Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 30.05.2012, Az.: L 3 KA 101/08

Rechtmäßigkeit des Honorarverteilungsmaßstabes der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen ab 1.4.2005 und der Festlegung der Fallpunktzahlen für die Fachgruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Endokrinologie

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
30.05.2012
Aktenzeichen
L 3 KA 101/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 34578
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2012:0530.L3KA101.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 20.08.2008 - AZ: S 1 KA 22/06

Redaktioneller Leitsatz

1. Der bremische Honorarverteilungsmaßstab in der ab 1.4.2005 geltenden Fassung ist im Hinblick auf die Festsetzung von Regelleistungsvolumen durch die Übergangsregelung (Teil III Nr. 2.2) im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 gedeckt.

2. Die Festlegung der Fallpunktzahlen für die Fachgruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Endokrinologie ist nicht verfassungswidrig. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 20. August 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.955 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe vertragsärztlichen Honorars.

2

Die Klägerin ist eine aus zwei Fachärzten für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Endokrinologie bestehende Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft).

3

Für das Quartal II/2005 setzte die beklagte G. (H.) das an die Klägerin auszuzahlende Honorar auf 136.452,87 Euro fest. Grundlage hierfür war der zwischen der Beklagten und den Krankenkassen (KKen) bzw ihren Verbänden vereinbarte und zum 1. April 2005 in Kraft getretene Honorarverteilungsmaßstab (HVM). Dieser sah in § 4 HVM eine fallzahlabhängige Begrenzung der zu vergütenden Leistungen nach Maßgabe arztgruppenspezifischer Fallpunktzahlen (FPZ) in sog Grundmodulen vor. In vergleichbarer Weise regelte § 5 HVM qualifikationsgebundene Zusatzmodule, die eine Erhöhung der FPZ beim Vorliegen entsprechender Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnungen vorsahen. In § 13 Abs 3 HVM waren die Verteilungspunktwerte für die fachärztlichen Arztgruppen nach Anl 1 des HVM wie folgt geregelt:

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"a) 70% der nach §§ 4 und 5 begrenzten Gesamtpunktzahl werden mit einem Punktwert von 4,5 Cent vergütet,

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b) die restlichen Punktzahlen bis zur nach §§ 4 und 5 begrenzten Gesamtpunktzahl werden mit einem floatenden Punktwert vergütet. Hierzu wird die in dem Honorartopf zur Verfügung stehende Gesamtvergütung um die nach a) zu zahlende Vergütung bereinigt und durch die Punktzahl nach Satz 1 dividiert. Der floatende Punktwert darf maximal 4,0 Cent betragen."

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Ergänzend sah hierzu eine "Ausnahmeregelung" in § 15 Abs 2 HVM vor, dass der genannte Prozentsatz, sollte die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung nicht ausreichen, um die Punktwerte nach § 12 Abs 3a und § 13 Abs 3a HVM zu vergüten, in Schritten zu 5%-Punkten soweit reduziert werden konnte, bis der Punktwert erreicht wurde.

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Der Widerspruch der Klägerin gegen den auf dieser Grundlage für das Quartal II/2005 erlassenen Honorarbescheid - gerichtet gegen die Höhe der FPZ zur Berechnung des Grundmoduls für die Fachgruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Endokrinologie - blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. März 2006).

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Die Klägerin hat am 21. April 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und dort geltend gemacht, die Vorgaben im HVM der Beklagten verstießen gegen höherrangiges Recht. Die Beklagte habe den Beschluss des Bewertungsausschusses (BewA) in der 73. Sitzung zur Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) mit Wirkung zum 1. Juli 2002 nicht zutreffend umgesetzt. Nach diesem Beschluss sei die Ordinationsgebühr je Behandlungsfall für fachärztliche Internisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie und/oder Endokrinologie um 350 Punkte bzw 440 Punkte angehoben worden. Auf der Ebene der Honorarverteilung habe die Beklagte jedoch nur das Honorarkontingent der fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie erhöht. In dem hier maßgeblichen HVM der Beklagten seien daher die FPZen (im Grundmodul 1.386 für Internisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie und 1.273 für Internisten mit dem Schwerpunkt Endokrinologie) unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) festgelegt worden.

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Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20. August 2008 abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die FPZ für die fachärztlichen Internisten mit dem Schwerpunkt Endokrinologie zu erhöhen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Art 3 Abs 1 GG. Es sei sachlich gerechtfertigt, die FPZ im Grundmodul für die Fachgruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie in einer anderen Höhe festzulegen, als für die Fachgruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Endokrinologie. Die Rheumatologen hätten nach dem Beschluss des BewA vom 1. Juli 2002 die Betreuungsziffer 16 EBM nicht mehr abrechnen können. Zur Kompensation dessen sei am Anschluss von der Beklagten die FPZ erhöht worden; dies sei für die Fachgruppe der Klägerin nicht erforderlich gewesen, da sie diese Gebührenposition ohnehin nicht habe abrechnen können.

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Gegen dieses Urteil (zugestellt am 1. September 2008) hat die Klägerin am 26. September 2008 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.

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Die Klägerin beantragt,

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1. das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 20. August 2008 aufzuheben und die Honorarbescheide der Beklagten für das 2. Quartal 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2006 abzuändern,

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2. die Beklagte zu verurteilen, über ihren Honoraranspruch im Quartal II/2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält die Entscheidung des SG Bremen für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, die Klägerin habe sich mit ihr in einem Parallelverfahren auch über die Höhe der FPZ für das Abrechnungsquartal II/2005 verglichen. Die Klägerin sei daher nicht (mehr) berechtigt, erneut einen Anspruch auf Erhöhung der FPZ für das hier maßgebliche Quartal gerichtlich geltend zu machen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

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Das SG hat die Klage gegen die hier angefochtenen Honorarbescheide für das Quartal II/2005 zu Recht abgewiesen. Der HVM der Beklagten, auf dessen Grundlage die Bescheide ergangen sind, ist rechtmäßig und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

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1. Die Anfechtungs- und Neubescheidungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 iVm § 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

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Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage nicht der zwischen den Verfahrensbeteiligten in einem Parallelverfahren vor dem SG Bremen (Az: S 1 KA 2/05) abgeschlossene Vergleich entgegen. Durch den Vergleich ist zwar der Rechtsstreit zwischen den (auch hier Verfahrens-)Beteiligten über die anzuwendenden Kriterien bei der Ermittlung der FPZ einer zum Quartal II/2005 neu gegründeten Gemeinschaftspraxis erledigt worden (§ 101 Abs. 1 SGG). Ein weiteres Klagverfahren der Klägerin wäre daher nur in derselben Sache unzulässig (vgl zu alledem Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 101 Rn 10 ff mwN). Eine derart weitreichende sachliche Übereinstimmung liegt hier aber nicht vor. Zwar macht die Klägerin erneut eine Erhöhung ihrer FPZ für das Quartal II/2005 geltend - diesmal allerdings nicht wegen des Status als Gemeinschaftspraxis, sondern als Mitglied in der Facharztgruppe der Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung Endokrinologie (zur Begrenzung des Streitgegenstandes bei Klagen, die nur Einzelelemente der Honorarabrechnung betreffen: Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-2500 § 87 Nr. 3). Ein insoweit eigenständig begründetes Erhöhungsbegehren bleibt uneingeschränkt zulässig.

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2. Die Klage kann allerdings in der Sache keinen Erfolg haben.

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Der HVM, den die Beklagte und die KKen mit Wirkung ab dem 1. April 2005 vereinbart haben, entspricht zwar nicht den Vorgaben aus § 85 Abs 4 S 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Er erfüllt aber die Voraussetzungen der Übergangsregelung in Teil III. Nr 2.2 des Beschlusses durch den BewA vom 29. Oktober 2004 (dazu unten 3.). Die Festlegung der FPZ für die Fachgruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Endokrinologie verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG (dazu unten 4.).

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3. Nach § 85 Abs 4 S 7 SGB V (hier anzuwenden idF des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003, BGBl I 2190) sind bei der Verteilung der Gesamtvergütungen "arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)." Aus der Rechtsprechung des BSG hierzu ergibt sich, dass mit dieser Regelung vor allem zwei Kernvorgaben verbunden sind, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte. Hinzu kommt gemäß der Vorgabe in § 85 Abs 4 S 8 SGB V für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen eine Vergütung mit abgestaffelten Punktwerten.

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Ausweislich der Gesetzesbegründung zum GMG soll den Vertragsärzten hierdurch Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen gegeben werden. Die Bestimmung fester Punktwerte (anstelle sogenannter floatender Punktwerte) stellt dabei eine zentrale und strikte Vorgabe dar. Die arztgruppenspezifischen Grenzwerte müssen hingegen nicht einheitlich in der Form festgelegt werden, dass der gesamten Arztgruppe das gleiche Regelleistungsvolumen (RLV) zugewiesen wird. Vielmehr kann dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte auch eine Regelung genügen, die eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den FPZen vorgibt, dann deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen vorsieht und so zu praxisindividuellen Grenzwerten führt. In jedem Fall muss in dieses Merkmal aber ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließen. Hierfür reicht es nicht aus, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent zugeordnet wird. Vielmehr muss die Honorarverteilung auf arztgruppeneinheitlichen FPZen aufbauen (vgl zu alledem BSGE 106, 56 [BSG 17.03.2010 - B 6 KA 43/08 R] = SozR 4-2500 § 85 Nr 54 mwN).

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Dabei obliegt es nach der Regelung in § 85 Abs 4a S 1 2. Halbs SGB V dem BewA, den Inhalt der nach dem SGB V zu treffenden Vorgaben bei der Festlegung der arztgruppeneinheitlichen Grenzwerte zu bestimmen. Dieser hat mit dem Beschluss vom 29. Oktober 2004 (DÄ 2004, A-3129) vorgegeben, in der Honorarverteilung der KÄVen RLV in der Weise festzulegen, dass durch die Multiplikation arztgruppeneinheitlicher FPZen mit individuellen Behandlungsfallzahlen im Ergebnis praxisindividuelle Punktwerte als RLV entstehen. In der Anl 1 des Beschlusses sind die Arztgruppen genannt, für die ein RLV festzulegen ist; in der Anl 2 des Beschlusses wird darüber hinaus ausgeführt, nach welchen Maßgaben die FPZen zur Bestimmung der RLV zu berechnen sind. Diese Vorgaben des BewA sind kraft Gesetzes Bestandteil der Honorarverteilungsverträge (§ 85 Abs 4 S 10 SGB V) und von den KÄVen bei der Verteilung der Gesamtvergütungen einzuhalten. Bei einer divergierenden Regelung kommt den Vorgaben des BewA der Vorrang zu (vgl hierzu BSGE 105, 236 [BSG 03.02.2010 - B 6 KA 31/08 R] = SozR 4-2500 § 85 Nr 53).

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a) Der HVM der Beklagten weicht aber durch eine eigenständige Berechnungsmethode der arztgruppenspezifischen FPZen von den (unter)gesetzlichen Vorgaben im Beschluss des BewA ab.

28

Zwar ist im HVM der Beklagten konzeptionell die Bildung von praxisindividuellen, mit festen Punktwerten zu vergütenden RLV vorgesehen. Zumindest ergibt sich aus der Anwendung der §§ 4 und 5 iVm mit der Anl zum HVM ein praxisindividuelles Punktzahlvolumen, von dem für die fachärztlichen Arztgruppen gemäß § 13 Abs 3a) HVM (grundsätzlich) 70 % mit festen Punktwerten vergütet werden, während das darüber hinausgehende Volumen mit einem floatenden Punktwert vergütet wird. Allerdings werden von der Beklagten die RLV-relevanten FPZen nicht nach den Vorgaben des BewA ermittelt. Hierzu sieht der Beschluss vom 29. Oktober 2004 vor, dass die Berechnung der arztgruppenspezifischen FPZ für die in der Anl 1 genannten Arztgruppen - zu denen auch die Klägerin zählt - nach den in der Anl 2 aufgeführten Berechnungsformeln erfolgt. Diese setzen ua die Ermittlung eines arztgruppenspezifischen Leistungsbedarfs in Punkten im Zeitraum vom 2. Halbjahr 2003 bis zum 1. Halbjahr 2004 und einer arztgruppenspezifischen Anzahl der kurativ-ambulanten Behandlungsfälle in diesem Zeitraum voraus. Zudem sind die FPZen differenziert nach (drei) Altersgruppen (dh für Versicherte bis zum vollendeten 5. Lebensjahr, für Versicherte ab dem 6. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr und für Versicherte ab dem 60. Lebensjahr) zu ermitteln.

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Diese differenzierten Vorgaben erfüllt der HVM der Beklagten ebenso wenig wie zB die Regelung in Teil III Nr 3.2.1 des Beschlusses vom 29. Oktober 2004, die eine weitere Abstaffelung der FPZ in Abhängigkeit von der Fallzahl der jeweiligen Arztpraxis vorschreibt. Schließlich enthält der HVM der Beklagten auch keine arztgruppenspezifische Obergrenze der bei der Berechnung des RLV zu berücksichtigenden Fallzahl (vgl Teil III Nr 3.3.1 des Beschlusses).

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b) Der HVM der Beklagten für das Jahr 2005 kann aber aufgrund der Übergangsregelung in Teil III Nr 2.2 im Beschluss des BewA Geltung beanspruchen.

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Nach dieser Übergangsregelung sind Abweichungen von den Vorgaben des BewA zulässig, soweit im HVM bisherige Steuerungsinstrumente der KÄVen fortgeführt werden, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind (vgl BSGE 105, 236, 240 f [BSG 03.02.2010 - B 6 KA 31/08 R]; vgl zur Zulässigkeit der Übergangsregelung BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 54 und Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 6/11 R - juris). Dies ist hier der Fall.

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aa) Nach der Rechtsprechung des BSG ist von einer Fortführung bisheriger Steuerungselemente iS der Übergangsregelung im Beschluss des BewA vom 29. Oktober 2004 selbst dann auszugehen, wenn einzelne Bestimmungen des HVM ausgetauscht werden. Entscheidend ist, dass die wesentlichen Steuerungsinstrumente unverändert bleiben (vgl hierzu BSG, aaO.). Entsprechend ist die Beklagte bei dem zum 1. April 2005 mit den Krankenkassen(verbänden) vereinbarten HVM auch vorgegangen.

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Bereits der für 2004 gültige HVM der Beklagten sah nämlich eine fallzahlabhängige Begrenzung der zu vergütenden Leistungen nach Maßgabe arztgruppenspezifischer FPZen in Grund- und Zusatzmodulen vor. Nach § 9 Abs 2 b) und c) des für 2004 gültigen HVM wurden die Leistungen innerhalb der Module mit einem einheitlichen Punktwert vergütet, der sich aus der Division des fachgruppenbezogenen Anteils an der Gesamtvergütung durch die anerkannten Punktzahlen unter Berücksichtigung der jeweiligen FPZen ergab. Im Wesentlichen hat die Beklagte diese Steuerungskonzeption für den ab 2005 gültigen HVM auch beibehalten: Sie hat lediglich die Sondermodule aufgelöst, deren Leistungen auf die Grundmodule verteilt und für die verbleibenden Fachgruppenmodule zu 70% einen festen (4,5 Cent) bzw zu 30% einen floatenden Punktwert festgelegt. Insofern hat die Beklagte für das Jahr 2005 nur den im Vorjahr gültigen HVM an die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben aus § 85 Abs 4 S 7 SGB V - insbesondere hinsichtlich fester Punktwerte - angepasst und damit in den wesentlichen Grundzügen (fachgruppenbezogene Grund- und Zusatzmodule anstelle arztgruppenbezogener RLV) unverändert gelassen.

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bb) Die Auswirkungen der honorarbegrenzenden Regelungen im für 2005 gültigen HVM der Beklagten waren auch mit denen der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 S 7 und 8 SGB V vergleichbar. Hierfür reicht es nach der Rechtsprechung des BSG aus, dass es im Rahmen der Fortführung bisheriger Steuerungselemente zu einer Annäherung an die gesetzlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der Einführung der RLV kommt. Dies setzt lediglich voraus, dass die zu prüfende Honorarverteilungsregelung dem gesetzlichen Ziel deutlich näher steht als die Vorgängerregelung (vgl hierzu BSG, aaO.). Hiervon ist vorliegend auszugehen.

35

Wie unter Ziffer 3. bereits dargelegt, sind die Kernvorgaben der Regelung in § 85 Abs 4 S 7 und 8 SGB V, dass ein definiertes RLV gebildet wird, innerhalb dessen die erbrachten Leistungen mit einem festen Punktwert vergütet werden. Der Grenzwert des RLV muss dabei auf arztgruppenbezogenen Durchschnittswerten beruhen. Der für 2005 gültige HVM der Beklagten ist hiermit strukturell vergleichbar. Deutlich wird das vor allem daran, dass der Umfang der dort vorgesehenen Grund- und Zusatzmodule sich wie bei den RLV aus dem Produkt der (hier: modulrelevanten) Behandlungsfälle und einer arztgruppenbezogenen FPZ ergibt und somit für die Vergütung der erbrachten medizinischen Leistungen mit einem festen Punktwert an den Durchschnittswert der jeweiligen Arztgruppe anknüpft. Zwar bezieht sich die Vergütung mit einem festen Punktwert nur auf einen Teil des auf diese Weise gebildeten Fachkontingents (im fachärztlichen Bereich in Höhe von 70%), allerdings ist die Beklagte grundsätzlich berechtigt, dem Umstand einer uU nicht ausreichenden Gesamtvergütung auch im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben aus § 85 Abs 4 S 7 und 8 SGB V insoweit Rechnung zu tragen, als eine Punktwertquotierung festgelegt wird. Dies hat das BSG unter Hinweis darauf, dass eine Vergütung mit "absolut" festen Punktwerten unter der Geltung gedeckelter Gesamtvergütungen von vornherein ausgeschlossen ist, wiederholt toleriert (vgl hierzu ua BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 61).

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c) Nach alledem ist die Beklagte aufgrund der Übergangsregelung im Beschluss des BewA vom 29. Oktober 2004 (noch) berechtigt gewesen, im Jahr 2005 den für 2004 gültigen HVM in seinen wesentlichen Grundzügen fortzuführen. Erst ab dem Jahr 2006 ist die Beklagte verpflichtet gewesen, arztgruppenbezogene RLV nach der im Beschluss des BewA vorgesehenen Berechnungsweise einzuführen (vgl hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. Dezember 2011 - L 3 KA 87/08 - juris).

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4. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass im Abrechnungsquartal II/2005 ihre FPZ erhöht wird.

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a) Zur Begründung kann die Klägerin nicht auf den Beschluss des BewA zur Erhöhung der Ordinationsgebühr für Internisten zum 1. Juli 2002 zurückgreifen. Hieraus ergibt sich keine Pflicht der KÄVen, parallel zur Anhebung der Ordinationsgebühr auf der Ebene der Honorarverteilung fachgruppenbezogene Honorarkontingente zu erweitern. Diese Kontingente sollen gewährleisten, dass eine möglichst große Zahl an medizinischen Leistungen mit einem festen Punktwert vergütet werden kann. Die Bildung von Kontingenten kommt damit dem Interesse der Vertragsärzte entgegen, einen möglichst großen Anteil ihres zu erwartenden Honorars sicher abschätzen zu können und vermindert gleichzeitig den Anreiz zu Leistungsmengensteigerung, indem das Honorar bei größeren Leistungsmengen beschnitten wird. Es entspricht daher gerade der Konzeption dieser Kontingentierungen, dass von ihnen möglichst viele Leistungen der betroffenen (Fach-)Arztgruppe erfasst werden. Die Folge, dass sich bei einer Erschöpfung des Kontingents die erhöhte Bewertung einzelner Gebührenpositionen nicht mehr honorarsteigernd auswirken kann, gehört zur Funktionsweise solcher Kontingentierungen und muss von den Vertragsärzten hingenommen werden (vgl zu den vergleichbaren Auswirkungen der Praxisbudgets BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 17).

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b) Auch der Umstand, dass die Beklagte in weiter zurückliegenden Abrechnungsquartalen das Honorarkontingent der Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie dennoch an die erhöhte Bewertung von Gebührenpositionen des EBM angepasst hat, impliziert nicht - wie die Klägerin geltend macht - in Bezug auf das hier maßgebliche Abrechnungsquartal II/2005 eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art 3 Abs 1 GG.

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Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte in dem Zeitraum, in dem den Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie eine Erhöhung ihres Honorarkontingents zugebilligt worden ist, noch gar keine eigene Fachgruppe mit dem Schwerpunkt Endokrinologie gebildet hatte. Insofern ist in dem damaligen Vorgehen der Beklagten eine Ungleichbehandlung für die Fachgruppe der Klägerin - die sich auf die Honorarverteilung im Jahr 2005 auswirken könnte - nicht ersichtlich.

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Unabhängig davon hat die Beklagte die FPZen ab dem Abrechnungsquartal III/2003 neu berechnet und bereits ab diesem Zeitpunkt die nach dem Beschluss des BewA in seiner 73. Sitzung eingeräumte Erhöhung des Honorarkontingents für die Fachgruppe der Internisten mit dem Schwerpunkt Rheumatologie nicht mehr fortgeführt. Deutlich wird dies daran, dass die Differenz zwischen den FPZen der hier maßgeblichen Facharztgruppen nach der Anl 1 des ab dem 1. April 2005 gültigen HVM (unter Einbeziehung der kurativen Koloskopie) nur noch 61 Punkte beträgt. Insoweit ist die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe in dem für 2005 gültigen HVM einen zurückliegenden Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG aufrecht erhalten, unzutreffend.

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Schließlich ist es auch nicht gleichheitswidrig, dass die Beklagte im Bereich der Inneren Medizin (unabhängig von der Bewertung der Ordinationsgebühren) unterschiedlich große FPZ zur Berechnung der Honorarkontingente festgesetzt hat. Die fachärztlichen Internisten unterscheiden sich hinsichtlich ihres Leistungsinhalts, der Zusammensetzung ihrer Patientenklientel und der Kostenstruktur ihrer Praxen aufgrund verschiedener Behandlungsschwerpunkte deutlich voneinander (Kardiologen, Nephrologen, Pulmologen, Gastroenterologen, Angiologen, Endokrinologen, Hämatologen und internistische Onkologen). Die Heterogenität der Gruppe der fachärztlichen Internisten wird auch daran deutlich, dass hiervon Teilgebiete der Inneren Medizin (Pneumologie, Endokrinologie, Nephrologie und Gastroenterologie) fachgebietsähnlich verselbstständigt sind. Das geht sowohl aus den Regelungen der (Muster-)Weiterbildungsordnung des Deutschen Ärztetags als auch aus der Aufteilung des Kapitels 13 der am 1. April 2005 in Kraft getretenen Neufassung des EBM hervor. Ferner haben die fachärztlichen Internisten, die regelmäßig im Unterschied zu den hausärztlichen Internisten eine Schwerpunktbezeichnung führen, in ihrem jeweiligen Spezialbereich typischerweise einen Tätigkeitsschwerpunkt (vgl zu dieser Argumentation auch BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 17). Es ist daher sachgerecht, für die unterschiedlichen Teilgebiete der Inneren Medizin unterschiedlich große Honorarkontingente zu bestimmen.

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

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Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm den §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt in der Höhe die von der Klägerin geltend gemachte Nachvergütung.