Landgericht Osnabrück
Urt. v. 06.01.2000, Az.: 9 T 1144/99

Vorliegen einer gebührenrechtlichen Angelegenheit bei Beratung einer sich auf Gruppenverfolgung berufenden Asylbewerberfamilie im Vorverfahren zum Asylfolgeverfahren

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
06.01.2000
Aktenzeichen
9 T 1144/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 32060
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2000:0106.9T1144.99.0A

Tenor:

Auf die Beschwerde der Landeskasse vom 08.11.1999 wird der Beschluß des Amtsgerichts Osnabrück vom 07. September 1999 geändert. Die dem Beratungshelfer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 293,48 DM festgesetzt. Im Übrigen wird der Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben und der weitergehende Festsetzungsantrag zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Der Beratungshelfer hat die Eheleute ... und ihre sieben minderjährigen Kinder im Vorverfahren zum Asylfolgeverfahren beraten. Er hat die Festsetzung der Gebühren für die Beratungshilfe nach § 132 Abs. 2 BRAGO für 9 verschiedene Angelegenheiten beantragt zu einem Gesamtbetrag von 1.320,66 DM. Das Amtsgericht hat das Entgelt auf 146,74 DM festgesetzt und ist von nur einer Angelegenheit ausgegangen. Auf die dagegen gerichtete Erinnerung hin hat der Richter beim Amtsgericht antragsgemäß das Entgelt auf 1.320,66 DM festgesetzt und ist von 9 verschiedenen Angelegenheiten der Beratung ausgegangen. Hiergegen richtet sich die nach § 133 in Verbindung mit § 128 BRAGO statthafte und zulässige Beschwerde der Landeskasse. Der Bezirksrevisor geht davon aus, dass nur eine Beratungsangelegenheit zu entgelten gewesen wäre. Er beruft sich insoweit auf die frührere Rechtsprechung der Kammer zur Abgrenzung der verschiedenen Angelegenheiten der Beratung nach § 6 Abs. 1 BRAGO.

2

Die Beschwerde der Landeskasse ist zum Teil unbegründet, überwiegend jedoch begründet.

3

Dem Beratungshelfer steht das Entgelt für zwei Angelegenheiten der Beratung nach § 132 Abs. 2 BRAGO zu.

4

Ausgangsweise ist den Beteiligten weiterhin dahingehend zuzustimmen, dass grundsätzlich jeder Asylbewerber ein eigenes Recht geltend macht und diese Asylverfahren können grundsätzlich aufgrund des eigenen Asylrechts eines jeden Bewerbers einen anderen Verlauf mit anderem Ergebnis haben als andere Asylverfahren anderer Bewerber eines gleichen Beratungsverfahrens. Andererseits jedoch hat die Kammer wiederholt entschieden und hält auch an dieser Rechtsprechung fest, dass von derselben Angelegenheit eines Beratungsverfahrens auszugehen ist, wenn die Asylbewerber sich auf Gruppenverfolgung berufen bzw. ein abgeleiteter Anspruch auf Familienasyl geltend gemacht wird, denn hier ist von einer Gleichartigkeit des Verfahrens auszugehen. Der Asylanspruch eines Mitglieds der Gruppe folgt regelmäßig dem Asylanspruch eines jeden weiteren. Dies folgt auch im vorliegenden Verfahren bereits aus der gleichartigen Begründung des Asylanspruchs der verschiedenen Familienmitglieder. Sie stützen sich sämtlich auf die Gruppenverfolgung als Kosovo-Albaner in ihrer Heimat.

5

Anders jedoch ist die Situation im vorliegenden Fall bezogen auf die Ehefrau bzw. Mutter der Familie R *. Ausweislich des für sie gefertigten Schreibens vom 10.09.1999 an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist sie Angehörige der ethnischen Gruppe der Roma. Sie beruft sich darauf, dass diese Bevölkerungsgruppe nicht nur wie zuvor die Kosovo-Albaner der serbischen Repression unterliegt, sondern auch nach ihrer eigenen Rückkehr in den Kosovo der Misshandlung und Vertreibung durch die Kosovo-Albaner ihrerseits ausgesetz ist. Die auf die Ehefrau zutreffenden Gruppenkriterien sind also völlig andere als die für die übrige Familie geltenden Kriterien und schon aufgrund dieser Verschiedenheit ist davon auszugehen, dass die Asylverfahren bezüglich der Familie einerseits und der Ehefrau und Mutter der Familie andererseits verschiedene Verläufe nehmen können und verschiedene Ergebnisse haben können. Es ist deshalb insoweit aufgrund der verschiedenen Gruppenkriterien nicht von der Gleichartigkeit des Verfahrens auszugehen, vielmehr ist Beratungshilfe in zwei Angelegenheiten jedenfalls erteilt worden.

6

Soweit sich die Stellungnahme zur Beschwerde der Landeskasse darüber verhält, dass der Asylfolgeantrag des noch minderjährigen Sohnes S vom übrigen Verfahren abgetrennt worden sei, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer besonderen Angelegenheit in diesem Verfahren, denn die Abtrennung hat allenfalls verfahrensrechtliche Gründe, wonach der Sohn S inzwischen asylmündig ist. Die Begründung seines Asylfolgeantrages jedoch hat sich nicht geändert, die Gleichartigkeit des Verfahrens ist vielmehr gewahrt. Im Übrigen ist diese Abtrennung von Amts wegen erfolgt, ohne dass der Beratungshelfer selbst auf eine derartige Trennung aus sachlichen Gründen hingewirkt hätte und deshalb in der Sache eine besondere Tätigkeit entfaltet hätte. Deshalb kann auf die weitere Rechtsprechung der Kammer verwiesen werden (Beschluss vom 28.09.1999, 9 T 561/99) wonach trotz möglichen verschiedenen Verlaufs der Verfahren eine einheitliche Angelegenheit anzunehmen ist, wenn ein einheitlicher Antrag gestellt wird, ein einheitliches Anliegen betrieben wird, ohne dass erkennbar ist, dass der Beratungshelfer unterschiedliche Verfahrensgänge und Verfahrensergebnisse in Betracht zieht oder fördern will.

7

Im Ergebnis gilt Gleiches hinsichtlich des Kindes V *, für welches zunächst der einheitliche Asylfolgeantrag gestellt wurde, nach Hinweis des Bundesamtes jedoch ein Erstantrag mit materiell gleicher Begründung der Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner gestellt wurde. Dass jedoch die gleichen materiellen Erwägungen der Gruppenverfolgung der Kosovo-Albaner dem Erstantrag zum Erfolg verhelfen können andererseits jedoch den Folgeanträgen nicht, ist nicht zu erwarten. Das Beurteilungsergebnis des Bundesamtes kann insoweit nur einheitlich ausfallen, wenn auch bei positiver Beurteilung mit verschiedenen Rechtsfolgen nach dem Ausländergesetz. Besondere, gerade auf den Erstantrag bezogene Entscheidungskriterien sind nicht vorgetragen.

8

Die Entscheidung zur Gebühren- und Kostenerstattung folgt aus § 128 Abs. 5 BRAGO.