Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 11.05.2012, Az.: L 15 AS 341/11 B ER

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
11.05.2012
Aktenzeichen
L 15 AS 341/11 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 05.10.2011 - AZ: S 18 AS 1280/11 ER

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das elterliche Sorge- und Umgangsrecht begründet einen Anspruch erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (§ 7 Abs. 1 SGB II) auf Leistungen zu seiner Ausübung auch dann, wenn das Kind mit dem anderen Elternteil in Übersee (hier: Australien) lebt.
2. Die grundrechtliche Gewährleistung dieses Anspruchs folgt allerdings nicht unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, sondern aus der Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums durch Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs. 1 GG. Dies rechtfertigt es, von einem unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II hinsichtlich der entstehenden Reisekosten nur unter der Voraussetzung auszugehen, dass nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angenommen werden kann, dass auch ein Umgangs- oder Sorgeberechtigter mit einem zur Sicherung des laufenden Lebensunterhalts ausreichenden, aber nicht überdurchschnittlichen Einkommen sie in ansonsten gleicher Lage aufwenden würde.
3. Ein unabweisbarer Bedarf kann hinsichtlich der Kosten einer Besuchsreise zur Ausübung des Sorge- oder Umgangsrechts zu einem in Australien lebenden Kind in der Regel nur bei Durchführung der Reise zur saisonal günstigsten Reisezeit angenommen werden.

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu verpflichten ist, dem Antragsteller zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner in I. lebenden, gegenwärtig 4-jährigen Tochter Leistungen in Höhe von 2.500,00 € für einen etwa 10-tägigen Besuchsaufenthalt zu gewähren.

Der im November 1961 geborene Antragsteller ist J. Staatsangehöriger. Bis er die Bundesrepublik - nach Aktenlage etwa im Jahre 2000 - verließ, war er nach eigenen Angaben in K. als Unternehmensberater in der Entwicklungshilfe tätig. Während er sich im Ausland aufhielt, unterhielt der Antragsteller von 2006 bis zum Herbst 2008 in L. eine Beziehung mit der M. Staatsangehörigen N. O., aus der am 29. August 2007 die gemeinsame Tochter P. B. hervorging. Der Aufenthalt des Antragstellers in L. wurde durch eine Reise nach Q. unterbrochen, die der Antragsteller allein vornahm. Über Dauer und Gründe des Aufenthalts dort sind den Akten keine näheren Angaben zu entnehmen. Indessen ergibt sich aus ihnen, dass in der Zeit des Aufenthalts des Antragstellers in Indien am damaligen Wohnort von N. O. und P. B. politische Unruhen ausbrachen, in deren Verlauf es auch zu Gewalttätigkeiten kam, so dass sich der Antragsteller von Q. aus bemühte, eine gemeinsame Einreise in die Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen. Nach seiner Rückkehr nach L. erkannte der Antragsteller in diesem Zusammenhang am 26. September 2008 die Vaterschaft für P. B. bei der Deutschen Botschaft an. Zu einer gemeinsamen Einreise in die Bundesrepublik kam es jedoch nicht, weil sich nach Angaben des Antragstellers N. O. aufgrund von "Verwirrtheit" nicht um die erforderlichen Papiere bemühte. Auch nachdem er am 27. September 2008 allein in die Bundesrepublik Deutschland nach K. zurückgekehrt war, bemühte sich der Antragsteller im Dezember 2008 beim Jugendamt K. um Unterstützung bei möglichen Hilfeleistungen für seine Tochter. Zu einer Familienzusammenführung in Deutschland kam es indessen auch in der Folgezeit nicht.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2011 erkundigte sich der Antragsteller, der seit dem 29. September 2008 im laufenden Bezug unterhaltssichernder Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - bei dem Beklagten stand, danach, ab wann es ihm ermöglicht werden könne, sich um seine Tochter zu kümmern und den Verpflichtungen aus dem mit Frau O. geteilten Sorgerecht nachzukommen. Mit Schreiben vom 1. März 2011 erinnerte er an die Angelegenheit und trug vor, dass Frau O. seine Tochter unter Missachtung des gemeinsamen Sorgerechts unterdessen an ihren neuen Aufenthaltsort nach I. mitgenommen habe. Er sehe es als seine Pflicht an, das Wohlergehen seiner Tochter dort zu überprüfen. Zudem müsse er den Umgang mit seiner Tochter beibehalten, um deren Entwicklung zu fördern. Ein ständiger Kontakt zur Mutter via Internet sei nicht ausreichend.

Mit Bescheid vom 19. August 2011 lehnte der Antragsgegner es ab, dem Antragsteller zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter die von ihm vorläufig mit 5.000,00 € jährlich veranschlagten Leistungen für zwei Besuche pro Kalenderjahr zu bewilligen. Zur Begründung führte er aus, es könnten nach § 21 Abs. 6 SGB II Kosten, die zur Wahrnehmung des Umgangsrechts notwendig seien, im angemessenen Umfang übernommen werden. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 14/06 R) keine unbegrenzte Sozialisierung von Scheidungs- und Trennungsfolgekosten möglich sei. Die staatliche Familienförderung stehe unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne in vernünftiger Weise von der Gesellschaft beanspruchen könne. Die Kosten müssten sich demnach in einem Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertige. Aus finanziellen wie aus zeitlichen Gründen gehöre es indessen nicht zu den herrschenden Lebensgewohnheiten der Bevölkerungsgruppen mit niedrigem oder auch mittlerem Einkommen, mehrfach jährlich in Übersee lebende Kinder zu besuchen. Erforderlich sei darüber hinaus das Bestehen einer atypischen Bedarfslage. Auch diese lasse sich nicht erkennen, wenn der Umgangsberechtigte, wie vorliegend der Antragsteller, nie dauerhaft im Familienverbund mit seinem Kind zusammengelebt habe. Schließlich stelle die Wahrnehmung des Umgangsrechts im Falle des Antragstellers auch keinen unabweisbaren Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II dar. Der Antragsteller sei in der Vergangenheit nicht nachhaltig bemüht gewesen, den Umgang und Kontakt zu seiner Tochter trotz der räumlichen Distanzen regelmäßig aufrecht zu erhalten; von einem gänzlich unaufschiebbaren und unabweisbaren Bedarf könne daher auch gegenwärtig nicht ausgegangen werden.

Bereits am 17. August 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Bremen um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat er im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass er seine Tochter seit nunmehr drei Jahren nicht mehr gesehen habe und ihm daher ein Zuwarten auf eine ggf. erst im gerichtlichen Klageverfahren ergehende stattgebende Entscheidung nicht zugemutet werden könne. Die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da die räumliche Entfernung zwischen ihm und seiner Tochter keinen rechtfertigenden Grund dafür darstelle, ihm die Möglichkeit des Umgangs zu verwehren.

Mit Schreiben ohne Datum, in Zweitschrift bei dem SG am 2. September 2011 eingegangen, hat der Antragsteller gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten Widerspruch erhoben, über den nach Aktenlage bisher nicht entschieden worden ist.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG Bremen mit Beschluss vom 5. Oktober 2011 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe nach § 21 Abs. 6 S. 2 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts mit seiner unterdessen in I. lebenden Tochter, weil hierfür der Einsatz öffentlicher Mittel nicht gerechtfertigt sei. An der Rechtfertigung für den Einsatz öffentlicher Mittel fehle es, wenn außergewöhnlich hohe Kosten verursacht würden, die ein verständiger Umgangsberechtigter außerhalb des Bezugs von Grundsicherungsleistungen nicht aufwenden werde. Es seien sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen; dabei sei auch zu prüfen, inwieweit durch eine Leistungsgewährung zur Ausübung des Umgangsrechts die Nähebeziehung zwischen Kind und Umgangsberechtigtem aufrecht erhalten werden könne bzw. in welchem Maß bei einer Unterbrechung des Umgangs eine Entfremdung drohe. Zu beachten sei insbesondere, inwieweit der Leistungsberechtigte in der Vergangenheit sein Umgangsrecht ausgeübt bzw. versucht habe, die Ausübung nachdrücklich durchzusetzen. Zudem müsse die Ausübung des Umgangsrechts auch tatsächlich möglich sein. An diesen Voraussetzungen fehle es im Fall des Antragstellers. Zum einen sei nicht ersichtlich, dass er in der Vergangenheit nachdrücklich versucht habe, sein Umgangsrecht auszuüben. Zwar habe er noch 2008 verschiedene Institutionen um Hilfe zum Schutz seiner Tochter ersucht, in den Jahren danach habe er jedoch nach eigenen Angaben allenfalls noch gelegentlich per Telefon oder über das Internet mit der Kindesmutter und gelegentlich mit seiner Tochter Kontakt gehalten. Zu einer Nähebeziehung zwischen ihm und seiner Tochter sei es dabei kaum gekommen. Deshalb könne auch bei einem weiteren Zuwarten von einer drohenden Entfremdung nicht ausgegangen werden. Im Übrigen habe der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass er sein Umgangsrecht im Rahmen der beabsichtigten Reise tatsächlich werde ausüben können. Eine hinreichend konkrete Einverständniserklärung der Kindesmutter habe er trotz gerichtlicher Aufforderung im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vorgelegt.

Mit seiner am 24. Oktober 2011 eingelegten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Er setzt sich im Einzelnen mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung schriftsätzlich auseinander und trägt insbesondere vor, es sei richtig, dass er erstmals am 4. März 2011 die Möglichkeit gehabt habe, einen Antrag zur Ausübung des Umgangsrechts zu stellen. Vorher seien Gespräche von der damaligen R. verweigert worden. Soweit ihm das Fehlen einer Nähebeziehung zu seiner Tochter vorgehalten werde, sei hierauf zu erwidern, dass diese aufgrund ihres Alters von 4 Jahren nicht in der Lage sei, mit ihm einen Chat über das Internet zu führen. Den vorgelegten Chat-Protokollen über die Korrespondenz mit der Kindesmutter sei unschwer zu entnehmen, dass er sich ständig Sorgen um seine Tochter gemacht habe. Soweit ihm abverlangt werde, ein Dokument vorzulegen, in dem die Mutter ausdrücklich den Umgang mit seiner Tochter wünsche, stelle dies eine "Verletzung der Würde" dar. Er gehe weiterhin davon aus, dass die Verweigerung der Reisekosten nach I. eine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung darstelle. Dies gelte etwa auch im Verhältnis zu Vätern, deren Kinder in einem Billigreiseland lebten. Für den Aufenthaltsort seiner Tochter sei er nicht verantwortlich. Der vom Gericht im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnete Prozessbevollmächtigte hat daneben eingehende Rechtsausführungen zu der verfassungsrechtlichen Bedeutung von Artikel 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) gemacht, wegen deren Einzelheiten auf die Schriftsätze vom 10. Februar 2012 und 16. April 2012 Bezug genommen wird.

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 5. Oktober 2011 zu ändern und den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihm einen Betrag von 2.500,00 € für eine Besuchsreise zu seiner Tochter nach I. zum Zwecke der Ausübung des Umgangsrechts zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss des SG Bremen für zutreffend.

II.

Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag im Ergebnis zu Recht und mit im Kern zutreffender Begründung abgelehnt. Der Senat weist deshalb die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht gem. § 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren selbständigen Begründung ab.

Mit Rücksicht auf das Beschwerdevorbringen ist indessen Folgendes zu vertiefen: Die Beschwerde verkennt, dass sich ein Recht des Antragstellers, die von ihm mit 2.500,00 € bezifferten Aufwendungen für eine Besuchsreise zu seiner in I. lebenden Tochter zu beanspruchen, nicht unmittelbar aus der grundrechtlichen Gewährleistung des Schutzes von Ehe und Familie (Artikel 6 Abs. 1 GG) sowie des Elternrechts (Artikel 6 Abs. 2 GG) ergeben kann. Soweit insbesondere Artikel 6 Abs. 2 S. 1 GG das Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder garantiert, handelt es sich primär um ein Abwehrrecht, dessen Wirkung gewährleistet, dass die Eltern grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden können, wie sie Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (so wörtlich zuletzt Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Kammerbeschluss vom 8. März 2012, Az.: 1 BvR 206/12, Rdnr. 13 m. w. N.). Einen solchen Eingriffscharakter können auch gerichtliche Entscheidungen über das Sorgerecht haben, so dass auch sie sich unmittelbar an der Gewährleistung des Elternrechts nach Artikel 6 Abs. 2 S. 1 GG messen lassen müssen (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. November 2009, Az.: 1 BvR 1410/08). Soweit demgegenüber im vorliegenden Anordnungsverfahren staatliche Transferleistungen nach Maßgabe von § 21 Abs. 6 SGB II in Rede stehen, mit denen es dem Antragsteller finanziell ermöglicht werden soll, das - als solches unbeeinträchtigte - Umgangsrecht mit seiner in I. lebenden Tochter tatsächlich wahrzunehmen, könnte sich ein grundrechtlich verbürgter Anspruch hierauf lediglich unter der Voraussetzung eines aus Artikel 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG ableitbaren Gewährleistungsrechts ergeben. Nach der Rechtsprechung des BVerfG lassen sich indessen gerade aus dem Förderungsgebotes des Artikel 6 Abs. 1 GG Ansprüche auf konkrete staatliche Leistungen nicht herleiten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 1991, Az: 1 BvR 1159/91, Rdnr. 10). Aus dem staatlichen Verfassungsauftrag, die tatsächliche Betreuung von Kindern durch ihre Eltern in der jeweils gewählten Form zu ermöglichen und zu fördern, kann danach ein konkreter Leistungsanspruch nicht abgeleitet werden (BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010, Az: 1 BvR 11/07, Rdnr. 45). Auch in Bezug auf den Umfang, in dem finanziell nicht ausreichend bemittelten Personen der Umgang mit ihren leiblichen Kindern durch staatliche Transferleistungen zu ermöglichen ist, ergeben sich die Grundlagen und Grenzen der diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Gewährleistung daher nicht aus Artikel 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG, sondern aus der Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums durch Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 GG. Aus dieser hat auch das BVerfG selbst in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (Az: 1 BvR 1/09, 3/09 und 4/09) die Erforderlichkeit von Regelungen abgeleitet, mit denen einem besonderen, nicht nur einmaligen und unabweisbaren Bedarf Rechnung getragen werden kann (a. a. O., Rdnrn. 204-209) und dabei die Aufwendungen, die zur Ausübung des Umgangsrechts eines geschiedenen Elternteils mit seinem Kind erforderlich sind, dem Grunde nach ausdrücklich einbezogen (a. a. O., Rdnr. 207 unter Hinweis auf BSGE 97, 242 [BSG 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R]). Hieraus rechtfertigt sich die vom SG in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene, zutreffende Auffassung, dass die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts im Sinne des zum 3. Juni 2010 eingeführten § 21 Abs. 6 SGB II nur dann einen im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf darstellen, wenn sie sich der Höhe nach in einem Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertigt, und dass es an der Unabweisbarkeit eines solchen besonderen Bedarfs fehlt, soweit ihn ein verständiger Umgangsberechtigter außerhalb des Bezuges von Grundsicherungsleistungen vermeiden würde (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. August 2010, Az: L 13 AS 3318/10, Leitsatz 2 und Rdnr. 4; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. November 2010, Az: L 1 SO 133/10 B ER, Rdnn. 11). Bei dieser Bewertung sind die Umstände des Einzelfalles zu beachten, insbesondere die Ausübung des Umgangsrechts in der Vergangenheit (LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O.). Das SG hat hiernach seine ablehnende Entscheidung zu Recht auf den Umstand gestützt, dass sich eine nahe persönliche Beziehung zwischen dem Antragsteller und seiner jetzt 4-jährigen Tochter, anders als es namentlich in Fällen der räumlichen Trennung nach mehrjährigem familiären Zusammenleben zu unterstellen ist, bisher nicht entwickelt haben kann, weil der Antragsteller L. - nach zwischenzeitlichem Aufenthalt in Q. - im September 2008 zu einem Zeitpunkt verlassen hat, zu dem seine Tochter wenig mehr als 1 Jahr alt war, und er seither nur sporadisch über die Kindesmutter per Telefon oder Internet mit ihr kommuniziert hat. Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde eingewendet hat, es sei selbstverständlich, dass eine 4-jährige nicht in der Lage sei, über das Internet zu chatten, ist dem in tatsächlicher Hinsicht ohne weiteres zuzustimmen. Abgesehen davon, dass dieser Befund das bisherige Fehlen einer Kommunikationsbasis zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter nur bestätigt, bleibt unklar, weshalb der Antragsteller es bisher unterlassen hat, sich auf Kommunikationswegen an seine Tochter zu wenden, die kindgerecht erscheinen, ihr etwa persönlich adressierte Bildpostkarten zu schicken, die von der Mutter vorgelesen werden könnten, oder unter Ausnutzung der hierfür zur Verfügung stehenden digitalen Möglichkeiten abspielbare Stimmaufnahmen zukommen zu lassen. Vorgetragen hat der Antragsteller solche Versuche einer direkten Kommunikation nicht.

Ebenfalls zutreffend hat sich das SG auch darauf bezogen, dass der Antragsteller erst 2011 mit dem Begehren an den Antragsgegner herangetreten ist, seine Tochter in I. besuchen zu wollen. Auch dieser Umstand trägt dazu bei, dass von einem jetzt unabweisbaren Bedarf nicht ausgegangen werden kann. Soweit der Antragsteller hierzu geltend macht, vor 2011 sei eine Antragstellung nicht möglich gewesen, weil der Antragsgegner insoweit nicht gesprächsbereit gewesen sei, vermag der Senat diesem Argument nicht zu folgen. Eine schriftliche Antragstellung, wie sie letztlich 2011 erfolgt ist, wäre in gleicher Weise auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen, hätte dann eine Bescheidung durch den Antragsgegner erfordert und gegebenenfalls bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Möglichkeit eröffnet, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Nicht unberücksichtigt bleiben können schließlich die mit einem Besuch in I. verknüpften Kosten, welche der Antragsteller zuletzt selbst mit mindestens 2.500,00 € veranschlagt hat. Sie kennzeichnen die beabsichtigte Reise als ein Vorhaben, welches ein verständiger, nicht im Bezug unterhaltssichernder Leistungen stehender Umgangsberechtigter, soweit er nicht über ein weit überdurchschnittliches Einkommen oder über Geldvermögen in mehrfacher Höhe der Reisekosten verfügen würde, ohne besonderen familiären Anlass nur in weiträumigen, mehr als 1-jährigen Intervallen und unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden Einsparungsmöglichkeiten aufwenden würde. Soweit der Antragsteller in Erwiderung auf Recherchen des Gerichts, die für einen Flug zwischen dem 29. April 2012 und dem 20. Mai 2012 an drei zufällig ausgewählten Tagen Flugkosten (ab S.) zwischen ca. 930,00 € und 1.083,00 € ergeben haben, geltend gemacht hat, derart günstige Flüge seien lediglich zwischen April und Mai zu haben, während sich die Preise für ein Flugticket nach I. bei einem Abflug ab K. in der Zeit ab Ende Mai 2012 bis zum August 2012 von etwa 1.390,00 € bis auf 4.286,00 € erhöhen würden, scheitert ein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen des Antragsgegners zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch daran, dass hierbei gravierend erhöhte Kosten entstünden, die ein verständiger, nicht im Bezug unterhaltssichernder Leistungen stehender Umgangs- und Personensorgeberechtigter vermeiden würde. Umstände, die trotz der saisonal erhöhten Flugkosten die sofortige Durchführung einer Besuchsreise des Antragstellers erfordern, sind angesichts der seit 2008 nur losen, allein durch gelegentliche, aus Anlass von Telefonaten, Chats und eMails über die Kindesmutter vermittelten Kontakte nicht unabdingbar.

Diese Bewertung der Sach- und Rechtslage durch den Senat impliziert allerdings nicht, dass der Antragsteller auf Dauer von Leistungen aufgeschlossen werden kann, die ihm den Aufbau einer engeren persönlichen Beziehung zu seiner Tochter ermöglichen können. Vom Vorliegen eines unabweisbaren Bedarfs, der den Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel rechtfertigt, wird hierbei allerdings umso eher ausgegangen werden können, je nachhaltiger sich der Antragsteller auch sonst glaubhaft darum bemüht, durch alltägliche Formen direkter Kommunikation eine persönliche Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen und zwischen ggf. von ihm durchgeführten Besuchsreisen wirksam aufrecht zu erhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.