Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 30.05.2007, Az.: L 2 R 414/06
Verfassungsmäßigkeit der Sozialversicherungspflicht für selbstständig tätige Personen nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI); Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen der Erhebung von Säumniszuschlägen für Sozialversicherungsbeiträge
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 30.05.2007
- Aktenzeichen
- L 2 R 414/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 33479
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0530.L2R414.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 21.09.2006 - AZ: S 1 RA 634/02
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI
- § 24 Abs. 2 SGB IV
- § 165 Abs. 1 S. 8 SGB VI
- Art. 3 Abs. 1 GG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Erzielt ein Selbständiger mindestens fünf Sechstel seiner gesamten Einkünfte aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber, so ist er noch "im Wesentlichen" allein für diesen tätig.
- 2.
Aufgrund des dem Gesetzgeber zustehenden erheblichen sozialpolitischen Spielraums bei der Ordnung von Alterssicherungssystemen ist die Regelung der Versicherungspflicht für Selbständige nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI verfassungsgemäß.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. September 2006 wird geändert. Der Bescheid vom 4. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2002 wird aufgehoben, soweit die Klägerin zu Säumniszuschlägen herangezogen worden ist. Der Bescheid vom 27. Juni 2003 wird aufgehoben, soweit die Klägerin zu Beitragszahlungen für den Zeitraum ab 1. Januar 2003 herangezogen worden ist. Der Bescheid vom 6. Juli 2006 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus dem Berufungsverfahren zur Hälfte und aus dem erstinstanzlichen Verfahren zu 1/4; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Der Klägerin werden Gerichtskosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist selbständig tätig. Sie wendet sich gegen die Feststellung ihrer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und gegen die Heranziehung zu Beitragszahlungen und Säumniszuschlägen.
Die Klägerin vermittelt in erster Linie als selbständige Handelsvertreterin Reisen für die J. GmbH in den Geschäftsräumen dieser GmbH, deren Inhaber der Lebenspartner der Klägerin ist. Dieser vertritt sie im vorliegenden Verfahren als Prozessbevollmächtigter.
Mit Antrag vom 20. September 2000 begehrten die Klägerin und die J. GmbH übereinstimmend von der Beklagten die Feststellung, dass die Klägerin als Handelsvertreterin nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur J. GmbH stehe. In dem Antrag erläuterte die Klägerin, dass sie - abgesehen von einer weiteren (versicherungspflichtigen) beruflichen Tätigkeit als Bürokraft - neben der J. GmbH keine weiteren Auftraggeber habe.
Dem o.g. Antrag entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2001.
Anschließend leitete die Beklagte ein Verfahren ein, um die Versicherungspflicht der Klägerin als Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung zu überprüfen. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin in einem Fragebogen am 31. Juli 2001 mit, dass sie in ihrem Unternehmen keine Arbeitnehmer beschäftige. Auf die Frage, ob sie nur für einen Auftraggeber tätig sei, antwortete die Klägerin mit nein. Die Art ihrer selbständigen Tätigkeit bezeichnete die Klägerin als "Handelsvertretung", sie wurde von ihr als "typische Handelsvertretertätigkeit + typische Beratertätigkeit" beschrieben.
Tatsächlich beschränkte sich die selbständige Tätigkeit der Klägerin nach Maßgabe ihrer in der ersten mündlichen Verhandlung im vorliegenden Berufungsverfahren abgegebenen Erklärungen jedoch nicht auf eine Handelsvertreter- und Beratertätigkeit. Vielmehr übte sie seit dem Jahr 2000 eine weitere selbständige Tätigkeit in der Form aus, dass sie für die Fa. K., Inhaberin: L., in M., die Buchführung in einem Arbeitszimmer in ihrer Wohnung in N. durchführte.
Weitere Nachfragen der Beklagten betreffend einen möglichen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht und die Möglichkeit zur Entrichtung eines sog. einkommensgerechten Beitrages ließ die Klägerin unbeantwortet.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI fest und forderte sie zugleich zur Entrichtung von Beiträgen in Höhe des jeweiligen Regelbeitrages rückwirkend ab Januar 1999, und zwar in einer Gesamthöhe von 31.069,08 DM, auf.
Mit weiterem Bescheid vom 4. Februar 2002 stellte die Beklagte unter Einbeziehung der o.g. Beitragsrückstände sowie von Säumniszuschlägen für den Zeitraum ab Fälligkeit bis zum 31. Dezember 2001 eine Gesamtforderung in Höhe von 36.823,08 DM, entsprechend 18.827,30 EUR fest.
Zur Begründung ihres mit Bescheid vom 20. November 2002 zurückgewiesenen Widerspruchs berief sich die Klägerin auf eine Verfassungswidrigkeit des § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI.
Mit der am 19. Dezember 2002 erhobenen Klage hat die Klägerin hervorgehoben, dass die von der Beklagten angenommene Versicherungspflicht dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG widerspreche. Sie werde willkürlich im Vergleich zu anderen Selbständigen benachteiligt, die nicht der Versicherungspflicht unterfielen.
Nachdem die Klägerin die entsprechenden Einkommensteuerbescheide vorgelegt hatte, berechnete die Beklagte mit Bescheiden vom 27. Juni 2003, 27. August 2003, 28. Juli 2005 und 6. Juli 2006 die von der Klägerin für den Zeitraum ab Januar 1999 zu zahlenden Pflichtbeiträge neu.
Mit Urteil vom 21. September 2006 hat das Sozialgericht Hannover die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin unterliege der Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI, da sie keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftige und im Klageverfahren zuletzt selbst nicht mehr behauptet habe, für mehr als einen Auftraggeber tätig zu sein. Eine Verfassungswidrigkeit des Pflichtversicherungstatbestandes lasse sich, wie auch bereits das BSG im Urteil vom 10. Mai 2006 (B 12 RA 2/05 - SozR 4-2600 § 2 Nr. 8) dargelegt habe, nicht feststellen.
Gegen dieses ihr am 29. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 23. Oktober 2006.
Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass die von der Beklagten festgestellte Versicherungspflicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, das Willkürverbot und gegen die Eigentumsgarantie verstoße. Dies werde auch das BVerfG bei Würdigung aller relevanten Umstände so sehen. Zudem sei die Beitragspflicht schon allein aufgrund der Möglichkeit eines Verlustes des Versicherungsschutzes und damit des eingezahlten Kapitals bei Nichterreichung der allgemeinen Wartezeit verfassungswidrig.
Des Weiteren weist die Klägerin im Berufungsverfahren unter Vorlage entsprechender Bescheinigungen der Auftraggeber darauf hin, dass sie zuletzt 1999 ausschließlich für die J. GmbH tätig geworden sei. Ab dem Jahr 2000 sei sie darüber hinaus im Rahmen einer weiteren selbständigen Tätigkeit für die Fa. K., Inhaberin: L., in M. tätig; sie nehme die Buchführung für dieses Unternehmen vor.
Bei der Gewichtung der Einnahmen aus den selbständigen Tätigkeiten sei zu berücksichtigen, dass der ganz überwiegende Anteil der im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnungen berücksichtigten Ausgaben auf die Tätigkeit als selbständige Handelsvertreterin im Reisebüro des Lebenspartners entfielen. Die weitere selbständige Tätigkeit als Buchführerin für die Fa. K. sei nur mit geringen Ausgaben, und zwar insbesondere in Form der Raumkosten für das häusliche Arbeitszimmer, verbunden.
Im Einzelnen verteilten sich die Bruttoerlöse auf die beiden Auftraggeber in den Jahren 2000 bis 2005 wie folgt:
Jahr | Gesamtbruttoerlöse in EUR | Provisionserlöse J. GmbH in EUR | Anteil an den Gesamtbruttoerlösen | Erlöse aus der Buchführungstätigkeit für L. in EUR | Anteil an den Gesamtbruttoerlösen |
---|---|---|---|---|---|
2000 | 18.061,70 | 15.607,50 | 86,41% | 2.454,20 | 13,59% |
2001 | 16.868,33 | 14.414,13 | 85,45% | 2.454,20 | 14,55% |
2002 | 18.223,69 | 15.667,23 | 85,97% | 2.556,46 | 14,03% |
2003 | 16.619,01 | 13.569,01 | 81,65% | 3.050,00 | 18,35% |
2004 | 17.692,60 | 13.642,60 | 77,11% | 4.050,00 | 22,89% |
2005 | 17.294,95 | 13.244,95 | 76,58% | 4.050,00 | 23,42% |
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis des Inhalts abgegeben, dass die Klägerin in den Jahren 2003 bis 2005 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag und dass den angefochtenen Bescheide daher keine Gültigkeit mehr zukomme, soweit sich diese auf den Zeitraum ab Januar 2003 erstreckten.
Die Klägerin beantragt im Übrigen,
das Urteil des SG Hannover vom 21. September 2006 und die Bescheide der Beklagten vom 19. Dezember 2001 und vom 4. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2002 sowie die Bescheide vom 27. Juni 2003, 27. August 2003, 28. Juli 2005 und 6. Juli 2006, soweit sie sich auf die Jahre 2000 bis 2002 beziehen, aufzuheben,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Gisela O. als Inhaberin der Fa. K. als Zeugin gehört.
Wegen der weitren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Unter Berücksichtigung des im Berufungsverfahren abgegebenen Teilanerkenntnisses hat der Senat über die angefochtenen Bescheide nur noch insoweit zu befinden, wie sich diese auf die Jahre 1999 bis 2002 beziehen. Insoweit hat die zulässige Berufung nur teilweise Erfolg.
1.
Der Bescheid vom 19. Dezember 2001 über die Feststellung der Versicherungspflicht dem Grunde nach, der als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung der gerichtlichen Überprüfung auch hinsichtlich nachfolgender Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen unterliegt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 8. Aufl., § 54 Rn 33), erweist sich für den Zeitraum bis einschließlich 2002 als rechtmäßig.
a)
Die Klägerin unterlag in den Jahren 1999 bis 2002 dem Grunde nach der Versicherungspflicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI.
Nach der zum 1. Januar 1999 eingeführten Bestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung selbständig tätige Personen, die
- a)
im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 630,00 Deutsche Mark (ab Januar 2002: 325,00 EUR, ab Januar 2004: 400,00 EUR) im Monat übersteigt, und
- b)
auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (Zusatz ab Juli 2006: bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft).
Die Klägerin erfüllte die vorstehend erläuterten tatbestandlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht im Zeitraum 1999 bis 2002. Als - wie die Beklagte im Bescheid vom 30. April 2001 bestandskräftig dargelegt hat: selbständige - Handelsvertreterin einer Reiseagentur beschäftigte sie in diesem Zeitraum keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer; seinerzeit war sie auf Dauer und im Wesentlichen auch nur für einen Auftraggeber, und zwar für die P., tätig.
Ob der Selbständige im Wesentlichen für nur einen Auftraggeber tätig ist, wird auf der Grundlage der erzielten Bruttoeinkünfte beurteilt. Beurteilungszeitraum ist grundsätzlich das Kalenderjahr. Dabei sind allerdings auch die Einkünfte des Vorjahres sowie die voraussichtlichen künftigen Einkünfte in die gebotene Gesamtwertung mit einzubeziehen (vgl. Klattenhoff in Hauck/Noftz, § 2 SGB VI, Rn. 41h). Ferner ist zu berücksichtigen, ob der Auftragnehmer nach seinem Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstrebt und dies nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten als erfolgversprechend zu werten ist (vgl. Schmidt, Das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit und seine Folgen für die Praxis, NZS 2000, 59, 60).
Übt der Selbständige - wie im vorliegenden Fall die Klägerin seit dem Jahr 2000 - mehrere selbständige Tätigkeiten aus, dann ist unter Berücksichtigung des mit § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI verfolgten Schutzzweckes eine Gesamtbetrachtung geboten (vgl. auch Klattenhoff in Hauck/Noftz, § 2 SGB VI, Rn. 41 f). Dies gilt auch dann, wenn eine der beiden selbständigen Tätigkeiten - wie vorliegend die Buchführungstätigkeit der Klägerin, die nur mit einem Arbeitseinkommen unterhalb des in § 8 Abs. 1 SGB IV festgelegten Grenzbetrages verbunden war - nur in einem geringfügigen Umfang im Sinne von § 8 Abs. 3 SGB IV ausgeübt wird. Davon ist bezogen auf die Jahre bis einschließlich 2002 schon deshalb auszugehen, weil beim Zusammentreffen einer geringfügigen selbständigen Tätigkeiten mit einer mehr als geringfügigen (versicherungspflichtigen) selbständigen Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 und 2 SGB IV in der damals maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 388) eine Zusammenrechnung der Arbeitseinkommen geboten war, so dass sich die Klägerin seinerzeit auch hinsichtlich der ab 2000 ausgeübten Buchführungstätigkeit nicht auf eine Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI berufen konnte.
Für die erforderliche Abgrenzung, ab welchem Geschäftsumfang die Einbeziehung eines weiteren Auftraggebers mit geringerem Auftragsvolumen der Beziehung zum Hauptauftraggeber die Bedeutung einer "im Wesentlichen" nur auf einen Auftraggeber gerichteten Tätigkeit nimmt, orientiert sich die Praxis in Anlehnung an ein Rundschreiben der Spitzenverbände und der Bundesanstalt für Arbeit vom 19. Januar 1999 (NZA 1999, 365) an dem Grenzwert von 5/6 (vgl. Klattenhoff, a.a.O., und Schmidt, a.a.O.). Erzielt der Selbständige mindestens fünf Sechstel seiner gesamten Einkünfte aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber, so ist er noch "im Wesentlichen" allein für diesen tätig.
Den erläuterten Grenzwert von 5/6 erachtet der Senat für sachgerecht. Er konkretisiert den Gesetzeswortlaut angemessen und ermöglicht eine einheitliche Gesetzesanwendung im Alltag der Massenverwaltung.
Nachdem die Klägerin 1999 allein für die J. GmbH als Auftraggeberin tätig war, hat sie zwar ab dem Jahr 2000 (wie schon zuvor bis einschließlich 1998) daneben auch im Rahmen einer weiteren selbständigen Tätigkeit die Buchführung für die Fa. K., Inhaberin: L., übernommen. Das für diese Firma abgewickelte Auftragsvolumen erlangte jedoch jedenfalls bis einschließlich 2002 eine wirtschaftlich nur untergeordnete Bedeutung, aufgrund derer die aus dieser Geschäftsbeziehung erzielten Einnahmen den erläuterten Grenzwert von 1/6 unterschritten haben. Vielmehr hat die Klägerin ihre Einkünfte aus den selbständigen Tätigkeiten auch in den Jahren 2000 bis 2002 zu mehr als 5/6 von der J. GmbH bezogen und war damit weiterhin "im Wesentlichen" allein für diese tätig.
aa)
Dies gilt für das Jahr 2000 auch dann, wenn entsprechend dem Berufungsvorbringen der Klägerin die aus den selbständigen Tätigkeiten resultierenden Betriebsausgaben nicht prozentual gleichmäßig, sondern nach Sachzusammenhang den beiden Tätigkeiten gewichtet zugeordnet werden. Der Senat kann daher in diesem Zusammenhang dahingestellt sein lassen, ob eine solche Aufteilung der Betriebsausgaben nach Sachbereichen auch unter Berücksichtigung der in der Praxis, wie nicht zuletzt auch der vorliegende Fall zeigt, oft vielfältigen Abgrenzungsschwierigkeiten in solchen Fällen sachgerecht ist, in denen der Versicherte keine getrennten Bücher für die einzelnen Teilbereiche geführt hat.
Von den für das Jahr 2000 von der Klägerin geltend gemachten Betriebsausgaben in einer Gesamthöhe von 12.620,86 DM rühren Zinsaufwendungen in Höhe von 1.836,68 DM aus der Mitte der 80er Jahre eingetretenen Insolvenz eines früheren Unternehmens (eines - nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung - als OHG geführten Reisebüros in Q.) her, an dem die Klägerin beteiligtwar. Diese Zinsaufwendungen können daher keinem der beiden im Jahr 2000 ausgeübten selbständigen Tätigkeiten konkret zugeordnet werden; sie sind vielmehr bei beiden pro rata nach Maßgabe des Anteils am Gesamtbruttoerlös zu berücksichtigen, weshalb sie keinen Einfluss auf das wechselseitige Verhältnis der Einkünfte aus diesen beiden im Jahr 2000 ausgeübten selbständigen Tätigkeiten haben.
Von den restlichen 10.784,18 DM Betriebsausgaben entfallen 720,00 DM, entsprechend 368,13 EUR, auf die Raumkosten des Büros, in dem die Klägerin ganz überwiegend die Buchführungsarbeiten für die Fa. K. (und nur zu einem ganz geringen und daher bei der Kostenaufteilung zu vernachlässigenden Anteil Arbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung des Jahresabschlusses aufgrund ihrer Tätigkeit als Handelsvertreterin) verrichtet hat. Selbst wenn entsprechend ihrem Vorbringen die restlichen Betriebsausgaben von 10.064,18 DM, entsprechend 5.145,73 EUR, nahezu vollständig den Erlös aus der Handelsvertretertätigkeit zuzuordnen sein sollten, beliefen sich die Einkünfte aus dieser Tätigkeit nach Abzug der anteiligen Kosten (aus den dargelegten Gründen unter Außerachtlassung der die frühere Insolvenz betreffenden Zinsaufwendungen) auf 10.461,77 EUR (15.607,50 EUR Provisionseinnahmen abzüglich 5.145,73 EUR anteilige Betriebsausgaben); die Einkünfte aus der Buchführungstätigkeiten machten 2.086,07 EUR (2.454,20 EUR Bruttoeinnahmen abzüglich 368,13 EUR anteilige Betriebsausgaben) aus. Da auch bei einer solchen Gewichtung die Einnahmen aus der Handelsvertretertätigkeit (geringfügig) mehr als das Fünffache der Einnahmen aus der Buchführungstätigkeit ausmachten, war die Klägerin im Jahr 2000 weiterhin "im Wesentlichen" allein für die J. GmbH tätig.
bb)
Für das Jahr 2001 gilt im Ergebnis Entsprechendes. Soweit die Klägerin als allein ihrer Tätigkeit als Handelsvertreterin zuzurechnende Betriebsausgaben Reisekosten in Höhe von 3.080,44 DM berücksichtigt sehen will, vermag ihr der Senat schon deshalb nicht zu folgen, weil schon nicht erkennbar ist, dass es sich bei diesen Positionen überhaupt um betriebliche Ausgaben handelt. Die Klägerin macht geltend, dass der Ansatz von 3.080,44 DM durch Reisekosten nach Mallorca, Gdansk, Sri Lanka und Linstow entstanden sei; sie habe Hotels und andere touristische Angebote erkunden wollen, um sie den Kunden im Reisebüro ihres Lebenspartners besser empfehlen zu können. Auf den Hinweis des Senates, dass sich den Unterlagen nicht entnehmen lasse, ob es sich überhaupt um Dienstreisen oder vielmehr schwerpunktmäßig um private Reisen gehandelt habe, hat die Klägerin bewusst von einer weiteren inhaltlichen Stellungnahme abgesehen. Die Veranstaltungsprogramme sind trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden.
Nach der Rechtsprechung des BFH sind zunächst solche Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt, in der Regel ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen. Bei anderen Auslandsreisen können hingegen die Kosten nur dann steuermindendernd anerkannt werden, wenn die Reisen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse unternommen werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist (BFH, U.v.12. Januar 2006 - VI B 101/05 - BFH/NV 2006, 739).
Im vorliegenden Zusammenhang ist ein unmittelbarer beruflicher Anlass für die Reisen nicht dargetan worden. Ebenso wenig ist objektivierbar, dass die Verfolgung privater Interessen eine nur untergeordnete Bedeutung hatte. Dementsprechend können nach der erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung die geltend gemachten Kosten nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, zumal eine inhaltliche Prüfung der für das Jahr 2001 geltend gemachten Reisekosten als berücksichtigungsfähige Betriebsausgaben durch die Finanzbehörden nicht ersichtlich ist.
Da schon bei der Prüfung dieser Vorfrage eine Zuordnung der geltend gemachten Reisekosten zu betrieblich bedingten Aufwendungen nicht ersichtlich ist, sieht der Senat auch keinen Raum, diese - ohnehin nicht berücksichtigungsfähigen - Kosten nur einer der beiden Teiltätigkeiten zuzurechnen.
Unter Außerachtlassung dieser Reisekosten, bei gleichmäßiger Verteilung der aus der früheren Insolvenz herrührenden Zinskosten auf die Gesamteinkünfte aus selbständiger Tätigkeit (aus den bereits dargelegten Gründen) und bei sachgerechter Zuordnung der Raumkosten zur Buchführungstätigkeit (entsprechend dem eigenen Vorbringen der Klägerin in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat) haben die Einnahmen der Klägerin aus der Buchführungstätigkeit für die Fa. K. auch im Jahr 2001 nicht den Grenzwert von 1/6 erreicht.
Der Senat muss daher nicht näher darauf eingehen, dass sich auch die des Weiteren der Handelsvertretertätigkeit zugeordneten Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz nicht in der vollen geltend gemachten Höhe nachvollziehen lassen, zumal die Klägerin selbst noch im Schriftsatz vom 28. Mai 2007 auf eine Fünftagewoche abgestellt hat und die zunächst geplante Vernehmung einer Kollegin zum zeitlichen Ausmaß ihres Einsatzes im Reisebüro ihres Lebenspartners durch Verweigerung der Angabe von Namen und Anschrift der Zeugin vereitelt hat.
Ebenso wenig nachvollziehbar ist, weshalb im Jahr 2001 von den Kosten für Bürobedarf in Höhe von 187,29 DM nur 11,07 DM auf die Buchführungstätigkeit entfallen sein sollen, obwohl die Klägerin der Zeugin O. für den durch die Buchführungstätigkeit bedingten Bürobedarf jährlich ein Vielfaches (derzeit 210,00 EUR) als Aufwendungsersatz berechnet.
Im Übrigen sind die Angaben der Klägerin für das Jahr 2001, worauf nur ergänzend hinzuweisen ist, auch schon deshalb im Ergebnis nicht nachvollziehbar, weil die von ihr für dieses Jahr vorgelegte Gewinn- und Verlustrechnung nur einen Gewinn von 19.719,18 DM aufführt, wohingegen der (mit Schriftsatz vom 17. Mai 2003 vorgelegte) Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 25.000,00 DM ausweist.
cc)
Für das Jahr 2002 belegen die von der Klägerin selbst vorgelegten Berechnungen, dass ihre Einnahmen aus der Buchführungstätigkeit auch bei gewichteter Berücksichtigung der Betriebsausgaben den Grenzwert von 1/6 nicht erreicht haben.
b)
Der Senat hat auch keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der erläuterten Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI.
Nach Einschätzung des BVerfG räumt das Grundgesetz dem Gesetzgeber einen erheblichen sozialpolitischen Spielraum bei der Ordnung von Alterssicherungssystemen unterschiedlicher Berufsgruppen ein (vgl. BVerfG, 9.12.2003 - 1 BvR 558/99 - BVerfGE 109, 96).
Der Gesetzgeber bewegt sich innerhalb dieses ihm zustehenden weit reichenden sozialpolitischen Gestaltungsspielraums, wenn er Selbstständige berufsgruppenunabhängig unter den in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI genannten Voraussetzungen in die Rentenversicherungspflicht einbezieht. Denn es steht ihm frei zu entscheiden, welche Personen des Schutzes durch die gesetzliche Rentenversicherung bedürfen (vgl. dazu BSG, U.v. 10. Mai 2006, a.a.O.). Die Erfüllung der in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI genannten Voraussetzungen begründet die Zugehörigkeit eines Selbstständigen zum versicherten Personenkreis und seine vom Gesetz typisierend angenommene soziale Schutzbedürftigkeit, ohne dass weitere Gesichtspunkte, etwa seine konkrete individuelle Schutzbedürftigkeit zu prüfen wären. Eine feinere, den Typisierungsspielraum des Gesetzgebers stärker einschränkende Differenzierung nach einzelnen Tätigkeitsfeldern im Rahmen der berufsgruppenunabhängigen Einbeziehung von Selbstständigen in die Versicherungspflicht ist durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht geboten (BSG, a.a.O.).
Soweit die Klägerin auf die Möglichkeit eines Verlustes des Versicherungsschutzes und damit des eingezahlten Kapitals bei Nichterreichung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (vgl. § 50 SGB VI, siehe aber auch § 53 SGB VI) hinweist, handelt es sich um eine Problematik, die alle Versicherten, also nicht etwa nur Selbständige, betrifft. Verfassungsrechtliche Bedenken sind jedenfalls angesichts der vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeit zur Beitragserstattung unter den in § 210 SGB VI normierten Voraussetzungen nicht ersichtlich.
2.
Die in den Bescheiden vom 19. Dezember 2001 und 4. Februar 2002 erfolgte Festsetzung der Beitragshöhe für die Jahre 1999 bis 2002 hat die Beklagte zugunsten der Klägerin in dem nachfolgenden - nach § 96 SGG in das laufende gerichtliche Verfahren einbezogenen - Bescheid vom 27. Juni 2003 zugunsten der Klägerin unter Heranziehung der in den Jahren 1999 und 2000 tatsächlich erzielten Einkünfte neu berechnet (§ 165 Abs. 1 S. 9 und 4 SGB VI). Diese Berechnung lässt keinen Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin erkennen.
3.
Soweit die Beklagte im Bescheid vom 6. Juli 2006 die von der Klägerin für die Jahre 2001 und 2002 zu entrichtenden Beiträge unter Einbeziehung des im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ausgewiesenen Einkünfte der Klägerin aus dem Betrieb der Reiseagentur neu berechnet und - im Vergleich zum vorausgegangenen Bescheid vom 27. Juni 2003 - höher festgesetzt hat, hat sie die gesetzlichen Vorgaben des § 165 Abs. 1 S. 8 SGB VI missachtet. Nach dieser Vorschrift werden Änderungen des Arbeitseinkommens vom Ersten des auf die Vorlage des Bescheides oder der Bescheinigung folgenden Kalendermonats, spätestens aber vom Beginn des dritten Kalendermonats nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides, an berücksichtigt.
Der der Klägerin erteilte Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ist jedoch frühestens im Januar 2003 ausgefertigt worden (vgl. die in ihm enthaltene Abrechnung nach dem Stichtag 16.01.2003). Mangels einer vorherigen Vorlage dieses Bescheides durch die Klägerin waren die in diesem Bescheid festgehaltenen Änderungen des Arbeitseinkommens erst vom Beginn des dritten Kalendermonats nach seiner Ausfertigung, d.h. frühestens ab 1. April 2003, zu berücksichtigen, und nicht etwa, wie dies die Beklagte im Bescheid vom 6. Juli 2006 gesehen hat, rückwirkend ab Januar 2001.
4.
Da die Klägerin ab dem Jahr 2003 nach Maßgabe des Teilanerkenntnisses der Beklagten bereits dem Grunde nach nicht mehr der Versicherungspflicht unterlag, ist um der besseren Klarheit willen die Festsetzung von Beiträgen für die Jahre ab 2003 in dem Bescheid vom 27. Juni 2003 aufzuheben.
5.
Soweit die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 4. Februar 2002 zur Zahlung von Säumniszuschlägen für die nicht rechtzeitige Entrichtung von Beiträgen für die Zeiträume 1999 bis 2001 herangezogen hat, hat sie den Vorgaben des § 24 Abs. 2 SGB IV nicht Rechnung getragen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit - wie im vorliegenden Fall mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 für die Zeit ab 1999 - festgestellt, dann ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Von einem fehlenden Verschulden in diesem Sinne ist vorliegend im Hinblick darauf auszugehen, dass die Beklagte die mit Wirkung vom 1. Januar 1999 neu eingeführte Versicherungspflicht erstmals mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 gegenüber der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach festgestellt hat. Im übrigen beruhte die Festsetzung der Säumniszuschläge der Höhe nach auch auf Festsetzungen zur Beitragshöhe, die die Beklagte nachfolgend mit Bescheid vom 27. Juni 2003 zugunsten der Klägerin korrigiert hat; der im Bescheid vom 6. Juli 2006 ausgewiesene "Kontostand" weist diese Säumniszuschläge ohnehin nicht mehr aus. Ob hiervon ausgehend die zunächst festgesetzten Säumniszuschläge überhaupt noch geltend gemacht werden sollen, hat die Beklagte auch auf ausdrückliche Nachfrage des Senates offen gelassen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 193 SGG und trägt zum einen dem Teilanerkenntnis der Beklagten und zum anderen dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin trotz wiederholter Aufforderungen der Beklagten konkrete Angaben zu ihrer Tätigkeit für einen weiteren Auftraggeber erst im Berufungsverfahren unterbreitet hat.
Die Entscheidung über die Auferlegung von Gerichtskosten folgt aus § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Durch das Verschulden der Klägerin war die Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren erforderlich. Die Klägerin hat bei Ausfüllung des Fragebogens am 31. Juli 2001 wahrheitswidrig verschwiegen, dass sie nicht nur als Handelsvertreterin tätig war und dementsprechend auch nicht nur - wie von ihr ausdrücklich angegeben - "typische Handelsvertreter- und Beratertätigkeiten" verrichtet hat, sondern vielmehr daneben auch im Rahmen einer weiteren selbständigen Tätigkeit Buchführungsarbeiten verrichtet hat. Diese Falschangabe hat sie auch im gerichtlichen Verfahren zunächst nicht korrigiert, sie hat sich vielmehr in der Klagebegründung vom 25. Januar 2003 noch einmal ausdrücklich auf ihre - in der genannten Hinsicht unzutreffenden - Angaben in dem Fragebogen vom 31. Juli 2001 berufen. Erst in der ersten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat sie ihre Angaben richtig gestellt und erstmals auf die Übernahme von Buchführungsarbeiten seit dem Jahr 2000 hingewiesen. Durch dieses Verschulden in Form einer Missachtung der Wahrheitspflicht wurde die Vertagung der mündlichen Verhandlung erforderlich, da unter Zugrundelegung des erst in der ersten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren berichtigten Sachverhalts weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich waren. In Anbetracht des erheblichen Grades des Verschuldens erachtet der Senat die Auferlegung von Verschuldenskosten für dringend angezeigt, hinsichtlich der Höhe legt er den Mindestbetrag von 225,00 EUR gemäß § 192 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugrunde.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.