nahrungsnetze durchgeführt habe, obwohl er hierzu nach den Bestimmungen der Kommission in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 vom 12. Dezember 2017 verpflichtet gewesen sei. Daher habe es ein eigenes Risikobewertungsschema entwickelt, welches sich in folgende drei Schritte gliedere: Im ersten Schritt werde das Potenzial für indirekte Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln über das Nahrungsnetz auf der Grundlage des Ausmaßes der direkten Auswirkungen auf Nichtzielpflanzen und Nichtzielarthropoden im Feld bewertet. Wenn in Schritt 1 ein hohes Potenzial für indirekte Wirkungen festgestellt werde, würden anschließend selektive Pflanzenschutzmittel auf Grundlage der Selektivität der herbiziden und/oder insektiziden Wirkung herausgefiltert werden (Schritt 2). Im dritten Schritt bewerte der jeweilige Mitgliedstaat, ob das ermittelte Potenzial für indirekte Auswirkungen über das Nahrungsnetz tatsächlich zu einer inakzeptablen Auswirkung auf die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Arthropoden und -Wirbeltieren unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedingungen führen könne. Auf der Grundlage dieses Bewertungsschemas sei das UBA bzw. die Antragsgegnerin zu dem Schluss gekommen, es bestünde ein hohes Risiko dafür, dass indirekte Auswirkungen durch die Verwendung des Pflanzenschutzmittels auf Ackerflächen (Verwendungen 001-004, 011) das Nahrungsnetz in den Agrarlandschaften Deutschlands störten und zu einer inakzeptablen Auswirkung auf die Vielfalt und Abundanz von terrestrischen Nichtziel-Arthropoden und Wirbeltieren, einschließlich Vögeln, führen könnten. Daher seien Risikominderungsmaßnahmen erforderlich, die darauf abzielten, eine ausreichende Menge an unbehandelten Brut- und Nahrungshabitaten zu schaffen, um indirekte Auswirkungen auf höhere trophische Ebenen zu verringern.

Zur Begründung der Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 führte das UBA im Schreiben vom 19. November 2023 im Wesentlichen wie folgt aus:

In der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission vom 12. Dezember 2017 zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat werde den Mitgliedstaaten mit einer Sonderbestimmung im Anhang I explizit aufgetragen, bei der Gesamtbewertung der Anwendungen von Glyphosat als Herbizid insbesondere "die Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von terrestrischen Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen" zu beachten. Gegebenenfalls müssten die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Risikobegrenzung ergreifen. Diese Vorgabe fuße auf der Schlussfolgerung der Risikobewertung im Genehmigungsverfahren. Danach sei der Einsatz von Glyphosat in den dort beabsichtigten Verwendungen u. a. im Ackerbau mit einer Schädigung des Lebensraums und der Nahrungsgrundlage für terrestrische Nichtziel-Arthropoden und -Wirbeltiere verbunden. Die direkten Auswirkungen auf den Anwendungsflächen beeinträchtigten die Ackerbegleitflora in einer Weise, dass diese ihre Funktionen für höhere trophische Ebenen im Nahrungsnetz möglicherweise nicht mehr erfüllen könne. Diese Zusammenhänge und potenziellen Risiken würden im Bewertungsbericht zum Wirkstoff Glyphosat beschrieben und im wissenschaftlichen EU Peer Review sowie in der Schlussfolgerung der EFSA als relevanter Aspekt für das Risikomanagement anerkannt (vgl. Re-Assessment Report (RAR) on Glyphosate, Vol. 3 CA - CP, Anhang B.9.1.7.7, überarbeitete Version vom Juli 2015; EFSA, Conclusion on the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance glyphosate, veröffentlicht im EFSA Journal 2015;13(11):4302). Die Prüfung und Zulassung eines Glyphosat-haltigen Mittels würde daher ohne Berücksichtigung der Bedrohung o. g. Nichtziel-Arten durch trophische Wechselwirkungen gegen die Bestimmungen der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 verstoßen. In diesem Sinne habe das Verwaltungsgericht Montpellier mit Urteil vom 12. Mai 2023 (N°2026224) die Zulassung eines Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmittels in Frankreich mit der Begründung aufgehoben, die beklagte Zulassungsbehörde habe keine Bewertung der Auswirkungen auf Arthropoden und Landwirbeltiere durch Nahrungsnetzeffekte vorgenommen und damit gegen die bestehende Prüfpflicht gemäß Wortlaut der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 und gegen das Vorsorgegebot der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verstoßen. Den Versuch einer Rechtfertigung der beklagten Zulassungsbehörde mit dem Argument, sie sei aufgrund des Fehlens einer harmonisierten Bewertungsmethode der EFSA an einem Handeln gehindert gewesen, habe das Verwaltungsgericht Montpellier nicht anerkannt.

Der prüfende Mitgliedstaat (zRMS) sei verpflichtet, in einem Zulassungsverfahren für ein Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat eine Bewertung der Auswirkungen durch trophische Wechselwirkungen vorzunehmen. Sofern er eine solche Bewertung nicht vorgenommen habe, sei ein beteiligter oder anerkennender Mitgliedstaat gemäß Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 berechtigt und verpflichtet, eine solche Bewertung für sein Hoheitsgebiet durchzuführen, um das in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung geforderte hohe Schutzniveau für die Umwelt sicherzustellen (vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin am EuGH Laila Medina vom 28.09.2023 in der Sache Az. C-308/22).

Der im Pflanzenschutzmittel E. enthaltene Wirkstoff Glyphosat weise ein hohes Gefährdungspotenzial für terrestrische Nichtziel-Arthropoden und -Wirbeltiere aufgrund indirekter Auswirkungen über das Nahrungsnetz auf, welche aus den unmittelbaren Effekten auf terrestrische Nichtzielpflanzen resultierten. Entgegen seiner Verpflichtung aus Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 habe der prüfende Mitgliedstaat Slowenien das Risiko unannehmbarer Auswirkungen auf terrestrische Nichtziel-Arthropoden und -Wirbeltiere infolge indirekter Effekte über das Nahrungsnetz nicht bewertet, obwohl sich bereits aus den Schlussfolgerungen der Risikobewertung im Genehmigungsverfahren für den Wirkstoff Glyphosat konkrete Bedenken bezüglich der Verwendung des Produkts E. aufgrund der Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen (Nahrungsnetzeffekte) ergeben. Das Risiko unannehmbarer Auswirkungen werde für Deutschland als hoch eingestuft. Denn die Agrarlandschaft in Deutschland verfüge generell nur in geringem Umfang über eine ökologische Infrastruktur, welche negative Nahrungsnetzeffekte durch das Vorhalten alternativer Nahrungsquellen und Lebensräume für ackergebundene Nichtziel-Arthropoden und -Wirbeltiere auf ein annehmbares Maß abmildern könnte. Die Anwendungsbedingungen müssten daher "Maßnahmen zur Risikobegrenzung umfassen", um die Anforderung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 hinsichtlich der "Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von terrestrischen Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen" zu erfüllen. Zudem lägen die Voraussetzungen für den Erlass einer Risikominderungsmaßnahme nach Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vor. Wegen der Einzelheiten verweise es auf das National Addendum Germany des Registration Reports, Part B, Section 9, Kapitel 9.2 sowie auf das Dokument "Anlage_RMM_2023-11-28".

Die Anwendungsbestimmung NT307-90 sei durch das Aussparen einer Teilfläche des für die Anwendung vorgesehenen Schlages eine geeignete Risikominderungsmaßnahme. Diese Teilfläche reduziere den Anteil der Ackerbegleitflora, die durch die Anwendung des Pflanzenschutzmittels auf dem betreffenden Schlag abgetötet werde, und damit auch die indirekten Auswirkungen auf Arthropoden und Wirbeltiere über das Nahrungsnetz.

Die Anwendungsbestimmung NT308 solle sicherstellen, dass bei der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels die aufgrund einer Anwendungsbestimmung, deren Code mit NT306 beginne, unbehandelt zu haltenden Teilflächen geschützt blieben. Die so unbehandelt bleibenden Teilflächen gemäß den Anwendungsbestimmungen NT306-X dienten dem Schutz der Populationen von Nichtziel-Arthropoden vor den direkten toxikologischen Auswirkungen der Anwendung des betreffenden Mittels. Diese Flächen hätten deshalb für den Erhalt der Arthropoden eine besonders große Bedeutung. Die Anwendung des hier zuzulassenden Pflanzenschutzmittels könne durch Nahrungsnetzeffekte (direkte Wirkung auf Nichtziel-Pflanzen, indirekte Wirkung auf Arthropoden) die Eignung solcher Flächen als Lebensraum für Arthropoden erheblich verschlechtern. Das Verbot einer Anwendung des Mittels auf unbehandelten Teilflächen im Sinne der Anwendungsbestimmungen NT306-X sei deshalb nötig, um die Anforderung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 zu erfüllen, in Risikobewertung und -management "die Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von terrestrischen Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen" zu beachten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2023 hob das BVL die angegriffene Befristung bis zum 31. Dezember 2020 auf und setzte den 15. Dezember 2024 als Zulassungsende für die Anwendungen -001 und -003 fest. Daneben setzte es mit Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2023 die Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 für die Anwendungen -001 und -003 fest. Zur Begründung der Anwendungsbestimmungen führte das BVL die vom UBA im Schreiben vom 19. November 2023 dargelegten Gründe an.

Daraufhin erhob die Antragstellerin am 19. Dezember 2023 eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2023 und den Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2023 bei dem erkennenden Gericht (1 A 454/23), mit der sie unter anderem die gerichtliche Aufhebung der Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 begehrt.

Weil das Pflanzenschutzmittel E. von den Endverbrauchern ab ca. Anfang März 2024 angewendet werden soll, hat die Antragstellerin am 19. Dezember 2023 bei dem erkennenden Gericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 beantragt. Zur Begründung führt sie vereinzelt und umfangreich aus, dass die festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 rechtswidrig seien. So würde die Festsetzung dieser Anwendungsbestimmungen der Bewertung des prüfenden Mitgliedstaats (zRMS) Sloweniens widersprechen, an die die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 41 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gebunden sei. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des Art. 36 Abs. 3 UA 1 der Verordnung seien nicht gegeben. Zudem verstoße die Festsetzung der Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 gegen den Methodenvorbehalt der EFSA gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. e) ii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, da die EFSA keine wissenschaftliche Methode zur Risikobewertung für Nichtzielpflanzen auf der Behandlungsfläche anerkannt habe (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -). Ebenfalls gebe es keine von der EFSA anerkannte Methode zur Bewertung der indirekten Effekte von Pflanzenschutzmitteln auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem. Das Fehlen einer wissenschaftlichen Methode werde beispielsweise in der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 der Kommission vom 28. November 2023, im Abschlussbericht über die Erneuerung der Zulassung für den Wirkstoff Glyphosat der Kommission vom 13. Oktober 2023 (vgl. S. 7 f. im Final Renewal report for the active substance glyphosate finalised in the Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed at its meeting on 13 October 2023 in view of the renewal of the approval of glyphosate in accordance with Regulation (EC) No 1107/2009 vom 13.10.2023, PLAN/2023/1497 RR - Rev 2) und im Peer Review der Risikobewertung des Wirkstoffs Glyphosat der EFSA vom 6. Juli 2023 (vgl. S. 4 im Peer review of the pesticide risk assessment of the activesubstance glyphosate, veröffentlicht im EFSA Journal 2023;21(7):8164) bestätigt. Insbesondere bringe die EFSA in ihrer Bewertung zu dem Wirkstoff Glyphosat eindeutig zum Ausdruck, dass konkrete Schutzziele im Hinblick auf die Biodiversität derzeit fehlten (vgl. S. 17-25 im Peer review, a. a. O.). Somit könnten bereits keine eindeutigen Kriterien formuliert werden, anhand derer ein akzeptables Risiko für die Biodiversität festgestellt werden könnte. Die Festlegung des Grades des Risikos, der hinnehmbar sei, sei aber im Rahmen des Vorsorgeprinzips zur Risikobewertung zwingend erforderlich. Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf die hier maßgebende Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission berufen, da eine Durchführungsverordnung der Kommission nicht geeignet sei, die grundlegende Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zu ändern oder ihr einen anderen Inhalt zu geben. Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin seien im Verfahren auf Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat auch keine "hohen Risiken" für die Biodiversität festgestellt worden. In Erwägungsgrund 22 der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 werde vielmehr ausgeführt, dass bei der Bewertung im Hinblick auf die Erneuerung der Genehmigung für Glyphosat keine direkten Folgen für die Biodiversität festgestellt worden seien und indirekte Auswirkungen lediglich nicht ausgeschlossen werden konnten. Denn mangels harmonisierter Methoden und Leitlinien zur Bewertung indirekter Effekte auf die Biodiversität hätten vom Antragsteller der Wirkstoffgenehmigung keine hinreichenden Daten diesbezüglich vorgelegt werden können. Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Schlussanträge der Generalanwältin Laila Medina vom 28. September 2023 - C-308/22 - sei bereits in formeller Hinsicht unerheblich, da es sich hierbei nicht um eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs handele. Zudem seien die Schlussanträge auch in materieller Hinsicht unerheblich, da die Vorabentscheidungsverfahren zu den Aktenzeichen C-308/22, C-309/22 und C-310/22 andere Sachverhalte beträfen. Denn dort sei - anders als in diesem Verfahren - nicht der Methodenvorbehalt gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verfahrensgegenständlich. Vielmehr gehe es in den Vorabentscheidungsverfahren um Methoden bzw. Risikobewertungen, die von der EFSA bzw. der Kommission in langer wissenschaftlicher Vorbereitung entwickelt und verabschiedet worden seien. Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Urteile des Verwaltungsgerichts Montpellier vom 12. Mai 2023 (N°2026224 und N°2026225) berufen, da der in Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 normierte Methodenvorbehalt nicht Gegenstand der französischen Gerichtsverfahren gewesen sei. Das französische Verwaltungsgericht habe in seinen Urteilen lediglich ausgeführt, dass die in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 vorgesehene Bewertung des Risikos für Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen die Einführung einer einheitlichen Methodik auf europäischer Ebene nicht erfordern würde, und sich nicht damit auseinandergesetzt, ob die Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission geeignet wäre, die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu ändern oder ihr einen anderen Inhalt zu geben. Schließlich seien die Urteile des Verwaltungsgerichts Montpellier vom 12. Mai 2023 nicht rechtskräftig, da sie angefochten worden seien. Daneben seien die Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 rechtswidrig, weil sie nicht auf eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage gestützt werden könnten und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen das europäische Grundrecht auf gute Verwaltung aus Art. 41 Grundrechte-Charta verstießen.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (1 A 454/23) gegen die im Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen,

und trägt ergänzend insbesondere vor:

Das Fehlen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Bewertungsmethode hindere die Mitgliedstaaten nicht daran, die entsprechenden Auswirkungen auf die Umwelt mit fachlich tragfähigen, aber noch nicht harmonisierten Methoden zu bewerten und nötigenfalls Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Denn die aktuelle Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 der Kommission vom 28. November 2023 zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat trage den Mitgliedstaaten mit einer Sonderbestimmung im Anhang I auf, bei der Gesamtbewertung insbesondere auf Folgendes zu achten:

"Indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität durch trophische Interaktionen, sobald einschlägige Methoden und Leitlinien zur Feststellung solcher Auswirkungen auf Unionsebene vereinbart werden. Solange solche Methoden und Leitlinien fehlen, können die Mitgliedstaaten Methoden anwenden, die ihnen zur Feststellung möglicher indirekter Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, geeignet erscheinen und ihren spezifischen Agrarumweltbedingungen Rechnung tragen. Stellen die Mitgliedstaaten hierbei mögliche indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität fest, so legen sie spezifische Bedingungen oder Einschränkungen für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, fest [...]."

Es sei auszuschließen, dass die von der Kommission erlassene Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 mit der übergeordneten Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 unvereinbar sei. Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 beruhe auf dem in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung normierte Vorsorgeprinzip, es gehe also gerade darum, schädliche Auswirkungen für Mensch und Tier zu vermeiden. Es müssten alle Informationen, die als neueste und relevante "wissenschaftliche und technische Erkenntnisse" anzusehen seien, berücksichtigt werden. Insbesondere sei Art. 36 Abs. 1 der Verordnung dahin auszulegen, dass neben den verfügbaren Leitlinien auch andere neuere Informationen bei der Entscheidung über die Zulassung berücksichtigt werden müssten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass Art. 36 Abs. 1 der Verordnung nicht nur auf die Verwendung von Leitlinien, sondern auch auf die Berücksichtigung des "neuesten Stands von Wissenschaft und Technik" abstelle. Dass im Fall Glyphosat-haltiger Mittel nur eine Bewertung, die auch die möglichen Nahrungsnetzeffekte berücksichtige, den Anforderungen an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik gerecht werde, habe bereits das Verwaltungsgericht Montpellier in seinem Urteil vom 12. Mai 2023 (N°2026224) festgestellt. Nach den Ausführungen der Generalanwältin am EuGH Laila Medina in den Schlussanträgen vom 28. September 2023 (Az. C-308/22) folge aus dem Wesen des Vorsorgeprinzips auch eine Abweichungskompetenz von der Entscheidung des prüfenden Mitgliedstaats (zRMS).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage (1 A 454/23) gegen die im Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 hat Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da die in der Hauptsache erhobene Klage gegen die Anordnung der Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft ist und gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 4 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) keine aufschiebende Wirkung entfaltet.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist begründet, wenn das Ergebnis einer Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehbarkeit einer angefochtenen Anwendungsbestimmung (Aussetzungsinteresse) das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung der Anwendungsbestimmung (Vollzugsinteresse) überwiegt. Im Rahmen der Interessenabwägung sind im Wege einer summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen.

Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Allgemeinheit mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin fällt vorliegend zu Gunsten der Antragstellerin aus, weil durchgreifende rechtliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der im Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 bestehen.

Es handelt sich vorliegend um ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach Art. 40 ff. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, wobei sich die Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel im Wege der gegenseitigen Anerkennung in Art. 41 Abs. 1 i. V. m. Art. 40 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 findet. Nach Art. 40 Abs. 1 lit. a) der Verordnung kann der Inhaber einer nach Art. 29 der Verordnung gewährten Zulassung unter anderem dann eine Zulassung für dasselbe Pflanzenschutzmittel, für dieselben Verwendungen und unter vergleichbaren landwirtschaftlichen Bedingungen in einem anderen Mitgliedstaat im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beantragen, wenn die Zulassung von einem Mitgliedstaat (Referenzmitgliedstaat) erteilt wurde, der zur selben Zone gehört. Gemäß Art. 41 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 erteilt der Mitgliedstaat, dem ein Antrag nach Art. 40 der Verordnung vorgelegt wird, nach Prüfung des Antrags und gegebenenfalls der in Art. 42 Abs. 1 der Verordnung genannten Begleitdokumente im Hinblick auf die Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat; hiervon ausgenommen sind die Fälle, in denen Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 Anwendung findet.

Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung des bisherigen Sach- und Streitstandes sind die im Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 bereits deshalb rechtswidrig, weil sie auf der vom UBA vorgenommenen Bewertung des Risikos für die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen, d. h. aufgrund indirekter Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels über das Nahrungsnetz auf der Grundlage des Ausmaßes der direkten Auswirkungen auf Nichtzielpflanzen und Nichtzielarthropoden im Feld, beruht, obwohl die direkten Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielpflanzen im Feld und dessen indirekten Auswirkungen auf die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren keine Bewertungsgegenstände im Sinne des Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sind.

Der Referenzmitgliedstaat Slowenien erteilte der Antragstellerin mit Bescheid vom 9. Dezember 2019 eine Erneuerungszulassung für das Pflanzenschutzmittel E.. Im Rahmen des Erneuerungsverfahrens war Slowenien als prüfender Mitgliedstaat nach Art. 43 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verpflichtet zu prüfen, ob die Anforderungen an einer zonalen Zulassung nach Art. 29 der Verordnung noch erfüllt sind. Dass der Referenzmitgliedstaat Slowenien im Rahmen seiner vorgenommenen Risikobewertung gegen unionsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat, indem er die direkten Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielpflanzen im Feld und dessen indirekten Auswirkungen auf die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren nicht berücksichtigte, ist nicht erkennbar.

Gemäß Art. 29 Abs. 1 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wird ein Pflanzenschutzmittel unbeschadet des Artikels 50 der Verordnung nur dann zugelassen, wenn es entsprechend den einheitlichen Grundsätzen gemäß Art. 29 Abs. 6 der Verordnung unter anderem unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung erfüllt. Nach Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dürfen Pflanzenschutzmittel keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben, und zwar unter besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte, soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt: i) Verbleib und Ausbreitung in der Umwelt, insbesondere Kontamination von Oberflächengewässern einschließlich Mündungs- und Küstengewässern, Grundwasser, Luft und Boden, unter Berücksichtigung von Orten in großer Entfernung vom Ort der Verwendung nach einem Ferntransport in der Umwelt; ii) Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen, einschließlich des dauerhaften Verhaltens dieser Arten; iii) Auswirkung auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem.

Soweit das UBA sinngemäß geltend macht, die Verwendung des Pflanzenschutzmittels E. führe zu unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt, weil das Pflanzenschutzmittel ein hohes Gefährdungspotenzial für die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen, d. h. aufgrund indirekter Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels über das Nahrungsnetz auf der Grundlage des Ausmaßes der direkten Auswirkungen auf Nichtzielpflanzen und Nichtzielarthropoden im Feld, aufweise, ist Voraussetzung für die Berücksichtigung derartiger Auswirkungen, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zunächst anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat (zu den näheren Einzelheiten: VG Braunschweig, Urteile v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris; Urt. des erkennenden Gerichts v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 50 ff.). Erst wenn die EFSA wissenschaftlich anerkannte Bewertungsmethoden festgelegt hat, sind die Mitgliedstaaten berechtigt, Auswirkungen auf die in Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu den Unterpunkten i) bis iii) genannten Teilaspekte bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu untersuchen und bei unannehmbaren Auswirkungen auf diese Teilbereiche des Schutzgutes Umwelt die Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel zu versagen bzw. mit Nebenbestimmungen zu versehen, die geeignet sind, unannehmbare Auswirkungen auszuräumen. Dies gilt für zonale Zulassungsverfahren ebenso wie für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Urt. des erkennenden Gerichts v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 55).

a. Für die Beurteilung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielpflanzen auf der Anwendungsfläche ("in-field") fehlt es bislang an anerkannten Bewertungsmethoden der EFSA, so dass diese Effekte im Rahmen der Risikobewertung weder als direkte noch indirekte Auswirkungen berücksichtigt werden dürfen.

Das erkennende Gericht hat bereits mit Urteil vom 29. September 2021 - 1 A 130/21 - (a. a. O.) entschieden, dass der in Art. 4 Abs. 3 lit. e) ii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ausdrücklich geregelte Vorbehalt der vorherigen Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA der Berücksichtigung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielpflanzen auf der Anwendungsfläche ("in-field") entgegensteht, solange die EFSA noch keine anerkannten wissenschaftlichen Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat. Der vom UBA geforderten Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerbegleitflora), wonach insbesondere die Anwendung eines Pflanzenschutzmittels zum Schutz der nicht zu bekämpfenden Arten der Ackerbegleitflora nur auf maximal 9/10 der zu behandelnden Anbaufläche erfolgen dürfe, fehlte damit die Grundlage. Diese Rechtsprechung beruht auf folgenden Erwägungen (a.a.O., juris Rn. 56 und 63):

"Für die Beurteilung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielpflanzen auf der Anwendungsfläche ("in-field") fehlt es allerdings bislang an anerkannten Bewertungsmethoden der EFSA. Das noch unter Geltung der Richtlinie 91/414/EWG von der Europäischen Kommission erstellte Guidance Document zur terrestrischen Ökotoxikologie vom 17. Oktober 2002, an dem die Europäische Kommission auch nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 festhält (vgl. Mitteilungen der Kommission 2013/C 95/01 und 2013/C 95/02 mit Listen der für die Durchführung der Verordnungen [EU] Nr. 283/2013 und Nr. 283/2014 relevanten Prüfmethoden und Leitliniendokumente) und das als von der EFSA anerkannt angesehen werden kann, weil sie es selbst bei der Entscheidung über die Erteilung von Wirkstoffgenehmigungen anwendet, sieht einen stufenweisen Ansatz der Risikobewertung ausschließlich für Nichtzielpflanzen vor, die sich außerhalb der Behandlungsfläche befinden. Im Guidance Document ist dazu ausgeführt, dass die Definition von Nichtzielpflanzen ein Schlüsselelement bei der Bewertung darstelle. Sodann enthält das Guidance Document eine Arbeitsdefinition ("working definition") der Nichtzielpflanzen, nach der Nichtzielpflanzen nur Nichtkulturpflanzen sind, die sich außerhalb des Behandlungsgebiets ("outside the treatment area") befinden (vgl. Guidance Document, Ziff. 7). Die folgenden Ausführungen zu den Datenanforderungen und Tests, zur Bewertung der Exposition, zur Risikobewertung und zu Möglichkeiten der Risikominderung (Ziff. 7.1. bis 7.4) knüpfen an die einleitend dargelegte Arbeitsdefinition an. Dass es sich dabei - wie vom UBA hervorgehoben - um eine (bloße) Arbeitsdefinition handelt, ändert nichts daran, dass sich der vorgesehene stufenweise Bewertungsansatz (Tier 1 bis Tier 3) allein auf Nichtkulturpflanzen außerhalb der Behandlungsfläche bezieht. Die einschränkende Definition des Begriffs der Nichtzielpflanzen im Guidance Document gestattet es nicht, die dargelegten Bewertungsansätze ohne Weiteres auf Nichtzielpflanzen innerhalb der Behandlungsfläche bzw. des Feldes zu übertragen. Auf dem Feld vorkommende NTTP sind vielmehr ausdrücklich vom Guidance Document ausgenommen.

[...]

Gehören Auswirkungen auf Nichtzielpflanzen auf der Behandlungsfläche damit derzeit nicht zum zulässigen Prüfumfang bei der Beurteilung der Zulassungsfähigkeit eines Pflanzenschutzmittels, können Sie auch nicht die Erteilung von Nebenbestimmungen, wie der Anwendungsbestimmung NT(neu-Ackerbegleitflora), rechtfertigen, die das UBA für notwendig hält, um die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen für das Pflanzenschutzmittel I. zu gewährleisten. Dies gilt sowohl für den erstzulassenden Mitgliedstaat als auch für einen Mitgliedstaat, dem ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung vorliegt."

Dass die EFSA seit dem Erlass des o. g. Urteils anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielpflanzen auf der Anwendungsfläche ("in-field") bestimmt hat, ist weder von der Antragsgegnerin vorgetragen worden noch von Amts wegen erkennbar.

b. Ebenso fehlt es im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung von indirekten Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte, so dass diese Effekte im Rahmen der Risikobewertung nicht berücksichtigt werden dürfen.

Wie das Verwaltungsgericht Braunschweig bereits in den Urteilen vom 4. September 2019 (9 A 11/19 und 9 A 18/19, juris) zu den vom UBA ursprünglich für erforderlich gehaltenen Anwendungsbestimmungen Biodiv1, Biodiv2 und NT(neu) zum Schutz der biologischen Vielfalt dargelegt hat, können gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte im Rahmen der Risikobewertung nur dann berücksichtigt werden, wenn die EFSA anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat. Eine solche von der EFSA anerkannte wissenschaftliche Bewertungsmethode liegt derzeit nicht vor. Dies ergibt sich bereits aus den in den Anhängen der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660 der Kommission vom 28. November 2023 zur Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat genannten Sonderbestimmungen, wonach "indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität durch trophische Interaktionen" zu berücksichtigen sind, "sobald einschlägige Methoden und Leitlinien zur Feststellung solcher Auswirkungen auf Unionsebene vereinbart werden". Daneben hat die Kommission im zugehörigen Glyphosate Final Renewal Report 2023 ausgeführt, dass es derzeit keine vereinbarten harmonisierten Methoden für die Bewertung indirekter Auswirkungen über trophische Interaktionen gebe (vgl. S. 8 im Final Renewal report for the active substance glyphosate finalised in the Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed at its meeting on 13 October 2023 in view of the renewal of the approval of glyphosate in accordance with Regulation (EC) No 1107/2009 vom 13.10.2023, PLAN/2023/1497 RR - Rev 2: "In addition, the experts highlighted that there are currently no agreed harmonised methodologies for carrying out assessments of indirect effects via trophic interactions"). Ebenso bestätigt die EFSA das Fehlen einer von ihr anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung indirekter Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte, soweit es im Peer Review der Risikobewertung des Wirkstoffs Glyphosat der EFSA vom 6. Juli 2023 heißt, es seien keine ausreichenden Informationen vorgelegt worden, um eine sichere Schlussfolgerung zu den Auswirkungen auf die biologische Vielfalt durch indirekte Effekte und trophische Wechselwirkungen für die repräsentativen Verwendungen zu ziehen, und es mangele es an harmonisierten Methoden und vereinbarten spezifischen Schutzzielen (vgl. S. 4 im Peer review of the pesticide risk assessment of the activesubstance glyphosate, veröffentlicht im EFSA Journal 2023;21(7):8164).

c. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus den Verweisen des UBA bzw. der Antragsgegnerin auf die Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 der Kommission zur Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat, soweit es dort in den Sonderbestimmungen in den Anhängen wie folgt heißt:

"Bei dieser Gesamtbewertung achten die Mitgliedstaaten insbesondere auf Folgendes:

[...]

- die Bedrohung der Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen"

[Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324]

und

"Bei dieser Gesamtbewertung achten die Mitgliedstaaten insbesondere auf Folgendes:

[...]

- indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität durch trophische Interaktionen, sobald einschlägige Methoden und Leitlinien zur Feststellung solcher Auswirkungen auf Unionsebene vereinbart werden. Solange solche Methoden und Leitlinien fehlen, können die Mitgliedstaaten Methoden anwenden, die ihnen zur Feststellung möglicher indirekter Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, geeignet erscheinen und ihren spezifischen Agrarumweltbedingungen Rechnung tragen. Stellen die Mitgliedstaaten hier bei mögliche indirekte Auswirkungen auf die Biodiversität fest, so legen sie spezifische Bedingungen oder Einschränkungen für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, fest, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob praktische alternative Bekämpfungs- oder Verhütungsmethoden mit geringeren Auswirkungen auf die Biodiversität zur Verfügung stehen"

[Durchführungsverordnung (EU) 2023/2660]

Die Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 der Kommission können eine von dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 3 lit. e) ii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 abweichende Auslegung dahingehend, dass die Mitgliedstaaten die indirekten Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte im Rahmen der Risikobewertung auch ohne Vorliegen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung dieser Effekte berücksichtigen dürfen, nicht rechtfertigen.

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 lit. e iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sind als Teilaspekt möglicher Auswirkungen auf die Umwelt zwar auch Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem zu berücksichtigen. Dies aber nur, "soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt". Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat in seinen Urteilen vom 4. September 2019 (9 A 11/19 und 9 A 18/19, juris) und vom 29. September 2021 (1 A 130/21, juris) dargelegt, dass sich der Begriff der "Behörde" im Sinne der Vorschrift auf die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und nicht auf die Behörden der Mitgliedstaaten bezieht. Daher ist die Berücksichtigung von Auswirkungen auf die so zu verstehende biologische Vielfalt im Zulassungsverfahren für ein Pflanzenschutzmittel gemäß Art. 29 Abs. 1 lit. e) i. V. m. Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 daran gebunden, dass die EFSA anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Auswirkungen festlegt, an denen es bislang fehlt.

Der Wille des europäischen Verordnungsgebers, der sich in der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 widerspiegelt, stützt ebenfalls die Annahme, dass die Mitgliedstaaten die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem als Teilaspekt möglicher Auswirkungen auf die Umwelt lediglich im Falle des Vorliegens einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung dieser Effekte berücksichtigen dürfen. So enthielt der erste Vorschlag der Kommission für die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 den Vorbehalt der vorherigen Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA für die Berücksichtigung von Auswirkungen auf die biologische Vielfalt noch nicht. Darin war vorgesehen, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben darf, und zwar unter besonderer Berücksichtigung unter anderem des Aspekts der Auswirkung auf die biologische Vielfalt (vgl. Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 12.07.2006 - COM/2006/388/Final -, S. 25). Das Europäische Parlament begehrte daraufhin die Erweiterung des Teilaspekts der biologischen Vielfalt in Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) des Verordnungsentwurfs um den Begriff des Ökosystems (vgl. Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 05.10.2007 - A6/2007/359 -, S. 41 zu Änderungsantrag 64, sowie Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 23.10.2007 - TC1-COD[2006]0136 -, S. 29). Der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 15. September 2008 berücksichtigte diesen Änderungsantrag nicht, sondern hielt an der ursprünglichen Formulierung fest (vgl. ABl. C 266 E S. 9). Das Europäische Parlament verfolgte sein Begehren weiter, indem es den Änderungsantrag 64 als Änderungsantrag 45 erneut einbrachte (vgl. Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 12.11.2008 - A6/2008/444 -, S. 32 f.). Der Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13. Januar 2009 (TC2-COD[2006]0136, S. 32), dessen Änderungen am Text der Verordnung von der Kommission (vgl. Stellungnahme vom 30.3.2009 - COM/2009/145/Final -) und vom Rat in zweiter Lesung am 24. September 2009 angenommen worden sind, enthält dann die vom Europäischen Parlament gewünschte Ergänzung der biologischen Vielfalt um das Ökosystem zu Unterpunkt iii) von Art. 4 Abs. 3 lit. e) der Verordnung, lässt die Berücksichtigung der Teilaspekte zu den Unterpunkten i) bis iii) aber nunmehr nur noch zu, "soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt". Bei dem konsolidierten Text handelt es sich entsprechend der Stellungnahme der Kommission vom 30. März 2009 (COM/2009/145/Final, S. 3) um das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission. Die Entstehungsgeschichte der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verdeutlicht damit, dass der Vorbehalt der Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA gezielt in die Bestimmung des Art. 4 Abs. 3 lit. e) der Verordnung aufgenommen wurde, um eine Einigung zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Kommission herstellen zu können (so bereits: VG Braunschweig, Urt. v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) und v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris). Eine Umgehung des speziellen Vorbehalts von der EFSA anerkannter wissenschaftlicher Bewertungsmethoden durch den Rückgriff auf andere Prinzipien und Bestimmungen der Verordnung würde damit nicht nur dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 lit. e) der Verordnung, sondern auch dem Willen des Verordnungsgebers widersprechen.

Sinn und Zweck des vom Verordnungsgeber ausdrücklich bestimmten Vorbehalts der Festlegung von Bewertungsmethoden durch die EFSA, der sich für Teilaspekte anderer Schutzgüter in gleicher Weise in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 lit. a) und Art. 4 Abs. 3 lit. b) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 findet, sind unter Berücksichtigung des mit der Verordnung verfolgten Harmonisierungsbestrebens (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 9 und 25 der Verordnung) darin zu sehen, gerade für Bereiche, deren Bewertung sich wegen einer Vielzahl einwirkender Faktoren schwierig gestaltet und verschiedenen Lösungsansätzen zugänglich ist, die Anwendung einheitlicher Bewertungsmethoden in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU zu gewährleisten (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) und v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris).

Folglich ist die Norm des Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Willen des Verordnungsgebers dahingehend auszulegen, dass die Mitgliedstaaten die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem als Teilaspekt möglicher Auswirkungen auf die Umwelt lediglich im Falle des Vorliegens einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung dieser Effekte berücksichtigen dürfen. Die in den Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 der Kommission vorgeschlagene Praxis, wonach die Mitgliedstaaten auch ohne Vorliegen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Bewertungsmethode indirekte Auswirkungen auf die Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen bzw. auf die Biodiversität durch trophische Interaktionen berücksichtigen können, kommt deshalb faktisch einer Abänderung des Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) der Verordnung gleich. Eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wäre aber ausschließlich in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren von dem Europäischen Parlament und dem Rat auf Vorschlag der Kommission vorzunehmen (vgl. Art. 289, 294 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]). Da die Norm des Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 als höherrangiges Recht einen Anwendungsvorrang gegenüber den Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 der Kommission genießt und damit maßgebend für die rechtliche Beurteilung ist, kann der auf die Durchführungsverordnungen (EU) 2017/2324 und 2023/2660 gestützten Rechtsauffassung des UBA bzw. der Antragsgegnerin nicht gefolgt werden.

d. Ebenso vermag der Verweis des UBA bzw. der Antragsgegnerin auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Montpellier vom 12. Mai 2023 (N°2026224) das o. g. Auslegungsergebnis nicht zu ändern.

Das Verwaltungsgericht Montpellier hat in der als Anlage A16 vorgelegten Entscheidung vom 12. Mai 2023 (N°2026224) die Zulassung eines Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmittels in Frankreich mit der Begründung aufgehoben, die beklagte Zulassungsbehörde habe keine Bewertung der Auswirkungen auf Arthropoden und Landwirbeltiere durch Nahrungsnetzeffekte vorgenommen und damit gegen die bestehende Prüfpflicht gemäß dem Wortlaut der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 und gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen (vgl. Ziffer 8. der Entscheidung).

Soweit das Verwaltungsgericht Montpellier die Rechtsauffassung vertritt, dass die in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 vorgesehene Bewertung des Risikos für Vielfalt und Abundanz von Nichtziel-Landarthropoden und -Landwirbeltieren durch trophische Wechselwirkungen die Einführung einer einheitlichen Methodik auf europäischer Ebene nicht erfordern würde (vgl. Ziffer 8. der Entscheidung), setzt es sich in seiner Entscheidung nicht mit der Norm des Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und dem oben aufgezeigten Rangverhältnis zwischen Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) der Verordnung und der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 auseinander.

Dem o. g. Auslegungsergebnis des erkennenden Gerichts steht auch nicht das in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Vorsorgeprinzip entgegen.

Das Vorsorgeprinzip ist ein Prinzip der Umweltpolitik und Gesundheitspolitik. So zielt die Umweltpolitik der Union nach Art. 191 Abs. 2 AEUV unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union auf ein hohes Schutzniveau ab und beruht u. a. auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung. Es obliegt somit dem Unionsgesetzgeber, beim Erlass von Vorschriften zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln wie den in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 enthaltenen das Vorsorgeprinzip zu befolgen. Dieses Prinzip bedeutet, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden. Wenn es sich als unmöglich erweist, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unschlüssig sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Gesundheit der Bevölkerung jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen (vgl. EuGH, Urt. v. 01.10.2019 - C-616/17 -, EUR-Lex Rn. 42 f.).

Insoweit geht aus dem achten Erwägungsgrund und aus Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 hervor, dass die Bestimmungen der Verordnung auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen. Insbesondere sei es den Mitgliedstaaten freigestellt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen.

Das Vorsorgeprinzip verfolgt somit den Ansatz der Risikovermeidung, der besagt, dass eine Politik oder Maßnahme nicht durchgeführt werden darf, wenn sie der Allgemeinheit oder der Umwelt Schaden zufügen kann und weiterhin kein wissenschaftlicher Konsens zu diesem Thema besteht; eine Berufung auf das Vorsorgeprinzip ist nur dann möglich, wenn ein potentielles Risiko besteht und kann keinesfalls eine willkürliche Entscheidung rechtfertigen (vgl. Glossare von Zusammenfassungen, Vorsorgeprinzip, EUR-Lex, http://eur-lex.europa.eu/summary/glossary/precautionary_principle.html; letzter Abruf: 29.01.2024).

Aus der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000 (KOM[2000] 1 endgültig) geht hervor, dass das Vorsorgeprinzip angewendet wird in Fällen, in denen aufgrund einer objektiven wissenschaftlichen Bewertung berechtigter Grund für die Besorgnis besteht, dass die möglichen Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen nicht hinnehmbar oder mit dem hohen Schutzniveau der Gemeinschaft unvereinbar sein könnten (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 12.04.2018 - 9 A 26/16 -, juris).

Aufgrund dessen kann das in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Vorsorgeprinzip nur innerhalb des Bewertungsvorgangs bzw. bei der abschließenden Beurteilung des Bewertungsergebnisses zum Tragen kommen. Hingegen ist es nicht geeignet, den in Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 speziell geregelten Bewertungsgegenstand zu erweitern (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris) und v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 lit. e) iii) der Verordnung und dessen Entstehungsgeschichte sind die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem und damit die Auswirkungen auf Arthropoden und Landwirbeltiere durch Nahrungsnetzeffekte nur dann Gegenstand der anzustellenden Bewertung, wenn die EFSA zuvor anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung dieser Effekte festgelegt hat, was hier nicht der Fall ist.

e. Soweit das UBA bzw. die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Generalanwältin am EuGH Laila Medina in deren Schlussanträgen vom 28. September 2023 in dem Vorabentscheidungsverfahren zum Aktenzeichen C-308/22 vorträgt, aus dem Wesen des Vorsorgeprinzips folge eine Abweichungskompetenz von der Entscheidung des prüfenden Mitgliedstaats (zRMS), rechtfertigt dieses Vorbringen nicht die Annahme, dass die Mitgliedstaaten die indirekten Auswirkungen auf die Biodiversität sowie die Vielfalt und Abundanz von Nichtzielarten durch Nahrungsnetzeffekte im Rahmen der Risikobewertung auch ohne Vorliegen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung dieser Effekte berücksichtigen dürfen.

Zunächst ist der hiesige Sachverhalt nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der der Generalanwältin am EuGH Laila Medina in deren Schlussanträgen vom 28. September 2023 (C-308/22) zugrunde liegt, und deren Schlussanträge enthalten keine Ausführungen zu dem Methodenvorbehalt gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Vielmehr ist im Vorabentscheidungsverfahren zum Aktenzeichen C-308/22 die Auslegung des Art. 36 Abs. 1 und 2 der Verordnung verfahrensgegenständlich zur Klärung der Fragen, ob und inwieweit der beteiligte Mitgliedstaat (cMs) von der Bewertung des prüfenden Mitgliedstaates (zRMS) abweichen darf (Frage 1) und wie die Formulierung "Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien" auszulegen ist (Fragen 4 und 5). Ausschließlich zu diesen Fragestellungen unterbreitet die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 28. September 2023 dem EuGH begründete Entscheidungsvorschläge. Dabei wird mit dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik (lediglich) der Bewertungsmaßstab angesprochen, nicht aber der Gegenstand der anzustellenden Bewertung im Sinne von Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009.

Soweit die Generalanwältin am EuGH Laila Medina in deren Schlussanträgen vom 28. September 2023 die hohe Bedeutung des in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerten Vorsorgeprinzips betont, kann daraus noch nicht geschlussfolgert werden, dass Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 im Lichte der Art. 191 Abs. 2 AEUV und Art. 1 Abs. 4 der Verordnung dahingehend auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten zur Schließung einer etwaigen Schutzlücke berechtigt sind, im Rahmen eines pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsverfahrens die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem nach eigenen wissenschaftlichen Methoden zu bewerten, solange noch keine von der EFSA anerkannte wissenschaftliche Methode zur Bewertung dieser Effekte vorliegt. Denn nach der Auswertung der bisherigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs zum Vorsorgeprinzip und der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000 (KOM[2000] 1 endgültig) kann das in Art. 1 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Vorsorgeprinzip zur Überzeugung der Kammer nur innerhalb des Bewertungsvorgangs bzw. bei der abschließenden Beurteilung des Bewertungsergebnisses zum Tragen kommen und nicht den in Art. 4 Abs. 3 lit. e) der Verordnung speziell geregelten Bewertungsgegenstand erweitern.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Bestehen einer etwaigen Schutzlücke, die sich aus dem Fehlen einer von der EFSA anerkannten wissenschaftlichen Methode zur Bewertung von Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem ergibt, bereits seit Jahren bekannt ist. Wie dargelegt, hat das erkennende Gericht die Problematik schon in seinen Entscheidungen vom 4. September 2019 (a. a. O.) aufgegriffen und adressiert. Mithin war genügend Zeit gegeben, um entsprechende Bewertungsmethoden der EFSA zu entwickeln oder ggf. eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu verabschieden, sofern der Verordnungsgeber den Mitgliedstaaten insoweit unter Verzicht auf einen harmonisierten Ansatz eigenständige Prüfungs- und Bewertungsspielräume zugestehen wollte. Von einer gleichsam neu aufgetretenen Schutzlücke, für die gegebenenfalls ein Rückgriff auf das Vorsorgeprinzip zu erwägen sein könnte, kann mithin nicht die Rede sein.

Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob und inwieweit das UBA bzw. die Antragsgegnerin nach Art. 41 Abs. 1 i. V. m. Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 berechtigt ist, von der Bewertung des prüfenden Mitgliedstaates Slowenien abzuweichen.

Nach alldem war dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage (1 A 454/23) gegen die im Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2023 festgesetzten Anwendungsbestimmungen NT307-90 und NT308 mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zu entsprechen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und orientiert sich an dem vom beschließenden Gericht für eine pflanzenschutzrechtliche Anwendungsbestimmung angenommenen Streitwert in Höhe von 50.000,00 EUR, wobei dieser Streitwert wegen der insoweit lediglich begehrten Feststellung der aufschiebenden Wirkung, mit der eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht verbunden ist, für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren ist.