Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.10.1992, Az.: 4 L 2218/91

Kinderheim; Wohngruppe; Erziehunghilfe; Betreutes Einzelwohnen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.10.1992
Aktenzeichen
4 L 2218/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 13339
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1992:1014.4L2218.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade 29.05.1991 - 2 A 223/89
nachfolgend
BVerwG - 10.11.1993 - AZ: BVerwG 5 B 28.93
BVerwG - 08.06.1995 - AZ: BVerwG 5 C 30/93

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer Stade - vom 29. Mai 1991 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300,-- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Beklagte gewährte der am 26. Juli 1971 geborenen Klägerin von August 1983 bis einschließlich Juli 1989 Hilfe zur Erziehung im Kreiskinderheim, zuletzt in der Wohngruppe des Jugendhauses Am Vorwerk in Stade. Mit Schreiben vom 18. Juni 1989 beantragte die Klägerin, ihr für die Dauer der ab 1. August 1989 geplanten Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin weiter Hilfe zur Erziehung zu gewähren, und zwar im Rahmen des "Betreuten Einzelwohnens", da sie beabsichtige, eine kleine Wohnung zu mieten und einen eigenen Haushalt zu führen. Am 1. August 1989 besprachen die Klägerin, ein Mitarbeiter des Jugendamtes des Beklagten, der Leiter des Jugendhauses Am Vorwerk und eine Fachkraft Einzelheiten einer möglichen weiteren Betreuung durch Mitarbeiter des Jugendhauses. Mit Schreiben vom 5. August 1989 erläuterte die Klägerin dazu ihre Vorstellungen. Der Beklagte gewährte durch Bescheid vom 8. August 1989 gemäß § 6 Abs. 3 JWG weiterhin Jugendhilfe und nahm "insoweit Bezug auf die am 1. 08. 89 im Jugendamt getroffene Regelung, die Bestandteil dieses Bescheides wird." Die Klägerin wohnte zunächst weiter im Jugendhaus. Nach der Absprache vom 1. August 1989 sollte sie das Jugendhaus "spätestens zum 01. 11. 1989" verlassen und "entweder in eine bis dahin angemietete eigene Wohnung oder zur Oma nach Horneburg" ziehen. Am 13. Oktober 1989 mietete die Klägerin zum 15. Oktober 1989 eine 1-Zimmer-Wohnung in Stade. Nachdem der Leiter des Jugendhauses und eine Fachkraft sich in mehreren Stellungnahmen dahin geäußert hatten, die Klägerin gestalte ihr Leben überwiegend selbständig und sei einer pädagogischen Einflußnahme nicht mehr zugänglich, stellte der Beklagte durch Bescheid vom 31. Oktober 1989 die Hilfe zur Erziehung mit sofortiger Wirkung ein. Den Widerspruch der Klägerin wies er durch Widerspruchsbescheid vom 24. November 1989 zurück.

2

In dem Verfahren 2 B 98/89 wegen vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtete sich der Beklagte durch Vergleich vom 1. Dezember 1989, "auf der Basis" der "Vereinbarung" der Beteiligten vom 1. August 1989, der Klägerin "vorläufig weiterhin Jugendhilfe bis zum 30. April 1990 zu gewähren." Die Klägerin verpflichtete sich in diesem Vergleich, die ihr vom Beklagten angebotenen Betreuungsmöglichkeiten nach dessen Konzept "verselbständigtes Wohnen" anzunehmen und insofern die pädagogische Betreuung durch Mitarbeiter des Antragsgegners zu übernehmen.

3

Am 29. Dezember 1989 hat die Klägerin Klage erhoben.

4

Ihr Antrag vom 26. April 1990, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr über den 30. April 1990 hinaus Jugendhilfe zu gewähren, blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Beschl. d. Verwaltungsgerichts vom 29. 6. 1990 - 1 B 50/90 - und Beschl. d. Senats vom 3. 9. 1990 - 4 M 75/90 -).

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Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 19. Oktober 1990 darüber, ob und ggf. in welchem Umfang bei der Klägerin Entwicklungs- und Erziehungsdefizite zu verzeichnen seien, die es begleitend zu ihrer Berufsausbildung durch die Betreuung und Beratung eines Erziehers - im Hinblick auf die Planung des Tagesablaufs, die Erörterung beruflicher, menschlicher und sozialer Probleme sowie die allgemeine Hilfestellung bei der Bewältigung auftretender Schwierigkeiten - auszugleichen gelte, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Der vom Verwaltungsgericht beauftragte Diplom-Pädagoge Krause kommt in dem Gutachten vom 29. November 1990 zu dem Ergebnis: Die Klägerin habe einen deutlichen Bedarf an "Begleitung". Der Betreuungsumfang dürfte ca. 5 Stunden in der Woche betragen und sollte neben der "Begleitung lebenspraktischer und beruflicher Fragen" vor allem der Stärkung eines wirklichen Selbstwertgefühles, der Erarbeitung von Konfliktfähigkeit und der Bewältigung der eigenen Kindheitsgeschichte dienen. Dabei sollte eine vom Beklagten unabhängige Institution mit der ambulanten Betreuung beauftragt werden, wobei eine Frau als Betreuerin besser geeignet sei.

6

Gestützt auf dieses Gutachten, das von ihr vorgelegte "Persönlichkeitsgutachten" der Diplom-Psychologin Mey-Timmer aus Otterndorf vom 30. September 1990 und das ebenfalls von ihr vorgelegte "Gutachten" des Diplom-Psychologen Prof. Dr. Czerwenka aus Lüneburg vom 10. Oktober 1990 hat die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 1989 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr mit Wirkung vom 1. Mai 1990 bis zum Ende ihrer Ausbildungszeit Jugendhilfe in Form der Betreuung ihres selbständigen Wohnens zu gewähren.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

10

Er hat - gestützt auf die Betreuungsberichte der Mitarbeiter des Jugendhauses Am Vorwerk - gemeint, die Persönlichkeit der Klägerin sei inzwischen so gefestigt, daß sie den wiederkehrenden Tagesablauf mit seinen Begleiterscheinungen eigenverantwortlich planen und durchführen könne und daher pädagogischer Förderung durch die Jugendhilfe nicht mehr bedürfe.

11

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 29. Mai 1991 stattgegeben und sich zur Begründung vor allem auf das Gutachten des Diplom-Pädagogen Krause gestützt.

12

Gegen das ihm am 20. September 1991 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1. Oktober 1991 Berufung eingelegt.

13

Mit Schreiben vom 1. Dezember 1991 meldete die Klägerin beim Beklagten "vorsorglich" ihren "Anspruch auf Erstattung der Betreuungskosten an". Sie trug vor, aufgrund der Eilbedürftigkeit (Durchführung der Betreuung) habe sie auf Honorarbasis eine Betreuungsperson engagiert, die seit längerem die Betreuung durchführe. Der Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 16. Dezember 1991, daß die nachträgliche Übernahme der Kosten einer ohne Mitwirkung des Jugendamtes engagierten Betreuungskraft nicht in Betracht komme. Die Klägerin erwähnte im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor dem Berichterstatter des Senats am 24. April 1992, daß sie mit Frau Schacht einen Betreuungsvertrag geschlossen habe, und legte mit Schriftsatz vom 22. Mai 1992 eine Ablichtung des zwischen ihr und der Sozialpädagogin Karin Schacht aus Stade geschlossenen "Honorarvertrages" vor, der die Unterschrift "Karin Schacht" und die handschriftliche Orts- und Datumsangabe "Stade, 1. 5. 1990" trägt. Darin ist eine Betreuung ab Mai 1990 im Umfang von 22 Stunden im Monat gegen Zahlung eines Honorars von 860,-- DM monatlich vereinbart. Am 27. Mai 1992 hat der Berichterstatter des Senats beschlossen, über die Einzelheiten der Betreuung der Klägerin Beweis durch Vernehmung der Sozialpädagogin Karin Schacht als Zeugin zu erheben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 31. August 1992 verwiesen.

14

Der Beklagte beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen,

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hilfsweise,

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unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, Jugendhilfe für die Maßnahme betreutes Einzelwohnen über den 30. April 1990 hinaus bis zum Ende der Ausbildungszeit als Rechtsanwalts- und Notargehilfin zu gewähren,

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weiter hilfsweise,

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festzustellen, daß der Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 1989 rechtswidrig gewesen ist.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung ist zulässig und auch begründet.

24

Soweit das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet hat, der Klägerin für die Zukunft (ab Erlaß des Urteils bis zum Abschluß ihrer Ausbildung im Juli 1992) Hilfe für junge Volljährige nach § 41 KJHG in Form der erzieherischen Hilfe (Betreuung) zu gewähren, kann das Urteil schon deshalb nicht Bestand haben, weil die Verpflichtung inzwischen auf etwas Unmögliches gerichtet ist; denn die Klägerin ist in dem genannten Zeitraum (wie schon in der Zeit vom 1. Mai 1990 bis zum Erlaß des Urteils des Verwaltungsgerichts) tatsächlich nicht durch eigene Kräfte des Beklagten oder durch von ihm beauftragte Kräfte betreut worden, und eine solche Betreuung kann auch nicht nachgeholt werden. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 1992 (5 C 1.88, NDV 1992, 339), nach der ein Behinderter zu Unrecht abgelehnten Hausunterricht bei Fortbestehen der Hilfebedürftigkeit auch nach Ablauf des für die gerichtliche Prüfung maßgeblichen Zeitraums (mit Wirkung für die Gegenwart und Zukunft) im Wege der Eingliederungshilfe beanspruchen kann, ist auf erzieherische Hilfe, die stets auf einen bestimmten erzieherischen Bedarf in einem bestimmten Zeitraum abgestimmt ist, nicht zu übertragen. Das Begehren der Klägerin ist auch nicht so auszulegen, daß sie jetzt noch (gegenwärtig und künftig) durch Kräfte des Beklagten betreut werden will.

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Soweit die vom Verwaltungsgericht für den genannten Zeitraum von Mai 1990 bis Juli 1992 ausgesprochene Verpflichtung die Gewährung wirtschaftlicher Hilfe nach § 6 Abs. 2 JWG und § 39 KJHG erfaßt, könnte diese Hilfe zwar nachträglich gewährt werden, wenn die Klägerin die notwendige erzieherische Hilfe tatsächlich auf andere Weise erhalten haben sollte. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 11. 10. 1989 - 4 L 55/89 -) hat der Träger der Jugendhilfe, wenn er die Gewährung öffentlicher Jugendhilfe zu Unrecht abgelehnt hat, darüber hinaus auch die Kosten der durchgeführten Maßnahme zu übernehmen. Um die Übernahme der Kosten der behaupteten Betreuung durch die Zeugin Schacht geht es in diesem Verfahren nicht; vielmehr hat die Klägerin ihren Anspruch auf die wirtschaftliche Hilfe für den genannten Zeitraum beschränkt. Insoweit ist die Verpflichtungsklage unzulässig, weil sie sich auf einen Zeitraum (Mai 1990 bis Juli 1992) erstreckt, der in diesem Verfahren nicht der gerichtlichen Prüfung unterliegt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 23. 10. 1986 - 4 OVG B 234/86 -) gilt für die Jugendhilfe - wie für die Sozialhilfe (siehe dazu das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. 4. 1992) - der Grundsatz, daß die Klage nur insoweit zulässig ist, als sie sich auf Leistungen für die Zeit bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides erstreckt. Der Zeitraum, für den die Klägerin Leistungen begehrt, beginnt erst (fünf Monate) nach Erlaß des Widerspruchsbescheides vom 24. November 1989. Die Klage auf wirtschaftliche Hilfe für die Zeit von Mai 1990 bis Juli 1992 ist auch nicht nachträglich zulässig geworden. Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sind im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht nachgeholt worden. Insbesondere können die Schriftsätze des Beklagten im gerichtlichen Verfahren nicht als Bescheid(e) und Widerspruchsbescheid(e) gewertet werden. Das verbietet sich schon deshalb, weil dem Beklagten vor der Vernehmung der Zeugin Schacht am 31. August 1992 Einzelheiten der geltend gemachten Betreuung in der Zeit von Mai 1990 bis Juli 1992 nicht bekannt waren, er also auch nicht prüfen konnte, ob der Klägerin die notwendige erzieherische Hilfe auf andere Weise zuteil geworden ist und in ihrem Gefolge wirtschaftliche Hilfe nachträglich zu gewähren ist. Das im Tatbestand erwähnte Schreiben der Klägerin vom 1. Dezember 1991 war noch sehr unbestimmt gehalten und gab vor allem die Person des Betreuers/der Betreuerin nicht preis. Darüber hinaus kann ein Schriftsatz im gerichtlichen Verfahren auch deshalb nicht als Widerspruchsbescheid gewertet werden, weil er ohne die im Widerspruchsverfahren vorgesehene Beteiligung des Jugendwohlfahrtsausschusses (jetzt: Jugendhilfeausschusses) oder der von diesem Ausschuß benannten erfahrenen Personen verfaßt wird. Die Verpflichtungsklage ist auch nicht als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig geworden, da seit Bekanntgabe von Einzelheiten der geltend gemachten Betreuung drei Monate noch nicht verstrichen sind (Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz sind in diesem Verfahren nicht zu prüfen, da die Klägerin sie in diesem Verfahren nicht geltend macht; sie sind lediglich im Rahmen des Vergleichsgespräches am 24. April 1992 erörtert worden).

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Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig, da er in dieser Form lediglich ein in das Gewand eines Feststellungsantrages gekleideter Verpflichtungsantrag ist (§ 43 Abs. 2 VwGO).

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Der weiter hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht zulässig, da die Klägerin ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung nicht hat. Denn die Feststellung, der Bescheid vom 31. Oktober 1989 sei rechtswidrig gewesen, weil die Klägerin auch über diesen Zeitpunkt hinaus weiter erzieherischer Hilfe bedurft habe, würde die Rechtsstellung der Klägerin in einem späteren Verfahren wegen Gewährung wirtschaftlicher Hilfe (und/oder auf Übernahme der Betreuungskosten) für die Zeit von Mai 1990 bis Juli 1992 nicht verbessern. Es ist nämlich aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht anzunehmen, daß die Klägerin - unterstellt, der Bescheid vom 31. Oktober 1989 sei rechtswidrig gewesen - die notwendige Hilfe tatsächlich erhalten hat. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Betreuung durch die Zeugin - wie eine nach Ansicht der Klägerin zu Unrecht verweigerte Betreuung durch Fachkräfte des Beklagten oder durch von ihm beauftragte Kräfte - "professionell" erfolgt wäre. Der Senat ist aufgrund des Akteninhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, daß dies nicht geschehen ist. Gegen die "Professionalität" der Betreuung der Klägerin durch die Zeugin sprechen folgende Umstände:

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Die Klägerin hat den Beginn der Betreuung im Mai 1990 dem Beklagten nicht angezeigt, obwohl das nahegelegen hätte, wenn sie sich ihre Rechte auf Übernahme der Betreuungskosten durch den Beklagten und auf Gewährung wirtschaftlicher Hilfe im Gefolge der Betreuung wahren wollte. Sie hat ferner die Betreuung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht erwähnt und vor allem nicht dem gerichtlich bestellten Sachverständigen (und den von ihr selbst beauftragten Diplom-Psychologen) offenbart, obwohl sie hätte erkennen müssen, daß die Tatsache der schon seit mehreren Monaten durchgeführten Betreuung für die Beantwortung der Beweisfrage (ob und ggf. in welchem Umfang Entwicklungs- und Erziehungsdefizite vorhanden sind, die durch eine begleitende Betreuung auszugleichen sind) von Bedeutung sein konnte. Gegenüber dem gerichtlich bestellten Sachverständigen hat sie (siehe ihre dem Gutachten als Anlage beigefügte Zeichnung) lediglich angegeben: "Bezugsp. Frau Schacht evtl." Der Gutachter ist also, da die Klägerin ihm verschwiegen hat, daß sie von der Zeugin bereits seit Mai 1990 betreut worden ist, von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hat lediglich angenommen, als Betreuungsperson sei "eine Frau besser geeignet". Der Versuch der Zeugin zu erläutern, warum sie der Klägerin nicht geraten habe, die Betreuung gegenüber dem Beklagten und dem (den) Sachverständigen offenzulegen (die Betreuung sei "noch nicht offiziell" gewesen, es habe "der letzte Funke Rechtssicherheit" gefehlt, der Beklagte habe eine weitere Betreuung ohnehin nicht für erforderlich gehalten und abgelehnt), überzeugt den Senat nicht. Denn ohne Offenlegung konnte weder die Betreuung "offiziell" werden noch "Rechtssicherheit" eintreten.

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Gegen die Professionalität der Betreuung der Klägerin durch die Zeugin spricht ferner, daß sie sich schriftliche Aufzeichnungen über Daten und Inhalte der durchgeführten Gespräche und sonstigen Aktionen nicht gemacht hat. Treffen mit der Klägerin hat sie nur gelegentlich in ihrem Kalender vermerkt. Vor allem hat sie die Betreuung über zwei Jahre lang auf einer ungeklärten und unsicheren finanziellen Basis durchgeführt. Sie wußte, daß die Klägerin die Verpflichtung aus dem "Honorarvertrag" (Zahlung von 860,-- DM monatlich) auf absehbare Zeit nicht aus eigenen Kräften und Mitteln würde erfüllen können. Andererseits drängte sie die Klägerin auch nicht, mögliche Ansprüche gegenüber dem Beklagten frühzeitig geltend zu machen. All diese Umstände sprechen dafür, daß es sich bei der Betreuung durch die Zeugin insgesamt um eine - wie sie es bei ihrer Vernehmung in bezug auf die ungeklärte Honorarfrage selbst formuliert hat - "Good-will-Aktion" auf freundschaftlicher Grundlage und nicht um professionelle Betreuung anstelle der vom Beklagten abgelehnten öffentlichen Jugendhilfe gehandelt hat, so daß auch wirtschaftliche Hilfe im Gefolge anderweitiger professioneller Betreuung nachträglich nicht zu gewähren ist. Dann hat die Klägerin auch nicht ein berechtigtes Interesse i.S. des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Zeitablauf erledigten Bescheides vom 31. Oktober 1989.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2, 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2

32

VwGO ist nicht gegeben.

33

Klay

34

Atzler

35

Zeisler