Sozialgericht Osnabrück
Beschl. v. 21.07.2009, Az.: S 1 SF 84/08
Möglichkeit der Geltendmachung einer "doppelten" Anrechnung einer vorgerichtlichen rechtsanwaltlichen Tätigkeit i.R.e. Bemessung der Beratungshilfegebühr
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 21.07.2009
- Aktenzeichen
- S 1 SF 84/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 21341
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2009:0721.S1SF84.08.0A
Rechtsgrundlagen
- Nr. 2503 VV RVG
- Nr. 3102 VV RVG
- Nr. 3103 VV RVG
Redaktioneller Leitsatz
Die hälftige Anrechnung der im Rahmen der Beratungshilfe anfallenden Geschäftsgebühr betrifft sämtliche Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren. Insbesondere bezieht sie sich systematisch nicht nur auf die "Mindergebühr" der Nr. 3103 VV RVG, selbst wenn sich die Anrechnung im Einzelfall auch und gerade auf die letztgenannte Gebühr auswirken kann.
Tenor:
Die Erinnerung gegen die Festsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 09.12.2008 wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.
Gründe
Die von der Erinnerungsführerin gegen den hälftigen Abzug der Beratungshilfegebühr erhobenen Einwände greifen nicht durch. Mit Blick auf die immer wieder geltend gemachte "doppelte" Anrechnung der vorgerichtlichen Tätigkeit ist erneut klarzustellen:
Die dem Gebührentatbestand Nr. 3102 VV RVG vorrangige Sondervorschrift Nr. 3103 gilt nicht nur für den Fall, dass dem Klageverfahren eine "voll bezahlte" Tätigkeit des Anwalts in einem Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren vorausgegangen ist. Vielmehr erfüllt der reine Tatbestand der Vorbefassung die Annahme der Nr. 3103 statt Nr. 3102, weil es ausschließlich darauf ankommt, dass sich der Arbeitsaufwand für den Anwalt verringert, wenn er bereits vorgerichtlich tätig war. Ob und von wem und in welcher Höhe der Anwalt im Einzelfall eine Vergütung für seine Tätigkeit im vorgeschalteten Verfahren verlangen kann, insbesondere wenn und soweit diese Tätigkeit über die Beratungshilfe hinausgeht, ist wiederum für die Anwendung der Nr. 3103 ohne Belang. So kommt es beispielsweise nicht darauf an, ob der Anwalt für das vorausgegangene Verfahren einen Vergütungsanspruch gegen den Auftraggeber (oder einen Dritten) auch tatsächlich durchsetzen kann (stRspr der erkennenden Kostenkammer, zuletzt Beschluss vom 27.11.2008 zum Az. S 1 SF 39/08; vgl. auch Beschlüsse des Sozialgerichts Hannover vom 25.02.2008 zum Az. S 34 SF 14/08 und vom 03.11.2008 zum Az. S 34 SF 151/08 sowie des Sozialgerichts Braunschweig vom 01.07.2008 zum Az. S 20 SF 3/07).
Andererseits besteht im Sozialgerichtsverfahren keine wie auch immer geartete Wechselbeziehung zwischen der im Rahmen der Beratungshilfe anfallenden Geschäftsgebühr und den Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren. Die hälftige Anrechnung der erstgenannten Gebühr betrifft s ä m t l i c h e Gebühren für das anschließende Verfahren und bezieht sich systematisch eben nicht nur auf die "Mindergebühr" der Nr. 3103, selbst wenn sich die Anrechnung im Einzelfall auch und gerade auf die letztgenannte Gebühr auswirken kann.
Dass das System der einschlägigen Vorschriften so und nicht anders zu verstehen ist, hat der 12. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 01.02.2007 zum Az. L 12 B 8/06 AS nachvollziehbar dargelegt. Zwar hat sich der 1. Senat desselben LSG mit Beschluss vom 18.03.2008 zum Az. L 1 B 21/07 AL gegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr der Nr. 2503 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des anschließenden gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen, doch ist der 6. Senat des Thüringer LSG dieser Auffassung mit beachtlicher Begründung, die sich die erkennende Kostenkammer zu Eigen macht, entgegengetreten. Sie nimmt auf die Beschlüsse des Thüringer LSG vom 16. und 26.01.2009 zu den Az. L 6 B 255/08 SF und L 6 B 256/08 SF Bezug. Mit Blick auf den Schriftsatz der Erinnerungsführerin vom 02.03.2009 ist lediglich noch klarzustellen, dass diese Bezugnahme nichts damit zu tun hat, dass der von einer Seite vorgelegte Beschluss durch die von der Gegenseite vorgelegte "aktuellere Rechtsprechung überholt" ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 178 Satz 1 SGG, § 197 Abs. 2 SGG analog. Die Beschwerdemöglichkeit nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG ist im sozialgerichtlichen Verfahren durch die §§ 172 ff SGG ausgeschlossen.