Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.10.1992, Az.: 13 L 2158/92
Vertriebenenausweis; Erteilung des Vertriebenenausweises; Polen; Deutscher Soldat
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.10.1992
- Aktenzeichen
- 13 L 2158/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 13380
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1992:1021.13L2158.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 29.01.1992 - AZ: 8 A 8273/91
- nachfolgend
- BVerwG - 08.11.1994 - AZ: BVerwG 9 C 472.93
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 8. Kammer - vom 29. Januar 1992 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Oktober 1989 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 23. April 1991 verpflichtet, dem Kläger einen Vertriebenenausweis zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelasssen.
Gründe
I.
Der Kläger erstrebt die Erteilung des Vertriebenenausweises.
Er wurde am 5. Februar 1940 in Thorn geboren, reiste am 26. Juli 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf Ausstellung des Vertriebenenausweises. Zuvor war er bereits am 5. November 1988 in das Bundesgebiet eingereist und hatte in Friedland die Aufnahme in das Verteilungsverfahren beantragt. Er verfügte damals "kaum über deutsche Sprachkenntnisse". Nachdem das Bundesverwaltungsamt festgestellt hatte, daß sein Vater als deutscher Soldat erfaßt, jedoch am 9. Januar 1945 der Anders-Armee beigetreten sei, wurde sein Antrag abgelehnt; der Kläger reiste daraufhin wieder nach Polen zurück.
Zur Begründung seines Antrags auf Ausstellung des Vertriebenenausweises machte er folgende Angaben: Sein Vater sei der am 31. Januar 1918 in Dennin/Vorpommern geborene .... Er sei während des 2. Weltkrieges Soldat der Wehrmacht gewesen. Seine Mutter sei die am 19. Januar 1920 in Thorn geborene ..., geb. .... Die Muttersprache der Eltern und die Umgangssprache sei deutsch gewesen. Die Großeltern mütterlicherseits seien der am 19. Mai 1890 geborene ... und die am 23. Januar 1894 geborene ..., geb. .... Die Eltern hätten am 31. Dezember 1937 und am 1. September 1939 in Thorn gewohnt.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 1989 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Voraussetzungen des § 6 BVFG nicht erfüllt seien. Der Vater sei freiwillig der Anders-Armee beigetreten. Dies habe zur Folge gehabt, daß die Familie insgesamt keinem Vertreibungsdruck mehr ausgesetzt gewesen sei. Mit seinem Widerspruch vom 13. November 1989 machte der Kläger geltend: Seine Großeltern mütterlicherseits, die in Westpreußen geboren seien, seien deutsche Staatsangehörige. Dies ergebe sich auch aus dem deutschen Militärpaß seines Großvaters mütterlicherseits, der als Soldat am 1. Weltkrieg teilgenommen habe. Der Bruder der Mutter, ..., sei auch deutscher Soldat im 2. Weltkrieg gewesen. Die Großeltern mütterlicherseits sowie die Mutter und der Bruder hätten der Abteilung 3 der Deutschen Volksliste angehört. Sein Vater sei nur unter Druck der Anders-Armee überstellt worden, weil er dadurch nach Kriegsende wieder schnell zu seiner Familie nach Polen habe zurückkehren können. Er sei nicht aktiv eingesetzt worden. Danach habe er sich in Thorn verborgen gehalten. Als bekannt geworden sei, daß er ehemaliger Deutscher Soldat gewesen sei, habe er in Warschau fünf Monate Zwangsarbeit verrichten müssen. Er habe eine Treueerklärung zum polnischen Volksstaat ablegen müssen. Zum Beweis überreichte der Kläger eine Bescheinigung über die Rehabilitierung des Vaters vom 13. März 1946. Mit Bescheid vom 23. April 1991 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit seiner dagegen am 22. Mai 1991 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Der Beitritt zur Anders-Armee stelle grundsätzlich kein Negativbekenntnis zum deutschen Volkstum dar. Das Treuebekenntnis zum polnischen Staat könne im übrigen nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen. Der Großvater ... habe während des 2. Weltkrieges in Thorn im Heeresnebenzeugamt als Lagerverwalter gearbeitet. Er sei in die Abteilung 2 der Deutschen Volksliste eingetragen gewesen. Der Vater sei bereits 1942 Soldat der Deutschen Wehrmacht gewesen. Prägenden Einfluß auf die Erziehung zum Deutschtum hätten die Mutter und die Großeltern mütterlicherseits genommen. Er selbst sei auch seit dem 12. Dezember 1990 Mitglied des Bundes der Bevölkerung deutscher Volkszugehörigkeit mit Sitz in Thorn.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1989 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 23. April 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Vertriebenenausweis auszustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und ist dem Vorbringen des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Bescheide entgegengetreten.
Mit Urteil vom 29. Januar 1992 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, daß er die deutsche Staatsangehörigkeit oder die deutsche Volkszugehörigkeit besitze. Zwar müsse davon ausgegangen werden, daß sein Vater ... in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen war; denn er habe in der Deutschen Wehrmacht gedient. Dies reiche zum Nachweis der deutschen Volkszugehörigkeit im Sinne von § 6 BVFG aber nicht aus. Weitere Nachweise für ein deutsches Volkstum des Vaters habe der Kläger nicht vorlegen können. Aus der Bescheinigung vom 13. März 1946 im Rehabilitierungsverfahren ergebe sich vielmehr, daß der Vater nur in die "3. oder 4. Gruppe der Deutschen Volksliste" eingetragen gewesen sei. Zweifel an einem Bekenntnis zum deutschen Volkstum wecke darüber hinaus der freiwillige Eintritt in die "Anders-Armee". In dieser polnischen Freiwilligen-Armee, die gegen die Deutsche Wehrmacht gekämpft habe, habe der Vater des Klägers über ein Jahr lang Dienst getan. Diese Tatsache könne zumindest nicht als positives Bekenntnis zum deutschen Volkstum gewertet werden. Mithin fehlten auch Anhaltspunkte für eine deutsche Staatsangehörigkeit des Vaters. Nachweise für eine deutsche Volkszugehörigkeit der Mutter fehlten gleichfalls. Auch hier habe der Kläger lediglich angegeben, daß sie und die Großeltern mütterlicherseits in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen worden seien. Für die im Klageverfahren behauptete Eintragung des Großvaters in die Abteilung 2 fehlten jegliche Anhaltspunkte. Der Kläger habe darüber hinaus nicht glaubhaft machen können, daß er Polen aus vertreibungsbedingten Gründen verlassen habe. Die dafür bestehende gesetzliche Vermutung gelte für Aussiedler aus Polen seit dem 7. April 1989 nicht mehr fort. Der Kläger habe erstmals seinen Wohnsitz am 26. Juli 1989 im Bundesgebiet begründet. Seine Einreise im November 1988 sei nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht mit einer Aufgabe des Wohnsitzes in Polen verbunden gewesen, so daß auf diesen Zeitpunkt nicht abgestellt werden könne. Der Kläger habe keine Anhaltspunkte dafür geliefert, daß er mit seiner Ausreise einem gegen ihn als Angehörigen der deutschen Minderheit gerichteten Vertreibungsdruck gewichen wäre. Zwar hätten ihm offensichtlich seine Arbeitskollegen nahegelegt, nach Deutschland zu fahren; Benachteiligungen wegen seines - behaupteten - deutschen Volkstums habe er nach eigenen Angaben jedoch nicht erfahren.
Gegen das ihm am 1. April 1992 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. April 1992 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II.
Die zulässige Berufung, über die gemäß §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtswidrig. Dem Kläger steht der erstrebte Vertriebenenausweis zu.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Verwaltungsgericht hier hinsichtlich des Klägers die rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der deutschen Volkszugehörigkeit sog. frühgeborener bekenntnisunfähiger Kinder herangezogen. Danach richtet sich deren Volkszugehörigkeit allein nach formalen Zurechnungskriterien: Einem in der Familie lebenden frühgeborenen bekenntnisunfähigen Kind wird die in ihr zum maßgebenden Zeitpunkt vorhandene volkstumsmäßige Bekenntnislage zugerechnet. Sie war volksdeutsch, wenn beide Elternteile kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen infolge eines zuvor abgelegten Bekenntnisses zum deutschen Volkstum deutsche Volkszugehörige waren oder der dem deutschen Volkstum zugehörende Elternteil für die Bekenntnislage in der Familie prägend war. In diesen Fällen ist auch das frühgeborene bekenntnisunfähige Kind aufgrund bloßer Zurechnung des elterlichen Bekenntnisses ohne weiteres deutscher Volkszugehöriger. Auf seine spätere Entwicklung kommt es für seine Volkszugehörigkeit nicht an. Insbesondere ist nicht erforderlich, daß das Kind tatsächlich bis hin zu seiner Selbständigkeit zum deutschen Volkstum geprägt worden ist, etwa ein bis zur Selbständigkeit fortwirkendes Schlüsselerlebnis gehabt hat, und zwar eben deshalb nicht, weil es im maßgebenden Zeitpunkt bekenntnisunfähig war. Deshalb lassen sich auch aus mangelhaften oder fehlenden deutschen Sprachkenntnissen, die bei einer frühgeborenen, im maßgebenden Zeitpunkt bekenntnisunfähig gewesenen Person im Erwachsenenalter zutage getreten sind, aus Rechtsgründen keine Schlüsse ziehen (BVerwG, Beschl. v. 20. 2. 1991 - 9 B 247.90 -, DÖV 1991, 509).
2. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die deutsche Volkszugehörigkeit der Eltern des Klägers verneint.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG a.a.O. m.w.N.) kann sich ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum auch mittelbar aus einer hinreichenden Anzahl von Indizien, namentlich den in § 6 BVFG angeführten objektiven Bestätigungsmerkmalen, ergeben, sofern deren Indizwirkung nicht durch andere Umstände entkräftet wird. Ein solcher mittelbarer Bekenntnissachverhalt ist hier gegeben. Denn es steht zum einen fest, daß der Vater des Klägers in Dennin bei Anklam geboren ist, sich nach seiner Übersiedlung nach Thorn, wo seine Ehefrau herstammte, dort in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eintrug, und im 2. Weltkrieg deutscher Soldat war. Zum anderen hat der Kläger nachgewiesen, daß seine Mutter aus einer deutschen Familie stammt; ihr Vater wurde 1890 bei Briesen in Westpreußen als Deutscher geboren, nahm als Soldat am 1. Weltkrieg teil, war im 2. Weltkrieg beim Heeres-Nebenzeugamt Thorn beschäftigt und gehörte dort gegen Ende des Krieges noch dem Volkssturm an. Sein 1926 geborener Sohn ..., der Onkel des Klägers, war nachgewiesenermaßen ebenfalls deutscher Soldat. Es ist deshalb davon auszugehen, daß auch die Mutter des Klägers und deren Familie mindestens in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen waren. Die Indizwirkung dieser Umstände wird hier auch nicht dadurch entkräftet, daß der Vater des Klägers am 9. Januar 1945 in der Gefangenschaft der unter britischem Kommando stehenden Anders-Armee beitrat. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann einem solchen Beitritt - der nach einer generellen Auskunft des britischen Verteidigungsministeriums stets "freiwillig" erfolgt sein soll - jedenfalls ohne weiteres nicht mehr als die Absicht entnommen werden, das Los in der Gefangenschafft und eine künftige Repatriierung zu erleichtern (Urt. v. 16. 9. 1992 - 13 L 8501 und 8502/91; vgl. ferner schon BVerwG, Urt. v. 12. 7. 1960 - I C 217.58 -, DÖV 1960, 756; a. A. zu Unrecht OVG Rh.-Pf., Urt. v. 8. 10. 1991, NJW 1992, 1781). Das gilt umsomehr, als ab Januar 1945 Personen aus der Abteilung 3 der Deutschen Volksliste geschlossen in die Anders-Armee eingezogen wurden, ohne daß ihnen eine individuelle Entscheidungsmöglichkeit verblieb (OVG Rh.-Pf. a.a.O., S. 1782 m. Nachw.). Deshalb kann im vorliegenden Fall dem am 9. Januar 1945 erfolgten Eintritt in die Anders-Armee kein Bekenntnis gegen das deutsche Volkstum entnommen werden. Auch der polnische Staat hat die Zugehörigkeit des Vaters zur Anders-Armee im übrigen nicht in diesem Sinne verstanden; sonst wäre es nicht erklärlich, daß der Vater im Anschluß an seine Rückkehr nach Thorn 5 Monate Zwangsarbeit in Warschau leisten und noch eine Treuerklärung gegenüber dem polnischen Volk und Staat abgeben mußte.
3. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht ist der Kläger darüber hinaus (auch) als deutscher Staatsangehöriger anzusehen.
Da sein Vater deutscher Volkszugehöriger und jedenfalls in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen war (vgl. 2.), hatte er dadurch die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf erworben, die gemäß § 1 Abs. 1 d) StAngRegG Bestand hatte. Dies gilt auch für den Kläger, seinen Sohn, der damals noch ein Kleinkind war (vgl. RdErl. d. RMI v. 13. 3. 1941, Abschn. II (3), abgedruckt bei Maßfeller, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl., S. 244). Da ein Widerruf nicht erfolgte, hätte der Kläger seine deutsche Staatsangehörigkeit nur dadurch verlieren können, daß aufgrund der polnischen Nachkriegsgesetzgebung der Verlusttatbestand des § 25 Abs. 1 RuStAG - Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf Antrag - erfüllt wurde. Dafür bestehen indessen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keinerlei Anhaltspunkte. Das polnische "Gesetz vom 28. April 1946 betreffend die polnische Staatsangehörigkeit aller polnischer Volkszugehörigen, die in den wiedergewonnenen Gebieten wohnhaft sind" anerkannte die polnische Staatsangehörigkeit jeder Person, die vor dem 1. Januar 1945 in den "wiedergewonnenen Gebieten" wohnhaft war, eine Bescheinigung der sog. Verifikationskommission über ihre polnische Volkszugehörigkeit besaß und eine Treuedeklaration gegenüber dem polnischen Volk und Staat abgelegt hatte (vgl. Geilke, Das Staatsangehörigkeitsrecht Polens, S. 29 ff, 101 ff). Eine solche Treueerklärung stellte keinen Antrag i.S. des § 25 Abs. 1 RuStAG dar (Geilke, DÖV 1954, 545, 549; Seeler, NJW 1978, 924 f); der Erwerb der polnischen Staatsangehörigkeit erfolgte danach vielmehr automatisch. Das ergibt sich im vorliegenden Fall auch schon aus dem Wortlaut der Bescheinigung über die Treueerklärung des Vaters, nach dem dieser polnischer Staatsbürger "ist". Im übrigen hätte sich ein möglicher Staatsangehörigkeitsverlust des Vaters in keinem Fall auf den damals minderjährigen Kläger erstreckt. Denn eine solche Wirkung tritt nach § 25 Abs. 1 RuStAG nur dann ein, wenn ein Antrag ausdrücklich auch für das minderjährige Kind gestellt wird; nicht dagegen schon, wenn sich die Einbürgerung der Eltern bzw. des Elternteils kraft des ausländischen Gesetzes automatisch auf das Kind erstreckt, selbst wenn den Eltern diese Erstreckungswirkung bekannt ist (BVerwG, Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr. 5 und 6; ebenso Makarov/v. Mangoldt, § 25 RuStAG, RdNr. 43; a. A. Hailbronner/Renner, § 25 RuStAG, RdNr. 22). Ebensowenig war ein Antragserwerb mit dem polnischen Gesetz vom 8. Januar 1951 verbunden; dieses führte vielmehr aus bevölkerungspolitischen Zielen bei den sog. "Autochthonen" - den deutschen Staatsangehörigen, bei denen der polnische Gesetzgeber davon ausging, daß sie polnischer Abstammung und assimilierungsfähig seien - zu einer Gesamteinbürgerung auch ohne oder gegen ihren Willen, soweit sie nicht schon aufgrund des Gesetzes vom 28. April 1946 polnische Staatsangehörige waren (vgl. Geilke, a.a.O., S. 33 ff; Staudinger, BGB, 12. Aufl., Art. 5 EGBGB, RdNr. 122 F). Fehlte es danach aber in der Person seines Vaters an einem Antragserwerb i.S. des § 25 RuStAG jedenfalls mit Wirkung für den Kläger, so hat dieser auch durch einen gesetzlichen Erwerb der polnischen Staatsangehörigkeit seine frühere deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren. Daß er selbst nach Erlangung seiner Volljährigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt einen Erwerb der polnischen Staatsangehörigkeit beantragt hätte, ist nicht ersichtlich; für einen solchen Antrag bestand - auch nach dem polnischen Gesetz vom 19. Februar 1962 - im übrigen keinerlei Anlaß, da der Kläger schon aufgrund der genannten Gesetze von 1946 bzw. 1951 ohne Antrag polnischer Staatsangehöriger geworden war.
4. Der Kläger hat seine Heimat schließlich aus vertreibungsbedingten Gründen verlassen. Die nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dafür weiterhin geltende gesetzliche Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. Sie hat keine Umstände dafür vorgetragen, daß die Ausreise des Klägers auf allgemeinen politischen oder auf rein persönlichen Gründen beruhte; solche Umstände sind auch nicht ersichtlich.
5. Es besteht schließlich kein Anlaß für die Eintragung eines Ausschlußvermerks gemäß § 11 Nr. 5 BVFG. Zwar war der Kläger im November 1988 bereits einmal nach Deutschland eingereist und dann nach Thorn zurückgekehrt, bevor er im Juli 1989 erneut nach Deutschland kam. Wie das Verwaltungsgericht insoweit aber zutreffend festgestellt hat, war die erste Einreise noch nicht mit einer Aufgabe des Wohnsitzes in Thorn verbunden. Der Ausschlußtatbestand des § 11 Nr. 5 BVFG ist schon deshalb nicht erfüllt, ohne daß es noch einer Prüfung bedarf, ob der Rückkehr nach Thorn "wichtige Gründe" im Sinne des Gesetzes zugrunde lagen.
Auf die Berufung des Klägers war danach unter Änderung des angefochtenen Urteils der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
Dr. Dembowski
Dr. Uffhausen
Kaiser