Verwaltungsgericht Hannover
v. 21.12.2010, Az.: 12 B 3465/10

Begründung einer Klagebefugnis der BRD zur Abwehr einer Funktionsbeeinträchtigung von Radaranlagen der Bundeswehr; Bestandskräftigkeit eines nicht im Rechtsmittel angegriffenen Vorbescheides zur planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens; Nachteilige Beeinflussung der Funktion einer Radaranlage als Voraussetzung für die Störung der Funktionsfähigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.12.2010
Aktenzeichen
12 B 3465/10
Entscheidungsform
Entscheidung
Referenz
WKRS 2010, 31769
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:1221.12B3465.10.0A

Fundstelle

  • ZNER 2011, 90-93

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Wegen des aus Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Verteidigungsauftrags begründet § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB eine Klagebefugnis der Bundesrepublik Deutschland zur Abwehr einer Funktionsbeeinträchtigung von Radaranlagen der Bundeswehr.

  2. 2.

    Ein Vorbescheid zur planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens, der nicht mit Rechtsmitteln angegriffen wird, wird auch dann bestandskräftig, wenn die Genehmigung innerhalb der Rechtsmittelfrist ergeht und angefochten wird. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ist in einem solchen Fall der gerichtlichen Prüfung entzogen.

  3. 3.

    Eine Störung der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB setzt zunächst eine nachteilige Beeinflussung ihrer Funktion voraus. Als naturwissenschaftlich-technische Frage unterliegt dies voller gerichtlicher Kontrolle. Die Darlegungslast liegt bei der Bundesrepublik Deutschland.

  4. 4.

    Eine Beeinflussung ist eine Störung, wenn die Funktion der Radaranlage für den ihr zugewiesenen Zweck in nicht hinzunehmender Weise eingeschränkt wird. Der Bundesrepublik kommt ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage zu, welche Einschränkungen aus militärischer Sicht noch hinzunehmen sind.

Tenor:

Die sofortige Vollziehung der der Antragstellerin erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12.11.2009 - Az. 43.5-4 / 3-02 / 001 / 09 - wird angeordnet, soweit darin die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-70 E4 mit einer Nabenhöhe von 85 m, einem Rotordurchmesser von 70 m, einer Nennleistung von 2,3 MW und einer Gesamthöhe von 120 m auf dem Flurstück 67, Flur 13, Gemarkung F. (RW: 3.522.952, HW: 5.757.207) genehmigt werden.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 53.956,09 EURO festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage.

2

Mit Antrag vom 07.10.2005 beantragte die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur Errichtung einer Windenenergieanlage (WEA) vom Typ Enercon E-70 E4 mit einer Nabenhöhe von 85 m, einem Rotordurchmesser von 71 m, einer Nennleistung von 2,0 MW und einer Gesamthöhe von 120,5 m auf dem Flurstück 67, Flur 13, Gemarkung F. (RW: 3.522.952, HW: 5.757.207). Der Antrag war auf die planungsrechtliche Zulässigkeit der Anlage beschränkt.

3

Der geplante Anlagenstandort liegt auf den Höhenzügen des Naturparks G. -H. -I. zwischen den zu J. gehörenden Ortsteilen F. und K.. Dort befinden sich bereits sechs errichtete oder genehmigte Windenergieanlagen unterschiedlichen Typs. Der Standort liegt rund 34 km nördlich des Luftverteidigungsradars der Beigeladenen vom Typ MPR (Medium Power Radar) am Standort L..

4

Aus diesem Grund beteiligte der Antragsgegner die Beigeladene, die mit Schreiben vom 21.11.2005 ihre Zustimmung erklärte. In dem Schreiben heißt es:

"Bei Einhaltung der Standortkoordinaten und der Bauhöhe bis zu 120,5 m über Grund bestehen infrastrukturell, liegenschafts- und schutzbereichsmäßig seitens der Bundeswehr keine Einwände. Bei Änderung der Bauhöhe, des Bautyps oder der Standortkoordinaten ist die E. erneut zu beteiligen."

5

Aus anderen Gründen lehnte der Antragsgegner den Antrag mit Bescheid vom 09.06.2006 gleichwohl ab. Nach einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (12 A 603/06) erteilte der Antragsgegner schließlich auf der Grundlage eines außergerichtlichen Vergleichs unter dem 22.12.2008 den begehrten Vorbescheid. Der Bescheid, dessen Rechtsmittelbelehrung auf eine Widerspruchsfrist von vier Wochen hinweist, führt aus:

"1.1 Bescheid

1.1.1 Die Errichtung einer Windenergieanlage (...) ist bauplanungsrechtlich zulässig (...)

1.1.2 Unwesentliche Abweichungen von den Anlagenabmessungen und dem Standort im Sinne der Ziff. II.1. a) - 2. Absatz - des Vergleichsvertrages zwischen der Antragstellerin, dem Landkreis C. und der Stadt J. vom 04./06.11.08 sind zulässig.

(...)

1.4 Hinweise

1.4.1 Es ist zu beachten, dass die Realisierbarkeit des Vorhabens in Hinblick auf Belange der zivilen oder militärischen Luftaufsicht nicht Gegenstand der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ist, so dass im Rahmen eines Antragsverfahrens nach dem BImSchG Einwendungen seitens der für die Luftaufsicht zuständigen Behörden (E., Hannover, sowie M., Wolfenbüttel) nicht ausgeschlossen werden können. Unabhängig hiervon wurden jedoch prüfungsbegleitend die o.g. Stellen im Vorfeld bereits um Stellungnahme gebeten.

1.4.2 Die M., Wolfenbüttel, hat keine Bedenken gegen das Vorhaben geäußert, soweit bestimmten Auflagen beachtet werden. Die Auflagen (Mitteilung vom 24.11.05) sind erst bei tats. Ausführung des Bauvorhabens relevant und werden zu gg. Zeit in einem zu erlassenden Genehmigungsbescheid aufgeführt.

1.4.3 Seitens der militärischen Luftaufsicht bestehen keine Bedenken gegen das Vorhaben, sofern die angegebenen Maße sowie der Standort eingehalten werden. Bei Modifizierung i.S. der Ziff. 1.1.2 in einem Genehmigungsverfahren können seitens der N. Auflagen gemacht werden (O., 21.11.05)."

6

Mit Schreiben vom 22.12.2008 übersandte der Antragsgegner der Beigeladenen den Vorbescheid vom 22.12.2008 sowie drei weitere Vorbescheide mit selbem Datum, die sich ebenfalls auf die Errichtung von Windenergieanlagen im Bereich F. -K. bezogen und hinsichtlich derer die Beigeladene im Beteiligungsverfahren - anders als bezüglich der streitgegenständlichen Windenergieanlage - teilweise Vorbehalte geäußert hatte. In dem Übersendungsschreiben heißt es:

"Unabhängig davon, dass entsprechende Hinweise auch in den einzelnen Bescheiden aufgeführt sind, habe ich den Geschäftsführer der Fa. P. (gemeint ist die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin), Herrn Q., mit dem Sie ja auch bereits gesprochen haben, darauf aufmerksam gemacht, dass bei Genehmigungsanträgen für die betr. WEA von Ihrer Seite möglicherweise ein Nachweis gefordert wird, dass durch die WEA keine Beeinträchtigung militärischer Radaranlagen gegeben sein würde."

7

Unter dem 29.12.2008 beantragte die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung von drei der vier positiv vorbeschiedenen Windenergieanlagen, darunter die Anlage vom Typ Enercon E-70 E-4 auf dem Flurstück 67 (im Antrag und der Genehmigung als WEA 01 bezeichnet) sowie eine weitere Anlage vom Typ Enercon E-82 mit einer Gesamthöhe von 125,6 m auf dem Flurstück 70 (WEA 02). Die Anlagen liegen knapp 250 m voneinander entfernt. Der Abstand der geplanten Windenergieanlage 01 zu zwei bereits vorhandenen Windenergieanlagen beträgt rund 300 m. Bei einer gegenüber der vorbeschiedenen Anlage um 0,5 m geringeren Gesamthöhe von 120 m, einer unveränderten Nabenhöhe von 85 m und einem 1,0 m geringeren Rotordurchmesser von 70 m leistet die Anlage nunmehr 2,3 MW statt 2,0 MW. Darüber hinaus ist die Anlage in ihren Außenmaßen und ihrer Bauform unverändert.

8

Die Beigeladene machte mit Schreiben vom 25.02.2009 Bedenken gegen alle drei Anlagen geltend. Die Anlagen ragten in die Radarsicht der in 34 km Entfernung gelegenen Radaranlage L. hinein. In der Zusammenschau mit anderen beantragten oder bestehenden Anlagen führten die Anlagen zu sich überlagernden Störpotenzialen, aus denen sich eine nicht hinnehmbare radartechnische Beeinträchtigung ergebe. Die Störungen könnten bei einem Mindestabstand von 500 m zwischen den bereits genehmigten, geplanten oder bestehenden Anlagen minimiert werden. Mit einem signaturtechnischen Gutachten könnten die Bedenken gegebenenfalls ausgeräumt werden.

9

Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin schaltete daraufhin das Ingenieurbüro Dr. R. ("S. ") ein, das in seinem Gutachten vom 30.09.2009 zu dem Ergebnis gelangte, Windenergieanlagen, die in einem Abstand von mehr als 33 km von einer Radaranlage entfernt lägen, führten zu keiner relevanten Störwirkung. Das gelte sowohl für Einzelanlagen als auch für Windparks. Die Bundeswehr liefere schon keine eindeutige und physikalisch nachvollziehbare Definition des Begriffs der Störung. Aus Sicht des Gutachters falle darunter nur das, was die Aufgabenstellung des betroffenen Radars in objektiv relevanter und nachvollziehbarer Weise nicht mehr ermögliche. Das könne nicht die Existenz von seltenen Plotverlusten sein. Weder komme es zu einer relevanten Verschattung und Behinderung der Radarsicht, noch werde das Sekundärradar durch potenzielle Falschziele in seiner Funktion beeinträchtigt. Mit E-Mail vom 09.11.2009 übersandte der Antragsgegner das Gutachten der Beigeladenen, die eine Prüfung und Stellungnahme ankündigte.

10

Mit Bescheid vom 12.11.2009 erteilte der Antragsgegner der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung der drei Windenergieanlagen. Zu den Einwendungen der Beigeladenen führte der Antragsgegner aus, die geäußerten Bedenken seien durch das von der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin vorgelegte Gutachten ausgeräumt worden.

11

Mit Schreiben vom 02.12.2009 legte die Beigeladene Widerspruch gegen den Genehmigungsbescheid ein. In ihrer Begründung vom 07.12.2009 verwies sie auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB und nahm Bezug auf ein Gutachten der Firma T. vom 09.10.2009, das die Stadt J. im Rahmen der Aufstellung eines Flächennutzungsplans in Auftrag gegeben hatte. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass aufgrund der bereits bestehenden Windenenergieanlagen starke Einschränkungen für neue Windenergieanlagen bestünden. Aufgrund der Vorbelastung komme eine weitere Verdichtung durch neue Windenergieanlagen nicht in Betracht. Das Gutachten von Dr. R. sei nicht geeignet, die Bedenken auszuräumen. Die Aussagen seien im Hinblick auf die geplante Verdichtung der Windenergieanlagen an dem in Aussicht genommenen Standort unvollständig. Überdies fehle es an konkreten Standortbetrachtungen; es enthalte lediglich theoretische Ansätze ohne einen konkreten Anlagenbezug. Es definiere weiter einen eigenen Störungsbegriff, wenn er als tatsächlich effektive Störung nur das bezeichne, was die Aufgabenstellung des betroffenen Radars in objektiv relevanter und nachvollziehbarer Weise nicht mehr ermögliche. Dies stehe im Gegensatz zur Störungsdefinition der Bundeswehr, sodass das Gutachten schon deshalb unverwertbar sei. Der Bundeswehr komme bei der Entscheidung, was zur Erfüllung der hoheitlichen Verteidigungsaufgaben erforderlich sei, ein verteidigungspolitischer Beurteilungsspielraum zu. Das gelte auch im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial von Windenergieanlagen. Überdies stünden die Feststellungen des Gutachters Dr. R. im Widerspruch zu dem Gutachten der T. vom 09.10.2009, sodass aufgrund fortbestehender Zweifel eine negative Auswirkung auf den Einsatzauftrag der Luftverteidigung jedenfalls nicht ausgeschlossen sei. Die vom Landkreis vorgenommene Abwägung sei deshalb fehlerhaft; sie habe das Interesse der Beigeladenen an einer uneingeschränkt funktionsfähigen Radaranlage außer Acht gelassen.

12

Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin nahm zu dem Widerspruch unter dem 17.12.2009 Stellung. Der Widerspruch sei bereits unzulässig, weil die Beigeladene nicht geltend machen könne, in ihren eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Belange der Flugsicherheit und der Landesverteidigung seien öffentliche Belange, nicht aber subjektive Rechte der Beigeladenen. In der Sache folge aus dem Gutachten von Dr. R., dass von den Windenergieanlagen keine unzumutbare Beeinträchtigung der Radarsicht ausgehe. Dabei sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass bereits zahlreiche Windenergieanlagen in deutlich größerer Nähe zu der Radarstation L. betrieben würden, ohne dass es hierdurch zu Problemen gekommen sei. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, warum nunmehr die drei genehmigten Anlagen zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Radarsicht führen sollten. Ein Beurteilungsspielraum der Bundeswehr bestehe insoweit nicht. Die Frage der Radarsicht betreffe einen naturwissenschaftlichen Sachverhalt. Allein der Verweis der Beigeladenen auf Belange der Landesverteidigung könne deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung führen. Die Beigeladene verhalte sich überdies widersprüchlich. Sie habe im Genehmigungsverfahren selbst darauf hingewiesen, dass die Bedenken mittels eines signaturtechnischen Gutachtens ausgeräumt werden könnten. Das daraufhin vorgelegte Gutachten sei schlüssig und nachvollziehbar. Es beziehe sich auf die konkret in Aussicht genommenen Standorte. Nunmehr sei die Beigeladene in der Pflicht, das Gegenteil zu belegen. Das gelinge nicht mit Hilfe des Gutachtens der T. vom 09.10.2009. Dieses befasse sich gerade nicht mit den genehmigten Windenergieanlagen, sondern beschäftige sich mit bestimmten Suchbereichen im Stadtgebiet J. s. Überdies sei die T. Auftragnehmer der Bundeswehr im Zusammenhang mit der lange geplanten Erneuerung der Radarsysteme, sodass ihr Gutachten für eine objektive und neutrale Darstellung der Situation ungeeignet sei.

13

Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin legte weiter eine ergänzende Stellungnahme von Dr. R. vom 22.12.2009 vor, in der dieser auf die Bedenken der Beigeladenen sowie auf das Gutachten der T. vom 09.10.2009 eingeht. Die Beigeladene behaupte sich überlagernde Störpotenziale lediglich, weise solche technisch aber nicht nach. Die Grundlagen ihrer Erkenntnisse lege die Beigeladene nicht offen. Auch das T. -Gutachten enthalte nahezu keine Hinweise und Parameter, wie die Ergebnisse entstanden seien. Nicht jeder messbare Einfluss sei als Störung zu qualifizieren. Insbesondere sei nicht jede Sichtbarkeit einer Windenergieanlage auf dem Radarschirm als Störung anzusehen. Wenn die Beigeladene behaupte, die Funktionsfähigkeit der Radaranlage werde eingeschränkt, werde dies durch keinerlei technisch nachvollziehbare Nachweise erhärtet. Falsch sei die Behauptung, das Gutachten vom 30.09.2009 sei nicht konkret auf die drei genehmigten Windenergieanlagen bezogen gewesen. Das Gutachten sei auf bis zu zehn Anlagen bezogen; die drei genehmigten Anlagen seien eine Untermenge davon.

14

Mit Schreiben vom 02.03.2010 zog die Beigeladene daraufhin ihre Bedenken gegen zwei der drei genehmigten Anlagen zurück und hielt sie lediglich hinsichtlich der Windenergieanlage 01 - von ihr als WEA 08 bezeichnet - aufrecht. Dazu führte sie aus, die anderen beiden Windenergieanlagen wahrten einen ausreichenden Abstand zu den benachbarten geplanten und vorhandenen Anlagen, sodass eine zusätzliche Beeinträchtigung nicht zu erwarten sei. Die Windenergieanlage 01 führe hingegen im Konzert mit zwei vorhandenen Anlagen und der genehmigten Windenergieanlage 02 (dort als WEA 09 bezeichnet) zu Beeinträchtigungen der Radarerfassung, die militärischerseits nicht mehr hingenommen werden könnten. Mit Schreiben vom 11.03.2010 nahm die Beigeladene ihren Widerspruch bezüglich der Windenergieanlagen 02 und 03 (Letztere von ihr als WEA 06 bezeichnet) zurück.

15

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2010, zugestellt am 26.03.2010, wies der Antragsgegner den Widerspruch im verbliebenen Umfang zurück. Es fehle an einer hinreichenden und nachvollziehbaren Begründung dafür, warum die noch in Streit stehende Windenergieanlage radartechnische Belange beeinträchtige. In dem von der Beigeladenen als Interessenbereich deklarierten Radius von 35 km um die Radaranlage L. arbeiteten bereits 582 Windenergieanlagen, ohne dass es zu Beeinträchtigungen komme. Die Beigeladene lasse nicht erkennen, ob und welche tatsächlichen Auswirkungen die streitgegenständliche Anlage auf die Funktionsfähigkeit der Radaranlage tatsächlich habe. Das Gutachten von Dr. R. zeige demgegenüber auf, dass eine relevante Funktionsbeeinträchtigung nicht zu erwarten sei. Nicht richtig sei die Annahme der Beigeladenen, Feststellungen der Bundeswehr könnten weder durch andere Behörden noch durch die Gerichte überprüft werden, weil die Bundeswehr allein zu beurteilen habe, welche Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Luftverteidigung gegeben sein müssten. Selbst wenn die Einschätzungen der Beigeladenen aber nur eingeschränkt überprüfbar sein sollten, wären diese hier nicht maßgeblich, weil sie nicht nachvollziehbar seien. Überdies sei nicht erkennbar, welcher Feind aus dem Norden auf die Radaranlage zufliegen könnte. Hinzu komme schließlich, dass eine theoretisch mögliche Beeinträchtigung der Funktion einer Radaranlage nicht ausreiche, um ein Entgegenstehen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB genannten Belange zu begründen.

16

Am 26.04.2010 hat die Beigeladene Klage erhoben, über die bislang nicht entschieden ist. Die Klage richtet sich allein gegen die Genehmigung der Windenergieanlage 01. Die Antragstellerin hat daraufhin am 09.08.2010 - nach Ablehnung eines entsprechenden Begehrens durch den Antragsgegner mit Schreiben vom 05.08.2010 - einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung gestellt.

17

Die Antragstellerin trägt ergänzend vor, die Klage sei jedenfalls unbegründet. Aufgrund des bestandskräftigen Vorbescheids vom 22.12.2008 sei die Beigeladene bereits gehindert, die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB in Frage zu stellen. Den Stellungnahmen der Bundeswehr fehle jede nachprüfbare Substanz. Im Zusammenhang mit möglichen Störungen der Großradaranlage L. stehe der Beigeladenen kein verteidigungspolitischer Beurteilungsspielraum zu. Bei der Frage der Beeinträchtigung der Radarsicht handele es sich um einen naturwissenschaftlich belegbaren Sachverhalt. Das gelte auch für die Frage, welche Einschränkungen der Funktion aus militärischer Sicht noch hinnehmbar seien. Schließlich berufe sich die Beigeladene selbst auf ein Sachverständigengutachten der Firma T.. Die bloße Behauptung, dass die operationelle Nutzbarkeit des Radarsystems in nicht mehr ausgleichbarer Weise beeinträchtigt werde, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung. Entscheidend könne allein sein, dass eine relevante Verschattung und effektive Behinderung der Radarsicht - wie das Gutachten von Dr. R. belege - nicht zu befürchten seien. Es sei falsch, wenn die Beigeladene von einem Absinken der maximalen Reichweite auf unter 96,2 Prozent ausgehe. Eine nachvollziehbare Berechnung und Offenlegung der Bewertungskriterien fehle. Es fehle der Nachweis, dass gerade die Errichtung der streitgegenständlichen Windenergieanlage die Gefahrenschwelle im Hinblick auf eine unzumutbare Verschlechterung der Radarsicht überschreite. Auf das Gutachten der T. könne sich die Beigeladene nicht stützen, weil nach dessen Ergebnissen keine der drei Windenergieanlagen errichtet werden dürfe. Davon gehe aber auch die Beigeladene nicht aus. Warum überdies gerade eine Reichweitenreduzierung von mehr als 3,8 Prozent als nicht hinnehmbar angesehen werde, lege die Beigeladene nicht plausibel dar. Eine derartige Reichweitenreduzierung bei einer Grenzreichweite von rund 500 km sei im realen Umfeld nicht nachzuweisen. Das von der Beigeladenen verwendete Ellipsenmodell begründe den Grenzwert von 3,8 Prozent nicht, sei wissenschaftlich nicht abgesichert und führe zu dem physikalisch nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass der Abstand von Windenergieanlagen zueinander umso größer sein müsse, je weiter die Anlagen von der Radaranlage entfernt seien. Im Ergebnis führe die Herangehensweise der Beigeladenen zu beliebigen Ergebnissen.

18

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Vollziehung der ihr durch den Antragsgegner erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 12.11.2009 (Az.: 43.5/3-02/001/09) in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2010 anzuordnen.

19

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

20

Er verteidigt seinen Bescheid und meint, es fehle nach wie vor an objektivierbaren Feststellungen der Beigeladenen. Das Vorgehen der Beigeladenen sei widersprüchlich. Zunächst seien hinsichtlich der beantragten Windenergieanlagen überhaupt keine Bedenken geäußert worden, dann seien Bedenken gegen alle drei Anlagen geltend gemacht worden, und schließlich seien die Bedenken gegen zwei Anlagen zurückgenommen worden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung komme indes nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels der Beigeladenen in der Hauptsache in Betracht. Der Ausgang der Hauptsache sei vielmehr offen. Die deshalb erforderliche Interessenabwägung falle angesichts der Bedeutung der Belange der Landesverteidigung und der Flugsicherung zu Lasten der Antragstellerin aus.

21

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

22

Ergänzend trägt sie vor, die D. sei als Trägerin öffentlicher Belange klagebefugt. Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG weise die Verteidigungskompetenz dem Bund zu. Diese Kompetenzzuweisung laufe leer, wenn die Beigeladene nicht in der Lage sei, ihre Kompetenzen notfalls gerichtlich durchzusetzen. Überdies sei die Beigeladene in ihrem subjektiven Recht als Betreiberin der Anlage betroffen. In der Sache stünden dem Vorhaben Belange der Verteidigung in Gestalt der Großradaranlage L. entgegen. Die Beigeladene sei trotz des bestandskräftigen Vorbescheids nicht gehindert, diese Belange geltend zu machen. Der Vorbescheid betreffe nur eine einzelne Windenergieanlage, nehme aber keine Gesamtbetrachtung der drei genehmigten Anlagen vor. Überdies behalte Nr. 1.4.3 des Vorbescheids der Beigeladenen die Geltendmachung von Einwänden vor. Der Antragsgegner selbst sei davon ausgegangen, dass der Vorbescheid die Frage der militärischen und zivilen Luftsicherheit nicht regele. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Antragstellerin, der die Radarproblematik bei Erteilung des Vorbescheids bekannt gewesen sei, nunmehr auf dessen Bestandskraft berufe. Noch innerhalb der Rechtsmittelfrist, die aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des Vorbescheids ein Jahr betragen habe, habe sie, die Beigeladene, überdies Widerspruch gegen den Genehmigungsbescheid eingelegt. Deshalb sei ein eigenständiges Widerspruchsverfahren gegen den Vorbescheid nicht mehr erforderlich gewesen. Jedenfalls aber sei der Widerspruch gegen die Genehmigung als Widerspruch (auch) gegen den Vorbescheid aufzufassen.

23

Die Radaranlage L. diene der Luftraumüberwachung sowie der taktischen Führung von Luftstreitkräften im Rahmen der Bundeswehr und als Beitrag zur integrierten NATO-Luftverteidigung. Für das Luftlagebild sei ein sicherer Datenbestand unerlässlich. Eine Windenergieanlage im Strahlungsfeld einer Radaranlage habe drei maßgebliche Auswirkungen auf die Erstellung des Luftlagebildes im Hinblick auf die Erfassungswahrscheinlichkeit, die Positionsgenauigkeit und die Falschzielunterdrückung. Relexionen und Streufeldeigenschaften führten erstens zu einer Dämpfung der ausgestrahlten Radarimpulse, sodass Verschattungen sowie eine Verringerung der Erfassungsreichweite zu verzeichnen seien. Zweitens komme es bedingt durch Wechselwirkungen verschiedener Windenergieanlagen sowie die inhomogene Intensität der durch die Windenergieanlage beeinflussten ursprünglich ausgesendeten Energie zu einer Verfälschung bei der Positionsermittlung von Flugzielen. Die gewonnenen Radardaten seien damit nicht mehr vertrauenswürdig. Drittens rufe die Windenergieanlage zusätzliche Zielechos hervor, die im weiteren Verarbeitungsprozess des Radargerätes negative Auswirkungen wie einen erhöhten Rechenaufwand und längere Verarbeitungszeiten hervorriefen (sog. Cluttereffekt). Die in Streit stehende Windenergieanlage löse derartige Störungen aus. Die Anlage rage etwa 55,9 m in die Radarsicht hinein, und zwar mit dem oberen Teil des Mastes, der Gondel und den Rotorwurzeln. Die Anlage stehe zu dicht an zwei vorhandenen und einer genehmigten Windenergieanlage, was zu einer nicht hinnehmbaren Verdichtung und damit zu einer Störung der Radarerfassung führe. Die operationelle Nutzbarkeit der Radaranlage werde in nicht mehr ausgleichbarer Weise beeinträchtigt. Die maximale Reichweite der Anlage sinke auf weniger als 96,2 Prozent. Eine vom Luftwaffenführungskommando in Auftrag gegebene Untersuchung habe ergeben, dass eine Reichweiteneinbuße von maximal 3,8 Prozent hinnehmbar sei. Eine solche Reichweiteneinbuße bedeute, dass ein Flugziel bei einem Anflug auf die Radarstellung 19 km später erfasst werde.

24

Maßgeblich für diese Annahme sei eine konkrete Betrachtung des Einzelfalls; allgemeingültige Kriterien zur Bewertung könnten aufgrund der Besonderheiten jedes Standorts und jeder Anlage nicht genannt werden. Im vorliegenden Fall habe die Einzelfallbetrachtung ergeben, dass im Bereich einer Ellipse mit den Maßen r = 937 m (Hauptscheitel) und q = 594 m (Nebenscheitel) um die streitgegenständliche Windenergieanlage weitere Windenergieanlagen im Radarstrahlungsfeld nur errichtet werden dürften, wenn weiterführende Betrachtungen der Verschattungs- und Dämpfungswirkung ein Unterschreiten von radartechnischen Grenzwerten erkennen ließen. Im vorliegenden Fall habe die Beigeladene sieben bestehende, genehmigte oder geplante Windenergieanlagen im Bereich des Anlagenstandorts im Detail betrachtet. Dabei sei zunächst auf der Grundlage eines Kriterienkatalogs für jede Anlage eine Abstandsellipse festgelegt worden. Bei Überschneidungen der Ellipsen sei grundsätzlich von einer Reichweitenminderung von mehr als 3,8 Prozent auszugehen. Die anschließend betrachtete Positionierung der verschattungswirksamen Bauteile der Anlagen habe kein anderes Ergebnis erbracht.

25

Es treffe nicht zu, dass der Betrieb der bereits vorhandenen Anlagen zu keinerlei Problemen in Bezug auf die Radarsicht führe. Seit dem Jahr 2007 habe sich die Bewertungssituation aufgrund neuer Gutachten und Untersuchungen verändert. Nach einer Änderung des Allgemeinen Umdrucks 51 (AU 51) im März 2008 sei nunmehr ein Gebiet im Umkreis von 35 km um die Radaranlage zu betrachten. Dass die streitige Windenergieanlage am äußersten Rand des Umkreises liege, müsse im Sinne einer Gleichbehandlung aller Antragsteller außer Betracht bleiben. Es sei Sache der Bundeswehr, das Gefährdungspotenzial einer Windenergieanlage in Bezug auf militärische Belange zu beurteilen. Die abschließende Bewertung, ob die von einer Windenergieanlage ausgehende Störung für die Bundeswehr noch tolerierbar oder nicht mehr hinnehmbar sei, könne kein Gutachter treffen. Die Einschätzung der Bundeswehr werde auch durch das signaturtechnische Gutachten der Firma T., bei der es sich keineswegs um eine Partnerfirma der Beigeladenen handele, vom 09.10.2009 gestützt, das für den streitigen Bereich eine weitere Verdichtung jedenfalls ohne konkrete Einzelfallprüfung nicht für möglich halte. Im Übrigen räume auch das Gutachten von Dr. R. ein, dass die Windenergieanlage Auswirkungen auf die Radaranlage habe, die dahingehend zu untersuchen seien, ob sie als Störungen zu bezeichnen seien und als inakzeptable Effekte wirken könnten. Die Abwägung des Antragsgegners berücksichtige das alles nicht ausreichend, sodass ein Abwägungsfehler vorliege. Der Belang der Landesverteidigung gehe den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin vor. Jedenfalls verstoße die Anlage gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG.

26

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

27

II.

Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist begründet.

28

Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, von der ihr erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vor Abschluss des Klageverfahrens Gebrauch machen zu können, überwiegt das Aussetzungsinteresse der Beigeladenen. Denn die Klage der Beigeladenen gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12.11.2009 - soweit diese die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage vom Typ Enercon E-70 E-4 auf dem Flurstück 67, Flur 13, Gemarkung F., gestattet - wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg bleiben. Nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge ist die Klage zwar zulässig, wird aber in der Sache mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, sodass die besseren Gründe dafür sprechen, der Antragstellerin eine vorzeitige Errichtung und Inbetriebnahme zu ermöglichen.

29

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Klage der Beigeladenen allerdings voraussichtlich zulässig. Ihr fehlt insbesondere nicht die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Eine wehrfähige Rechtsposition, deren Verletzung die Beigeladene geltend machen kann, folgt aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB. Die Vorschrift sieht vor, dass die Funktionsfähigkeit von Radaranlagen (auch) der Bundeswehr einen öffentlichen Belang darstellt, der im Rahmen der bauaufsichtlichen Zulassung von Vorhaben zu berücksichtigen ist. Öffentliche Belange vermitteln ihrem Träger - wie die Antragstellerin zu Recht ausgeführt hat - zwar im Regelfall keine subjektiven Rechte. Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben indes, dass die Vorschrift eine wehrfähige Rechtsposition der D. begründet.

30

Nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG i.V. mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG stellt der Bund Streitkräfte zur Verteidigung auf und verfügt zu diesem Zweck über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz. Mit diesen Bestimmungen hat der Verfassungsgeber eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung getroffen. Dabei ist es Sache des Bundes, diejenigen Maßnahmen zu beschließen, die zur Konkretisierung des Verfassungsgrundsatzes der militärischen Landesverteidigung erforderlich sind. Welche Regelungen und Anordnungen notwendig erscheinen, um gemäß der Verfassung und im Rahmen bestehender Bündnisverpflichtungen eine funktionstüchtige Verteidigung zu gewährleisten, haben dessen Organe nach weitgehend politischen Erwägungen in eigener Verantwortung zu entscheiden (vgl. BVerfG, Urt. v. 13.04.1978 - 2 BvF 1/77 u.a., BVerfGE 48, 128 <159 f.>).

31

Liegt mithin die ausschließliche Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für die Landesverteidigung beim Bund, folgt daraus das Recht, Übergriffe anderer bundesstaatlicher Ebenen in die Wahrnehmung der eigenen Kompetenzen abzuwehren. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts wie die hier klagende D. kann die Verletzung eigener Rechte immer dann geltend machen, wenn sie in der Wahrnehmung eigener Aufgaben betroffen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.01.1991 - 4 C 51/89, [...]). Das wiederum ist der Fall, wenn ein Eingriff in die Gesetzgebungsoder Vollzugskompetenz der jeweiligen Körperschaft behauptet wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 - 4 C 31/88, [...]; Urt. v. 29.04.1993 - 7 A 2/92, [...]). Entsprechend ist das einfache Recht - hier § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB - auszulegen mit der Folge, dass die D. Störungen der Funktionsfähigkeit ihrer Radaranlagen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abwehren kann.

32

Die Klage ist nach dem gegenwärtigen Stand unbegründet.

33

Die Beigeladene ist bereits gehindert, die planungsrechtliche Zulässigkeit der Anlage aus Gründen der Radartechnik gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB in Frage zu stellen, weil über diese Frage durch immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG vom 22.12.2008 abschließend entschieden worden ist. Mit diesem Bescheid hat der Antragsgegner - wie dies die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin unter dem 07.10.2005 beantragt hatte - der Anlage die planungsrechtliche Zulässigkeit in umfassender Form bescheinigt. Diese mittlerweile bestandskräftige Feststellung, die alle Beteiligten bindet, erfasst auch die Vereinbarkeit der Anlage mit den Belangen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB.

34

Zwar enthält der Bescheid unter der Nummer 1.4.1 den - vor dem Hintergrund des Antrags vom 07.10.2005 unrichtigen - Hinweis, die Realisierbarkeit des Vorhabens in Hinblick auf Belange der zivilen oder militärischen Luftaufsicht sei nicht Gegenstand der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit. Dieser Hinweis begrenzt den Regelungsgehalt des Vorbescheids jedoch im Ergebnis nicht. Denn unter der Nummer 1.4.3 führt der Bescheid aus, dass seitens der militärischen Luftaufsicht keine Bedenken gegen das Vorhaben bestehen, sofern die angegebenen Maße sowie der Standort eingehalten werden. Die Ausführungen unter den Nummern 1.4.1 und 1.4.3 konnte der Empfänger des Bescheids - hier die Antragstellerin - im Zusammenhang bei objektiver Würdigung (vgl. zur Auslegung von Verwaltungsakten BVerwG, Urt. v. 18.06.1980 - 6 C 55/79, [...], m.w.N.) nur so verstehen, dass die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens auch insofern verbindlich festgestellt werden sollte. Nur für den Fall von - nach Nummer 1.1.2 zulässigen - Änderungen der Anlagenabmessungen, des Anlagentyps und des Standorts sollten der Beigeladenen Einwendungen vorbehalten bleiben. Andernfalls wäre die Aufnahme der Nummer 1.4.3 überflüssig. Das bestätigt der Vergleich mit dem Hinweis unter der Nummer 1.4.2, der ausdrücklich die Aufnahme bestimmter Auflagen in einen zu erlassenden Genehmigungsbescheid vorsieht. Auch das zeigt, dass der Bescheid die planungsrechtliche Zulässigkeit in einem umfassenden Sinn geregelt hat.

35

Für eine umfassende Regelung der planungsrechtlichen Zulässigkeit spricht - entgegen der Auffassung der Beigeladenen - der Vergleich des Vorbescheids bezüglich der hier in Streit stehenden Windenergieanlage 01 mit drei weiteren am selben Tag ergangenen Vorbescheiden für drei weitere Anlagen (WEA 02, 03 und 04). In den Fällen 02 und 04 lag bei Erlass des Vorbescheids noch kein Ergebnis der Beteiligung der Beigeladenen vor, worauf der Bescheid jeweils hinweist. In diesen Fällen leuchtet es unmittelbar ein, dass die planungsrechtliche Zulässigkeit im Hinblick auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB nicht geregelt werden konnte und sollte. Im Fall der Anlage 03 führt der Vorbescheid aus, der Errichtung der Anlage stehe zwar nichts entgegen. Soweit aber neben der Anlage weitere Anlagen errichtet werden sollten, seien möglicherweise Standortabstimmungen erforderlich. Auch hier ist ein deutlicher Vorbehalt vorhanden. Demgegenüber war im Fall der Anlage 01 das Beteiligungsverfahren mit einem uneingeschränkt positiven Ergebnis abgeschlossen und demnach eine endgültige Entscheidung möglich. Ein Vorbehalt, der der Beigeladenen gleichwohl eine völlig neue Prüfung ermöglicht hätte, erscheint vor diesem Hintergrund sinnwidrig. Ein solcher Vorbehalt wäre weder mit dem Sinn und Zweck eines Vorbescheids, im Interesse der Antragstellerin Rechtssicherheit zu schaffen, noch mit dem Sinn und Zweck der vorangegangenen Beteiligung der Beigeladenen im Verfahren zu vereinbaren.

36

Wenn die Beigeladene einwendet, sie habe die Windenergieanlage 01 im Rahmen des Vorbescheidverfahrens lediglich als Einzelanlage, nicht aber im Konzert mit den weiteren Windenergieanlagen 02 und 03 betrachtet, hat das auf den Regelungsgehalt der Vorbescheide keinen Einfluss. Der Regelungsgehalt eines einzelnen Vorbescheids ist nicht davon abhängig, ob zugleich weitere Vorbescheide für weitere Anlagen ergehen.

37

Soweit sich die Beigeladene auf das Übersendungsschreiben vom 22.12.2008 bezieht, führt dies ebenfalls nicht zu einer Einschränkung des Regelungsgehalts des Vorbescheids. Fraglich ist bereits, inwieweit dieses Schreiben, das der Antragstellerin als Adressatin des Bescheids niemals übersandt worden ist, überhaupt bei der Auslegung des Vorbescheids berücksichtigt werden kann. Selbst wenn aber eine Berücksichtigung möglich wäre, folgte daraus kein der Beigeladenen günstiges Ergebnis. Zwar ist in dem Übersendungsschreiben die Rede davon, im Genehmigungsverfahren könne ein Nachweis gefordert werden, dass durch die Windenergieanlagen keine Beeinträchtigung militärischer Radaranlagen erfolge. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dies auch auf die hier in Streit stehende und von Seiten der Beigeladenen abschließend beurteilte Anlage bezogen ist. Aus welchen Gründen trotz fehlender Bedenken ein Gutachten zu fordern sein sollte, erschließt sich der Kammer jedenfalls nicht. Vielmehr erscheint es naheliegend, diesen Hinweis lediglich auf die weiteren Anlagen zu beziehen, die Gegenstand der gleichzeitig übersandten Vorbescheide vom 22.12.2008 für die Anlagen 02, 03 und 04 waren. Hinsichtlich dieser Anlagen hatte die Beigeladene im Verwaltungsverfahren noch keine Stellungnahme abgegeben (WEA 02 und 04) bzw. einen Vorbehalt für den Fall der Errichtung mehrerer Anlagen geäußert (WEA 03), sodass hier die Einholung von Gutachten aufgrund möglicherweise auftauchender Zweifel sinnvoll erscheinen konnte.

38

Sollten demnach nur Änderungen der Anlagenabmessungen und des Standorts die Möglichkeit erneuter Einwendungen der Beigeladenen eröffnen, liegt ein solcher Fall nicht vor. Die unter dem 12.11.2009 genehmigte Anlage unterscheidet sich von der vorbeschiedenen Anlage nur in der um 0,3 MW gesteigerten Leistung, in dem um einen Meter geringeren Rotordurchmesser sowie -dadurch bedingt - in der um 0,5 m geringeren Gesamthöhe. Darüber hinaus ist die genehmigte Anlage nach den unwidersprochenen Angaben der Antragstellerin in ihrem Aufbau und ihren Maßen - insbesondere hinsichtlich Form und Maß von Mast und Gondel - mit der vorbeschiedenen Anlage identisch. Die geringfügigen Änderungen lösen ein erneutes Einwendungsrecht nicht aus. Denn ausweislich der Stellungnahme der Beigeladenen vom 21.11.2005 war diese mit einer Bauhöhe bis zu 120,5 m vorbehaltlos einverstanden, sodass die minimale Höhenreduzierung radartechnisch offenkundig ohne Relevanz ist. Das Gleiche gilt für die Erhöhung der Leistung, die nach den Angaben der Antragstellerin durch eine bessere Kühlung des Generators erzielt wird. Die Beigeladene behauptet im Übrigen selbst nicht, die geringfügigen Änderungen gegenüber der vorbeschiedenen Anlage führten zu einer Veränderung der radartechnischen Beurteilung. Die nunmehr vorgebrachten Einwendungen beruhen allein darauf, dass sich die Beurteilungsgrundlage zwischenzeitlich verändert hat. Dies indes rechtfertigt es nicht, die Bindungswirkung des Vorbescheids zu Lasten der Antragstellerin zu begrenzen.

39

Zu Unrecht meint die Beigeladene weiter, ihr Widerspruch vom 02.12.2009 gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12.11.2009 habe sich zugleich auf den Bauvorbescheid vom 22.12.2008 bzw. dessen Regelungsgegenstand erstreckt. Zwar ist es richtig, dass der Bauvorbescheid aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung - gemäß § 70 Abs. 1 VwGO gilt keine Vier-Wochen-, sondern eine Monatsfrist - bei Einlegung des Widerspruchs gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung noch nicht bestandskräftig war (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das allerdings macht einen Widerspruch gegen den Vorbescheid, der eine eigene Regelung in Form einer Feststellung enthält (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 9 BImSchG, Rn. 11 <Stand der Bearbeitung: September 2004>), nicht entbehrlich. Zwar hat - worauf die Beigeladene zu Recht hinweist - das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, Gegenstand einer Klage gegen eine Baugenehmigung sei auch die in einem Vorbescheid bejahte bebauungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens, wenn der Vorbescheid noch nicht bestandskräftig geworden sei (vgl. den Leitsatz von BVerwG, Urt. v. 09.12.1983 - 4 C 44/80, [...]). Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall unterscheidet sich jedoch in einem wesentlichen Gesichtspunkt von dem hier vorliegenden. Dort hatte der Nachbar sowohl gegen den Vorbescheid als auch gegen die Baugenehmigung Rechtsmittel eingelegt; das Widerspruchsverfahren gegen den Vorbescheid war aber noch nicht abgeschlossen. Mithin war der Vorbescheid zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht bestandskräftig, sodass das Gericht nicht gehindert war, die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit zu prüfen. Hier ist der Vorbescheid indes spätestens zum Jahresbeginn 2010 bestandskräftig geworden, sodass die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist.

40

Soweit die Beigeladene dem entgegenhält, der Widerspruch gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 12.11.2009 sei zumindest auch als Widerspruch gegen den bei Einlegung und Begründung des Widerspruchs noch nicht bestandskräftigen Vorbescheid zu werten, überzeugt das die Kammer nicht. Das Widerspruchsschreiben vom 02.12.2010 ist explizit auf den Genehmigungsbescheid bezogen und enthält keine Begründung. Das Begründungsschreiben vom 07.12.2010 ist ebenfalls allein auf den Genehmigungsbescheid bezogen und führt in der umfangreichen Bezugzeile den Vorbescheid nicht auf. Auch inhaltlich lässt das Schreiben nicht erkennen, dass - in Abweichung von der Zustimmungserklärung vom 21.11.2005 - gerade die Genehmigung bezüglich der Anlage 01 in Frage gestellt werden sollte. Die Begründung enthält vielmehr allgemeine Ausführungen zu allen drei Anlagen gemeinsam. Diese waren vor dem Hintergrund, dass die Beigeladene ausweislich der Stellungnahmen in den Vorbescheidverfahren für die Anlage 02 vom 28.01.2009 und für die Anlage 03 vom 29.07.2008 die Errichtung von mehreren neuen Anlagen - nicht aber einer Einzelanlage - im Bereich zwischen F. und K. kritisch sah, nicht auf die Anlage 01 bzw. den dazu ergangenen Vorbescheid zu beziehen. Das Ziel des Widerspruchs erschien vielmehr darauf gerichtet, die parallele Errichtung von drei Anlagen zu verhindern. Erst mit Schreiben vom 02.03.2010 hat sich die Beigeladene erstmals explizit gegen die Anlage 01 gewandt, und zwar aufgrund einer vermeintlichen Wechselwirkung mit zwei bereits vorhandenen Anlagen und der Anlage 02. Zu diesem Zeitpunkt war der Vorbescheid bereits bestandskräftig.

41

Die Kammer sieht schließlich keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich verhalten könnte, wenn sie auf die Bestandskraft des Vorbescheids verweist. Die Antragstellerin hat einen Vorbescheid bezüglich der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Anlage 01 beantragt und nach den obigen Ausführungen auch erhalten. Dass die Antragstellerin bei Erteilung des Vorbescheids in Übereinstimmung mit der Beigeladenen davon ausging, der Vorbescheid regele die Frage des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB bezüglich dieser Anlage nicht, ist den Akten nicht zu entnehmen.

42

Selbst wenn man aber mit der Beigeladenen davon ausgehen wollte, dass der Vorbescheid vom 22.12.2008 keine abschließende Regelung bezüglich einer Störung der Radaranlage L. getroffen hat oder aber aufgrund eines Widerspruchs der Beigeladenen nicht bestandskräftig geworden ist, bliebe die Klage ohne Erfolg. Denn der öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit der Radaranlage gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB steht dem Vorhaben der Antragstellerin nicht entgegen, weil bereits eine Störung der Radaranlage durch die geplante Windenergieanlage 01 nicht substantiiert dargelegt ist.

43

Ob das Vorhaben zu einer Störung der Funktionsfähigkeit der Radaranlage führt, ist in zwei Schritten zu prüfen. Eine Störung setzt erstens voraus, dass die Windenergieanlage die Funktion der Radaranlage nachteilig beeinflussen wird. Die entsprechende Darlegungslast liegt bei der Beigeladenen als derjenigen, die allein Einsicht in die technischen Details ihrer Radaranlagen hat und die sich auf ein Entgegenstehen des Belangs beruft. Ob und wie die Windenenergieanlage die Funktion des Radars nachteilig beeinflussen wird, unterliegt als naturwissenschaftlich-technische Frage grundsätzlich der vollen gerichtlichen Kontrolle.

44

Nicht jede Beeinflussung einer Radaranlage ist indes zugleich eine Störung, also eine praktisch relevante Minderung ihrer Funktionsfähigkeit. Deshalb ist zweitens erforderlich, dass die Beeinflussung die Funktion der Radaranlage für den ihr zugewiesenen Zweck in nicht hinzunehmender Weise einschränkt. Der Beigeladenen kommt insofern ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage zu, welche Einschränkungen aus militärischer Sicht noch hinzunehmen sind und welche nicht. Denn die Schwelle, ab der eine militärisch nicht akzeptable Beeinträchtigung vorliegt, ist nicht naturwissenschaftlich-technisch zu definieren. Es geht vielmehr um eine wertende Einschätzung, die in den verteidigungspolitischen Spielraum der zuständigen Stellen fällt und die ein Gericht nur auf ihre Plausibilität hin überprüfen kann (vgl. allgemein BVerwG, Beschl. v. 05.09.2006 - 4 B 58/06, [...]; offen gelassen von OVG Lüneburg, Urt. v. 21.04.2010 - 12 LC 9/07, [...]).

45

Im vorliegenden Fall ist bereits eine nachteilige Beeinflussung der Funktion der Radaranlage L. durch die geplante Windenergieanlage 01 nicht erkennbar. Die Beigeladene legt in keiner Weise dar, dass gerade die in Streit stehende Radaranlage die Funktion der Radaranlage L. nachteilig beeinflusst. Das Vorbringen der Beigeladenen erschöpft sich nach dem Ergebnis der Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten in spekulativen Überlegungen, die die erforderliche technischnaturwissenschaftliche Tatsachenbasis nicht erkennen lassen.

46

Nach den Darlegungen des Vertreters des Luftwaffenführungskommandos im Erörterungstermin geht die Beigeladene davon aus, dass die Errichtung der in Streit stehenden Windenergieanlage zu einer nicht hinnehmbaren Verdichtung von Anlagen im Bereich F. -K. führt. Der so genannte Cluttereffekt sei im Umfeld der Radaranlage L. zwar noch nicht aufgetreten. Allerdings führe die Verdichtung dazu, dass die Grenzreichweite der Radaranlage um mehr als 3,8 Prozent reduziert werde. Das bedeute, dass ein auf die Radaranlage zusteuerndes Flugobjekt im Bereich der Grenzreichweite von rund 480 km ca. 19 km später erkannt werde. Der Wert von 3,8 Prozent, den die Beigeladene als Grenze des Hinnehmbaren ansehe, sei auf der Grundlage eines Feldversuchs bestimmt worden. Sei ein bestimmtes Flugobjekt 130 nm - das entspreche einer praktisch bedeutsamen Entfernung - von der Radaranlage entfernt, könne es bei unbehindertem Betrieb von der Anlage mit einer definierten Wahrscheinlichkeit erkannt werden. Verringere sich die Grenzreichweite etwa aufgrund von Hindernissen um mehr als 3,8 Prozent, werde das gleiche Flugobjekt erst im Abstand von 125 nm gesehen. Da die maximale Auflösung der Radaranlage 5 nm betrage, bewirke eine geringere Leistungsminderung keinen messbaren Effekt. Unter den definierten Versuchsbedingungen trete ein messtechnisch reproduzierbarer und erkennbarer Unterschied hingegen bei einer Reichweitenminderung von 3,8 Prozent ein. Der Wert von 3,8 Prozent sei demnach ein Indikator für einen signifikanten Leistungsverlust, der neben der Reichweitenminderung mit einer Verschlechterung der Positionsgenauigkeit des Radarbildes einhergehe.

47

Die Kammer unterstellt zugunsten der Beigeladenen, dass eine Reduzierung der Grenzreichweite um mehr als 3,8 Prozent - ungeachtet der Einwendungen der Antragstellerin - eine nachteilige Beeinflussung der Radarfunktion bewirkt. Auch das führt indes nicht zum Erfolg der Klage. Denn die Beigeladene hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass - und gegebenenfalls in welchem Umfang -die Grenzreichweite der Radaranlage L. gerade durch das Hinzutreten der in Streit stehenden Anlage vermindert wird. Im Einzelnen:

48

Zur Stützung ihrer Behauptung beruft sich die Beigeladene zunächst auf eine Ellipsenbetrachtung. Dabei geht die Beigeladene davon aus, dass Windkraftanlagen abhängig von der Topografie und der Entfernung zu der Radaranlage untereinander bestimmte Mindestabstände einhalten müssen. Seien die Abstände nicht eingehalten, sei vorbehaltlich einer weiteren Prüfung eine Reichweitenminderung zu erwarten. Schon auf der Basis des eigenen Vorbringens der Beigeladenen im Erörterungstermin rechtfertigt das Ellipsenmodell die gezogenen Schlüsse jedoch nicht. Denn der Sachverständige der Beigeladenen Dr. U. hat dazu erläutert, das Ellipsenmodell beziehe sich grundsätzlich auf den Nahbereich mit einem Abstand von 7 bis 15 km zu der Radaranlage. Im Nahbereich sei eine Reichweitenminderung messtechnisch feststellbar, wenn ein bestimmter Abstand zwischen zwei Windenergieanlagen unterschritten werde. Bei einer größeren Entfernung zu der Radaranlage sei messtechnisch lediglich belegt, dass eine größere Gruppe von Windenergieanlagen zu einer Beeinträchtigung einer Radaranlage führen kann. Einer einzelnen Windenergieanlage sei dieser Effekt aber nicht zuzuordnen, sodass ein anderes Modell eher zu tragfähigen Ergebnissen führen könne.

49

Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer dem Ellipsenmodell keine Bedeutung beizumessen. Denn am Standort F. -K. überschneiden sich ausweislich der Anlage 2 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 19.11.2010 bereits heute die Abstandsellipsen der vorhandenen und bestandskräftig genehmigten Windenergieanlagen ganz erheblich. Mithin existiert bereits ein Verdichtungsbereich, zu dem die einzelne streitbefangene Anlage hinzutritt. Dieser Anlage vermag das Ellipsenmodell einen Effekt aber nicht zuzuordnen. Ob der steitbefangenen Anlage daher ein messbarer Einfluss zukommt und - falls ja - welches Maß dieser Einfluss erreicht, bleibt deshalb bei Anwendung des Ellipsenmodells offen.

50

Darüber hinaus lässt die Kammer offen, ob nicht weitere Gründe die Anwendung des Ellipsenmodells nachhaltig in Frage stellen. Zweifelhaft erscheint beispielsweise, dass nach den von der Beigeladenen eingereichten Aufstellungen mit zunehmender Entfernung einer Windenergieanlage von der Radaranlage ein zunehmender radialer Abstand mehrerer Windenergieanlagen untereinander erforderlich sein soll. Das widerspricht der ansonsten von allen Beteiligten geteilten Erkenntnis, der Einfluss auf eine Radaranlage verringere sich mit zunehmender Entfernung. Auch dieses widersprüchlich anmutende Ergebnis vermochte die Beigeladene in der Erörterung nicht zu begründen.

51

Zur Stützung ihrer Behauptung beruft sich die Beigeladene sodann auf ein so genanntes Nabendiagramm, das als Anlage 3 zum Schriftsatz vom 19.11.2010 in grafischer Form vorliegt. Die Beigeladene hat dazu erläutert, die azimutale Breite eines Radarstrahls der Radaranlage L. betrage 0,42 Grad. Lägen in diesem Radarstrahlungsbereich drei bis vier Anlagen gleichzeitig, so komme es zu einer unzulässigen Dämpfung, aus der wiederum eine entsprechende Reichweitenreduzierung folge. Diese Erkenntnis beruhe auf Messungen am Standort V., die bei einem Radarsystem anderen Typs unter Betrachtung des Windparks W. vorgenommen worden seien.

52

Die Kammer hat bereits Zweifel, dass die in V. gewonnenen Erkenntnisse auf den konkreten Fall ohne Weiteres übertragbar sind. Denn die Anlage V. arbeitet anders als die Radaranlage L. mit einem Radar vom Typ HADR (Hughes Air Defense Radar) mit einer abweichenden azimutalen Breite des Radarstrahls. Überdies liegt der Windpark W. in nur rund 4 bis 7 km Entfernung von der Radaranlage V., während die hier zu betrachtende Anlage von der Radaranlage L. rund 34 km entfernt ist.

53

Selbst wenn man aber die in V. gewonnenen Erkenntnisse für übertragbar erachtet, liefert das Nabendiagramm keinen Anhaltspunkt für einen gerade von der streitgegenständlichen Anlage ausgehenden nachteiligen Einfluss. Denn auch ohne diese Anlage befinden sich mindestens drei vorhandene oder bestandskräftig genehmigte Anlagen im Radarstrahlungsfeld, und zwar auch dann, wenn man die Anlagen unterhalb der Sichtlinie des Radars außer Acht lässt (Elevation 0,00 und kleiner). Ob die hinzutretende Anlage daher einen zusätzlichen nachteiligen Einfluss hat und -falls ja - wie dieser Einfluss beschaffen ist, lässt sich nach den eigenen Angaben der Beigeladenen mit Hilfe des Nabendiagramms nicht ermitteln.

54

Zu Unrecht beruft sich die Beigeladene schließlich auf das Gutachten der Firma T. vom 09.10.2009. Denn das im Rahmen der Bauleitplanung von Seiten der Stadt J. eingeholte Gutachten befasst sich nur allgemein mit der Frage, inwieweit sich bestimmte Flächen im Stadtgebiet - darunter der Bereich zwischen F. und K. - aus radartechnischer Sicht als Windenergieanlagenstandorte eignen. Dabei kommt das Gutachten zwar zu dem Ergebnis, im Bereich des als Suchfläche 8b bezeichneten Umfelds des Anlagenstandorts sei eine starke Vorbelastung durch vorhandene Angaben gegeben (S. 31). Gleichwohl schließt es die Errichtung von Anlagen in diesem Bereich aber nicht vollständig aus, sondern hält dies nach einer Einzelfallprüfung für möglich (S. 4). Letzteres entspricht offenbar der Auffassung der Beigeladenen, die ihre Bedenken gegen die Windenergieanlagen 02 und 03 im Widerspruchsverfahren zurückgezogen hat. Schon deshalb kann das T. -Gutachten nicht begründen, warum gerade die Windenergieanlage 01 die Funktion der Radaranlage L. stören soll. Überdies weist der Gutachter lediglich einen messtechnisch erfassbaren Einfluss des Verdichtungsbereichs - und nicht der konkret hinzu tretenden Anlage - auf die Radaranlage L. auf. Die konkreten Auswirkungen dieses Einflusses auf die Funktion der Radaranlage bleiben offen.

55

Ist es der Beigeladenen mithin trotz eines entsprechenden Hinweises der Kammer und trotz ausführlicher Erörterung der Problematik unter sachverständiger Begleitung nicht gelungen, in plausibler und nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass gerade die hinzutretende Anlage zu einem relevanten Reichweitenverlust führt, geht die Kammer davon aus, dass die Beigeladene selbst im Unklaren darüber ist, ob und gegebenenfalls wie sich die genehmigte Windenergieanlage auf die Funktion ihrer Radaranlage auswirken wird. Im Hinblick darauf, dass das Gutachten des Sachverständigen Dr. R. vom 30.09.2009 mit Ergänzungen vom 22.12.2009 und vom 10.12.2010 einen nachteiligen Einfluss plausibel verneint, ist gegenwärtig davon auszugehen, dass die Klage der Beigeladenen keinen Erfolg haben wird. Das gilt ungeachtet der Möglichkeit, dass die Beigeladene ihr Erkenntnisdefizit anhand einer nach Angaben des Sachverständigen Dr. U. möglichen, aber bislang aus nicht erkennbaren Gründen unterlassenen Berechnung des tatsächlichen Einflusses der Windenergieanlage behebt und dies in das Hauptsacheverfahren einführt. Denn es ist aus heutiger Sicht offen, welches Ergebnis eine solche Berechnung haben wird. Hinzu kommt, dass die Beigeladene davon ausgehend in plausibler Weise eine Störung begründen müsste. Ob dabei die bislang von Seiten der Beigeladenen offenbar vorgenommene Gleichsetzung von messbarem Einfluss auf die Radaranlage und Störung einer trotz des Beurteilungsspielraums verbleibenden rechtlichen Überprüfung standhalten wird, erscheint ebenfalls fraglich. Die Störung müsste schließlich ein Ausmaß annehmen, dass ihre Abwehr die gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB mit gesteigerter Durchsetzungskraft versehenen Interessen der Antragstellerin (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 14.03.1975 - IV C 41.73, stRspr.) in der Abwägung überwiegt. Die Hürden, die einem Erfolg der Beigeladenen in der Hauptsache entgegen stehen, sind mithin derart hoch, dass die Kammer nicht von einer offenen Prozesssituation ausgeht.

56

Soweit die Beigeladene schließlich meint, der Errichtung der Anlage stehe § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG entgegen, folgt die Kammer dem ebenfalls nicht. Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit die Radaranlage der Beigeladenen überhaupt zur geschützten "Umwelt" im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zählt. Offen bleiben kann weiter, ob nicht § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB die hier streitige Frage abschließend regelt. Denn jedenfalls hat die Beigeladene aus den oben genannten Gründen das Vorliegen einer Gefahr im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht substantiiert dargelegt.

57

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V. mit § 162 Abs. 3 VwGO.

58

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat die Kammer zehn Prozent des Herstellungswertes in Höhe von 1.079.121,75 EUR angesetzt und den sich ergebenden Betrag im Hinblick auf die Vorläufigkeit der im Eilverfahren angestrebten Entscheidung in Orientierung an Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327) halbiert.