Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 04.05.2007, Az.: L 13 AS 32/06 ER
Rüge der Berechnungsmethode zur Ermittlung des Erwerbstätigenfreibetrages; Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung; Vorwegnahme der endgültigen Entscheidung der Hauptsache bei einstweiliger Anordnung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 04.05.2007
- Aktenzeichen
- L 13 AS 32/06 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 32228
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0504.L13AS32.06ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 13.11.2006 - AZ: S 47 AS 652/06 ER
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 2 S. 2 u. 4 SGG
- § 142 Abs. 2 S. 3 SGG
- § 294 Abs. 1 ZPO
- § 920 Abs. 2 ZPO
- Art. 19 Abs. 4 GG
- § 43 SGB I
- § 11 Abs. 2 Nr. 6 SGB II
- § 30 SGB II
- § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a SGB II
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. November 2006 geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter Vorbehalt der Rückforderung für den Bewilligungszeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2006 zu den bereits gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund des Bescheides des Antragsgegners vom 29. Mai 2006 für diesen Zeitraum ausgezahlten Leistungen weitere 1822,44 EUR zu gewähren.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sind zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die den Antragstellern zustehenden Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Der im Januar 1965 geborene Antragsteller zu 1. und die im August 1973 geborene Antragstellerin zu 2. sind verheiratet; die im März 1999 und im Februar 2001 geborenen Antragstellerinnen zu 3. und 4. sind ihre Töchter. Der Antragsteller zu 1. bezog bis zum 19. März 2003 Arbeitslosengeld und anschließend bis zum Ende des Jahres 2004 Arbeitslosenhilfe. Die Antragstellerin zu 2. ist Frisörmeisterin und betreibt in dem Haus, das in Eigentum der Antragsteller zu 1. und 2. steht und in dem sie auch wohnen, nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens seit dem Oktober 2003 selbständig einen Frisiersalon. Die Antragstellerin zu 2. ist freiwillig in einer Kranken- und Pflegeversicherung versichert und zahlt in die Rentenversicherung ein. Die übrigen Antragsteller sind als Familienangehörige in die Versicherungsleistung einbezogen.
Auf den Antrag des Antragstellers zu 1. gewährte der Antragsgegner den Antragstellern seit dem 1. Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Dabei waren verschiedentlich wegen der Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Einkünfte der Antragstellerin zu 2. aus ihrer selbständigen Tätigkeit zwischen den Verfahrensbeteiligten Grund und Höhe der Leistungen umstritten. Zunächst hatte der Antragsgegner am 23. Januar 2006 die Gewährung von Leistungen ab dem 1. Februar 2006 abgelehnt, wogegen die Antragsteller erfolgreich um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht haben (Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 31. März 2006 - S 47 AS 137/06 ER). Danach hat der Antragsgegner erneut mit Bescheid vom 12. Mai 2006 die Gewährung von Leistungen ab dem 1. März 2006 eingestellt.
Am 22. Mai 2006 haben sich die Antragsteller erneut an das SG Oldenburg mit der Bitte um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt. Im Laufe dieses Verfahrens bewilligte der Antragsgegner ihnen mit einem ersten Bewilligungsbescheid vom 29. Mai 2006 für den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i. H. v. 358,14 EUR. Bei der Berechnung dieses Betrages ging der Antragsgegner auf der Bedarfsseite von den vier Regelsätzen der Antragsteller (zwei mal 311,00 EUR und zwei mal 207,00 EUR) und Kosten der Unterkunft i. H. v. 32,84 EUR aus, so dass er einen Gesamtbedarf von 1068,84 EUR monatlich errechnete. Dem stellte der Antragsgegner Einkünfte aus Kindergeld i. H. v. monatlich 308,00 EUR und ein bereinigtes Einkommen der Antragstellerin zu 2. i. H. v. 402,70 EUR gegenüber, so dass sich der monatliche Zahlbetrag von 358,14 EUR ergab.
Bei der Berechnung der Einkünfte der Antragstellerin zu 2. aus ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit knüpfte der Antragsgegner an die unter dem 27. April 2006 vom Steuerberater erstellte vorläufige Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2005 hinsichtlich des Frisiersalons an, die mit einem Gewinn (vor Steuern) von 9.284,77 EUR abschloss. Diesen Betrag teilte der Antragsgegner durch 12 und setzte (allerdings ohne Vorbehalt oder Vorläufigkeitsvermerk) auch für die laufenden Einkünfte der Antragstellerin zu 2. im betreffenden Bewilligungszeitraum monatlich 773,73 EUR als Einkünfte an und zog davon den von ihr gezahlten freiwilligen Rentenversicherungsanteil i. H. v. 238,88 EUR und einen Betrag, wie er dem Zuschuss für Kranken- und Pflegeversicherung nach § 26 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB II entspräche i. H. v. 132,15 EUR ab, so dass sich ein bereinigtes Einkommen i. H. v. 402,70 EUR monatlich ergab. Dagegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhoben sie Klage zum SG Oldenburg (Aktenzeichen: S 47 AS 1076/06), über die - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden worden ist.
Mit einem weiteren Bewilligungsbescheid vom 29. Mai 2006 für den Bewilligungszeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2006 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern wiederum monatliche Leistungen i. H. v. 358,14 EUR. Bei der Berechnung dieser Leistungen ging der Antragsgegner nach den selben Rechenschritten vor wie im ersten Bewilligungsbescheid vom 29. Mai 2006. Auch dagegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 beschieden wurde und Gegenstand des bereits genannten Klageverfahrens vor dem SG Oldenburg ist.
Mit dem Antrag zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an das SG Oldenburg haben die Antragsteller geltend gemacht, dass die Berechnung zur Bereinigung des Einkommens der Antragstellerin zu 2. nicht zutreffend sei. Vielmehr müssten nicht nur der Zuschussbetrag zu der Kranken- und Pflegeversicherung, sondern die tatsächlich von ihr geleisteten Beiträge i. H. v. monatlich 281,14 EUR berücksichtigt werden. Darüber hinaus müsste ein Grundfreibetrag und ein Erwerbstätigenfreibetrag in Abzug gebracht werden, so dass lediglich ein bereinigtes Erwerbseinkommen i. H. v. monatlich 18,96 EUR verbleibe.
Mit Schriftsätzen vom 13. Juni und 6. Juli 2006 schränkten die Antragsteller ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit ein, als sie lediglich nur noch erhöhte, vom Antragsgegner nicht befriedigte Leistungen für den Bewilligungszeitraum ab dem Juni 2006 begehrten.
Mit Beschluss vom 13. November 2006 hat das SG Oldenburg den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung sinngemäß verpflichtet, über die bereits bewilligten Leistungen von monatlich 358,14 EUR hinaus weitere 199,86 EUR monatlich zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat das SG auf der Bedarfsseite auf den auch von dem Antragsgegner ermittelten Betrag von 1.068,84 EUR abgestellt. Davon sei jedoch ein Einkommen der Bedarfsgemeinschaft i. H. v. 510,96 EUR in Abzug zu bringen, so dass sich ein Leistungsanspruch i. H. v. monatlich 558,00 EUR ergebe. Bei der Ermittlung des Einkommens hat das SG im Ausgangpunkt wie der Antragsgegner an monatliche Einkünfte der Antragstellerin zu 2. i. H. v. 7773,73 EUR angeknüpft und davon den tatsächlich gezahlten Betrag für die Kranken- und Pflegeversicherung i. H. v. 281,14 EUR und den Beitrag für die Rentenversicherung i. H. v. 238,88 EUR in Abzug gebracht. Weiterhin wurde ein Erwerbstätigenfreibetrag i. H. v. monatlich 50,74 EUR vom Einkommen abgezogen. Dabei knüpfte das SG an 20 v. H. des um die Versicherungsbeiträge bereinigten Einkommens i. H. v. 253,71 EUR an.
Gegen den ihnen am 20. November 2006 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 8. Dezember 2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Sie machen geltend: Bei der Bereinigung des Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 2. sei der Freibetrag vom SG mit 50,74 EUR entgegen der Regelung in § 11 Abs. 2 Nr. 6 SGB II i.V.m. § 30 SGB II berechnet worden. Richtigerweise müsse nämlich der Freibetrag mit 20 v. H. des noch nicht bereinigten Erwerbseinkommens errechnet werden, so dass sich ein monatlicher Freibetrag von 154,75 EUR ergebe. Dieser Freibetrag zusammen mit den beiden Versicherungsabzugsposten (338,88 EUR und 281,14 EUR) führe zu einem bereinigten Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2. von 98,96 EUR, so dass unter Berücksichtigung des Kindergeldes ein insgesamt bereinigtes Einkommen von 406,96 EUR bestehe, das vom Bedarf i. H. v. 1.068,84 EUR abgezogen werden müsse, so dass ein Leistungsanspruch von monatlich 662,00 EUR bestehe.
Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegen getreten und verteidigt den angefochtenen Beschluss. Für den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2006 bis zum 28. Februar 2007 hat der Antragsgegner mit Bewilligungsbescheid vom 14. Dezember 2006 den Antragstellern entsprechend den Berechnungen im Beschluss des SG vom 13. November 2006 einen monatlichen Leistungsanspruch i. H. v. 558,00 EUR zuerkannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss begegnet - jedenfalls auf der Grundlage des gegenwärtig dem Senat bekannten Sachverhalts - durchgreifenden rechtlichen Bedenken, so dass er - jedenfalls im Rahmen eines Eilverfahrens - abzuändern ist. Zutreffend wird von den Antragstellern die Berechnungsmethode zur Ermittlung der Erwerbstätigenfreibetrages gerügt. Dazu im Einzelnen:
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. den §§ 920 Abs. 2 und 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz GG -), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, BVerfGE 79, 69, 74 [BVerfG 25.10.1988 - 2 BvR 745/88] m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat der Ansicht, dass zu Gunsten der Antragsteller für den hier streitigen Bewilligungszeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2006 (weiterhin noch) ein Anordnungsgrund gegeben ist. Zwar ist nicht zu verkennen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 13. November 2006 der in Rede stehende Bewilligungszeitraum bereits seit langem abgelaufen ist. Der Senat hat daher erwogen, allein wegen des Ablaufs des Bewilligungszeitraums den Anordnungsgrund zu verneinen. Denn früher knüpfte die Rechtsprechung zur laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG in Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an den alten Grundsatz an "in praeterium non vivitur". Danach ist eine eigentlich auf die Zukunft bezogene Regelung eines streitigen Zustandes im Sinne der prozessrechtlichen Vorschriften über den Erlass einer einstweiligen Anordnung dann nicht geboten, wenn damit nur Unrecht in der Vergangenheit ausgeglichen würde, was ansonsten ohne weiteres einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben könnte. Indessen stehen diese Erwägungen im Widerstreit zu dem sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Der mehr oder minder aus zufälligen Umständen sich ergebende Zeitpunkt der Entscheidung eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit über einen gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (der wesentlich durch die Geschäftsbelastung der Sozialgerichte beeinflusst wird, die der rechtsuchende Bürger nicht zu vertreten hat) würde sonst im Hinblick auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum dazu führen, dass in einer Vielzahl von Fällen praktisch eine Beschwerde sinnlos wäre, weil in der Sache keine Überprüfung mehr stattfände. Dies erscheint dem Senat in Anbetracht der zu erwartenden langen Dauer der Hauptsacheverfahren und dem praktischen Bedürfnis nach der Klärung von strittigen Tatsachen - und Rechtsfragen in einem Beschwerdeverfahren sowohl durch den rechtsuchenden Bürger als auch durch die das SGB II ausführende Verwaltung nicht hinnehmbar. Daher entspricht es - soweit ersichtlich - dem gegenwärtigen Stand der obergerichtlichen Rechtsprechung bei Beschwerdeentscheidungen hinsichtlich des Anordnungsgrundes und des Anordnungsanspruchs an den Zeitpunkt anzuknüpfen, zu dem der Bürger bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angebracht hat. Nur nebenbei sei angemerkt, dass allerdings gleichwohl durch weiter hinzutretende Ereignisse während des Laufs eines gerichtlichen (Beschwerde-) Verfahrens der Anordnungsgrund wegfallen kann, wie dies z.B. durch eine nachträgliche Rentengewährung, einen Lottogewinn o. ä. der Fall sein kann. Dafür sind im vorliegenden Streit Anhaltspunkte weder ersichtlich noch vorgetragen. Mithin steht der Ablauf des Bewilligungszeitraums der Bejahung eines Anordnungsgrundes im vorliegenden Fall nicht entgegen.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist im vorliegenden Rechtsstreit - nach dem dem Senat vorliegenden Tatsachenmaterial - gegenwärtig davon auszugehen, dass ein Anordnungsanspruch zu bejahen ist. Die im angefochtenen Beschluss des SG vom 13. November 2006 vorgenommene Berechnung des Leistungsanspruchs der Antragsteller ist - bis auf die Berechnung des Freibetrages gem. § 11 Abs. 2 Nr. 6 SGB II, auf den im Folgenden noch einzugehen seien wird - rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die dort vorgenommenen Erwägungen wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit gem. § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen. Diesen Ausführungen folgt der Senat für dieses Eilverfahren, wenngleich bei dem Anspruch der Antragsteller in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht verschiedene Fragen offen sind. So stellt sich die Frage, ob weiter ein Anspruch auf öffentliche Transferleistungen für die Antragstellerin zu 2. dann besteht, obwohl ihr vielleicht Arbeit angeboten werden könnte. Denn es dürfte zweifelhaft sein, ob es ihr mit ihrer selbständigen Tätigkeit seit dem Oktober 2003 überhaupt gelungen ist, einen auskömmlichen selbständigen Gewerbebetrieb zu etablieren, auch dürfte es nicht Aufgabe der Transferleistungen nach dem SGB II sein, eine letztlich erfolglose Art von selbständiger Betätigung zeitlich unbegrenzt weiter zu finanzieren. Hiervon abgesehen dürfte es der Antragsgegner wohl versäumt haben, die betreffenden Leistungsbescheide nur als vorläufig im Sinne des § 43 SGB I zu erteilen. Denn hinsichtlich der Einkommensermittlung knüpft der Antragsgegner nur an Zahlen an, die sich aus dem Vorjahr ergeben. Derartig vorläufige Entscheidungen werden auch ausdrücklich in § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a SGB II angesprochen, soweit es um die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2 a der Alg II-Verordnung geht. Diesen Gesichtspunkten kann aber im vorliegenden Rechtstreit nicht weiter nachgegangen werden, weil komplexe Ermittlungen des Sachverhalts, wie sie zur Ermittlung des zutreffenden Einkommens der Antragstellerin zu 2. aus ihrer aktuellen Gewerbetätigkeit nötig wären, im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens zeitlich nicht durchführbar sind. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner von sich aus eine bestimmte Berechnungsmethode zur Ermittlung des Einkommens gewählt hat, der die beschwerdeführenden Antragsteller mit der Beschwerde nicht widersprechen, sondern ihr Beschwerdevorbringen lediglich auf einen bestimmten Gesichtspunkt beschränken.
Die Berechnung des Freibetrages, wie sie im angegriffenen Beschluss vorgenommen wurde, begegnet durchgreifenden Bedenken. Nach der Fassung von § 11 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. § 30 SGB II durch das Freibetragsneuregelungsgesetz vom 14. August 2005 (BGBl. I Seite 2407) ist für Bewilligungszeiträume, die ab dem 1. Oktober 2005 beginnen, bei der Errechnung der Freibeträge im Interesse einer vereinfachten und transparenten Regelung an das noch nicht bereinigte Erwebseinkommen anzuknüpfen (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Februar 2007, K § 30 Rdn. 47 a; Adolph, in: Linhart/Adolph, SGB II und XII, Stand: Dezember 2006, § 30 Rdn. 7). Daher trifft die Erwägung zu, dass bei einem Erwerbseinkommen von 773,73 EUR monatlich ein Freibetrag i. H. v. 20 v. H. dieses Einkommens - d.h. im vorliegenden Falle i. H. v. 154,75 EUR - anzunehmen ist. Nimmt man diesen Betrag an, so ergibt sich hinsichtlich des Leistungsanspruchs der Antragsteller - jedenfalls im Rahmen des vorliegenden Verfahrens - folgende Berechnung:
Einkommen | 773,73 EUR |
---|---|
abzüglich Rentenvers. | 238,88 EUR |
abzüglich Kranken- u. Pflegevers. | 281,14 EUR |
abzüglich Freibetrag | 154,75 EUR |
bereinigtes Erwerbseinkommen | 98,96 EUR |
zuzüglich Kindergeld | 308,00 EUR |
abzugsfähiges Einkommen | 406,96 EUR |
Dieser Betrag der Einkünfte ist vom Bedarf i. H. v.1.068,84 EUR abzuziehen, so dass sich ein Leistungsanspruch der Antragsteller i. H. v. monatlich 662,00 EUR ergibt, für den im betreffenden Bewilligungszeitraum - soweit ersichtlich - mit dem streitigen Bescheid lediglich 358,14 EUR vom Antragsgegner zuerkannt worden sind, so dass zu Gunsten der Antragsteller eine monatliche Differenz von 303,74 EUR verbleibt. Allerdings wird zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass dieser Differenzbetrag gegebenenfalls noch um die Beträge gemindert werden muss, die der Antragsgegner zu Gunsten der Antragsteller in Ausführung des Beschlusses des SG vom 13. November 2006 gezahlt hat. Da darüber aber dem Senat keine Mitteilung vorliegt, geht er für den hier streitigen Bewilligungszeitraum vom 1. Juni bis 30. November 2006 davon aus, dass den Antragstellern noch ein insgesamt nachzuleistender Betrag von 1.822,44 EUR zusteht.
Hinsichtlich des nachfolgenden Bewilligungszeitraumes vom 1. Dezember 2006 bis zum 28. Februar 2007 hat der Antragsgegner zwar mit Bescheid vom 14. November 2006 monatliche Leistungen i. H. v. 558,00 EUR den Antragstellern bewilligt, so wie es im angefochtenen Beschluss vom 13. November 2006 errechnet worden war. Dem Senat ist aber nicht bekannt, ob dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist. Soweit dies nicht der Fall sein sollte, geht der Senat allerdings davon aus, dass insoweit der Antragsgegner auch - besserer Erkenntnisse durch die tatsächlich richtige Ermittlung des Einkommens der Antragstellerin zu 2. vorbehalten - die vorstehend dargestellte Berechnungsmethode für den Anspruch der Antragsteller zur Anwendung bringen wird. An einer Entscheidung über diesen Bewilligungszeitraum nach dem 1. Dezember 2006 sieht sich der Senat indessen gehindert, weil dieser Zeitraum nicht Gegenstand des streitigen Beschlusses des SG vom 13. November 2006 geworden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).