Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 07.08.2009, Az.: S 17 KR 173/07
Voraussetzungen einer Befreiung von der Krankenversicherungspflicht; Anforderungen an eine erweiternde Auslegung des Befreiungstatbestandes aus europarechtlichen Gründen
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 07.08.2009
- Aktenzeichen
- S 17 KR 173/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 21361
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2009:0807.S17KR173.07.0A
Rechtsgrundlage
- § 8 SGB V
Redaktioneller Leitsatz
Eine erweiternde Auslegung des Befreiungstatbestands des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V aus europarechtlichen Gründen kommt auch im Hinblick auf einen Wechsel zwischen Teilzeitbeschäftigung und Selbständigkeit nicht in Betracht. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass durch § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V der Kreis der Teilzeitbeschäftigten, die die Solidargemeinschaft verlassen können, eng auf zuvor langjährig zur Eigenvorsorge fähige Personen mit erheblichem Einkommen begrenzt wird.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht.
Sie war vom 25. August 2006 bis 2. Februar 2007 als Lehrerin im Wege der Teilzeitbeschäftigung an einer Schule in G. tätig. Inzwischen ist sie allein als selbständige Lehrkraft u.a. an einer [ ] Privatschule tätig. Auch vor dem streitgegenständlichen Zeitraum war sie - zeitweise in geringem Umfang - selbständig tätig.
Die Klägerin ist seit 1989 privat krankenversichert. In Zeiten der Arbeitslosigkeit war sie daneben auch pflichtversichert.
Mit Schreiben vom 7. November 2006 beantragte die Klägerin, rückwirkend zum 25. August 2006 von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) befreit zu werden.
Mit Bescheid vom 17. November 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Voraussetzung für die Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sei die Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte oder weniger als die Hälfte der Wochenarbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter des Betriebes, dies gelte auch für Beschäftigte, die im Anschluss an das Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis aufnähmen, dass die Voraussetzungen des vorstehenden Halbsatzes erfülle; Voraussetzung sei ferner, dass der Beschäftigte unmittelbar vorher seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei gewesen sei. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor.
Hiergegen erhob die Klägerin am 30. November 2006 Widerspruch. Die Klägerin behauptete ursprünglich das Fortgelten einer früheren Befreiung, hielt daran aber im Laufe des Widerspruchsverfahrens nicht mehr fest. Sie sei auf Leistungen der Privatversicherung angewiesen, die seitens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erbracht werden würden, etwa bestimmte Kontaktlinsen, bestimmte physiotherapeutische Anwendungen sowie Nahrungsergänzungsmittel. Die Klägerin werde gegenüber der Konstellation des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ungerechtfertigt ungleich behandelt. Die Versicherungspflicht stelle eine mittelbare Diskriminierung dar. Nur weil die Klägerin, wie dies bei Frauen häufiger vorkomme, nach Teilzeitbeschäftigungen und befristeten Beschäftigungsverhältnissen immer auch mal wieder arbeitslos gewesen sei, müsse sie neben dem völlig ausreichenden privaten Versicherungsschutz Beiträge in eine Sozialkasse abführen, deren Leistungen sie nicht in Anspruch nehme. Die Regelung verstoße gegen europäisches Recht und gegen den Grundsatz der der Nichtdiskriminierung. Dies führe dazu, dass die diskriminierenden Normen von Trägern öffentlicher Gewalt nicht angewendet werden dürften. Der Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung sei auch wegen der kurzen Befristung des Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15. Mai 2007 zurückgewiesen. Das Begehren, bei Wiedereinstieg in die Berufstätigkeit bei einer befristeten, nicht vollen Erwerbstätigkeit von der Krankenversicherungspflicht befreit zu werden, um in der privaten Krankenversicherung zu verbleiben, sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die hessische Bezügestelle habe die Klägerin folgerichtig bei der Beklagten als sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmerin angemeldet.
Die hiergegen gerichtete Klage ist am 15. Juni 2007 bei dem Sozialgericht Wiesbaden eingegangen.
Die Klägerin trägt vor, ihr werde eine Pflichtversicherung aufgezwungen, ihr werde vom Bruttoentgelt abgezogen, was ihr eigentlich zustehe und für ihre private Versicherung eingesetzt werden könnte. Damit greife der Staat unmittelbar in die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau gemäß Art. 141 des EG-Vertrages (EGV) ein und belaste die Klägerin mit einem Abzug, der ihr keinerlei Nutzen vermittle. Die Beitragsbelastung betreffe Art. 141 EGV. Es handele sich insoweit um eine mittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung, denn typischerweise seien Frauen viel häufiger in Teilzeittätigkeiten beschäftigt als Männer. Infolgedessen sei die Norm, die in Befreiungstatbeständen den Zugang zur privaten Krankenversicherung regele, insoweit verfassungswidrig und europarechtswidrig, als sie den Fortbestand der privaten Versicherung der Klägerin nicht sichere. Der Nachteilsbegriff sei bekanntlich weit zu verstehen, eine Beeinträchtigung bloßer Interessen sei bereits ausreichend. Selbst eine als Begünstigung gedachte Handlung - soweit die Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung als Wohltat empfunden werden könne - könne zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung führen. Die vermeintliche Begünstigung wirke sich hier ersichtlich nachteilig aus, weil die aufgezwungene gesetzliche Krankenversicherung nur Beiträge koste, aber nicht die Leistungen erbringe, die die Klägerin benötige. Eine Rechtfertigung der Beeinträchtigung liege nicht vor, da die Klägerin durch die private Krankenversicherung hinreichend gegen das Krankheitsrisiko geschützt sei. Sie habe erst nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses im März 2007 eine Versichertenkarte erhalten. Sie habe die Beschäftigung nach Besprechung mit dem Arbeitgeber nur unter der Bedingung aufgenommen, dass sie weiter privat versichert sein könne. Die Klägerin hätte allein zur Aufrechterhaltung ihrer Anwartschaften der privaten Krankenversicherung im Jahr 2006 103,86 EUR monatlich, im Jahr 2007 111,00 EUR monatlich aufwenden müssen. Die Manualtherapie, die seitens der privaten Krankenversicherung der Klägerin unproblematisch gewährt worden sei, hätte in der gesetzlichen Krankenversicherung eine erhebliche Eigenbeteiligung ausgelöst. Auch im Hinblick auf künftige Tätigkeiten sei die Regelung diskriminierend. Die Klägerin werde gezwungen, eine abhängige Beschäftigung abzulehnen, um zu verhindern, in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen zu werden und so wegen der notwendigen Aufrechterhaltung des privaten Krankenversicherungsschutzes belastet zu werden. Den Versicherungsschutz habe sie in den letzten Jahren wegen der Altersgrenze des Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung in § 6 Abs. 3a SGB V aufrechterhalten müssen. Im Alter habe sie keine Möglichkeit, dauerhaft gesetzlich versichert zu sein.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 17.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2007 aufzuheben und die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Begründung des Widerspruchsbescheides.
Bezüglich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 7. August 2009 verwiesen. Hinsichtlich des weiteren Sachstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Ablehnung der Befreiung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Befreiung hat.
Die Voraussetzungen eines Befreiungstatbestandes des § 8 SGB V liegen nicht vor. § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ist nicht erfüllt, da die Klägerin vor der streitgegenständlichen Beschäftigung nicht fünf Jahre wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei gewesen ist.
Es besteht auch keinen Anlass, aus europarechtlichen Gründen den Befreiungstatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V erweiternd auszulegen.
Eine erweiternde Auslegung zur Verhinderung einer Benachteiligung gebietet nicht Art. 141 EGV. Hiernach haben die Mitgliedstaaten die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen (Art. 141 Abs. 1 EGV). Entgelte sind aber nur solche Vergütungen, die dem Arbeitgeber zumindest mittelbar zuzurechnen sind (vgl. die Legaldefinition in Art. 141 Abs. 2 EGV). Vom Entgeltbegriff nicht erfasst sind Leistungen oder Belastungen öffentlich-rechtlicher Sozialversicherungssysteme (Krebber in: Calliess/Ruffert, EUV-EGV, 3. Aufl., Art. 141 EGV Rdnr. 30; vgl. auch EuGH, Urt. vom 25. Mai 1971 - C-80/70 - "Defrenne I", Slg. 1971, 445 zu Leistungen der gesetzlichen Altersrente zu Art. 119 EWGV a.F.). Die Beitragspflicht steht nicht zur Dispositionsfreiheit der Parteien des Arbeitsvertrages.
Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 8 SGB V erfordern auch nicht die sog. Antidiskriminierungsrichtlinien. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass im Sozialrecht die Richtlinien nur sehr punktuell umgesetzt wurden, ein Regelungsbedarf im Bereich der Mitgliedschaft und der Beitragspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung wurde nicht gesehen (vgl. Oppermann, ZESAR 2006, 432ff.; Husmann, ZESAR 2007, 13ff., 58ff.). Gleichwohl ist unmittelbar am Maßstab der Richtlinien die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung zu prüfen. Auch nach Inkrafttreten der zwischen 2002 und 2004 ergangenen sog. "Gender"-Richtlinien (Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG sowie die Richtlinie 2004/113/EG des Rates v. 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen) ist für den Bereich der sozialen Sicherung nach wie vor allein das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (RL 79/7/EWG) einschlägig (vgl. Husmann a.a.O., S. 14).
Der Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots ist eröffnet. Art. 4 RL 79/7/EWG schützt Frauen auch vor Ungleichbehandlungen im Hinblick auf die Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 C 444/93 - "Menger/Scheffel"; Slg. 1995, I-4741ff. - Rdnr. 22ff.).
Hinsichtlich der Vergleichsgruppe kann es sich vorliegend allein um eine mittelbare Benachteiligung gegenüber den Adressaten von § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V handeln. Eine sich als Benachteiligung auswirkende Gleichbehandlung mit anderen versicherungspflichtigen Beschäftigten am Maßstab des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vermag das Gericht nicht zu erkennen. Insoweit stellt seit 1. Januar 2000 § 5 Abs. 10 SGB V a.F. bzw. seit 1. Januar 2008 § 5 Abs. 9 SGB V über einen Kontrahierungszwang zu Lasten des Privatversicherers sicher, dass bei kurzzeitigen befristeten Beschäftigungsverhältnissen keine Doppelversicherung zur Wahrung der Vertragsbedingungen beim privaten Krankenversicherer notwendig wird. Die Klägerin hätte daher ohne Risiko ihre private Krankenversicherung kündigen und nach Beendigung der Beschäftigung zu den gleichen Bedingungen wieder aufnehmen können, die Gleichbehandlung mit anderen gesetzlichen Versicherten benachteiligt sie daher nicht. Das von der Klägerin formulierte Begehren stellt sich im Vergleich zu diesem Personenkreis vielmehr als Verlangen nach einer Besserstellung dar. In den Diskriminierungsverboten der RL 79/7/EWG findet sich aber keine Rechtsfolge, die Klägerin gegenüber anderen weiblichen Teilzeitbeschäftigten besser zu stellen. Hierfür besteht auch offensichtlich wegen des Schutzzweckes der Richtlinie kein Anlass. Denkbar ist allein eine Ungleichbehandlung dergestalt, dass der Adressatenkreis des Befreiungstatbestandes des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V vom Gesetzgeber möglicherweise zu eng gezogen wurde. Hier ist allerdings zweifelhaft, ob die Ausklammerung des von der Klägerin geschilderten Sachverhalts des Wechsels zwischen Teilzeitbeschäftigung und Selbständigkeit ohne Aussicht auf eine Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung im Alter wegen § 5 Abs. 1 Nr. 11, § 6 Abs. 3a SGB V eine mittelbare Diskriminierung darstellt. § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V dürfte nämlich neben der Privilegierung von Altersteilzeitbeschäftigten auch der mittelbaren Besserstellung von Frauen dienen, da die Reduzierung einer ursprünglich oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegenden Beschäftigung auf eine Teilzeitbeschäftigung von Frauen auch aus familiären Gründen wahrgenommen wird. Es ist daher nicht naheliegend, in einem solchen Tatbestand eine mittelbare Diskriminierung zu erblicken. Für die Position der Klägerin spricht indes, dass ein wesentliches Differenzierungskriterium, nämlich eine langjährige private Absicherung, auch auf sie zutrifft und dass Erwerbsbiographien wie die der Klägerin nach wie vor häufiger bei Frauen als bei Männern anzutreffen sein dürften.
Das Vorliegen einer mittelbaren Beeinträchtigung kann aber offen gelassen werden, denn die Beeinträchtigung wäre gerechtfertigt. Mittelbare Ungleichbehandlungen sind am Maßstab der Art. 4 bis 7 RL 79/7/EG einer Rechtfertigung zugänglich (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - C-444/93 - "Menger/Scheffel"; Slg. 1995, I-4741ff. - Rdnr. 24; BSG, Urteil vom 29. Mai 2008 - B 11a AL 23/07 R - [...]; dort Rdnr. 47 m.w.N.), nämlich wenn die in Rede stehende Regelung durch Faktoren sachlich gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben. Zudem muss die Regelung geeignet und erforderlich zu Verwirklichung dieses geschlechtsunabhängigen Ziels sein (vgl. Bieback in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 4 RL 79/7/EWG, Rdnr. 12).
So liegt es hier. Ein wesentlicher Unterschied der Klägerin zum Personenkreis des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ist nämlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V setzt voraus, dass der jeweilige Antragsteller vor der Teilzeitbeschäftigung mit seinem Einkommen über fünf Jahre die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten hat. Mit der letzten Reform des § 6 SGB V hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten auf eine breitere Grundlage stellen will und dass dabei der Dauer des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze eine wichtige Bedeutung zukommt (BT-Drucks. 16/3100, S. 95):
"In der gesetzlichen Krankenversicherung findet ein umfassender Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken, Alten und Jungen, Versicherten mit niedrigem Einkommen und solchen mit höherem Einkommen sowie zwischen Alleinstehenden und Familien mit Kindern statt. Da die zur Finanzierung eines solchen sozialen Ausgleichs erforderlichen Mittel ersichtlich nicht allein von den typischerweise Begünstigten des Ausgleichs aufgebracht werden können, kann der Gesetzgeber nach der Rechsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Kreis der Versicherungspflichtigen so abgrenzen, wie dies für die Begründung und den Erhalt einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (vgl. etwa BVerfGE 103, 197 (221) [BVerfG 03.04.2001 - 1 BvR 2014/95]; 103, 271 (287) [BVerfG 03.04.2001 - 1 BvR 1629/94]). Die bisherige Regelung, wonach ein Wechsel abhängig Beschäftigter von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung schon dann möglich war, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstieg, hat sich als nicht ausreichend erwiesen, die Funktionsfähigkeit des Solidarausgleichs zu gewährleisten. Personen, die zuvor unter Umständen jahrzehntelang als beitragsfrei Familienversicherte oder als Auszubildende oder Berufsanfänger mit geringem Arbeitsentgelt von den Leistungen der Solidargemeinschaft profitiert haben, können diese Solidargemeinschaft nach geltendem Recht bereits zum Ende des Kalenderjahres verlassen, in dem ihr regelmäßiges Arbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze dieses Jahres und die des Folgejahres übersteigt. Es ist offensichtlich, dass unter diesen Voraussetzungen ein Gleichgewicht zwischen den Leistungen, die die Solidargemeinschaft für die Betroffenen erbracht hat, und dem Beitrag, den sie für diese Solidargemeinschaft erbringen, nicht hergestellt werden kann."
Auch am Maßstab der RL 79/7/EWG verbleibt ein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum beim Verbleib und Ausgleich mittelbar am Geschlecht anknüpfender Beeinträchtigungen. Der oben zitierte, in den Materialien zum GKV-WSG skizzierte Ausgleich zwischen dem Ziel des Erhalts einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft und dem Subsidiaritätsgedanken ist auch am Maßstab des europäischen Rechts ein hinreichender sachlicher Grund. Zuletzt mit Urteil vom 5. März 2009 hat der Europäische Gerichtshof zudem die "Gewährleistung des finanziellen Gleichgewichts eines Zweiges der sozialen Sicherheit" als legitimen Zweck im Rahmen der Rechtfertigung von Eingriffen in die Grundfreiheiten anerkannt (C-350/07).
Die Ungleichbehandlung ist auch am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt. Das Kriterium des vorherigen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze ist eine zum Erhalt einer breiten Finanzierungsgrundlage insbesondere aus dem Kreis der Beschäftigten geeignete, erforderliche und angemessene Regelung. Es ist angemessen, die Beeinträchtigungen, die durch einen Wechsel aus der Selbständigkeit zur abhängigen Beschäftigung bzw. durch die nur befristete Aufnahme einer zusätzlichen Beschäftigung bei Fortbestand der Selbständigkeit entstehen, allein dadurch abzumildern, dass u.a. mit § 5 Abs. 9 SGB V Kündigungs- und Kontrahierungsrechte nur im Bereich der privaten Krankenversicherung geschaffen werden. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass durch § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V der Kreis der Teilzeitbeschäftigten, die die Solidargemeinschaft verlassen können, eng auf zuvor langjährig zur Eigenvorsorge fähige Personen mit erheblichem Einkommen begrenzt wird. Gerade bei diesem Personenkreis kann - anders als bei der Klägerin - wegen der hinreichenden Prognostizierbarkeit einer dauerhaften Fähigkeit zur Eigenvorsorge der Solidargedanke gering gewichtet werden.
Aus den gleichen Erwägungen fehlt es an einer Verfassungswidrigkeit am Maßstab des Art. 3 GG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.