Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 13.12.2010, Az.: 11 B 2353/10
Rechtmäßigkeit einer tierschutzrechtlichen Verfügung mit dem Inhalt der Untersagung einer Aufnahme von Hunden wegen nicht artgerechter Unterbringung und unzureichender hygienischer Bedingungen
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 13.12.2010
- Aktenzeichen
- 11 B 2353/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 33128
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2010:1213.11B2353.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 TierSchG
- § 16a S. 2 Nr. 1 TierSchG
Verfahrensgegenstand
Tierschutzrechtliche Verfügung
- Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 11. Kammer -
am 13. Dezember 2010
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.559,27 EURO festgesetzt.
Gründe
Der am 17.05.2010 von der Antragstellerin gestellte Antrag mit dem Begehren, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 17.05.2010 (Az.: 11 A 2352/10) gegen den am 22.04.2010 zugestellten Bescheid des Antragsgegners vom 16.04.2010 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Soweit sich die Antragstellerin gegen die tierschutzrechtlichen Anordnungen wendet, entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und hinsichtlich der Kostenfestsetzung gemäß § 80 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO.
Der Antrag hat indes keinen Erfolg.
Soweit sich die Antragstellerin gegen die Kostenfestsetzung im Bescheid des Antragsgegners vom 16.04.2010 wendet, ist der Antrag nicht zulässig.
Gemäß § 80 Abs. 6 VwGO ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer gegen die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten gerichteten Klage erst dann zulässig, wenn zuvor ein Aussetzungsantrag bei der Behörde gestellt worden ist und dieser Antrag ganz oder teilweise abgelehnt wurde.
Die Klage, deren aufschiebende Wirkung die Antragstellerin mit dem Antrag erstrebt, ist gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegen einen Bescheid gerichtet, mit dem unter anderem öffentliche Kosten angefordert werden. Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage auch gegen die Kostenfestsetzung, die neben den tierschutzrechtlichen Verfügungen Gegenstand des Bescheides des Antragsgegners vom 16.04.2010 ist, mit dem dieser Gebühren für die Ordnungsverfügung sowie Auslagen für die Postzustellung und für Reisekosten im Rahmen der amtlichen Tierschutzüberwachung in Höhe von insgesamt 118,53 Euro erhebt. Die Antragstellerin hat sich vor der Anrufung des Gerichts nicht erfolglos an die Behörde gewandt. Ausweislich des vorgelegten Verwaltungsvorganges hat sie nach Zugang des hier angefochtenen Bescheides vom 16.04.2010 und vor Antragstellung bei Gericht am 17.05.2010 keinen Aussetzungsantrag an den Antragsgegner gerichtet. Ein Fall des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Soweit die Antragstellerin den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Verfügungen des Antragsgegners vom 16.04.2010 begehrt, mit der er der Antragstellerin untersagte, weitere Hunde aufzunehmen, und anordnete, alle Räumlichkeiten im Innen- und Außenbereich sowie die gepflasterte Hoffläche zu reinigen, muss das private Interesse der Antragstellerin, den Anordnungen nicht Folge leisten zu müssen, hinter dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der tierschutzrechtlichen Verfügungen zurücktreten. Die unter dem 16.04.2010 schriftlich bestätigten Verfügungen des Antragsgegners vom 17.02.2010 sind insoweit offensichtlich rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
Die tierschutzrechtlichen Verfügungen des Antragsgegners sind nicht unter formellen Gesichtspunkten rechtswidrig.
Von der nach § 28 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich erforderlichen Anhörung hat der Antragsgegner bei den unter dem 16.04.2010 schriftlich bestätigten tierschutzrechtlichen Verfügungen vom 17.02.2010 nach § 28 Abs. 2 Ziffer 1 VwVfG wegen Gefahr im Verzug bewusst abgesehen, um der Antragstellerin keine Gelegenheit zu geben, in der Zwischenzeit weitere Tiere aufzunehmen, die nicht hätten tierschutzgerecht versogt werden können, und hat insofern das von ihm zutreffend erkannte Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Das von der Antragstellerin vorgelegte Anhörungsschreiben des Antragsgegners vom 15.04.2010 mit einer Äußerungsfrist bis zum 23.04.2010 bezieht sich indes auf die weiteren im Bescheid des Antragsgegners vom 23.04.2010 getroffenen tierschutzrechtlichen Anordnungen.
Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Durchsuchung auf ihrem Grundstück am 27.10.2010 wegen Hundesteuerhinterziehung und Grundwasserverunreinigung während des Mediationsverfahrens nur als Vorwand zur Erlangung von Beweismitteln für tierschutzrechtliche Anordnungen und dass die Verfahren bei der Überprüfung ihrer Tierhaltung durch den Antragsgegner am 22.07.2010 und am 11.11.2010 fehlerhaft durchgeführt worden seien. Diese Maßnahmen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Eventuelle Einwände hätten in den gegen die entsprechenden Maßnahmen gerichteten Verfahren geltend gemacht werden müssen.
Die tierschutzrechtlichen Verfügungen des Antragsgegners sind auch in materieller Hinsicht rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Antragsgegner hat seine tierschutzrechtlichen Verfügungen zutreffend auf § 16 a Satz 2 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) gestützt und das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Nach dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des§ 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. § 2 TierSchG verlangt von dem Tierhalter, dass er das Tier seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen muss, die Möglichkeiten des Tieres zu artgerechter Bewegung nicht so einschränken darf, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt werden, und dass er über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.
Diesen Anforderungen hat die Antragstellerin nicht genügt.
Der Antragsgegner hat bei der von ihren Amtstierärzten Dr. D. und Herrn Dr. E. vorgenommenen Überprüfung der Tierhaltung auf dem Grundstück der Antragstellerin am 17.02.2010 die im einzelnen in dem schriftlich bestätigten Bescheid und in dem von der Überprüfung gefertigten Vermerk aufgeführten und in der Gutachterlichen Stellungnahme des Dr. D. vom 31.03.2010 beschriebenen Mängel bei der Haltung der Tiere festgestellt. Diese bezogen sich insbesondere auf nicht artgerechte Unterbringung der Hunde, zum Teil unzureichende hygienische Bedingungen, fehlende Rückzugsmöglichkeiten und Verhaltensstörungen bei vielen Hunden wegen fehlenden Auslaufs und unzureichender Sozialkontakte. Die Hundehaltung der Antragstellerin unter den vorgefundenen Bedingungen entspricht nicht den Anforderungen der Verordnung über das Halten von Hunden im Freien (TierSchHV) und des § 2 TierSchG.
Der Antragsgegner ist bei seiner Prognose bei Fortsetzung der Tierhaltung durch die Antragstellerin in der bisherigen Form zutreffend davon ausgegangen, dass die Hunde und anderen ohne die von ihm getroffenen Anordnungen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen erleiden würden.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner bei den tierschutzrechtlichen Anordnungen die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens überschritten hat. Er ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Der Antragsgegner hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die vorliegenden Erkenntnisse und festgestellten Mängel unter Berücksichtigung des Interesses der Antragstellerin an der Haltung von Tieren in der bisherigen Form und ihres bisherigen Verhaltens bei seiner Entscheidung abgewogen und kommt auf Grundlage seiner Erkenntnisse zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide zu dem Ergebnis, dass zur Verbesserung der Haltungsbedingungen keine weiteren Tiere, insbesondere keine Hunde, mehr aufgenommen werden dürfen und dass sämtliche Räumlichkeiten im Innen- und Außenbereich sowie die gepflasterte Hoffläche zu reinigen sind, um eine tierschutzgerechte Unterbringung zu gewährleisten und weitere Beeinträchtigungen für die Tiere zu vermeiden.
Die Antragstellerin kann demgegenüber nicht die unzureichenden Haltungsbedingungen unter Hinweis auf die von ihr vorgelegten Stellungnahmen in Abrede und die fehlenden Fotos von der Überprüfung in Abrede stellen.
Die bei der Überprüfung der Tierhaltung auf dem Grundstück der Antragstellerin am 17.02.2010 vorgefundenen und in der Gutachterlichen Stellungnahme des Amtstierarztes Dr. D. vom 31.03.2010 beschriebenen Mängel werden insbesondere durch die bei der weiteren Überprüfung am 11.11.2010 gefertigten Protokolle und zahlreichen Fotos sowie die umfangreiche Gutachterliche Stellungnahme der Frau Dr. F. vom 25.11.2010 bestätigt. Der Vernehmung von Zeugen zur Hundehaltung der Antragstellerin bedarf es vor diesem Hintergrund nicht mehr.
Auch die Anordnung des sofortigen Vollzuges der tierschutzrechtlichen Maßnahmen ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dazu hat der Antragsgegner zutreffend ausgeführt, dass im besonderen öffentlichen Interesse des Tierschutzes nicht länger hingenommen werden könne, dass den von der Antragstellerin gehaltenen Tieren durch die ungenügenden Haltungsbedingungen und die Überforderung der Antragstellerin weiterhin bis zur Unanfechtbarkeit der tierschutzrechtlichen Verfügungen vermeidbare Leiden und Schmerzen zugefügt werden.
Im Übrigen wird - abgesehen von der Kostenfestsetzung - auf die zutreffenden Gründe in dem unter dem 16.04.2010 schriftlich bestätigten Bescheid des Antragsgegners vom 17.02.2010 Bezug genommen und insofern gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt nach der Rechsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 04.03.2010 - 11 OA 60/10 - ) aus § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der im Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen (DVBl. 2004, 1525 ff.). Danach ist bei einer Anordnung gegen Tierhalter der Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG zugrunde zu legen. Eine Streitwertfestsetzung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kommt danach hier nicht in Betracht, da der streitgegenständliche Bescheid nicht auf eine gewerbliche Tierhaltung abstellt. Ist dies nicht der Fall, sind die Belange des Tierschutzes einheitlich zu bewerten und nicht abhängig von den Kosten der jeweils erforderlichen Maßnahmen oder dem Wert der einzelnen Tiere. Nach Ziffer 1.1.1 des Streitwertkatalogs werden mehrere Anträge mit selbständiger Bedeutung addiert. In einstweiligen Rechtsschutzverfahren beträgt der Streitwert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs regelmäßig die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren maßgeblichen Wertes.
Rechtsmittelbelehrung
Soweit über den Sachantrag entschieden worden ist, steht den Beteiligten die Beschwerde gegen diesen Beschluss [...] zu.
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Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde [...] statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigt.
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Peters
Dr. Schlei