Abschnitt 85 VV-BBauG - Förmliche Festlegung von Erhaltungsgebieten (§ 39h Abs. 1)
Bibliographie
- Titel
- Verwaltungsvorschriften zum Bundesbaugesetz (VV-BBauG)
- Amtliche Abkürzung
- VV-BBauG
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 21074000000001
85.1
Erhaltungsgebiet
Die Gemeinde kann ein Gebiet, in dem bauliche Anlagen
- zum Schutze des Ortsbildes, der Stadtgestalt oder des Landschaftsbildes,
- aus Gründen des Denkmalschutzes,
- aus Gründen des Milieuschutzes,
- zur Sicherung eines sozialgerechten Ablaufs städtebaulicher Umstrukturierungen
erhalten bleiben sollen, gemäß § 39h Abs. 1 als Erhaltungsgebiet förmlich festlegen (förmlich festgelegtes Erhaltungsgebiet).
85.2
Voraussetzungen für die förmliche Festlegung
85.2.1
Die förmliche Festlegung eines Erhaltungsgebietes muß aus einem der in § 39h Abs. 3 oder Abs. 4 genannten Gründe (Nr. 85.3) gerechtfertigt sein.
Die Kombination mehrerer Gründe ist möglich.
Die nach § 39h Abs. 1 Satz 2 maßgeblichen Gründe brauchen nicht für jede bauliche Anlage im Erhaltungsgebiet erheblich zu sein. Erforderlich ist jedoch, daß das Gebiet insgesamt Besonderheiten aufweist, die die Erhaltung baulicher Anlagen aus den genannten Gründen erfordern.
85.2.2
Die förmliche Festlegung nach § 39h Abs. 1 muß erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, soweit allgemeine Vorschriften zur Wahrung der in § 39h Abs. 3 und Abs. 4 genannten Ziele ausreichen.
85.3
Gründe für die Erhaltung baulicher Anlagen
85.3.1
Schutz des Ortsbildes, der Stadtgestalt oder des Landschaftsbildes (§ 39h Abs. 3 Nr. 1)
Ortsbild ist jedes durch Bebauung geprägte Bild. Der Begriff des Ortsbildes betrifft die optische Einfügung einer baulichen Anlage in das Bild der Umgebung. Er hat eine städtebauliche und eine baugestalterische Komponente. Für die Anwendung des § 39h Abs. 3 Nr. 1 ist er jedoch nur in städtebaulicher Hinsicht von Bedeutung. Hierzu gehören nur solche Merkmale, die nach § 9 Abs. 1 auch in einem Bebauungsplan geregelt werden könnten, z.B. Standort und Stellung der baulichen Anlagen, Bauweise, Maß der baulichen Nutzung.
Der Begriff Stadtgestalt umfaßt weitere Merkmale, z.B. Siedlungsstruktur, Stadtgrundriß, topographische Gegebenheiten.
Landschaftsbild ist jedes durch das Vorherrschen der freien Natur geprägte Bild. § 39h Abs. 3 kommt aus diesem Grunde zur Anwendung, wenn eine bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen das Landschaftsbild prägt. Demgemäß können Erhaltungsgebiete auch im Außenbereich oder in Randzonen der Siedlungsgebiete festgelegt werden.
Das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild muß Besonderheiten aufweisen und aus diesem Grunde schutzwürdig sein. Dies ist nicht der Fall, wenn durch Verunstaltungen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild bereits nachhaltig zerstört ist.
85.3.2
Denkmalschutz (§ 39h Abs. 3 Nr. 2)
Die Vorschrift des § 39h Abs. 3 Nr. 2 betrifft bauliche Anlagen, die zugleich alle Merkmale von Baudenkmalen nach § 3 NDenkmalschutzG erfüllen. Die förmliche Festlegung eines Erhaltungsgebietes allein aus Gründen des Denkmalschutzes ist daher in der Regel nicht "erforderlich". Für eine Anwendung des § 39h Abs. 3 Nr. 2 müssen zusätzliche städtebauliche Gründe vorliegen.
85.3.3
Milieuschutz (§ 39h Abs. 3 Nr. 3)
Schutzgut ist die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, insbesondere im Hinblick auf die Altersstruktur, das Verhältnis von Ausländern und Deutschen, das Verhältnis von Mietern und Eigentümern sowie auf die Einkommensverhältnisse.
Die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung muß aus "besonderen städtebaulichen Gründen" erforderlich sein. Gründe des Mieterschutzes reichen nicht aus.
85.3.4
Sicherung eines sozialgerechten Ablaufs städtebaulicher Umstrukturierungen (§ 39h Abs. 4)
Die Vorschrift des § 39h Abs. 4 will einen sozial angemessenen Ablauf städtebaulicher Umstrukturierungsmaßnahmen sicherstellen. Die zeitliche Folge von Abbruch- und damit verbundenen Umsetzungsmaßnahmen soll gesteuert und mit Neubaumaßnahmen koordiniert werden können, um soziale Benachteiligungen und Beeinträchtigungen zu verhindern. Die förmliche Festlegung von Erhaltungsgebieten aus diesem Grunde kommt für jeden Bebauungsplan in Betracht, dessen Vollzug solche Umstrukturierungen erwarten läßt.
§ 39h Abs. 4 Satz 2 betrifft auch Bebauungspläne, die vor Inkrafttreten des ÄndG-BBauG 1976 aufgestellt worden sind. Ergeht in diesen Fällen nach § 39h Abs. 1 Satz 2 eine entsprechende Satzung, so sind gleichzeitig mit dem Satzungsbeschluß Grundsätze für soziale Maßnahmen oder ein Sozialplan aufzustellen.
85.4
Ermessen; Pflicht zur förmlichen Festlegung
Ob die Gemeinde ein Erhaltungsgebiet förmlich festlegt, steht grundsätzlich in ihrem Ermessen. Allerdings kann in besonderen Fällen eine Rechtspflicht zur förmlichen Festlegung bestehen. Dies kommt bei der Aufstellung von Bebauungsplänen in Betracht. Werden in einem Bebauungsplan Erhaltungsgebiete nicht festgelegt, obwohl dies nach den Planungsgrundsätzen nach § 1 Abs. 6 sachlich geboten ist, so kann hier ein Planungsfehler vorliegen.
85.5
Form der förmlichen Festlegung
Die förmliche Festlegung eines Erhaltungsgebietes erfolgt
- in einem Bebauungsplan oder
- durch sonstige Satzung.
85.6
Inhalt
Ein besonderer Wortlaut für die förmliche Festlegung ist nicht vorgeschrieben; erforderlich sind jedoch:
85.6.1
Angabe der Ermächtigungsgrundlage, bei förmlicher Festlegung durch Bebauungsplan in der Präambel (Nr. 22.6.1);
85.6.2
eindeutige Bezeichnung des Gebietes.
Bei förmlicher Festlegung durch Bebauungsplan erfolgt die Bezeichnung des Gebietes in Übereinstimmung mit dem räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes oder durch zeichnerische Kenntlichmachung von Teilen des räumlichen Geltungsbereichs in der Planunterlage.
Bei förmlicher Festlegung durch sonstige Satzung gilt Nr. 47.2.2 entsprechend;
85.6.3
Angabe, welche der in § 39h Abs. 3 und 4 bezeichneten Gründe auf das festgelegte Gebiet zutreffen (§ 39h Abs. 1 Satz 2).
Dies gilt auch, wenn das Erhaltungsgebiet durch Bebauungsplan förmlich festgelegt wird; in diesem Fall sind die Gründe als textliche Festsetzungen (Nr. 22.4) anzugeben.
85.7
Begründung
Bei förmlicher Festlegung durch Bebauungsplan sind die Gründe in der Begründung nach § 9 Abs. 8 darzulegen (vgl. Nr. 23).
Bei förmlicher Festlegung durch besondere Satzung ist eine Begründung im eigentlichen Sinne nicht erforderlich. Die Gründe für den Erlaß der Satzung sind jedoch im Antrag auf Genehmigung (Nr. 85.9.2 i.V.m. Nr. 47.3.3. b) darzulegen.
85.8
Verfahren
85.8.1
Zur förmlichen Festlegung eines Erhaltungsgebietes ist ein Aufstellungsbeschluß nicht erforderlich, es sei denn, daß Genehmigungsanträge gemäß § 39h Abs. 2 zurückgestellt werden sollen. In diesem Fall bedarf es eines förmlichen Beschlusses, der ortsüblich bekanntzumachen ist.
85.8.2
Bei förmlicher Festlegung durch Bebauungsplan gelten die Vorschriften über das Verfahren bei der Aufstellung von Bebauungsplänen auch für die förmliche Festlegung des Erhaltungsgebietes.
85.9
Genehmigung
85.9.1
Bei förmlicher Festlegung durch Bebauungsplan gelten die Vorschriften über die Genehmigung des Bebauungsplanes auch für die Genehmigung der förmlichen Festlegung des Erhaltungsgebietes. Auf Nr. 36 wird hingewiesen.
85.9.2
Wird das Erhaltungsgebiet durch sonstige Satzung förmlich festgelegt, so richtet sich die Genehmigung nach § 39h Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 2. Nr. 47.3 gilt entsprechend.
85.10
Inkrafttreten; Bekanntmachung
85.10.1
Bei förmlicher Festlegung durch Bebauungsplan tritt diese zusammen mit dem Bebauungsplan in Kraft. Maßgebend ist § 12 (vgl. Nr. 37).
85.10.2
Wird das Erhaltungsgebiet durch sonstige Satzung förmlich festgelegt, so ist § 16 Abs. 2 maßgebend. Nr. 47.4 gilt entsprechend.
85.11
Unterrichtung von Behörden und Bedarfsträgern
85.11.1
Die Gemeinde unterrichtet die in Nr. 38.1.2 genannten Behörden von der förmlichen Festlegung.
Bei förmlicher Festlegung durch Bebauungsplan erfolgt die Unterrichtung gemäß Nr. 38.
Bei förmlicher Festlegung durch sonstige Satzung erfolgt die Unterrichtung entsprechend Nr. 47.4.3.
85.11.2
Befinden sich in einem förmlich festgelegten Erhaltungsgebiet Grundstücke mit besonderer Zweckbestimmung nach § 39i Abs. 1, so hat die Gemeinde den Bedarfsträger von der Festlegung zu unterrichten (§ 39i Abs. 3 Satz 1).
85.12
Wirkungen der förmlichen Festlegung
85.12.1
Die förmliche Festlegung begründet einen besonderen Genehmigungsvorbehalt für den Abbruch, den Umbau und die sonstige Änderung baulicher Anlagen im Erhaltungsgebiet. Auf die besondere Regelung in § 39i Abs. 3 wird hingewiesen.
85.12.2
Der Abbruch oder die Änderung eines Gebäudes oder einer sonstigen baulichen Anlage in einem nach § 39h Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Gebiet ohne Genehmigung ist gemäß § 156 Abs. 1 Nr. 4 eine Ordnungswidrigkeit.