Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 15.02.2024, Az.: 8 A 73/22

Belastungsklarheit; Besonderes Kirchgeld; fiktive Einkünfte; gemeinsames Einkommen von Ehegatten; glaubensverschiedene Ehe; Hilfsmaßstab; Lebensführungsaufwand; Tonnagebesteuerung; Besonderes Kirchgeld: Zur Berücksichtigung fiktiver Einkünfte bei der Bemessung des Besonderen Kirchgeldes

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
15.02.2024
Aktenzeichen
8 A 73/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 12754
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0215.8A73.22.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Regelungen zur Erhebung eines Besonderen Kirchgeldes in Fällen glaubensverschiedener Ehen sind verfassungskonform.

  2. 2.

    Im Falle der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung darf das gemeinsame Einkommen als Hilfsmaßstab herangezogen werden, um den Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten zu ermitteln.

  3. 3.

    Die kirchensteuerrechtlichen Regelungen sind nicht von Verfassungs wegen dahingehend einzuschränken, dass nur tatsächlich real erzieltes Einkommen zur Bemessungsgrundlage gemacht werden darf. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen im gemeinsamen Einkommen (fiktive bzw. pauschalisierte) Einkünfte nach § 5a EStG enthalten sind. Unerheblich ist, ob sich bei einer herkömmlichen Gewinnermittlung ein Verlust ergeben hätte.

In der Verwaltungsrechtssache
Frau A.,
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin -
gegen
B.,
B-Straße, B-Stadt - -
- Beklagter -
wegen Kirchgeld
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 8. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2024 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Düfer, die Richterin am Verwaltungsgericht Köhler, den Richter Rother sowie die ehrenamtliche Richterin D. und den ehrenamtlichen Richter E. für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.651,75 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes für die Jahre 2016 bis 2019.

Die Klägerin ist - jedenfalls in den streitigen Veranlagungsjahren - Mitglied der römisch-katholischen Kirche, ihr Ehemann ist konfessionslos. Das Ehepaar erzielte in den Veranlagungsjahren 2016 bis 2019 steuerpflichtige Einkünfte und wurde insoweit auch gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erwirtschaftete in den Streitjahren die folgenden Einkünfte, vorwiegend aus nichtselbständiger Arbeit: 43.299,00 EUR (2016), 49.085,00 EUR (2017), 50.700,00 EUR (2018) und 51.189,00 EUR (2019). Ihr Ehemann erzielte die folgenden Einkünfte, die sich im Wesentlichen aus Einkünften aus Gewerbebetrieb (Beteiligungen abzüglich Veräußerungsverlusten) ergaben: 73.365,00 EUR (2016), 51.423,00 EUR (2017), 100.432,00 EUR (2018) und 41.781,00 EUR (2019).

Jeweils mit Steuerbescheiden vom 22. Juni 2021 setzte das Finanzamt A-Stadt für die Steuerjahre 2016 bis 2018 gegenüber der Klägerin ein Besonderes Kirchgeld fest; für das Steuerjahr 2016 in Höhe von 840,00 EUR, basierend auf einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen von 108.883,00 EUR als Bemessungsgrundlage; für das Steuerjahr 2017 in Höhe von 696,00 EUR, ausgehend von einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen in Höhe von 93.010,00 EUR und für das Steuerjahr 2018 in Höhe von 1.200,00 EUR, beruhend auf einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen in Höhe von 142.618,00 EUR. Für das Steuerjahr 2019 wurde kein besonderes Kirchgeld festgesetzt, sondern die katholische Kirchensteuer in Höhe von 915,75 EUR erhoben. gen weiterer Einzelheiten der Einkünfte nimmt das Gericht gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die in der Sachakte des Beklagten enthaltenen Steuerbescheide Bezug.

Gegen diese Bescheide erhoben die Klägerin und ihr Ehemann am 23. Juli 2021 Einspruch bzw. Widerspruch beim Finanzamt A-Stadt. Dieses leitete den Einspruch bzw. Widerspruch betreffend das Besondere Kirchgeld am 7. September 2021 zuständigkeitshalber an den Beklagten zur weiteren Veranlassung weiter. Die Klägerin und ihr Ehemann führten in ihrer Widerspruchsbegründung sowie in einem ergänzenden Schreiben vom 22. Oktober 2021 begründend aus, das zu versteuernde Einkommen enthalte hohe Beträge durch die Auflösung von Differenzbeträgen aus Schiffsbeteiligungen. Diese stünden als fiktive Einnahmen nicht zur Deckung persönlicher Aufwendungen zur Verfügung. Folglich werde auch der Belastungsgrund - der Lebensführungsaufwand des Kirchenmitglieds - verfehlt, denn der Lebensführungsaufwand der Klägerin werde durch ihren Ehemann nicht gesteigert, sondern nivelliert. Die Klägerin sei der wirtschaftlich stärkere Teil in der Ehe.

Der Beklagte erläuterte mit Schreiben vom 14. September 2021 und 11. November 2021 die Grundlagen der Festsetzung des Besonderen Kirchgeldes und führte aus, das Besondere Kirchgeld beträfe glaubensverschiedene Ehepaare und werde bei gemeinsamer Veranlagung nach der Höhe des gemeinsam zu versteuernden Einkommens berechnet. In den Jahren 2016 bis 2018 seien die Einkünfte des Ehemanns der Klägerin höher gewesen als die Einkünfte der Klägerin. Im Jahr 2019 sei kein Besonderes Kirchgeld festgesetzt worden, sondern die römisch-katholische Kirchensteuer. Der Beklagte gab der Klägerin bis zum 18. Dezember 2021 Gelegenheit, unter Berücksichtigung dieser Darlegungen den Widerspruch zurückzunehmen, was die Klägerin nicht tat.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2022 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Festsetzung des Besonderen Kirchgeldes zurück. Das besondere Kirchgeld sei in den Jahren 2016 bis 2018 zu Recht festgesetzt worden. Die Festsetzung beruhe auf § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Niedersächsisches Kirchensteuerrahmengesetz (Nds. KiStRG), wonach die Landeskirchen und Diözesen Kirchgeld von Kirchenangehörigen erheben können, deren Ehegatten keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehören. Nach der Kirchensteuerordnung der Diözese B-Stadt erhebe der Beklagte in den Fällen der gemeinsamen Veranlagung glaubensverschiedener Ehegatten nach dem Einkommensteuergesetz ein Besonderes Kirchgeld, welches sich nach dem gemeinsam zu versteuernden Einkommen und einer im Kirchensteuerbeschluss festgesetzten Tabelle bemesse.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2022, bei Gericht am 7. März 2022 eingegangen, hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie in Vertiefung ihres Widerspruchsvorbringens ausführt: Sie habe in den Veranlagungsjahren höhere Einkünfte als ihr Mann erzielt und sei der wirtschaftlich stärkere Teil der Ehe. Den rechnerischen gewerblichen Einkünften ihres Ehemannes durch Auflösung der Differenzbeträge seien keine Einnahmen gefolgt, die zur Lebensführung hätten verwendet werden könnten. Die Erhebung des Besonderes Kirchgeldes auf fiktive Einkünfte sei eine unzumutbare Härte und entspräche nicht der Intention des Besonderen Kirchgeldes. Diese Beträge stünden nicht zur Lebensführung zur Verfügung und seien folglich bei der Berechnung des Besonderen Kirchgeldes nicht zu berücksichtigen. Als ihr Ehemann vor 20 Jahren die Beteiligung zur Altersvorsorge abgeschlossen habe, sei noch nicht bekannt gewesen, dass im Jahr 2006 das Besondere Kirchgeld eingeführt werden würde. Dies widerspreche dem Gebot der Belastungsklarheit.

Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hat, die Steuerbescheide des Finanzamts A-Stadt vom 22. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 4. Februar 2022 aufzuheben, soweit für die Steuerjahre 2016 bis 2019 ein Besonderes Kirchgeld festgesetzt worden ist, hat sie in der mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2024 ihren Antrag für das Jahr 2019 zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

die Steuerbescheide des Finanzamts A-Stadt vom 22. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 4. Februar 2022 aufzuheben, soweit für die Steuerjahre 2016 bis 2018 ein Besonderes Kirchgeld festgesetzt worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt erwidernd seine rechtliche Einschätzung aus dem Widerspruchsbescheid und ergänzt: Inzwischen habe auch das Bundesverfassungsgericht die Rechtmäßigkeit der Erhebung des Besonderen Kirchgeldes mit Urteil vom 28. Oktober 2010 (2 BvR - 591/06 -) bestätigt. Des Weiteren könne die Festsetzung des Besonderen Kirchgeldes nicht mit der Begründung angegriffen werden, dass das zugrunde gelegte Einkommen unrichtig sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die elektronische Sachakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Klägerin ihre Klage betreffend das Steuerjahr 2019 durch Beschränkung ihres Antrags in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.

In ihrem noch rechtshängigen Umfang ist die zulässige Klage unbegründet.

I. Die Steuerbescheide des Finanzamts A-Stadt vom 22. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 4. Februar 2022 sind, soweit sie hier das Besondere Kirchgeld betreffend angefochten sind, rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Ihre Rechtsgrundlage finden die jeweiligen Festsetzungen in den Bestimmungen des Niedersächsischen Kirchensteuerrahmengesetzes (Nds. KiStRG) vom 10. Juli 1986 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 2014 (Nds. GVBl. S. 465) sowie der Kirchensteuerordnung für die Diözese B-Stadt im Bereich des Landes Niedersachsen (KiStO) vom 9. Februar 2009 in der Fassung der Änderung vom 1. Dezember 2014 (Nds. MBl. 2015, S. 476).

Gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 Nr. 4, Abs. 6 Nds. Kirchensteuerrahmengesetz (KiStRG) können die Diözesen Kirchgeld aufgrund eigener Steuerordnungen in festen oder gestaffelten Beträgen von Kirchenangehörigen, deren Ehegatten einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft nicht angehört, erheben (besonderes Kirchgeld), wobei das Kirchgeld nur von einem Kirchenangehörigen erhoben werden darf, der selbst oder dessen Ehegatte eigenes Einkommen oder Vermögen hat. Von dieser Ermächtigung ist mit der Kirchensteuerordnung für die Diözese B-Stadt Gebrauch gemacht worden. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 KiStO kann die Diözese Kirchensteuern als ein gestaffeltes Kirchgeld erheben, wenn der Ehegatte einer steuererhebenden Kirche nicht angehört (Besonderes Kirchgeld). § 2 Abs. 3 KiStO bestimmt, dass im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten, bei denen einer der katholischen Kirche angehört und der andere keiner steuererhebenden Kirche, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des katholischen Ehegatten nach dem Einkommen des anderen Ehegatten bemessen werden kann. § 7 Abs. 9 Nds. KiStRG normiert für diesen Fall, dass für die Einkommensermittlung § 51a Abs. 1 bis 2d Einkommensteuergesetz (EStG) entsprechend gelten, also das gemeinsam zu versteuernde Einkommen zur Bemessungsgrundlage wird. Das danach festgesetzte Besondere Kirchgeld ergibt sich aus einer Tabelle, die vom Bischöflichen Generalvikariat mit dem Kirchensteuerbeschluss im Kirchlichen Anzeiger für das Bistum B-Stadt veröffentlicht wird. Nach Ziffer II des Kirchensteuerbeschlusses vom 1. Dezember 2008 (Nds. MBl. 2009, S. 271 f.) in der Fassung vom 14. April 2015 (Nds. MBl. 2015, S. 476) beträgt das Besondere Kirchgeld bei einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen von 87.500,00 EUR bis 99.999,99 EUR jährlich 696,00 EUR (Stufe 6), bei einem zu versteuernden Einkommen von 100.000,00 EUR bis 124.999,99 EUR jährlich 840,00 EUR (Stufe 7) und bei einem zu versteuernden Einkommen von 125.000,00 EUR bis 149.999,99 EUR jährlich 1.200,00 EUR (Stufe 8).

2. Die erkennende Kammer hält die vorstehenden Regelungen im Einklang mit dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (grundlegend: Beschluss v. 23.08.2018 - 9 LA 120/17 -, juris Rn. 26 f.; jüngst: Beschluss v. 19.09.2023 - 9 LA 133/22 - S. 4 ff. EA, n.v.), dem Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 28.10.2010 - 2 BvR 591/06 -, juris Rn. 3), dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 11.11.1988 - 8 C 10/87 -, juris Rn. 17 f.), dem Bundesfinanzhof (Urteil v. 19.10.2005 - I R 76/04 -, juris; Beschluss v. 05.10.2021 - I B 65/19 -, juris Rn. 5 ff.) und der übrigen erstinstanzlichen fachgerichtlichen Rechtsprechung (VG Mainz, Urteil v. 18.01.2023 - 3 K 1015/20.MZ -, juris Rn. 22 f.; VG Neustadt (instraße), Urteil v. 28.03.2022 - 3 K 952/21.NW -, juris Rn. 19 ff.; FG Münster, Urteil v. 09.12.2022 - 4 K 527/21 Ki -, juris Rn. 22 ff.; FG Hamburg, Urteil v. 01.09.2015 - 3 K 167/15 -, juris Rn. 78 ff.) für verfassungskonform.

Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die Bestimmungen aus § 7 Abs. 9 Nds. KiStRG und § 2 Abs. 3 KiStO, als Bemessungsgrundlage das gemeinsam zu versteuernde Einkommen (§ 51a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG) anzusetzen und hieran die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu messen.

a) Das Besondere Kirchgeld darf als Form der Kirchensteuer nur an Merkmale anknüpfen, die in der Person des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten vorliegen, weshalb das Einkommen des nicht kirchenangehörigen Ehegatten keine zulässige Besteuerungsgrundlage ist. Unschädlich ist es allerdings, wenn sich die Kirchensteuer an dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten orientiert, sog. Lebensführungsaufwand (vgl. bereits BVerfG, Urteil v. 14.12.1965 - 1 BvR 606/60 -, juris Rn. 38; BFH, Urteil v. 19.10.2005 - I R 76/04 -, juris Rn. 29).

Mit diesen Vorgaben stehen die Regelungen des Kirchensteuerrahmengesetzes, der Kirchensteuerordnung und des Kirchensteuerbeschlusses im Einklang. Angesichts der nicht unerheblichen Schwierigkeiten, den tatsächlichen Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten zu ermitteln, ist es im Sinne einer Typisierung zulässig, die diesem Begriff zugrundeliegende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit am gemeinsamen Einkommen beider Ehegatten zu messen (vgl. bereits BVerwG, Urteil v. 18.02.1977 - VII C 48.73 -, juris Rn. 14 ff.; BFH, Urteil v. 19.10.2005 - I R 76/04 -, juris Rn. 29; FG Hamburg, Urteil v. 01.09 2015 - 3 K 167/15 -, juris Rn. 79; diese Rspr. bestätigend: BVerfG, Beschluss v. 28.10.2010 - 2 BvR 591/06 -, juris Rn. 3). Das gemeinsame Einkommen und damit auch das Einkommen des nicht kirchenangehörigen Ehegatten wird damit nicht zum Gegenstand der Besteuerung, sondern dient lediglich als Hilfsmaßstab, um den als solchen nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten zu bestimmenden Lebensführungsaufwand bzw. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten zu ermitteln. Dies ist angesichts der im Steuerrecht zulässigen Typisierung und Pauschalisierung nicht zu beanstanden (vgl. VG Cottbus, Urteil v. 26.01.2017 - 1 K 805/14 -, juris Rn. 37 f. m.w.N.).

b) Die kirchensteuerrechtlichen Regelungen sind auch nicht von Verfassungs wegen dahingehend einschränkend auszulegen, dass nur tatsächlich real erzieltes und den Eheleuten damit zugängliches Einkommen zur Bemessungsgrundlage des Besonderen Kirchgeldes gemacht werden darf. Dies gilt nach Einschätzung der Kammer jedenfalls in den Fällen der Gewinnermittlung nach § 5a EStG, in denen das Steuerrecht eine pauschale Besteuerung von (fiktiven) Einkünften vorsieht, auch wenn sich bei einer herkömmlichen Gewinnermittlung ein Verlust ergeben hätte.

aa) Die Klägerin konnte schon nicht zur vollen Überzeugung der Kammer darlegen, dass die in den Veranlagungsjahren 2016 bis 2018 für ihren Ehemann erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb tatsächlich rein fiktive Beträge sind, die nicht zur gemeinsamen Lebensführung zur Verfügung gestanden haben. Sie hat zwar stets behauptet, die hohen gewerblichen Einkünfte ihres Ehemanns seien die Folge der Auflösung von Differenzbeträgen aus Schiffsbeteiligungen (vgl. § 5a Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStG). Näher substantiiert hat sie diese Aussage aber auch auf Aufforderung des Gerichts hin nicht. Auf die gerichtliche Verfügung vom 2. Februar 2024 hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung durch ihren Ehemann Anlagen zu den Steuerbescheiden 2016 bis 2018 vorgelegt, in denen die Beteiligungseinkünfte (Gewinn als Mitunternehmer) näher aufgeführt werden. Dass es sich bei den dortigen Gewinnen um rein fiktive Gewinne handeln soll, ergibt sich aber auch aus diesen Unterlagen nicht. Insbesondere ist die Behauptung des Ehemanns der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, er habe von den dort aufgeführten Gewinnen nichts erhalten, in Ermangelung einer weiteren Erklärung für die Kammer nicht in vollem Umfang nachzuvollziehen.

bb) Aber selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die in den streitigen Veranlagungsjahren erklärten gewerblichen Einkünfte ihres Ehemanns rein fiktive Beträge infolge einer Besteuerung nach § 5a EStG seien, würde sich hieraus nicht ergeben, dass das Besondere Kirchgeld zu Unrecht festgesetzt worden ist.

§ 5a EStG regelt für Gewinne aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, deren Bereederung im Inland durchgeführt wird, eine pauschale Gewinnermittlung nach der Tonnage (Tonnagebesteuerung), die an die Stelle der Gewinnermittlung nach den §§ 4 Abs. 1, 5 EStG tritt. Der Tonnagegewinn wird nach den in § 5a Abs. 1 Satz 2 EStG enthaltenen Staffelbeträgen für die Tonnage der Handelsschiffe und der Anzahl der Betriebstage des jeweiligen Handelsschiffs berechnet. Der Rederei steht ein Wahlrecht hinsichtlich der Anwendung des § 5a EStG zu, da die Tonnagebesteuerung nur auf Antrag erfolgt (§ 5a Abs. 3 Satz 1 EStG; vgl. BeckOK EStG/Paetsch, 17. Ed. 01.10.2023, EStG § 5a Rn. 25). Die pauschale Gewinnermittlung hat regelmäßig steuerentlastende Wirkung, da die Steuerbelastung der effektiven Gewinne bei der Gewinnermittlung nach der Tonnage auf bis zu 5% sinken kann (vgl. BFH, Urteil v. 20.11.2006 - VIII R 33/05 -, juris Rn. 32). Soweit mit dem Betrieb von Handelsschiffen tatsächlich Verluste erzielt werden, führt die Gewinnermittlung nach der Tonnage jedoch zu einer steuerlichen Mehrbelastung (vgl. BeckOK EStG/Paetsch, 17. Ed. 01.10.2023, EStG § 5a Rn. 2.1).

Entscheidet sich ein Steuerpflichtiger für den Erwerb von Beteiligungen an einem solchen Handelsschiff, welches die sog. Tonnagebesteuerung durchführt, hofft er regelmäßig, dass rein tatsächlich die Beteiligungen höhere Gewinne ergeben, als sie in der pauschalen Berechnung nach § 5a EStG der Besteuerung unterworfen werden. Als Risiko nimmt er in Kauf, dass sich möglicherweise tatsächlich Verluste ergeben und dennoch die Pauschalbeträge aus § 5a EStG versteuert werden. In einem solchen Verlustfall kann sich der einzelne Steuerpflichtige nicht darauf berufen, tatsächlich keine Einkünfte erzielt bzw. Gewinne ausgeschüttet bekommen zu haben. Auch im Verlustfall wird der nach § 5a EStG ermittelte Betrag der Einkommenssteuer zugrunde gelegt. Diese Regelung ist verfassungskonform (vgl. BeckOK EStG/Paetsch, 17. Ed. 01.10.2023, EStG § 5a Rn. 11, 104; s.a. Nds. FG, Urteil v. 14.01.2021 - 1 K 28/17 -, juris).

Entwickelt man diesen Gedanken fort und überträgt ihn auf das Besondere Kirchgeld und dessen Regelungen, ergibt sich, dass es auch dort unerheblich sein muss, ob die der Bemessungsgrundlage zugrunde gelegten Einkünfte tatsächlich erzielt worden sind. Mit § 7 Abs. 9 Nds. KiStRG hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er - in verfassungsrechtlich zulässiger ise, siehe oben - das gemeinsam veranlagte Einkommen als Hilfsmaßstab zur Ermittlung des Lebensführungsaufwandes zur Bemessungsgrundlage des Besonderes Kirchgeldes macht. Die einkommensteuerrechtlichen rtungen beanspruchen daher auch für die Berechnung des Besonderen Kirchgeldes Geltung; was einkommensteuerrechtlich zum (gemeinsam veranlagten) Einkommen zählt, ist auch der Berechnung des Besonderen Kirchgeldes zugrunde zu legen. Damit darf die Bemessungsgrundlage des Besonderen Kirchgeldes auch pauschal ermittelte Gewinne aus § 5a EStG enthalten, selbst wenn tatsächlich Verluste gemacht wurden.

Es würde zu einem nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch führen, denjenigen, dessen Beteiligungen einkommensteuerrechtlich nach § 5a EStG behandelt werden, darauf zu verweisen, dass mit dieser Form der Gewinnermittlung auch ein Risiko einhergeht, bei der Berechnung des Besonderen Kirchgeldes aber die Wertung aus § 5a EStG auszuhebeln und dort wiederum im Verlustfall eine herkömmliche Gewinnermittlung nach den §§ 4 und 5 EStG durchzuführen. Daneben würde ein solches Vorgehen dem im Steuerrecht besonders wichtigen Grundsatz der Pauschalisierung und Verwaltungsvereinfachung diametral zuwiderlaufen, weil damit ein erheblicher Mehraufwand bei der Ermittlung des Besonderen Kirchgeldes verbunden wäre.

Es trifft zwar zu, dass sich hierdurch die Bemessungsgrundlage des Besonderen Kirchgeldes von ihrem eigentlichen Anknüpfungspunkt - dem Lebensführungsaufwand - entfernt. Dies ist im Rahmen der Einkommensteuer anzusetzenden Pauschalbeträgen aber immanent und führt nicht zur Verfassungswidrigkeit einer Regelung, wenn nach ihr Pauschalbeträge zur Ermittlung des gemeinsamen Einkommens herangezogen werden. Soweit es bei der Heranziehung zu Steuern auf die Leistungsfähigkeit ankommt, fordert die Verfassung nicht, dass die jeweilige gesetzliche Regelung zur Verwirklichung der Gerechtigkeit die Leistungsfähigkeit gleichsam nachzeichnet (vgl. BVerwG, Urteil v. 11.11.1988 - 8 C 10/87 -, juris Rn. 21). Der Gesetzgeber hat in dieser Richtung vielmehr Gestaltungsfreiheit, und dementsprechend ist auch der kirchliche Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, bei der Regelung des Kirchgelds in glaubensverschiedener Ehe besondere Regelungen zu schaffen, wenn sich ausnahmsweise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht vollständig in den zu versteuernden Einkünften spiegelt. Insoweit ist schon grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage eine (steuerbegünstigende) Entfremdung von dem Belastungsgrund aufweisen. Denn nur das gemeinsam zu versteuernde Einkommen wird gemäß § 7 Abs. 9 Nds. KiStRG zur Grundlage des Besonderen Kirchgeldes. Etwaige Steuerfreibeträge werden hierbei bereits zugunsten des Steuerpflichtigen abgezogen. Das tatsächlich gemeinsame Einkommen zur Lebensführung ist also höher, als das zu versteuernde gemeinsame Einkommen.

Zudem hat der Steuerpflichtige - wie auch hier die Klägerin und ihr Ehemann - diese nunmehr beanstandete Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Leistungsfähigkeit und dem für die Ermittlung des Besonderen Kirchgeldes anzusetzenden gemeinsamen Einkommen wissentlich herbeigeführt, indem Beteiligungen an einem Handelsschiff erworben werden, welches seine Gewinne nach § 5a EStG versteuert. Dem Erwerber ist vorab bewusst, ob die Rederei die pauschale Tonnagebesteuerung durchführt, wie auch der Ehemann der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Aus diesem Gesichtspunkt und dem damit einhergehenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) muss es dem Steuerpflichtigen verwehrt bleiben, sich nunmehr auf diese bewusst in Kauf genommene Entfernung vom Besteuerungsgrund zu berufen.

Schließlich kann sich § 5a EStG auch steuerbegünstigend auswirken, nämlich wenn die Beteiligungen tatsächlich höhere Gewinne erzielen als sie § 5a EStG der Besteuerung unterwirft. In diesem Fall bemisst sich das Besondere Kirchgeld ebenfalls nicht nach dem tatsächlich erzielten (höheren) Einkommen, sondern weiterhin anhand des sich aus § 5a EStG ergebenden Pauschalbetrages und wirkt sich insoweit - trotz Entfernung von dem Belastungsgrund - steuerbegünstigend aus. Dass die Regelungen des Besonderen Kirchgeldes für diesen Fall kein dahingehendes "Rosinenpicken" ermöglichen, nur im Verlustfall die tatsächlichen Einkünfte anzusetzen, im Falle von Gewinnen über dem gesetzlichen Pauschalbetrag aber gleichwohl eine Beschränkung der Bemessungsgrundlage auf den Pauschalbetrag vorsehen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Auch der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen das Gebot der Belastungsklarheit liegt nicht vor. Dieses in dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnde Gebot schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (vgl. BVerfG, Beschluss v. 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 41; jüngst: BVerfG, Beschluss vom 03.11.2021 - 1 BvL 1/19 -, juris Rn. 61). Dieser Grundsatz wird nicht dadurch verletzt, dass in den Streitjahren veranlagte (pauschalisierte) Einkünfte aus Beteiligungen an Gewerbebetrieben, die bereits vor der Einführung des Besonderen Kirchgeldes abgeschlossen wurden, nunmehr einer Besteuerung unterzogen werden. Insoweit fehlt es bereits an einem abgeschlossenen Vorgang im Sinne des o. g. Gebots. Zwar ist der Erwerb einer Beteiligung - technisch betrachtet - ein einmaliger in der Vergangenheit liegender Vorgang. Einer solchen Beteiligung ist aber immanent, dass sie zukunftsgerichtet ist und wiederkehrend Gewinne ausgeschüttet werden, sodass sie sich fortlaufend aktualisiert. Die Besteuerung im Zusammenhang mit dem Besonderen Kirchgeld knüpft zudem auch nicht an den (einmaligen) Erwerb der Beteiligung als solchen an, sondern an die jährlich wiederkehrenden damit verbundenen (erklärten) Einkünfte. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass nur das in dem jeweiligen Steuerjahr veranlagte Einkommen zur Bemessungsgrundlage des Besonderen Kirchgeldes gemacht wird. Soweit die Klägerin zudem anführt, das Besondere Kirchgeld sei erst 2006 angeführt worden, ist sie darauf zu verweisen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz dahingehend gibt, der Gesetzgeber werde zukünftig keine neuen Steuern einführen.

3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Besonderen Kirchgeldes liegen vor. Die Klägerin ist in den streitigen Veranlagungsjahren Mitglied einer kirchsteuererhebenden Kirche gewesen, ihr Ehemann nicht, und sie haben beide Einkommen erzielt. Der Festsetzung des Besonderen Kirchgeldes begegnen auch der Höhe nach keine Bedenken. Die festgesetzten Beträge entsprechen den rten der Tabelle aus dem Kirchsteuerbeschluss, ausgehend von dem jeweils maßgeblichen gemeinsam zu versteuernden Einkommen. Diesbezügliche Einwendungen hat die Klägerin nicht vorgebracht.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

IV. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).