Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.10.1992, Az.: 10 L 217/89
Einkommensteuerfreiheit; Lohnsteuerfreiheit; Wohnsiedlung; Britischer Soldat; Angehörige; NATO-Truppenstatut; Mindereinnahme; Sonderbelastung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.10.1992
- Aktenzeichen
- 10 L 217/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 13425
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1992:1030.10L217.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover 09.03.1989 - 6 A 190/85
- nachfolgend
- BVerwG - 12.11.1993 - AZ: BVerwG 7 C 1/93
Rechtsgrundlagen
- Art. 106 Abs. 8 GG
- Art. 10 NATOTrStat
Fundstellen
- DVBl 1993, 904 (amtl. Leitsatz)
- DÖV 1993, 970 (amtl. Leitsatz)
- KStZ 1993, 112
Amtlicher Leitsatz
Die Einkommen- und Lohnsteuerfreiheit der in Wohnsiedlungen einer Gemeinde lebenden britischen Soldaten und ihrer Angehörigen auf Grund des Art X NATO-Truppenstatut führt zu keiner Mindereinnahme (Sonderbelastung) im Sinne des Art 106 Abs 8 Satz 1 GG.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer Hannover - vom 9. März 1989 geändert.
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Anschlußberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten aufgrund des Art. 106 Abs. 8 GG eine Geldleistung für den Ausfall von Einkommensteuer, den sie hinsichtlich der in ihrem Gemeindegebiet wohnenden und von der Einkommensteuer befreiten Angehörigen der britischen Streitkräfte erleidet.
Die Klägerin ist ein nördlich von Hannover gelegener Kurort, der - nach ihren Angaben - im Jahre 1976 12.801 Einwohner hatte, von denen 2.706 Personen - also ca. 21 % - britische Staatsangehörige waren. An das Gebiet der Klägerin schließt sich im Südosten der gemeindefreie Bezirk Osterheide an. In diesem Bezirk befindet sich der Truppenübungsplatz Bergen mit dem sogenannten Lager Oerbke, in dem britische Streitkräfte stationiert sind. Die englischen Soldaten wohnen mit ihren Angehörigen zum Teil im Gebiet des gemeindefreien Bezirks Osterheide, überwiegend jedoch im Gemeindegebiet der Klägerin, und zwar in den Wohngebieten "Wiethop" und "Obere Teichstraße", "Weinberg" und "Oerbkerberg" sowie "Adolphsheide". Sie lebten in Wohnungen, die in den Jahren ab 1962 errichtet wurden, und zwar etwa je zur Hälfte vor und ab 1970. Die Klägerin erhielt in der Vergangenheit von der Beklagten keinerlei Leistungen, um die nach ihrer Ansicht durch die Stationierung der Streitkräfte entstehenden Nachteile auszugleichen.
Sie begehrte mit Antrag vom 8. Juli 1976 bei der Beklagten, ihr rückwirkend seit dem Jahr 1971 eine Bundesfinanzhilfe nach Art. 106 Abs. 8 GG zum Ausgleich laufender Garnisonsfolgebelastungen zu gewähren. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 4. April 1977 ohne Rechtsmittelbelehrung ab. Die Klägerin erhob Widerspruch und beschränkte ihren Anspruch auf einen Ausgleichsbetrag für 1976 in Höhe von 141.083,-- DM. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1985 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 1. November 1985 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, daß die Beklagte in ihrem Bereich besondere Einrichtungen veranlaßt habe, die ihr unmittelbar Sonderbelastungen verursachten, deren Übernahme ihr nicht zugemutet werden könne. Sie habe daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleich gemäß Art. 106 Abs. 8 GG. Die Beklagte sei Veranlasserin der Wohnsiedlungen für die britischen Streitkräfte gewesen. Die Mitglieder dieser Stationierungsstreitkräfte wie auch deren Angehörige seien als britische Staatsbürger nicht zur Zahlung deutscher Einkommensteuer verpflichtet. Sie - die Klägerin - erhalte daher aufgrund des derzeitigen Systems des Finanzausgleichs für diesen Personenkreis keine Einkommensteuerbeteiligung. Im Jahr 1976 seien ihr dadurch Mindereinnahmen in Höhe von 141.083,-- DM entstanden. Die Bedeutung der Einkommensteuerbeteiligung der Gemeinden sei in den letzten Jahren immer mehr gestiegen, so daß auch der Finanzausgleich zwischen dem Land Niedersachsen und ihr - der Klägerin -, der an der Zahl der Einwohner orientiert sei und in den die britischen Einwohner auch miteinbezogen würden, keinen finanziellen Ersatz für die Minderleistungen aus der Einkommensteuerbeteiligung biete.
Berücksichtigungsfähige finanzielle Vorteile entstünden durch die Anwesenheit der britischen Staatsangehörigen nicht. Die Sonderbelastung sei ihr - der Klägerin - auch nicht zumutbar, da es sich um eine jährlich wiederkehrende Belastung handele, die ihre Finanzkraft auf Dauer übersteige.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. April 1977 sowie ihren Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin einen Betrag von 141.083,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, daß Art. 106 Abs. 8 GG nicht dazu diene, Steuerausfälle der Gemeinden auszugleichen, die auf einer gesetzlichen Steuerfreiheit beruhten. Nachteile wie die von der Klägerin genannten müßten im Rahmen des allgemeinen Finanzausgleichs berücksichtigt werden. Abgesehen davon lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Vorschrift nicht vor, insbesondere seien die hier fraglichen Wohnsiedlungen nicht von ihr - der Beklagten - veranlaßt worden. Die von der Klägerin vorgelegte Berechnung der Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer beruhe auf einer hypothetischen Betrachtungsweise, die einen finanziellen Ausgleich nach der hier maßgeblichen Vorschrift nicht erlaube. Überdies gereiche die Ansiedlung der britischen Soldaten und ihrer Familienangehörigen der Klägerin zum finanziellen Vorteil. Schließlich sei die Mindereinnahme in der errechneten Höhe von 141.083,-- DM der Klägerin als Sonderbelastung zumutbar. Sie betrage nur ca. 1 % des Gesamthaushalts und sei somit geringfügig.
Das Verwaltungsgericht hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben, ob und welche finanziellen Vorteile der Klägerin für das Jahr 1976 durch die Mitglieder britischer Streitkräfte und deren Angehörige erwachsen sind, die im Jahr 1976 im Gemeindegebiet der Klägerin wohnten. Wegen des Gutachteninhalts wird auf die Beiakte C verwiesen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 9. März 1989 im Umfang von 129.292,33 DM stattgegeben. Es hat ausgeführt, daß der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsleistungen aus Art. 106 Abs. 8 GG für das Jahr 1976 in dieser Höhe zustehe. Denn die Mindereinnahmen der Klägerin beim gemeindlichen Einkommensteueranteil seien durch die besondere Einrichtung "Wohnsiedlungen" bzw. die in ihnen wohnenden britischen Staatsangehörigen unmittelbar verursachte Sonderbelastungen.
Die britischen Wohnsiedlungen würden unter den Einrichtungsbegriff des Art. 106 Abs. 8 GG fallen. Denn darunter würden u.a. Anlagen gegenständlich-technischer Art wie Gebäude, militärische Anlagen, Wohnsiedlungen usw. zu verstehen sein. Darauf, wer Träger der Einrichtung sei, komme es für den Einrichtungsbegriff nicht an. Daher könne auch jeder Dritte wie hier ein Privater Träger einer Einrichtung sein. Maßgeblich sei vielmehr allein, daß der Bund die Einrichtung veranlaßt habe.
Die Wohnsiedlungen seien von der Beklagten zumindest mitveranlaßt worden. Das "Veranlassen" setze über eine reine Ursächlichkeit hinaus ein gewisses Maß an zielgerichtetem Handeln voraus. In diesem Sinne habe die Beklagte die Ansiedlung britischer Familien im Rahmen ihrer Verteidigungsaufgaben innerhalb der NATO veranlaßt. Sie sei Vertragspartner der über die Wohnungen der Briten abgeschlossenen Mietverträge und gewähre durch das Bundesvermögensamt eine Mietpreisgarantie. Zudem ermögliche erst ihre im Bundesgebiet bestehende Hoheitsgewalt die Ansiedlung der Briten. Sie habe daher zielgerichtet bei der Errichtung der Wohngebiete und der Ansiedlung der britischen Streitkräfte mitgewirkt.
Die Wohnsiedlungen seien auch "besondere" Einrichtungen im Sinne der Anspruchsnorm. Dies sei immer dann zu bejahen, wenn die Einrichtungen nicht in allen vergleichbaren Gemeinden, sondern nur in einzelnen oder in einer einzigen Gemeinde veranlaßt würden. Dies sei bei den für die Familien der britischen Soldaten errichteten Wohnsiedlungen der Fall.
Diese Wohnsiedlungen würden der Klägerin unmittelbar Sonderbelastungen in Form von Einkommensteuerausfällen verursachen. Die Wohnsiedlungen an sich würden keine besondere Belastung darstellen. Doch sei mit ihrer Errichtung zwangsläufig die Belegung mit Angehörigen der britischen Truppen verbunden. Diese Personen, die gemäß § 1 EStG in der Fassung vom 5. September 1974 (BGBl I S. 2165) mit ihren Truppenbezügen steuerpflichtig wären, seien gemäß Art. X NATO-Truppenstatut vom 19. Juni 1991 (BGBl II 1961, S. 1190 u. BGBl II 1963, S. 745) von der Einkommensteuerpflicht befreit. Dieser als Einheit zu betrachtende, durch die Beklagte veranlaßte Vorgang führe zu der errechneten Steuermindereinnahme. Es entspreche Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, in atypischen Belastungsfällen, die wie hier vom Finanzausgleichssystem der Art. 104 a ff GG nicht erfaßt würden, in denen vielmehr vom Bund veranlaßte Maßnahmen zu einer Mindereinnahme bei einer Gemeinde führten, Ausgleichsleistungen zu zahlen.
Die Sonderbelastung sei unmittelbar verursacht und nicht bloß hypothetisch. Die Einkommensteuermindereinnahme sei aufgrund der gesetzlichen Regelung zwangsläufige Folge der Ansiedlung britischer Truppen. Das zwangsläufige Bestehen einer Sonderbelastung genüge, um den Begriff der unmittelbaren Verursachung auszufüllen. Der Bund gewähre nämlich nach den Grundsätzen über die Gewährung von Ausgleichsleistungen des Bundes an Gemeinden nach Art. 106 Abs. 8 GG als Folge von Grundsteuermindereinnahmen (Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Wirtschaft 1976, S. 430) den betroffenen Gemeinden in dem vergleichbaren Fall der Grundsteuermindereinnahmen einen finanziellen Ausgleich. Danach gleiche der Bund Mindereinnahmen aus, die dadurch entstünden, daß Grundbesitz des Bundes nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrundStG vom 7. August 1973 (BGBl I S. 586) von der Grundsteuer befreit sei. Diese Grundsteuerbefreiung genieße auch der Grundbesitz der Bundeswehr, wenn er für die der Bundeswehr typischen Zwecke benutzt werde, u.a. auch für sogenannte Kasernengrundstücke. Auch in diesem Fall werde eine gesetzlich vorherbestimmte Steuermindereinnahme, die aufgrund der Veranlassung einer besonderen Einrichtung (Bau einer Kaserne) im Gemeindegebiet entstehe, durch Zahlungen des Bundes ausgeglichen.
Die Mindereinnahme von 141.083,-- DM stelle für die Klägerin eine unzumutbare Sonderbelastung dar. Bei einer Gesamtbetrachtung des Einzelfalles stelle die Mindereinnahme, obwohl sie nur ca. 1 % des Gesamthaushalts der Klägerin aus dem Jahre 1976 (14.329.464,58 DM) ausmache, keine Bagatellbelastung dar, deren Hinnahme von der Klägerin als Opfer im Gesamtinteresse verlangt werden könne. Denn die Sonderbelastung trete als Dauerbelastung jedes Jahr wieder auf.
Durch die Anwesenheit der Truppenangehörigen seien der Klägerin für das Jahr 1976 nur geringfügige finanzielle Vorteile erwachsen (11.790,67 DM), die gemäß Art. 106 Abs. 8 Satz 2 GG die Ausgleichszahlung auf (141.083,-- DM minus 11.790,67 DM =) 129.292,33 DM verringere. Die finanziellen Vorteile habe der Gutachter zutreffend festgestellt, und zwar Grundsteuermehreinnahmen in Höhe von 3.511,67 DM und Gewerbesteuermehreinnahmen in Höhe von 8.279,-- DM. Weitere finanzielle Vorteile wie etwa durch den Besuch der Bäder durch die Truppenangehörigen würden nicht entstehen.
Gegen das am 19. April 1989 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Mai 1989 Berufung eingelegt. Sie hält die Voraussetzungen des Art. 106 Abs. 8 GG für nicht gegeben. Diese Vorschrift habe gegenüber dem kommunalen Finanzausgleich, der der Klägerin hinreichende Leistungen bringe, nachrangige Bedeutung. Die Finanzverantwortung für die Gemeinden obliege nach dem Grundgesetz grundsätzlich den Ländern.
Sie bezweifle weiterhin, ob die Wohnungen der britischen Streitkräfte auf dem Gebiet der Klägerin überhaupt Einrichtungen im Sinne der Anspruchsnorm seien. Diese Wohnungen seien im Rahmen völkerrechtlicher Vereinbarungen errichtet und daher nicht von der beklagten Bundesrepublik veranlaßt worden.
Die Klägerin habe 1976 keine Einkommensteuer-Mindereinnahmen gehabt. Es sei zwar richtig, daß die Briten gemäß Art. X des NATO-Truppenstatuts von der Einkommen- und Lohnsteuer befreit seien und daher bei der Festsetzung des der Klägerin zustehenden Einkommensteueranteils nicht berücksichtigt würden. Dies sei aber eine gesetzlich angeordnete Rechtsfolge. Auf den Grund der Steuerbefreiung komme es nicht an. Art. 106 Abs. 5 GG garantiere den Gemeinden ihren Einkommensteueranteil nur unter Einschluß gesetzlicher Steuerbefreiungen. Im übrigen orientiere sich der Einkommensteueranteil einer Gemeinde nicht an Bedarfsgesichtspunkten, sondern werde ausschließlich auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner berechnet.
Das Verwaltungsgericht setze zu Unrecht Einkommensteuer-Mindereinnahmen mit Grundsteuer-Mindereinnahmen gleich. Bei den Grundsteuer-Mindereinnahmen handele es sich um reale Steuerausfälle, die unmittelbar dadurch verursacht würden, daß die etwa für militärische Zwecke genutzten Grundstücke von der Grundsteuer befreit seien. Entscheidend sei hiernach nicht der Tatbestand der Steuerbefreiung als solcher, sondern ausschließlich die Frage, ob die besondere Einrichtung aufgrund des Steuerbefreiungstatbestandes unmittelbar Mindereinnahmen im Sinne des Art. 106 Abs. 8 GG verursacht habe. In diesem Sinne sei die geltend gemachte Einkommensteuer-Mindereinnahme fiktiv. Denn hätte die Klägerin im streitigen Haushaltsjahr 1976 nicht die 2.706 Briten in Fallingbostel aufgenommen, dann wäre an deren Stelle nicht eine entsprechende Anzahl Deutscher, der Einkommensteuerpflicht unterliegender Einwohner getreten. Mindereinnahmen lägen also nur dann vor, wenn die Gemeinde vor Schaffung der fraglichen Einrichtung Einnahmen gehabt habe oder aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen hätte haben können, die ihr nun als Folge dieser Einrichtung entgangen seien. Vor den Briten seien dieselben Wohnungen aber auch nicht von deutschen Einwohnern bewohnt worden. Der Bund habe daher bisher weder fiktive Einkommensteuer-Mindereinnahmen noch fiktive Gewerbesteuer-Mindereinnahmen als ausgleichsfähige Sonderbelastungen im Sinne des Art. 106 Abs. 8 GG anerkannt.
Falls doch eine Sonderbelastung vorliegen sollte, dann wäre diese der Klägerin jedenfalls zumutbar. Es könne dann nicht auf die Zumutbarkeitsgrenze von 0,5 % der Einnahmen des Verwaltungshaushalts wie bei Augleichsleistungen für Grundsteuer-Mindereinnahmen im Jahre 1976 zurückgegriffen werden. Vielmehr müsse die Grenze der Zumutbarkeit bei jeder anderen denkbaren Steuermindereinnahme anhand der Tatbestandsmerkmale des Art. 106 Abs. 8 GG individuell neu bestimmt werden. Die Klägerin würde aber im Vergleich zu anderen Gemeinden bei einer haushaltsmäßigen Belastung durch den Einkommensteuerausfall von 0,98 % des Gesamthaushalts des Jahres 1976 kein Sonderopfer erbringen. Die Klägerin sei vielmehr eine reiche Gemeinde und habe 1976 und in den Folgejahren erhebliche Rücklagen bilden können. Im übrigen sei jedes Haushaltsjahr für sich zu sehen, hier also das streitgegenständliche Haushaltsjahr 1976, so daß von einer Dauerbelastung des Haushalts der Klägerin durch die Einkommensteuerbefreiung der britischen Bewohner der Wohnsiedlungen nicht gesprochen werden könne. Auch habe die Klägerin einen zumutbaren Eigenanteil an einer etwaigen Sonderbelastung zu tragen.
Der fiktive Einkommensteuerverlust werde in jedem Fall durch die erhöhten Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs aufgefangen. Der kommunale Finanzausgleich schaffe nicht nur einen Ausgleich für Mehrausgaben für Schulen, kommunale Einrichtungen und die allgemeine Verwaltung, den die Klägerin aber nicht mehr geltend mache, sondern auch für die Nichtberücksichtigung der Familien der britischen Soldaten bei der Zurechnung des gemeindlichen Anteils an der Einkommensteuer. Denn die Briten würden im kommunalen Finanzausgleich auf der Bedarfsseite bei der Bildung der Ausgangsmeßzahl berücksichtigt. Grundlage für die Ermittlung der Ausgangsmeßzahl sei gemäß §§ 4, 5 Nds. FAG die Zahl der Einwohner der Gemeinde, die nach der Gemeindegröße modifiziert werde. Da die Familien der britischen Soldaten nicht meldepflichtig seien, würden sie bei der Ermittlung der Einwohnerzahl nach § 26 FAG nicht berücksichtigt. Gemäß Nr. 4.11 des Runderlasses des Niedersächsischen MI vom 16. Juli 1976 (Nds. MBl S. 1330) in Verbindung mit § 28 FAG würden jedoch zusätzlich für jede von Angehörigen der britischen Streitkräfte in Fallingbostel genutzte Wohnung drei Einwohner angerechnet, wodurch sich die Einwohnerzahl für die Feststellung der Ausgangsmeßzahl bei 902 Wohnungen um 2.706 auf 12.953 erhöht habe. Somit sei von einem Bevölkerungsansatz in Höhe von 16.308 (= 125 %) für die Schlüsselzuweisungen und einem entsprechend erhöhten Ansatz bei den Zuschüssen für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises auszugehen. Infolge der Anwesenheit der Familien der britischen Soldaten habe die Klägerin im kommunalen Finanzausgleich 1976 488.312,-- DM mehr erhalten, als sie ohne deren Vorhandensein erhalten hätte.
Liege damit keine Störung des Systems des kommunalen Finanzausgleichs vor, so komme noch hinzu, daß die Klägerin erhebliche Mehreinnahmen an Grundsteuer und Gewerbesteuer durch die Briten in Fallingbostel erzielt habe. Dem Gutachten von Professor Dr. Thieme könne insoweit nicht gefolgt werden, weil es auf unrichtigen und geschönten Angaben der Klägerin, nicht aber auf eigenen Ermittlungen des Sachverständigen beruhe. Wegen der Berechnung der Mehreinnahmen im einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beklagten Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und die Anschlußberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, das angefochtene Urteil zu ändern und der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und verteidigt hinsichtlich des Grundes ihrer Forderung das angefochtene Urteil, hinsichtlich der Höhe aber folgt sie dem Sachverständigengutachten. Ergänzend trägt sie vor:
Die Einkommensteuer-Mindereinnahmen würden eine Parallelität zu den Grundsteuer-Mindereinnahmen aufweisen. Nach den Grundsätzen über den Ausgleich von Grundsteuer-Mindereinnahmen 1992 sollten Grundsteuerausfälle durch Grundbesitz des Bundes, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Grundsteuergesetz von der Grundsteuer befreit sei, als Sonderbelastung im Sinne von Art. 106 Abs. 8 GG ausgleichsfähig sein. Damit habe der Bundesminister der Finanzen für die insoweit als "veranlaßte Einrichtung" zu definierenden Grundstücke anerkannt, daß eine spezialgesetzlich normierte Befreiung von einer gemäß Art. 106 GG der gemeindlichen Finanzhoheit zuzurechnenden Abgabe ausgleichsfähig sei. Diese im Wege einer Verwaltungsvorschrift manifestierte Rechtsauffassung des Bundesministers der Finanzen lege den Schluß nahe, daß die über Art. X des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1951 geregelte Befreiung der Angehörigen ausländischer Stationierungsstreitkräfte von der Einkommensteuer, an der den Gemeinden gemäß Art. 106 Abs. 5 GG ein Anteil originär zustehte, die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 106 Abs. 8 GG ebenfalls erfülle.
Die Einkommensteuer-Mindereinnahmen seien nicht fiktiv, sondern würden durch die Anwesenheit der Briten unmittelbar verursacht. Bei dem gemeindlichen Anteil an der Einkommensteuer gemäß Art. 106 Abs. 5 GG handele es sich aufgrund der darin normierten Ertragshoheit um eigene Einnahmen der Gemeinde. Dieser Gemeindeanteil werde gemäß § 3 Abs. 1 des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 8. September 1969 auf der Grundlage der in der jeweiligen Gemeinde gemeldeten Wohnsitze der Steuerpflichtigen zugerechnet. Die Tatsache, daß die Briten nicht meldepflichtig im Sinne dieser Vorschrift seien, führe unmittelbar zu einer entsprechenden Minderung der Verteilungsgrundlage. Damit dürfte ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang zwischen den auf ihrem Gebiet befindlichen britischen Wohnsiedlungen und den Mindereinnahmen bei der Einkommensteuerbeteiligung vorliegen. Denn umgekehrt würden Angehörige deutscher Streitkräfte Einkommensteuer zahlen.
Durch die Einkommensteuer-Mindereinnahmen liege eine erhebliche Störung des Systems der kommunalen Finanzen vor, zumal die Briten über 20 % der Einwohnerschaft Fallingbostels ausmachten und die Einkommensteuer als Einnahmequelle immer wichtiger werde. Wenn der Bund daher in einer Gemeinde bestimmte Einrichtungen schaffe, für deren Bewohner die Gemeinde im Rahmen ihrer Allzuständigkeit die kommunale Betreuung zu übernehmen habe, dann müsse der Bund ihr auch alle der Kostendeckung dienenden Einnahmequellen einschließlich der Einkommensteuer garantieren.
Es handele sich bei der Einkommensteuer-Mindereinnahme um eine dauernde Sonderbelastung. Denn der besondere Finanzbedarf der Gemeinde durch die Zuweisung einer bestimmten Anzahl von Einwohnern gehe nicht einher mit dem sonst üblichen Anwachsen des gemeindlichen Anteils an der Einkommensteuer. Die dadurch verursachte Sonderbelastung sei unzumutbar, wenn man wie bei den Grundsteuer-Mindereinnahmen die Grenze von 0,5 % der Einnahmen des Verwaltungshaushalts zugrundelege. Aber auch das Anwachsen der Einwohnerzahl Fallingbostels durch die Briten innerhalb weniger Jahre um mehr als 3.000 Personen bei einer Ausgangszahl von rd. 10.000 Einwohnern sei als atypisch zu bezeichnen. Wenn somit 1.000 Familien mit durchschnittlichen Einkommensverhältnissen bei einem Gesamteinwohneranteil von rd. 22 % bei der Berechnung des Einkommensteueranteils unberücksichtigt blieben, so dürfe das ein Fall sein, der nicht mehr als von den Steuerverteilungsgrundsätzen des Art. 106 GG gedeckt erscheine.
Das Anwachsen der Einwohnerzahl um 22 % mit steigender Tendenz führe kausal zu einem erhöhten Finanzbedarf. Der erhöhte Finanzbedarf werde nur teilweise durch erhöhte Schlüsselzuweisungen im kommunalen Finanzausgleich aufgefangen, so daß infolge der Nichtberücksichtigung der Briten bei der Einkommensteuerbeteiligung eine tatsächliche Mindereinnahme entstehe. Insbesondere führe der Runderlaß des Niedersächsischen Innenministers vom 10. Juni 1970, wonach jede britische Wohnung anstelle der durchschnittlichen Belegung mit vier Personen nur mit drei Personen gerechnet werde, nicht dazu, daß sie aus dem kommunalen Finanzausgleich einen Vorteil ziehe.
Sie - die Klägerin - könne dem Verwaltungsgericht aber nicht hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Ausgleichsforderung zustimmen. Das Verwaltungsgericht habe Mehreinnahmen aus der Grund- und Gewerbesteuer in Höhe von 11.790,-- DM entgegen der Empfehlung des Gutachters als finanzielle Vorteile ausgleichsmindernd angerechnet. Zusammen mit den Schlüsselzuweisungen würde dadurch aber der Einkommensteuerausfall hinsichtlich der britischen Einwohner nicht ungeschmälert ausgeglichen. Denn die sogenannten Vorteile aus den Mehreinnahmen bei der Grund- und Gewerbesteuer wären nämlich auch bei einer Nutzung der Wohnsiedlungen durch Bundeswehrangehörige erzielt worden. Mithin seien sie keine ausschließlich den Briten zuzurechnenden Vorteile. Im übrigen stehe zwar fest, daß die Gesamtheit der britischen Einwohner mit einer Stärke von ca. 3.000 Personen für die Stadt bei einer Gesamteinwohnerzahl von rd. 13.500 Personen einen Wirtschaftsfaktor darstelle. Soweit der Stadt hieraus Steuereinnahmen zuflössen, würden sich diese für sie negativ auf den kommunalen Finanzausgleich sowie auf die von ihr zu leistenden Gewerbesteuer- bzw. Kreisumlagen auswirken. Die restlichen Mehreinnahmen mit den so geminderten Schlüsselzuweisungen würden wegen des Einkommensteuerausfalls immer noch zu einer Deckungslücke in Höhe der geltend gemachten Restforderung führen. Wegen der Berechnungen im einzelnen wird auf die Schriftsätze der Klägerin Bezug genommen.
Von den Mindereinnahmen brauche sie keinen Eigenanteil zu tragen, da ihr nach Art. 106 Abs. 8 GG der volle Ausgleich zustehe.
Wegen des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, insbesondere der beigefügten Berechnungen und Anlagen, auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie auf die Gerichtsakten 2 OVG A 79/88, 6 VG A 89/85 Bezug genommen.
II.
Die Berufungen der Beteiligten sind zulässig, aber nur die Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus Art. 106 Abs. 8 GG auf finanziellen Ausgleich dafür, daß die in ihrem Stadtgebiet wohnenden Briten gemäß Art. X des NATO-Truppenstatuts keine Einkommen- und Lohnsteuer zahlen.
Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht zunächst in dessen Auffassung, daß die Wohnsiedlungen der Briten im Stadtgebiet der Klägerin besondere Einrichtungen im Sinne des Art. 106 Abs. 8 Satz 1 GG darstellen. Zwar ist die Klägerin keine typische Garnisons- bzw. Standortgemeinde, sondern nur Anliegergemeinde. Die eigentliche Haupteinrichtung, der seit dem Übergabeabkommen mit Wirkung vom 1. April 1958 als solcher betriebene NATO-Truppenübungsplatz Bergen mit dem Lager Oerbke, in dem die britischen Streitkräfte stationiert sind, befindet sich im benachbarten gemeindefreien Bezirk Osterheide; auf ihrem Gebiet dagegen befinden sich nur Wohnungen. Die vom Verwaltungsgericht zitierte herrschende Auffassung versteht unter Einrichtung im Sinne der Verfassungsvorschrift jedoch nicht nur Bundeseinrichtungen, sondern auch deren Folgeeinrichtungen. Da die Mindermeinung vertritt, daß Einrichtungen im Sinne des Art. 106 Abs. 8 Satz 1 GG nicht die primären Bundesmaßnahmen, sondern die durch sie veranlaßten Sekundäreinrichtungen sind (vgl. Vogel/Walter, BK (Stand Dezember 1972), Art. 106 GG RdNr. 139; von Münch/Fischer-Menshausen, Grundgesetzkommentar, Bd. 3, 2.Aufl. 1983, Art. 106 RdNr. 40), kommen beide Auffassungen insoweit zu demselben Ergebnis. Da sich bei den Folgeeinrichtungen die Notwendigkeit unmittelbar aus den Bundesmaßnahmen ergeben muß (vgl. von Münch/Fischer-Menshausen, aaO) und diese Voraussetzungen bei dem Bau von Wohnungen für Stationierungsstreitkräfte und deren Angehörige gegeben erscheint, ist dem Verwaltungsgericht auch darin zu folgen, daß es letztlich nicht darauf ankommen kann, ob diese Wohnungen von der Klägerin als städtischer Gemeinde oder von Wohnungsbaugesellschaften und anderen privaten Firmen gebaut worden sind.
Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß es sich um besondere Einrichtungen handelt, die in einzelnen Gemeinden - Garnisons- oder Anliegergemeinden - vom Bund veranlaßt worden sind. Stationierungskräfte sind an sich keine Veranlasser im Sinne von Art. 106 Abs. 8 GG. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der Bund nach außen hin sowohl auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts wie des Privatrechts die Eigentümerstellung wahrnimmt und sich daher Handlungen der Stationierungsstreitkräfte zurechnen lassen muß (Maunz/Dürig, GG (Stand 1978), Art. 106 RdNr. 103). Das gilt jedenfalls mit dem Verwaltungsgericht auch deshalb, weil der Bund die seit 1962 errichteten Wohnungen - derzeit 1173, im Streitjahr 1976 902 - angemietet hat. Im übrigen ist nach dem Übergabeabkommen zwischen den britischen Streitkräften, der NATO und der Bundesregierung die Verwaltung und Betreibung des NATO-Truppenübungsplatzes der Bundeswehr übertragen worden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Verwaltungsgerichts verursachen die Wohnsiedlungen der Briten der Klägerin jedoch nicht unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen). Auf Mehrausgaben beruft sich die Klägerin in diesem Verfahren nicht mehr. An Mindereinnahmen macht sie Einkommensteuerausfälle gemäß Art. X Abs. 1 des NATO-Truppenstatuts geltend, wonach die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges in dem Aufnahmestaat von jeder Steuer auf Bezüge und Einkünfte befreit sind, die ihnen in ihrer Eigenschaft als derartige Mitglieder von dem Entsendestaat gezahlt werden.
Die geltend gemachten Einkommensteuerausfälle sind zunächst keine unmittelbare Folge des Baus und Betriebs der Wohnsiedlungen. Mit den Bau- und Betriebskosten ist die Klägerin, soweit ersichtlich, nicht belastet worden. Die Mieten an die privaten Wohnungsbauträger zahlt der Bund. Die Klägerin erhält indessen Grundsteuer(mehr-)einnahmen für die mit den Wohnungen bebauten gemeindezugehörigen Grundstücke, die sie vorher nicht erzielt hat. Deshalb erhält sie von der Beklagten auch keinen Ausgleich nach Art. 106 Abs. 8 GG für Grundsteuer-Mindereinnahmen.
Die Unterbringung von Stationierungsstreitkräften und ihren Angehörigen in Wohnungen im Stadtgebiet der Klägerin erhöht unmittelbar nur die Bevölkerung der Stadt. Sie führt nach der derzeitigen Bemessung des gemeindlichen Finanzbedarfs aufgrund einer Einwohnergewichtung nach Gemeindegrößenklassen zu einem erhöhten gemeindlichen Finanzbedarf. Die Unterbringung der Briten stellt damit sicherlich ein strukturelles Merkmal der Gemeinde dar. Es gibt aber auch andere strukturelle Merkmale wie etwa die Zahl der Arbeitslosen, der Anteil von alten Menschen und Kindern sowie von Sozialhilfeempfängern, die als Indikatoren für einen erhöhten Finanzbedarf angesehen werden könnten, nach dem derzeit noch mit dem Grundgesetz zu vereinbarenden § 9 Abs. 3 FAG (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. 5. 1992 - 2 BvF 1,2/88, 1/89, 1/90 -, DVBl 1992, 965, 971 f) aber gegenwärtig nicht berücksichtigt werden.
Der behauptete Einkommensteuerausfall ist vielmehr mittelbarer Natur. Er entsteht dadurch, daß die gebauten Wohnungen mit britischen Soldaten und ihren Angehörigen belegt sind, die nach dem geltenden Recht keine Einkommensteuer zu zahlen haben. Ebenso mittelbar erhält die Klägerin Gewerbesteuer-Mehreinnahmen durch die in ihrem Stadtgebiet wohnenden Briten, da die Briten nicht nur einen höheren Finanzbedarf auslösen, sondern auch eine Wirtschaftskraft - wie die Klägerin selbst einräumt: einen Wirtschaftfaktor - darstellen.
Die streitigen Einkommensteuerausfälle werden also durch das Recht, das Gesetz, selbst vermittelt und entstehen deshalb nicht unmittelbar. Daher schützt die grundgesetzliche Finanzzuweisung - für die Einkommensteuer durch Art. 106 Abs. 3 und 5 GG - die Gemeinden nicht gegen Änderungen des Steuerrechts, die zur Senkung der Steuern führen (von Münch/Fischer-Menshausen, aaO, RdNr. 32). Die kommunale Ertragshoheit ist nur insoweit gewährleistet, als die zugewiesenen Steuern erhoben und Erträge nach dem zugrundeliegenden Steuerrecht erzielt werden (BVerfGE 26, 172, 184 [BVerfG 10.06.1969 - 2 BvR 480/61]) [BVerfG 10.06.1969 - 2 BvR 480/61]. Daß die Klägerin den ihr nach diesen Grundsätzen und dem geltenden Einkommensteuerrecht zustehenden Gemeindeanteil an der Einkommensteuer nicht erhält, macht sie aber nicht geltend.
Entscheidend steht dem Anspruch der Klägerin entgegen, daß Art. 106 Abs. 8 GG nur den Ausgleich von "Mindereinnahmen" zuläßt. Er setzt damit voraus, daß vor der Schaffung der Bundeseinrichtung vorhandene Steuereinnahmen wegfallen (BT-Drucks. VI/3418 v. 25. 1. 1973 zum Entwurf eines zweiten Steuerreformgesetzes, S. 94, hinsichtlich des Wegfalls von Grundsteuereinnahmen; Heckt, Die Neuordnung der verfassungsrechtlichen Grundlagen der gemeindlichen Selbstverwaltung, DÖV 1957, 164, 168). Derartige Einkommensteuereinnahmen hat die Klägerin vor Ansiedlung der Briten in ihrem Stadtgebiet nie gehabt.
Dies gilt zunächst für knapp die Hälfte der Wohnungen der Briten (426 von 902), die vor 1970 errichtet worden sind. Denn die Gemeinde erhält einen Einkommensteueranteil überhaupt erst seit 1970. Nach Art. II des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) ist Art. 106 Abs. 5 GG am 1. 1. 1970 in Kraft getreten. Insoweit konnte keine Einkommensteuer-Mindereinnahme durch die Errichtung dieser Wohnungen entstehen.
Das gilt aber auch hinsichtlich der ab 1970 fertiggestellten Wohnungen. Denn von den Briten sind angesichts ihres besonderen Status vorher nie Einkommensteuern gezahlt worden. Die Briten halten sich als Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges einer Vertragspartei im Hoheitsgebiet einer anderen - der deutschen - Vertragspartei auf. Sie unterliegen daher nicht dem (Einkommensteuer-)Recht des Aufnahmestaates, sondern grundsätzlich dem des Entsendestaates. Soweit daher § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 1975 in der Fassung vom 5. September 1974 (BGBl I S. 2165) die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht natürlicher Personen von einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland abhängig macht, gilt er nicht für die Briten. Denn hängt in dem Aufnahmestaat die Verpflichtung zur Leistung einer Steuer vom Aufenthalt oder Wohnsitz ab, so gelten die Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges nur in dieser Eigenschaft im Hoheitsgebiet dieses Staates aufhält, im Sinne dieser Steuerpflicht nicht als Zeiten des Aufenthalts in diesem Gebiet oder als Änderung des Aufenthaltsortes oder Wohnsitzes (Art. X Abs. 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut, Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen vom 18. August 1961, BGBl II S. 1183).
Die Briten unterliegen mithin nicht der deutschen Staatshoheit und damit auch nicht der Einkommensteuer-Ertragshoheit der Klägerin aus Art. 106 Abs. 3, 5 GG ("Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner"). Darin liegt der wesentliche Unterschied zu dem für die Anwendung des Art. 106 Abs. 8 GG klassischen Fall der Grundsteuer-Mindereinnahme, wo eine Bundes- oder Folgeeinrichtung auf Grundstücken im Gemeindegebiet errichtet wird. Diese Grundstücke gehören zum deutschen Staatsgebiet und Gemeindegebiet und unterliegen hinsichtlich der Grundsteuer deshalb der Ertragshoheit der Gemeinden aus Art. 106 Abs. 6 GG, so daß wirkliche Grundsteuer-Mindereinnahmen entstehen. Die britischen Stationierungsstreitkräfte und ihr ziviles Gefolge, die sich nur - vorübergehend - im Zusammenhang mit ihren Dienstobliegenheiten in dem Hoheitsgebiet der deutschen Vertragspartei aufhalten (vgl. Art. I Abs. 1 a) NATO-Truppenstatut), sind in diesem Sinn nicht Einwohner der Gemeinde, wie die gemeindezugehörigen Grundstücke Grundstücke der Gemeinde sind. Der Steuerquelle Einkommensteuer fehlt insoweit das Substrat auf Seiten der Gemeinde, wie es bei der Grundsteuer als Realsteuer die Grundstücke des Gemeindegebietes darstellen. Die Briten haben der Klägerin daher keine Einkommensteuern gebracht, sie haben ihr aber auch keine Einkommensteuern genommen. Insbesondere ist durch die Ansiedlung der Briten im Stadtgebiet der Klägerin kein einkommensteuerpflichtiger deutscher Einwohner verdrängt worden.
Aus diesen Gründen können die Grundsätze für die Gewährung von Ausgleichsleistungen des Bundes an Gemeinden nach Art. 106 Abs. 8 GG als Folge von Grundsteuer-Mindereinnahmen vom 9. Juli 1976 (MBl Fin, S. 430) nicht analog auf die von der Klägerin geltend gemachten Einkommensteuer-Mindereinnahmen angewendet werden. Eine gesetzliche bzw. rechtliche Steuerbefreiung ist zwar insoweit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung der Steuermindereinnahme. Vielmehr muß die entsprechende Steuereinnahme schon vor Schaffung der Einrichtung dagewesen sein und mit dem Gemeindegebiet oder ihrer Einwohnerschaft zusammenhängen.
Es handelt sich daher bei den geltend gemachten Einkommensteuer-Mindereinnahmen auch um fiktive Mindereinnahmen. Da sie vor der Errichtung der Wohnsiedlungen nicht erzielt worden sind und in der gegebenen Situation nach dem geltenden Steuerrecht auch nicht zu erzielen waren, müßte die Klägerin darlegen und beweisen, was sie schuldig geblieben ist, daß ohne die Briten entsprechend viele einkommensteuerpflichtige Personen als Einwohner zugezogen wären. Fiktive, d.h. aufgrund eines hypothetischen Kausalverlaufs entsprechend zusätzliche Einnahmen, die ohne die Schaffung der besonderen Einrichtung zu erwarten gewesen wären, stellen keine Mindereinnahme im Sinne der Verfassungsvorschrift dar und begründen keinen Ausgleichsanspruch (OVG Münster, Urt. v. 22. 7. 1981 - 1 A 2994/79 -, DÖV 1982, 907, 908; Heckt, aaO, S. 168). Der Bund hat auch bisher weder fiktive Einkommensteuer-Mindereinnahmen noch fiktive Gewerbesteuer-Mindereinnahmen als ausgleichsfähige Sonderbelastungen im Sinne des Art. 106 Abs. 8 GG anerkannt. Deshalb war die Klägerin nicht berechtigt, in ihrer Berechnung für 1976 die pro deutschem Einwohner durchschnittliche Einkommensteuerbeteiligung von 203,-- DM für die Anzahl der Briten (902 Wohnungen × 3 anzurechnende Einwohner je Wohnung) von 2.706 Personen anzusetzen und damit ihren gemeindlichen Einkommensteueranteil um 549.318,-- DM aufzustocken.
Die Klägerin hat auch deshalb keinen Anspruch auf Ausgleich nach Art. 106 Abs. 8 GG, weil keine Störung der gemeindlichen Finanzverfassung und des kommunalen Finanzausgleichs vorliegt, so daß ihr eine eventuelle Sonderbelastung zuzumuten ist. Die Zumutbarkeit der Sonderbelastung ist das entscheidende, den Ausgleichsanspruch begrenzende Tatbestandsmerkmal des Art. 106 Abs. 8 GG (OVG Münster, aaO, S. 909). Wesentlich ist dabei, daß der Ausgleichsanspruch eine gewisse Evidenz für das Vorliegen einer besonderen Belastung erfordert (Vogel/Walter, BK, Art. 106 RdNr. 132). Eine derartige im Verhältnis zu anderen Gemeinden ungleiche Sonderbelastung der Klägerin vermag der erkennende Senat nicht festzustellen. Denn die Klägerin erhält vielmehr finanzielle Zuweisungen vom Land in Form von Schlüsselzuweisungen, die den Ausgabenmehrbedarf durch die britische Einwohnerschaft pauschaliert berücksichtigen.
Die Entschädigung einer Gemeinde für Steuerausfälle ist eine Frage des Finanzausgleichs (BVerwG, Urt. v. 19. 2. 1971 - BVerwG VII C 79.65 -, Urt.Abdr. S. 5). Der Bund ist nur in den verfassungsrechtlich ausdrücklich eröffneten und eng auszulegenden Fällen wie zum Beispiel des Art. 106 Abs. 8 Satz 1 GG zu eigenen Finanzzuweisungen an die Kommunen befugt (Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, RdNr. 780). Denn der Bund hat durch die Finanzverfassung in Art. 106 Abs. 5 und 6 GG den Kommunen bestimmte Einnahmen gewährleistet. Es besteht aber kein verfassungskräftiges Recht etwa auf das Einkommensteueraufkommen der Gemeinde nach den steuerrechtlichen Normen, wie sie bei der Einfügung des Art. 106 Abs. 5 GG bestanden haben (vgl. BVerfGE 26, 172, 184 f [BVerfG 10.06.1969 - 2 BvR 480/61]ür den Fall des Gewerbesteueraufkommens). Jedenfalls beeinträchtigt eine Senkung der Gemeindesteuer das Selbstverwaltungsrecht dann nicht, wenn die Einbußen der einzelnen Gemeinden auf andere Weise ausgeglichen werden (BVerfGE 26, 172, 183 [BVerfG 10.06.1969 - 2 BvR 480/61]) [BVerfG 10.06.1969 - 2 BvR 480/61]. Abgesehen davon, daß die Klägerin Einkommensteuer von britischen Soldaten und ihren Angehörigen bei Inkrafttreten des Art. 106 Abs. 5 GG zum 1. Januar 1970 und danach nie zu beanspruchen gehabt hatte, erhält sie dennoch einen finanziellen Ausgleich durch das Land Niedersachsen.
Das Grundgesetz hat die Länder trotz Gewährleistung bestimmter kommunaler Einnahmen nicht aus der Verantwortung für die Finanzausstattung ihrer Kommunen entlassen (BVerfG, DVBl 1992, 965, 968). Selbst wenn die Gemeinden einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung - hier auf einen entsprechenden Anteil an der Einkommensteuer - haben sollten, könnte ein solcher Anspruch den Gemeinden nicht gegenüber dem Bund, sondern nur gegenüber den Ländern zustehen. Denn die Sorge für die Gemeindefinanzen fällt grundsätzlich in die ausschließliche Kompetenz der Länder (BVerfGE 26, 172, 181 [BVerfG 10.06.1969 - 2 BvR 480/61]) [BVerfG 10.06.1969 - 2 BvR 480/61]. Art. 106 Abs. 7 GG sieht daher vor, daß die Landesgesetzgebung die Verteilung des Länderanteils an den Gemeinschaftssteuern und des Aufkommens aus den Landessteuern zwischen dem Land und seinen Kommunen zu regeln hat (BVerfG, DVBl 1992, 965, 968). Dies ist für Niedersachsen durch das Gesetz über den Finanzausgleich (FAG) in der Fassung vom 10. September 1973 (Nds. GVBl S. 309) geschehen, und es ist danach verfahren worden.
Denn nach § 4 FAG wird bei größerem Finanzbedarf der Gemeinde (Ausgangsmeßzahl) gegenüber der Steuerkraft unter Berücksichtigung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer (Steuerkraftmeßzahl) die Hälfte des Unterschiedbetrages als Schlüsselzuweisung gewährt. Da Grundlage für die Berücksichtigung des Finanzbedarfs der Kommunen der abstrakte Bedarfsmaßstab der Einwohnerzahl ist (BVerfG, DVBl 1992, 965, 969) und die Briten gemäß § 28 FAG in Verbindung mit Nr. 4.1.1 des Runderlasses des MI vom 16. Juli 1976 über die Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich im Haushaltsjahr 1976 (Nds.MBl S. 1330) bei der Einwohnerzahl dergestalt berücksichtigt wurden, daß für jede Wohnung drei Einwohner gerechnet wurden, hat die Klägerin ihren finanziellen Ausgleich über Schlüsselzuweisungen für das streitige Haushaltsjahr 1976 erhalten. Die unzureichenden Einkommensteuereinnahmen der Klägerin wurden daher durch gezielte Finanzzuweisungen des Landes ergänzt und ausgeglichen (vgl. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, RdNr. 779). Es bleibt aber grundsätzlich gleich und ist daher nicht willkürlich, wenn Mehrbelastungen einer Gemeinde wie hier nur auf der Ausgaben(Bedarfs-)seite berücksichtigt werden, anstatt daß - wie es die Klägerin begehrt - fiktive Einkommensteuer-Mehreinnahmen zunächst die Steuerkraft der Gemeinde (Steuerkraftmeßzahl) erhöhen und dann, weil die Differenz zwischen Steuerkraftmeßzahl (Einnahmen) und Ausgangsmeßzahl (Bedarf) entsprechend geringer ist, zu entsprechend geringeren Schlüsselzuweisungen führen. Auch andere Gemeinden haben strukturelle Schwächen, die durch den kommunalen Finanzausgleich nicht vollkommen ausgeglichen werden können.
Nach allem kommt es auf die von den Beteiligten angestellten Berechnungen zu den finanziellen Vorteilen der Klägerin und der Höhe des Ausgleichsanspruchs sowie auf die Frage, ob die Klägerin einen gewissen Eigenanteil der Sonderbelastungen selbst tragen muß, nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage der Auslegung des Art. 106 Abs. 8 GG zuzulassen.
Dr. Jank
Winzer
Munk