Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.10.1992, Az.: 3 L 12/89
Jagdgenossengeschaft; Jagdbezirk; Versteckter Pachtzins; Bier; Pachtvertrag
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.10.1992
- Aktenzeichen
- 3 L 12/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 13407
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1992:1026.3L12.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 10.12.1986 - AZ: 2 VG 101/85
- nachfolgend
- BVerwG - 19.03.1993 - AZ: BVerwG 3 B 2.93
- BVerwG - 05.05.1994 - AZ: BVerwG 3 C 13.93
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer Lüneburg - vom 10. Dezember 1986 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gesamten Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger sind Eigentümer von Grundflächen in der Gemeinde Tobringen in einer Größe von 50,9779 ha und Mitglied der beklagten Jagdgenossengeschaft. Die Beklagte hat ihren gemeinschaftlichen Jagdbezirk in einer Größe von 552,75 ha mit Pachtvertrag vom 23. Januar 1981 zu einem Pachtpreis von 16.500,-- DM (§ 5 des Pachtvertrages) für neun Jahre (§ 4 des Pachtvertrages) an den Architekten ... in Berlin verpachtet. In § 9 des Pachtvertrages haben die Vertragsparteien folgende Sondervereinbarungen getroffen:
"Vom Pächter ist jährlich zusätzlich zum Pachtpreis ein Betrag über 1.500,-- DM zur freien Verfügung der Jagdgenossenschaft (Jagdabend, Ausflug o. a.) sowie außerdem der Gegenwert von 100 l Bier mit der Pachtzahlung an die Jagdgenossenschaftskasse zu entrichten."
Die Kläger verlangen Auskehr der in § 9 des Pachtvertrages vereinbarten Leistungen. Sie haben am 14. Mai 1985 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Bei den mit dem Jagdpächter vereinbarten zusätzlichen Leistungen handele es sich um einen versteckten Pachtzins, der nach § 10 Abs. 3 des Bundesjagdgesetzes an sie auszukehren sei.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie den Betrag von 158,01 DM für 1984/85 nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 14. Mai 1985 sowie denselben Betrag für das Jagdjahr 1985/86 nebst 4 % Zinsen seit dem 15. April 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Bei den in § 9 des Jagdpachtvertrages vereinbarten zusätzlichen Leistungen des Jagdpächters handele es sich um keinen Jagdpachtzins, der auszukehren sei. Die Leistungen sollten nur der Jagdgenossenschaft und nicht dem einzelnen Jagdgenossen zustehen. Über die zusätzlichen Leistungen habe daher ausschließlich sie, die Jagdgenossenschaft, das Verfügungsrecht. Von ihrem Verfügungsrecht habe sie Gebrauch gemacht und in der Generalversammlung am 12. April 1984 beschlossen, das Geld für einen gemütlichen Abend am 15. September 1984 zu verwenden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. Dezember 1986 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Den Klägern stehe der von ihnen geltend gemachte Anteil des Auskehranspruchs nicht zu. Nach § 10 Abs. 3 BJagdG bestehe für die Jagdgenossen nur ein Auszahlungsanspruch auf den anteiligen "Reinertrag der Jagdnutzung". Der vom Pächter nach § 9 des Jagdpachtvertrages jährlich zusätzlich zum Pachtpreis zu zahlende Betrag von 1.500,-- DM nebst dem Gegenwert für 100 l Bier sei kein Entgelt für die Jagdnutzung, sondern eine Zahlung eigener Art. Das ergebe sich zunächst aus dem Wortlaut der Vereinbarung, der von einer "zusätzlich" übernommenen Zahlung des Jagdpächters ausgehe aber auch daraus, daß diese Zahlung nicht "zum Pachtpreis" gehöre, weil sie nach dem Vertragswillen der Parteien nicht etwa für die Nutzung des Jagdrechtes der Jagdgenossen, sondern ausdrücklich und ausschließlich zur Förderung der Geselligkeit (Jagdabend, Ausflug o.a.) an die Jagdgenossenschaft gezahlt werde. Die zusätzlichen Leistungen seien dazu bestimmt, das Verhältnis zwischen dem Jagdpächter und der Jagdgenossenschaft zu erhalten und dauerhafter zu gestalten. Diese Aufwendungen seien damit eine Sonderleistung, die keine Entschädigung für die Jagdnutzung darstelle. Die Vereinbarungen von Neben- oder Sonderabreden in einem Jagdpachtvertrag sei gesetzlich nicht verboten (§ 11 Abs. 6 BJagdG, § 134 BGB). Eine solche Vereinbarung verstoße auch nicht gegen den Sinn und Inhalt eines Jagdpachtvertrages, dessen Wesen nach § 1 BJagdG die Jagdbenutzung beinhalte. Ebensowenig seien Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit dieser Nebenabrede zu erkennen. Die Übernahme von Geselligkeitspflichten im Jagdgenossenschaftsbereich durch Jagdpächter erscheine heutzutage üblich zu sein.
Die von den Klägern gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegte Berufung hat der erkennende Senat mit Urteil vom 2. März 1989 ohne eine Entscheidung in der Sache als unzulässig zurückgewiesen. Gegen das Berufungsurteil haben die Kläger die vom erkennenden Gericht zugelassene Revision eingelegt, der das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 5. September 1991 (BVerwG 3 C 26.89) stattgegeben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen hat.
Zur Begründung ihrer Berufung wiederholen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor: Bei den in § 9 des Jagdpachtvertrages vereinbarten Leistungen handele es sich um ein Entgelt für die Jagdnutzung. Ohne die dem Kläger gewährte Jagdnutzung würde von ihm neben dem Jagdpreis oder eventuellen Wildschäden nicht der vereinbarte jährliche Betrag von 1.500,-- DM sowie der Gegenwert für 100 l Bier bezahlt werden. Auf die Aufteilung und Bezeichnungen der Leistungen komme es nicht an.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihrem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren in ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Klägern steht ein Anspruch auf eine anteilige Auskehr der vom Jagdpächter nach § 9 des Jagdpachtvertrages zu erbringenden Sonderleistungen nach § 10 Abs. 3 des Bundesjagdgesetzes vom 29. November 1952 (BGBl I S. 780) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl I S. 2849) - BJagdG - mit späteren Änderungen nicht zu.
Nach § 10 Abs. 3 BJagdG beschließt die Jagdgenossenschaft über die Verwendung des Reinertrages der Jagdnutzung. Entscheidet die Jagdgenossenschaft, den Ertrag nicht an die Jagdgenossen nach dem Verhältnis des Flächeninhaltes ihrer beteiligten Grundstücke zu verteilen, so kann jeder Jagdgenosse, der dem Beschluß nicht zugestimmt hat, die Auszahlung seines Anteils verlangen. Voraussetzung ist danach für die von den Klägern begehrte anteilige Auskehr der Sonderleistungen - über die Auskehr des Jagdpachtpreises in Höhe von 16.500,-- DM besteht unter den Beteiligten kein Streit - zunächst, daß es sich bei den von dem Jagdpächter nach § 9 des Jagdpachtvertrages zu erbringenden Leistungen um einen Reinertrag für die Jagdnutzung handelt. Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, daß die in § 9 des Jagdpachtvertrages vereinbarten, vom Jagdpächter neben dem Jagdpachtzins in Höhe von 16.500,-- DM zu erbringenden Sonderleistungen kein Entgelt für die Jagdnutzung und damit nach § 10 Abs. 3 BJagdG auszukehrender Reinertrag für die Jagdnutzung sind. Dafür spricht zunächst der Inhalt des Jagdpachtvertrages, der zwischen dem Pachtpreis einerseits und den zusätzlich zum Pachtpreis zu erbringenden Sonderleistungen andererseits unterscheidet sowie der Zweck, der mit den Sonderleistungen des Jagdpächters erreicht werden soll.
Dem Senat ist aus einer Vielzahl bei ihm anhängig gewesener Verfahren bekannt, daß dem Dauerschuldverhältnis zwischen Jagdgenossenschaft und Jagdpächter neben einer kommerziellen eine ebenso große gesellschaftliche Bedeutung zukommt. Diesen unterschieldichen Inhalten eines Jagdpachtverhältnisses trägt der Jagdpachtvertrag mit den Vereinbarungen in den §§ 5, 9 Rechnung. Die gesellschaftliche Bedeutung bringt es mit sich, daß der Jagdpächter im Interesse eines gegenseitigen Meinungsaustauschs zwischen ihm und den Jagdgenossen über die sie unterschiedlich berührenden Belange und einer dauerhaften zufriedenstellenden Gestaltung des Pachtverhältnisses gelegentlich an den Veranstaltungen der Jagdgenossenschaft teilnimmt und seine Freude über seine Jagderlebnisse durch eine Beteiligung an den Unkosten der Versammlung mit den Jagdgenossen teilt. Dabei liegt auf der Hand, daß die Erwartungen der Jagdgenossen an den "Unkostenbeitrag" des Jagdpächters mit der Höhe des Jagdpachtpreises, der ausweislich der sich bei den Gerichtsakten befindenden Jagdpachtverträge im Laufe der Jahre unverhältnismäßig erhöht worden ist und im Jahre 1956 100,-- DM, im Jahre 1964 1.000,-- DM, im Jahre 1973 4.300,-- DM sowie für den hier streitigen Zeitraum 16.500,-- DM betragen hat, mit der Höhe des Jagdpachtpreises gestiegen sind und zu Meinungsverschiedenheiten unter den Beteiligten geführt haben. Nicht zu beanstanden ist daher, wenn die Parteien des Jagdpachtvertrages zur Vermeidung dieser Streitigkeiten im Interesse einer dauerhaften zufriedenstellenden Gestaltung des Vertragsverhältnisses neben dem Jagdpachtpreis von vornherein auch die vom Jagdpächter mehr oder weniger obligatorisch für gesellige Zwecke zu erbringenden Sonderleistungen im Jagdpachtvertrag festlegen. Von einem versteckten Jagdpachtpreis und einem unzulässigen Umgehungsgeschäft zur Verhinderung des den Jagdgenossen nach § 10 Abs. 3 BJagdG zustehenden Auskehranspruches kann in solchem Fall keine Rede sein. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die zusätzlich zum Pachtpreis zu erbringenden Sonderleistungen des Jagdpächters sich an den Kosten einer geselligen Veranstaltung orientieren und noch in einem angemessenen Verhältnis zum Pachtpreis stehen, d.h. wie hier nicht mehr als rd. 10 % des Pachtpreises betragen.
Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil dafür die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Eichhorn
Dr. Berkenbusch
Meyer