Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.10.1992, Az.: 5 L 2508/91
Schulbuch; Schulbetrieb; Unterrichtsgestaltung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.10.1992
- Aktenzeichen
- 5 L 2508/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 13336
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1992:1013.5L2508.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover 29.06.1990 - 2 A 11/89
- nachfolgend
- BVerwG - 28.01.1994 - AZ: BVerwG 6 B 24/93
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer Hannover - vom 29. Juni 1990 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger steht im Range eines Oberstudienrats im höheren Schuldienst des Landes Niedersachsen. Er erteilt am Gymnasium ... in der Mittelstufe und in der Oberstufe Unterricht im Fach Chemie. Seit 1983 bestehen zwischen dem Kläger einerseits und der Beklagten, dem Schulleiter des Gymnasiums ... sowie den Elternvertretungen andererseits Meinungsverschiedenheiten über die Verwendung eines Schulbuches im Unterricht des Klägers. Dieser hält in den naturwissenschaftlichen Fächern die Benutzung eines Schulbuches allgemein und das seinerzeit eingeführte Chemiebuch im besonderen für nicht geeignet zur Gewinnung von Erkenntnissen. Auf einer Dienstbesprechung vom 14. Juni 1984 wurde zwischen dem Kläger und der Beklagten vereinbart, daß der Kläger je Unterrichtsstunde mindestens zwei Schülerprotokolle einsammelt, durchsieht und in der nächsten Stunde korrigiert zurückgibt. Ferner sollte er die Hausaufgaben der Schüler umfassend und regelmäßig kontrollieren (Gesprächsvermerk vom 17. Juli 1984).
Am 25. Februar 1985 schlug die Fachkonferenz Chemie des Gymnasiums ... für die Mittelstufe (Klassen 8 bis 10) die Einführung des von Grothe verfaßten Lehrbuchs "Chemie heute" aus dem Schroedel-Verlag ab dem Schuljahr 1985/86 vor; dem Vorschlag entsprach auf Antrag der Gesamtkonferenz die Beklagte. Das Buch war durch den Kultusminister zugelassen. Am 27. April 1987 beschloß die Fachkonferenz Chemie auf Antrag des Klägers die Aufnahme eines Hinweises in die Schulbuchliste, wonach die Beschaffung des Chemiebuches durch die Schüler erst nach Aufforderung durch den Fachlehrer erfolgen solle. Dieser Beschluß wurde jedoch in der Folgezeit nicht weiter verfolgt; die Gesamtkonferenz befaßte sich mit diesem Thema nicht.
Im August 1988 unterrichtete ein Elternvertreter den Leiter des Gymnasiums ... darüber, daß der Kläger ihm mitgeteilt habe, die Schüler benötigten das Chemiebuch, das von allen Eltern aufgrund der Schulbuchliste bereits gekauft worden sei, für seinen Unterricht nicht. Daraufhin forderte der Schulleiter den Kläger mehrfach auf, unter Beachtung der Nr. 26 des Erlasses des Kultusministers vom 27. Juli 1983 über Genehmigung, Einführung und Benutzung von Schulbüchern in den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen Niedersachsens (SVBl S. 231) - Schulbucherlaß - das eingeführte und aufgrund der Schulbuchliste angeschaffte Schulbuch im Unterricht als hauptsächliches Arbeitsmittel einzusetzen. Dieser Aufforderung kam der Kläger unter Hinweis auf die Vereinbarung mit der Beklagten vom 14. Juni 1984 nicht nach.
Mit Schreiben vom 21. September 1988 hob die Beklagte die am 14. Juni 1984 getroffene Regelung mit der Begründung auf, sie stehe mit dem Schulbucherlaß nicht im Einklang. Für einen erfolgreichen Chemieunterricht am Gymnasium ... sei es erforderlich, daß alle Lehrer im Fach Chemie in ihrem Unterricht das gleiche Lehrbuch einsetzten. Das Lehrbuch sei für die Schüler vor allem bei Wiederholungen von Unterrichtseinheiten ein wichtiges Arbeitsmittel. Gleichzeitig werde die notwendige inhaltliche Abstimmung des Unterrichts zwischen den Fachkollegen wesentlich erleichtert, vor allem, wenn der Unterricht in einer Klasse von einem anderen Lehrer weitergeführt werde. Unter Bezugnahme auf den Schulbucherlaß wurde der Kläger verpflichtet, das am Gymnasium ... eingeführte und von den Erziehungsberechtigten aufgrund der Schulbuchliste angeschaffte Chemiebuch im Unterricht als hauptsächliches Arbeitsmittel einzusetzen. Mit seinem Widerspruch gegen diese Anweisung machte der Kläger geltend, daß er entsprechend den gültigen Rahmenrichtlinien unterrichte. Den Einsatz eines Schulbuches halte er nach wie vor nicht für sinnvoll. Im übrigen stehe die am 14. Juni 1984 getroffene Regelung über den Einsatz von Arbeitsmitteln im Chemieunterricht nicht im Gegensatz zum Schulbucherlaß. Die Anweisung greife in seine ihm garantierte pädagogische Freiheit ein. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1988 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit seiner am 12. Januar 1989 erhobenen Klage hat der Kläge geltend gemacht: Bei der Vereinbarung vom 14. Juni 1984 habe es sich um eine Zusicherung im Sinne von § 38 VwVfG dahingehend gehandelt, daß ihm erlaubt worden sei, im Unterricht mit anderen Mitteln als mit einem Lehrbuch zu arbeiten. Die Aufhebung dieser Vereinbarung sei nur gemäß §§ 48, 49 VwVfG zulässig. Die Vereinbarung vom 14. Juni 1984 habe im Einklang mit dem Schulbucherlaß gestanden. Die Einführung des Schulbuches "Chemie heute" entspreche nicht den Rahmenrichtlinien. Es sei insbesondere aufgrund seines Inhalts, Aufbaus und von der Sprache her nicht geeignet, die Schüler im Unterricht zu Erkenntnissen zu führen. Ein sinnvoller Chemieunterricht entsprechend den Rahmenrichtlinien könne nur durch empirische Methoden gestaltet werden. Ein Lehrbuch informiere dagegen den Schüler lediglich über Erkenntnisse im Bereich der Chemie und vermittele im wesentlichen Ergebnisse, die ihn nicht zu eigener Erkenntnis von Zusammenhängen kommen lasse. Die Arbeit mit dem Lehrbuch im Wege der Vermittlung von Informationen widerspreche den Rahmenrichtlinien und besonders dem Bildungsauftrag der Schule. Die Aufforderung der Beklagten, im Unterricht ein Schulbuch zu benutzen, greife in seine pädagogische Freiheit ein.
Der Kläger hat beantragt,
die Dienstanweisung der Beklagten vom 21. September 1988 und ihren Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1988 aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, ihn anzuweisen, das Chemielehrbuch "Chemie heute" im Unterricht als hauptsächliches Arbeitsmittel einzusetzen, weiter hilfsweise,
unter Aufhebung der Anweisung vom 21. September 1988 und des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 1988 die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Klage für unzulässig gehalten, weil es sich bei dem Schreiben vom 21. September 1988 nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um eine innerdienstliche Weisung handele. Deshalb sei der Kläger nicht in eigenen, rechtlich geschützten Interessen verletzt. Der Kläger könne sich nicht auf seine pädagogische Freiheit berufen. § 35 Abs. 1 NSchG normiere lediglich eine pädagogische Verantwortung des Lehrers, die er auch im Interesse der Schüler wahrnehmen müsse. Darüber hinaus sei der Lehrer nach der genannten Vorschrift an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Beschlüsse der Konferenzen und Lehrer-Schüler-Ausschüsse sowie an Anordnungen der Schulaufsicht gebunden. Der Schulbucherlaß sehe die Benutzung von Lehrbüchern als hauptsächliches Arbeitsmittel im Unterricht vor; das streitige Chemiebuch sei durch Konferenzbeschluß am Gymnasium ... eingeführt worden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 29. Juni 1990 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Mit ihrem Hauptantrag sei die Klage unzulässig, weil es sich bei der streitigen Anordnung um eine innerdienstliche Weisung ohne Verwaltungsaktqualität handele. Gemäß § 63 Satz 3 1. Halbsatz NBG habe der Kläger als Beamter die Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen und die allgemeinen Richtlinien zu befolgen. Ein Beamter sei nach dieser Vorschrift vom Grundsatz her bei Erfüllung seiner Aufgaben weisungsgebunden. Alle Anordnungen, welche die Art und Weise der Erfüllung der wahrzunehmenden Aufgaben eines Beamten beträfen, hätten keine Außenwirkung, weil sie das Grundverhältnis des Beamten zum Dienstherrn nicht berührten, sondern bloße innerdienstliche Interna darstellten, die lediglich in das Betriebsverhältnis eingriffen. Die Anordnung, der Kläger habe in seinem Chemieunterricht das eingeführte Lehrbuch zu benutzen, regele die Unterrichtsgestaltung und beziehe sich daher unmittelbar auf die Art und Weise der Dienstausübung. Eine Ausnahme von der allgemeinen Weisungsbefugnis des Dienstherrn durch besondere gesetzliche Vorschrift (§ 63 Satz 3 2. Halbsatz NBG) bestehe im vorliegenden Fall nicht. Zwar erziehe und unterrichte der Lehrer nach § 35 Abs. 1 Satz 1 NSchG in eigener pädagogischer Verantwortung. Dies bedeute, daß dem Lehrer bei der Unterrichtsgestaltung ein Freiraum eingeräumt sei, in dem ihm von seinen Vorgesetzten Weisungen nicht erteilt werden dürften. Die genannte Vorschrift gebe dem Lehrer ein subjektives Recht auf den notwendigen Gestaltungsraum zur Wahrnehmung seiner eigenen pädagogischen Verantwortung, der ihm im Kern erhalten bleiben müsse, auch wenn er an bestimmte Vorschriften, Beschlüsse und Weisungen gebunden sei. Die Anweisung, im Unterricht ein Schulbuch zu verwenden, greife in das Recht des Klägers auf die methodische Gestaltung des Unterrichts ein und sei daher vom Grundsatz her geeignet, sein subjektives Recht auf Unterricht in eigener pädagogischer Verantwortung einzuschränken. Der Bereich der pädagogischen Verantwortung des Lehrers sei jedoch nicht ohne Grenzen. So sei der Lehrer gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 NSchG an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Beschlüsse der Konferenzen und Lehrer-Schüler-Ausschüsse sowie an Anordnungen der Schulaufsicht gebunden. Diese Bindung grenze das Recht der eigenen pädagogischen Verantwortung und damit den Gestaltungsspielraum für die Erteilung des Unterrichts ein. Die genannten Vorschriften, Konferenzbeschlüsse und Anordnungen hätten jedoch ihrerseits Rücksicht auf den pädagogischen Freiraum des Lehrers zu nehmen. Es bestehe daher ein Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des Lehrers auf weitgehend freie Gestaltung des Unterrichts und seiner Verpflichtung, sich an Verwaltungsvorschriften zu halten. Im Hinblick auf die Benutzung von Schulbüchern bestehe einmal der Schulbucherlaß vom 27. Juli 1983, der vorschreibe, daß eingeführte Schulbücher als hauptsächliches Arbeitsmittel im Unterricht zu verwenden seien. Darüber hinaus habe die Fachkonferenz des Gymnasiums ... am 25. Februar 1985 beschlossen, für die Mittelstufe (Klassen 8 bis 10) das Lehrbuch "Chemie heute" ab Schuljahr 1985/86 einzuführen. Einen Beschluß, es solle überhaupt kein Chemiebuch im Unterricht verwendet werden, habe die Fachkonferenz nicht gefaßt. Sie habe auch nicht beschlossen, der Kläger brauche in seinem Unterricht ein Lehrbuch nicht zu benutzen. Der Schulbucherlaß und die Konferenzbeschlüsse verstießen nicht gegen geltendes Recht und seien für den Kläger deshalb verbindlich. Der Kläger könne in diesem Verfahren nicht damit gehört werden, das Schulbuch "Chemie heute" entspreche nicht den Rahmenrichtlinien und sei für einen sinnvollen und erfolgreichen Chemieunterricht ungeeignet. Dies seien Fragen, die im Verfahren zur Genehmigung eines Schulbuches zu klären seien. Solange ein Schulbuch vom Kultusministerium genehmigt und von der Fachkonferenz Chemie eingeführt sei, sei davon auszugehen, daß das betreffende Schulbuch den Rahmenrichtlinien entspreche und für die Benutzung im Unterricht geeignet sei. Der Kläger werde durch die Anordnung, das streitige Lehrbuch als hauptsächliches Arbeitsmittel im Unterricht zu benutzen, nicht derart in seiner Unterrichtsgestaltung eingeschränkt, daß ihm ein Gestaltungsfreiraum zur Wahrnehmung seiner eigenen pädagogischen Verantwortung nicht mehr verbleibe. Vom Kläger werde lediglich verlangt, Hausarbeiten aus dem Lehrbuch zu stellen und durch Hinweise den Schülern die Möglichkeit zu geben, anhand des Lehrbuches Wissenslücken aufzuarbeiten, den im Unterricht behandelten Stoff zu wiederholen und die Erkenntnisse zu vertiefen. In seiner Unterrichtsmethode, die das Experiment im Chemieunterricht und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse in den Vordergrund stelle, brauche sich durch die begleitende Benutzung des Schulbuches nichts zu ändern. Der Kern der eigenen pädagogischen Verantwortung des Klägers werde durch die streitige Anordnung somit gewahrt. Der erste Hilfsantrag der Klage sei unbegründet, weil der Kläger verpflichtet sei, das Chemielehrbuch "Chemie heute" im Unterricht als hauptsächliches Arbeitsmittel einzusetzen. Der zweite Hilfsantrag sei unzulässig, weil die für eine Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage erforderliche Verwaltungsaktqualität fehle. Im übrigen sei die Anordnung rechtmäßig.
Gegen dieses ihm am 30. August 1990 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 20. September 1990 eingelegten Berufung, zu deren Begründung er vorträgt: Er lehne aufgrund sorgfältiger wissenschaftlicher Untersuchungen die Benutzung des Lehrbuchs "Chemie heute" aus methodischen und didaktischen Gründen ab. Hierauf hätte die Beklagte Rücksicht nehmen und davon absehen müssen, ihn zur Benutzung des Lehrbuchs zu verpflichten. Ein weiterer rechtlicher Konflikt ergebe sich aus § 35 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 102 NSchG, wonach die oberste Schulbehörde Rahmenrichtlinien für Ziele, Inhalte, Verfahren und Organisation des Unterrichts erlasse. Der Lehrer sei nach diesen Vorschriften verpflichtet, die erlassenen Rahmenrichtlinien zu beachten und auszufüllen. Diese Rahmenrichtlinien schrieben für das Fach Chemie eine Unterrichtsform und einen Weg zur Erkenntnisgewinnung vor, der unter Zuhilfenahme des Chemiebuches "Chemie heute" nicht verwirklicht werden könne. Er, der Kläger, befinde sich also in dem Konflikt, einerseits die Rahmenrichtlinien befolgen, andererseits aber das zur Erfüllung dieser Pflicht nicht geeignete Chemiebuch benutzen zu müssen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihre Weisung vom 21. September 1988 und ihren Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1988 aufzuheben,
hilfsweise,
die Aufhebung mit Wirkung vom 1. Januar 1991 vorzunehmen,
weiter hilfsweise,
die in seinem Schriftsatz vom 13. Januar 1992 angebotenen Beweise zu erheben (Sachverständigengutachten).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die dem Kläger erteilte Weisung weiterhin für Rechtens und macht sich die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen.
Während des Berufungsverfahrens ist das Lehrbuch von Grothe "Chemie heute", Schroedel-Verlag Nr. 86006, mit Wirkung vom 1. Januar 1991 in der Schulbuchliste gestrichen worden. Seit dem Schuljahr 1991 wird am Gymnasium ... zusätzlich, beginnend mit Jahrgangsstufe 8, das Lehrbuch "Elemente Chemie I, Klett-Verlag, 7594" verwendet. Das Lehrbuch "Chemie heute", das die 8., 9. und 10. Jahrgangsstufe umfaßt, wird noch bis Sommer 1993, zuletzt in der 10. Jahrgangsstufe, im Unterricht verwendet. Der Kläger erteilt zur Zeit in drei Klassen der Jahrgangsstufe 9 und einer Klasse der Jahrgangsstufe 10 Unterricht im Fach Chemie.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsvorgänge (Beiakten B) sowie der vom Kläger überreichten Unterlagen (Beiakten A und E) Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Der Rechtsstreit hat sich nicht dadurch erledigt, daß seit 1991 das Chemiebuch "Chemie heute" nicht mehr in dem ministeriellen Verzeichnis der für Niedersachsen genehmigten Schulbücher enthalten ist. Zwar wird seit dem Schuljahr 1991 am Gymnasium ..., beginnend mit der Jahrgangsstufe 8, das Lehrbuch "Elemente Chemie I" verwendet. Daneben wird aber noch bis zum Sommer 1993 das alte Lehrbuch "Chemie heute", das sich auf drei Jahrgangsstufen bezieht, verwendet. Wie die Erörterung dieser Frage in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, wird der Kläger somit heute noch von der ihm unter dem 21. September 1988 erteilten Weisung betroffen.
Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Kläger durch die streitige Anordnung vom 21. September 1988 nicht in seinen eigenen Rechten verletzt wird.
Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der Anweisung vom 21. September 1988 um einen Verwaltungsakt oder um eine innerdienstliche Maßnahme ohne diese Rechtsqualität handelt, könnten die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten Anträge nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger durch die ihm auferlegte Verpflichtung, das am Gymnasium ... eingeführte und von den Erziehungsberechtigten aufgrund der Schulbuchliste angeschaffte Chemielehrbuch "Chemie heute" von Grothe, Schroedel-Verlag Nr. 86006, im Unterricht als hauptsächliches Arbeitsmittel einzusetzen, in seinen Rechten verletzt wird. Ein subjektives Recht, von dieser Maßnahme verschont zu bleiben, steht dem Kläger indessen nicht zu.
Als Beamter ist der Kläger Weisungen unterworfen. Gemäß § 63 Satz 3 NBG hat er die Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen und die allgemeinen Richtlinien zu befolgen, es sei denn, daß er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an
Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß ein Beamter an Weisungen gebunden ist, besteht im vorliegenden Fall nicht.
Auch die dienstrechtlichen Vorschriften des Niedersächsischen Schulgesetzes sehen nicht vor, daß der Kläger an Weisungen nicht gebunden wäre. Entgegen der Auffassung des Klägers begründet § 35 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes in der Fassung vom 6. November 1980 (GVBl S. 425) mit späteren Änderungen - NSchG - nicht ein Abwehrrecht gegen die ihm erteilte Weisung. Nach dieser Vorschrift erzieht und unterrichtet der Lehrer in eigener pädagogischer Verantwortung. Wie aus der gesetzlichen Bestimmung des § 23 Satz 2 NSchG ersichtlich ist, umfaßt die pädagogische Verantwortung des Lehrers insbesondere seine methodische und didaktische Freiheit. Anders als bei Hochschullehrern, die den Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG genießen, ist die methodische und didaktische Freiheit der Lehrer im Rahmen der pädagogischen Verantwortung nicht ohne Schranken. § 35 Abs. 1 Satz 2 NSchG sieht ausdrücklich vor, daß der Lehrer an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Beschlüsse der Konferenzen und Lehrer-Schüler-Ausschüsse sowie an Anordnungen der Schulaufsicht gebunden ist. Das bedeutet, daß der Kläger auch Nr. 26 des Schulbucherlasses zu beachten hat, der folgenden Wortlaut hat:
Eingeführte und von den Erziehungsberechtigten aufgrund der Schulbuchliste (s. Nr. 20) angeschaffte Schulbücher sind im Unterricht als hauptsächliches Arbeitsmittel einzusetzen. Zusätzliche Materialien im Sinne von Nr. 25 dürfen nur als Ergänzung und nicht als Ersatz für die eingeführten Schulbücher benutzt werden. ...
Die auf diese Verwaltungsvorschrift gestützte Weisung der Beklagten vom 21. September 1988 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Schulbucherlaß findet seine Rechtsgrundlage in Art. 7 Abs. 1 GG, wonach das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 3. 5. 1988 - 7 C 89.86 -, BVerwGE 79, 298 (300) [BVerwG 03.05.1988 - 7 C 89/86]), und in § 23 Satz 1 Nr. 21 a NSchG. Mit dieser Vorschrift, nach der die Konferenzen über Anträge der Schule auf Einführung von Schulbüchern entscheiden, gibt der Gesetzgeber zu erkennen, daß er von der Existenz von Schulbüchern ausgeht. Die Einzelheiten ihrer Einführung durch Erlaß zu regeln, ist der Kultusminister demgemäß befugt.
Es kann auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, daß dem Kläger aufgrund der Weisung, das Chemiebuch im Unterricht zu benutzen, noch ein Restbestand an pädagogischer Verantwortung verbleibt. Die Anordnung verpflichtet den Kläger lediglich, mit dem Schulbuch "Chemie heute" im Unterricht zu arbeiten. In welchem Umfang dies zu geschehen hat, ist ihm nicht vorgeschrieben worden. Die von ihm für erforderlich gehaltene Methode der Gewinnung von Erkenntnissen über forschendes Lernen in Verbindung mit Schülerübungen kann er auch bei Befolgung der Weisung anwenden. Auch im übrigen kann er seinen Unterricht im Kernbereich in methodischer und didaktischer Hinsicht in eigener Verantwortung gestalten. Unter diesen Umständen bedarf es der vom Kläger hilfsweise beantragten Beweiserhebung durch Einholung von Sachverständigengutachten zu dieser Frage ebensowenig wie zu der Frage, ob die Methodik des Unterrichts mit der Methodik der Darstellung im Lehrbuch übereinstimmen muß. Die Behauptung des Klägers, das eingeführte Lehrbuch werde allgemein nur in geringem Umfang im Chemieunterricht eingesetzt, kann als wahr unterstellt werden.
Die vom Kläger weiter aufgeworfene Frage, ob der Inhalt des Chemiebuchs "Chemie heute" im Einklang mit den Rahmenlinien für das Fach Chemie am Gymnasium steht, ist hier nicht zu beantworten. Diese Frage war bei der Einführung des Schulbuches zu prüfen und seinerzeit von den zuständigen Stellen bejaht worden. Der Umstand, daß dieses Chemiebuch inzwischen nicht mehr in dem ministeriellen Verzeichnis der für Niedersachsen genehmigten Schulbücher enthalten ist, läßt nicht den Schluß zu, daß sein Inhalt bei der Einführung des Buches nicht mit den Rahmenrichtlinien zu vereinbaren war. Bei der Diskussion über die Einführung des Schulbuches "Chemie heute" in der Fachkonferenz vom 25. Februar 1985 und später in der Gesamtkonferenz hatte der Kläger Gelegenheit, seine Auffassung zu dem Schulbuch zu äußern. Wie die entsprechenden Beschlüsse dieser Gremien zeigen, hatte der Kläger seine Auffassung nicht durchzusetzen vermocht. Es entspricht demokratischen Grundregeln, daß die auch gegen sein Votum gefaßten Beschlüsse vom Kläger zu respektieren sind.
Die Beklagte war schließlich auch rechtlich nicht gehindert, die Vereinbarung mit dem Kläger vom 14. Juni 1984 aufzuheben. Soweit der Kläger diese Regelung dahingehend aufgefaßt hat, daß er von der Verwendung eines Schulbuches absehen durfte, verstößt sie gegen Nr. 26 des Schulbucherlasses und ist daher insoweit rechtswidrig. Die Beklagte durfte daher die Regelung vom 14. Juni 1984 durch die angefochtenen Bescheide mit Wirkung für die Zukunft aufheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO oder des § 193 NBG gegeben ist.
Stelling
Dr. Thiedemann
Nelle