Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 04.09.2012, Az.: 1 A 2297/11

Beurteilungsspielraum; Erforderlichkeit; Schutzbereichsanordnung; Verhältnismäßigkeit; Verteidigungsanlage

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
04.09.2012
Aktenzeichen
1 A 2297/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44454
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Anordnung eines Schutzbereiches um eine militärische Verteidigungsanlage.

Hinsichtlich der Frage, ob eine Störung der Funktionsfähigkeit einer Verteidigungsanlage aus militärischer Sicht noch hinnehmbar ist oder nicht, kommt der zuständigen Behörde ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die (Neu-)Anordnung eines Schutzbereiches für eine militärische Verteidigungsanlage.

Der Kläger ist Eigentümer u.a. der Flurstücke …, …, … und … der Flur … der Gemarkung …. Auf diesen und weiteren Grundstücken betreiben der Kläger und sein Sohn … ihren landwirtschaftlichen Betrieb. Auf den Flurstücken … und … betreiben der Sohn des Klägers sowie eine weitere Gesellschafterin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zwei Windenergieanlagen jeweils mit einer Nabenhöhe von 65 m und einer Gesamthöhe von 85 m. Der Kläger hat die Flurstücke zu diesem Zweck an die GbR verpachtet.

Die vorgenannten Grundstücke des Klägers befinden sich in der näheren Umgebung der Verteidigungsanlage Radaranlage …, lagen aber bisher nicht im Geltungsbereich des mit Anordnung vom 26. April 1978 um die Verteidigungsanlage … gezogenen Schutzbereiches mit einem Radius von 2,5 km um die Anlage.

Mit Anordnung vom 31. Mai 2011 hob der Bundesminister der Verteidigung nach Anhörung der Niedersächsischen Landesregierung und - mittelbar auch - der betroffenen Gemeinden die bisher geltende Schutzbereichsanordnung für die Verteidigungsanlage Radaranlage … auf und ordnete unter Bezugnahme auf einen zum Bestandteil der Anordnung gemachten Schutzbereichsplan einen neuen, erweiterten Schutzbereich mit einem Radius von 5 km um die Verteidigungsanlage Radaranlage … an.

In der Begründung der Verfügung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Anordnung eines erweiterten Schutzbereiches um die Verteidigungsanlage Radaranlage … sei unter Berücksichtigung geänderter Verwaltungsvorschriften (Allgemeiner Umdruck 51) erforderlich, um die Einsatzfähigkeit der Verteidigungsanlage zu gewährleisten. Wegen der Vielzahl der betroffenen Privateigentümer sei der Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen nicht möglich gewesen. Nach Abwägung der unterschiedlichen Interessen der betroffenen Gemeinden und Landkreise sowie der privaten Grundstückseigentümer einerseits und der Belange der Landesverteidigung andererseits sei letztlich dem Interesse der Landesverteidigung der Vorrang einzuräumen gewesen, zumal die Schutzbereichsausdehnung auf das unverzichtbare Maß beschränkt worden sei und unzumutbare Beeinträchtigungen der Belange der Gemeinden, Landkreise und Grundstückseigentümer nicht erkennbar seien.

Die Anordnung vom 31. Mai 2011 wurde im Zeitraum vom 22. August 2011 bis 24. Oktober 2011 durch Aushang in den betroffenen Gemeinden, Abdrucken im Amtsblatt der betroffenen Landkreise und Städte sowie in der örtlichen Presse bekannt gegeben.

Der Kläger hat am 27. September 2011 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt:

Aufgrund der mit der angegriffenen Schutzbereichsanordnung erfolgten Ausdehnung des Schutzbereiches würden seine - landwirtschaftlich und für den Betrieb von Windenergieanlagen genutzten - Grundstücke nunmehr von den Wirkungen des Schutzbereiches erfasst. Insbesondere werde dadurch die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke erheblich eingeschränkt. Dies habe er nicht hinzuznehmen, weil die vorgenommene Erweiterung des Schutzbereiches nicht erforderlich, deshalb unverhältnismäßig und nicht auf das unerlässliche Maß beschränkt sei. Vielmehr hätte es bei der bisherigen Ausdehnung des Schutzbereiches verbleiben können und müssen. Zur Begründung der Notwendigkeit der Ausdehnung des Schutzbereiches sei im Wesentlichen darauf abgestellt worden, dass der vorhandene Schutzbereich unter Zugrundelegung der neuen Verfahrensrichtlinien des Allgemeinen Umdruckes 51 vom 23. Mai 2008 sowie der aktuellen technischen Voraussetzungen nicht mehr ausreichend gewesen sei, um einen störungsfreien Betrieb der Großradaranlage … zu gewährleisten. Insoweit werde jedoch übersehen, dass sich die Technik der Radaranlage überhaupt nicht und folglich auch nicht in einer Weise geändert habe, dass vom Boden aufragende Bauwerke stärker stören würden. Der behauptete Anlass für die Erweiterung des Schutzbereiches bestehe somit tatsächlich nicht. Veränderungen hätten sich lediglich in der Umgebung der Radaranlage ergeben. Die Stadt … habe - im Übrigen unter Beteiligung der Beklagten im Bauleitverfahren - in ihrem Flächennutzungsplan in den Gemarkungen …, … und … eine Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen dargestellt und entsprechende Bebauungspläne erlassen. Insoweit reiche zur Wahrung der Belange der Landesverteidigung und der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen eine Beteiligung der Beklagten - wie auch bisher geschehen - in den vor der Errichtung weiterer Windenergieanlagen durchzuführenden Bauleit- und -genehmigungsverfahren aus.

Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen: Dass von Windenergieanlagen und anderen Hochbauten Beeinträchtigungen für eine Radaranlage ausgehen können, sei im Grundsatz nicht zu bestreiten. Die Beklagte habe aber zu keinem Zeitpunkt ihm gegenüber fachlich nachgewiesen, dass die Störungen innerhalb eines 5 km-Radiusses so gravierend seien, dass die Funktionsfähigkeit der Verteidigungsanlage nachhaltig gefährdet sei. Zu diesem Nachweis sei die Beklagte jedoch verpflichtet. Die Beklagte habe die Forderung nach einem Schutzbereich von 5 km um die Radaranlage vielmehr nur deshalb in den Allgemeinen Umdruck 51 aufgenommen, um sich die Möglichkeit zu verschaffen, künftig selbst über die Zulassung weiterer Windenergieanlagen entscheiden zu können. Dem Allgemeinen Umdruck 51 komme im Übrigen auch nicht der Charakter einer technischen Richtlinie, wie etwa der TA-Lärm, zu.

Der Kläger beantragt,

die Anordnung der Beklagten zur Aufhebung und Neuordnung eines Schutzbereiches vom 31. Mai 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert: Der Kläger gehe zu Unrecht davon aus, die Erweiterung der Schutzbereichsanordnung sei allein wegen der Herausgabe des neuen Allgemeinen Umdrucks Nr. 51 angeordnet worden. Dieser stelle zwar einen verbindlichen Rahmen für Verteidigungsanlagen der Bundeswehr dar; ungeachtet dessen bedürfe es bei der Anordnung eines Schutzbereiches für eine Verteidigungsanlage aber stets einer Einzelfallbetrachtung. Diese Einzelfallbetrachtung habe hier ergeben, dass die Neuanordnung eines vergrößerten Schutzbereiches für den weiteren Betrieb der Anlage unerlässlich sei. Die Radaranlage … stelle eine bedeutsame Verteidigungsanlage dar, weil mit ihr der gesamte norddeutsche Raum radartechnisch überwacht werde. Der seinerzeit angeordnete kleinere Schutzbereich mit einem Radius von 2,5 km um die Verteidigungsanlage sei zu einer Zeit erfolgt, als nur vereinzelt Hochbauten das Potential gehabt hätten, im Nahbereich des Radars in das funktionsbestimmende elektromagnetische Strahlungsfeld hineinzureichen. Nach der Errichtung des Windparks … in direktem Umfeld der Verteidigungsanlage …. habe sich jedoch gezeigt, dass Konzentrationen von Windenergieanlagen im Umfeld bis 5 km um das Radar besonders störrelevant seien und in Einzelfallbetrachtungen einer gesonderten Bewertung bedürften. Darüber hinaus führten auch große zusammenhängende Metallflächen, wie sie etwa durch den Bau von Biogasanlagen entstünden, im Nahbereich von Radaranlagen (5 km) zu vermehrten Falschzieldarstellungen. Durch die Errichtung von Windenergieanlagen und anderer Hochbauten im nahen Umfeld der Anlage sei der Betrieb der Radaranlage bereits jetzt in erheblichem Maße beeinträchtigt, so dass die Ausweitung des Schutzbereiches zwingend erforderlich sei. Diese Erkenntnisse, die ihren Ausdruck auch in der Änderung des Allgemeinen Umdrucks 51 gefunden hätten, seien in zwei durchgeführten Studien gewonnen worden. Gerade auch im Bereich um die Radaranlage … habe sich bei den Untersuchungen gezeigt, dass Windenergieanlagen und andere Anlagen wie etwa Biogasanlagen in bestimmten Konstellationen Reflexions- und Verschattungseffekte bewirken und dadurch erhebliche Falschzieldarstellungen und Zielverschiebungen verursachen würden. Die dadurch verursachte Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Radaranlage sei aus militärischer Sicht nicht mehr hinnehmbar.

Der Kläger werde durch die Erweiterung des Schutzbereiches auch nicht unzumutbar in seinen Rechten beeinträchtigt. Für die vorhandenen Bauten innerhalb des Schutzbereiches bestehe Bestandsschutz. Im Übrigen unterliege die Errichtung oder Änderungen von Hochbauten lediglich einer fachtechnischen Bewertung durch das Luftwaffenführungskommando und die Schutzbereichsbehörde. Die Errichtung weiterer einzelner Windenergieanlagen auf den Grundstücken des Klägers sei damit nicht von Vornherein ausgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft, weil es sich bei einer Schutzbereichsanordnung nach dem Schutzbereichsgesetz vom 7. Dezember 1956 (BGBl. I, 899), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. August 2005 (BGBl. I, 2354) - SchBerG - um einen Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 2. Alt. VwVfG handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 1984 - 4 C 19/83 - zitiert nach juris).

Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es bereits gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO nicht, da Schutzbereichsanordnungen durch eine oberste Bundesbehörde, nämlich den Bundesminister der Verteidigung (vgl. § 9 Abs. 1 Schutzbereichsgesetz) erlassen werden. Dasselbe folgt aus § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, 8 a Nds. Ausführungsgesetz zur VwGO.

Dem Kläger kommt auch die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis zu, denn er kann als von der Schutzbereichsanordnung betroffener Grundstückseigentümer geltend machen, in seinem verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt zu sein.

Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO ist gewahrt. Die Bekanntgabe der Schutzbereichsanordnung gegenüber dem Kläger ist gemäß §§ 41 Abs. 3 und 4 VwVfG frühestens 14 Tage nach Veröffentlichung der Verfügung in der …zeitung bzw. der … Nachrichten am 27. August 2011 erfolgt, so dass die Klage vom 27. September 2011 rechtzeitig erhoben wurde.

Die Klage ist aber unbegründet. Die angefochtene Schutzbereichsanordnung der Beklagten vom 31. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Schutzbereichsanordnung für die Verteidigungsanlage Radaranlage … findet ihre rechtliche Grundlage in den Regelungen der §§ 1 und 2 Schutzbereichsgesetz. Die auf diese Bestimmung gestützte Anordnung ist formell und materiell rechtmäßig.

Die gesetzlichen Bestimmungen über das Verfahren wurden eingehalten; insbesondere ist die nach § 1 Abs. 3 Schutzbereichsgesetz erforderliche Stellungnahme des Landes Niedersachsen nach Durchführung einer Anhörung der von der Schutzbereichsanordnung betroffenen Gemeinden durch das Land eingeholt worden. Einer Anhörung des Klägers sowie anderer betroffener Grundstückseigentümer bedurfte es nach den gegenüber dem Verwaltungsverfahrensgesetz abweichenden spezielleren Verfahrensvorschriften (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG) des Schutzbereichsgesetzes nicht.

Ein Verstoß gegen die formelle Begründungspflicht aus § 39 Abs. 1 VwVfG lässt sich unabhängig von der Frage, ob die der Schutzbereichsanordnung beigefügte Begründung inhaltlich ausreichend ist, nicht feststellen. Denn einer Begründung des Verwaltungsaktes bedarf es nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht, wenn - wie hier - eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben worden ist. Die öffentliche Bekanntgabe selbst ist entsprechend den Vorschriften des § 2 Abs. 1 Satz 3 Schutzbereichsgesetz i.V.m. § 41 Abs. 3 und 4 VwVfG ordnungsgemäß erfolgt.

Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die angefochtene Schutzbereichsanordnung nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die (Neu-)Anordnung und Ausdehnung des Schutzbereiches für die Verteidigungsanlage Radaranlage … auf einem Radius von 5 km um die Anlage liegen vor.

Die angefochtene Schutzbereichsanordnung entspricht den Erfordernissen hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit nach § 37 Abs. 1 VwVfG. Dies gilt insbesondere für die Beschreibung ihres räumlichen Geltungsbereiches, welcher durch Bezeichnung aller von der Schutzbereichsanordnung erfassten Grundstücke mit Flurnummern nebst jeweiliger Gemarkung in der Anordnung selbst sowie in den zum Gegenstand der Anordnung gemachten zeichnerischen Darstellungen und Schutzbereichsplänen erfolgt ist.

Gemäß §§ 1, 2 und 9 Schutzbereichsgesetz erklärt der Bundesminister für Verteidigung durch Anordnung ein Gebiet zum Schutzbereich, in dem die Benutzung von Grundstücken aufgrund besonderer Anordnung der zuständigen Bundesbehörde für Zwecke der Verteidigung nach Maßgabe des Schutzbereichsgesetzes beschränkt ist. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 1 Abs. 2 Schutzbereichsgesetz, dass die Anordnung des Schutzbereiches zum Schutz und zur Erhaltung der Wirksamkeit von Verteidigungsanlagen erforderlich ist. Diese weit gefasste Ermächtigung zur Anordnung eines Schutzbereiches erfährt durch die Regelungen der §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 1 Satz 2 Schutzbereichsgesetz als Ausprägung des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in zweierlei Hinsicht eine Einschränkung. Nach § 1 Abs. 4 Schutzbereichsgesetz darf die Erklärung zum Schutzbereich nur erfolgen, wenn der mit dem Schutzbereich erstrebte Erfolg auf andere Weise nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln erreicht werden kann. Die Anordnung selbst ist darüber hinaus auf das unerlässliche Maß zu beschränken und im Übrigen so zu gestalten und durchzuführen, dass keinem der Beteiligten vermeidbare Nachteile entstehen (§ 2 Abs. 1 S. 2 SchBerG).

Dass die Vorschriften des Schutzbereichsgesetzes den verfassungsrechtlichen Anordnungen des Bestimmtheitsgebotes genügen und somit verfassungsgemäß sind, ist inzwischen höchstrichterlich geklärt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2009 - 4 B 37/09 -, zitiert nach juris) und wird vom Kläger auch nicht gerügt, so dass vertiefende Ausführungen hierzu nicht veranlasst sind.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen für die (Neu-) Anordnung eines erweiterten Schutzbereiches um die Verteidigungsanlage Radaranlage … vor.

Der Kläger ist der Ansicht, ein Anlass für eine Ausdehnung des Schutzbereiches bestehe nicht, weil sich die Technik der Großradaranlage … in keiner Weise verändert habe. Insoweit übersieht der Kläger, dass es ungeachtet der missverständlichen Formulierungen zur Notwendigkeit der Ausdehnung des Schutzbereiches im Verwaltungsverfahren (vgl. insbesondere die Stellungnahme der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 13. März 2009) nicht darauf ankommt, ob sich die aktuellen "technischen Voraussetzungen" der Großradaranlage … geändert haben. Maßgeblich ist zunächst nämlich allein, ob die Anordnung eines ausgedehnten Schutzbereiches - aus welchen Gründen auch immer - zum Zwecke der Erhaltung der Wirksamkeit von Verteidigungsanlagen notwendig ist. Dies ist hier zu bejahen.

Allgemeine Grundsätze für die Anordnung von Schutzbereichen für Funkstellen finden sich im sog. Allgemeinen Umdruck 51 (Schutzbereich von Funkstellen). Dort ist im Hinblick auf Anlagen des Radar-/Einsatzführungsdienstes in Kapitel 7 Rdnr. 701 bis 705 vorgesehen, dass zur Verhinderung der Beeinträchtigung von Radaranlagen für die Radarstandorte Schutzbereichseinzelforderungen aufzustellen sind, in denen Baumaßnahmen ab einer festgelegten Höhe über Normalnull genehmigungspflichtig sind. Zudem sind Bereiche zu definieren, in denen Störeinflüsse aufgrund von HF-Strahlungen bzw. durch Auswirkung von hohen Bauwerken (z.B. Windenergieanlagen) ausgeschlossen werden müssen. Die Schutzbereichseinzelforderungen sollen dabei vorsehen, dass alle Bauten, Anlagen oder Vorrichtungen bis in einer Entfernung von 500 m vom Drehpunkt der Antenne einer Genehmigung durch die Schutzbereichsbehörde bedürfen. Im Umkreis bis 5.000 m um den Drehpunkt der Antennen ist zu verlangen, dass alle Bauten, Anlagen und Vorrichtungen einer Genehmigung durch die Schutzbereichsbehörde bedürfen, wenn sie in den Raum hineinragen, der durch die unteren Schenkel eines Elevationswinkels von minus 1/3 (minus 20 Min.) begrenzt wird. Bei der Errichtung, Änderung und Beseitigung u.a. von Industrieanlagen, Gewerbebetrieben und Windenergieanlagen ist eine fachtechnische Bewertung der zuständigen KDO-Behörde erforderlich.

Ob die Regelungen im Allgemeinen Umdruck 51, die für die Bundeswehrverwaltung eine verbindliche Dienstvorschrift darstellt, als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren ist und somit zur Bestimmung der hier entscheidenden Frage, ob die Ausdehnung des Schutzbereiches auf einen Radius von 5 km um die Radaranlage … zur Erhaltung der Wirksamkeit der Verteidigungsanlage notwendig ist oder nicht, herangezogen werden könnte (vgl. zu einer vergleichbaren zentralen Dienstvorschrift für den Umgang mit Munition BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2011, a.a.O.), bedarf hier mangels Entscheidungserheblichkeit keiner vertiefenden Auseinandersetzung. Denn die hier streitgegenständliche Schutzbereichsanordnung beruht auf einer konkreten Einzelfallbetrachtung der Radaranlagen ….

Aufgrund der Darlegungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Ausweisung eines erweiterten Schutzbereichs von 5 km um die Verteidigungsanlage Radaranlage … erforderlich war.

Die Prüfung der Erforderlichkeit einer Schutzbereichsanordnung umfasst - ähnlich wie bei der Prüfung des Belanges der Funktionsfähigkeit von "Funkstellen und Radaranlagen" in baurechtlichen Genehmigungsverfahren - zweierlei Aspekte. Zum Einen muss überhaupt eine Störung der Funktionsfähigkeit der Radaranlage im Sinne einer nachteiligen Beeinflussung der Funktion vorliegen. Dies ist eine - der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegende - naturwissenschaftlich-technische Frage. Die Darlegungslast trifft insoweit die Bundesrepublik Deutschland. Liegt eine Störung der Funktionsfähigkeit der Radaranlage vor, so ist weiter festzustellen, ob diese Störung so erheblich ist, dass sie im Hinblick auf den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Anlage nicht hinnehmbar ist. Diese Frage lässt sich nicht wissenschaftlich-technisch definieren, sondern erfordert eine wertende Entscheidung darüber, welche Einschränkungen aus militärischer Sicht noch hinnehmbar sind. Bei dieser Bewertung kommt der Bundesrepublik Deutschland ein - nur eingeschränkt überprüfbarer - Beurteilungsspielraum zu (vgl. hierzu VG Hannover, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 12 B 3465/10 -, Rechtsprechung der Niedersächsischen Justiz).

Die Beklagte hat fachlich fundiert und nachvollziehbar dargelegt, dass die Ausweisung des früheren Schutzbereiches von 2,5 km um die Radaranlage .. zu einer Zeit erfolgt sei, als nur vereinzelt Hochbauten das Potential gehabt hätten, in das Strahlungsfeld der Radaranlage hineinzuwirken. Nach der Ausweisung des Windparks "…" seien vermehrt Windenergieanlagen im nahen Umfeld der Anlage errichtet worden. In zwei groß angelegten Studien seien sodann ab etwa 1998 die Auswirkungen des Betriebs von Windenergieanlagen und weiterer Bauten, wie etwa einer Biogasanlage mit großen metallischen Flächen, untersucht worden. Dabei habe sich gezeigt, dass durch Verschattungs- und vor allem durch Reflektionseffekte durch Windenergieanlagen oder Biogasanlagen im Strahlungsfeld der Radaranlage im Nahbereich von bis zu 5 km schwerwiegende Störungen in Gestalt von Falschzieldarstellungen und Zielverschiebungen verursacht worden sind. Diese Ausführungen belegen nach der Überzeugung der Kammer hinreichend, dass eine gravierende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Radaranlage bereits jetzt vorliegt. Letztlich bestreitet auch der Kläger das Störpotential von Windenergieanlagen auf die Radaranlage nicht. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die o.g. Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vorträgt, dass die Beklagte eine Beeinträchtigung der Radaranlage nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen habe, so vermag das Gericht dem angesichts der vorangegangenen Ausführungen nicht zu folgen. Der Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover geht im Übrigen auch deshalb ins Leere, weil der dortige Sachverhalt nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover ging es um Einen um anderen Typ von Radaranlage und zum Anderen befand sich die Windenergieanlage in einer Entfernung von rund 34 km von der Radaranlage.

Soweit der Kläger weiter vorträgt, es sei durch die Beklagte in keiner Weise belegt worden, dass die vorhandenden oder zu erwartenden Störungen so erheblich seien, dass diesen nur durch die Ausweitung des Schutzbereiches zu begegnen sei, so vermag auch dies der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Bei der Frage, welche Störungen aus militärischer Sicht noch hinnehmbar seien, kommt der Beklagten - wie aufgezeigt - ein Beurteilungsspielraum zu. Insoweit ist nur eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfung möglich. Diese beschränkt sich auf die Frage, ob die Verwaltung von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder ob sie sachfremde, willkürliche Erwägungen angestellt hat. Derartiges ist hier nicht feststellbar. Die Beklagte hat vielmehr plausibel und nachvollziehbar dargestellt, dass aus militärischer Sicht zusätzliche Beeinträchtigungen durch das Hinzutreten weiterer Windenergieanlagen oder anderer störender Anlagen im Bereich von 5 km um die Radaranlage insbesondere auch vor dem Hintergrund erheblich gestiegener Flugbewegungen möglichst effektiv auszuschließen sind, um die Wirksamkeit der Verteidigungsanlage zu gewährleisten.

Der Kläger kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, zur Wahrung der Interessen der Landesverteidigung in dem jetzigen Erweiterungsbereich reiche es aus, die Wehrbereichsverwaltung Nord - wie bisher - als Trägerin des Belanges der Landesverteidigung und des Belanges der Nichtstörung der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen im Bauleitverfahren sowie in bau- und immissisonsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Die Beteiligung der Beklagten im Rahmen der Bauleitplanung bzw. im Zusammenhang mit bau- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren erweist sich im Verhältnis zur Schutzbereichsanordnung aber nicht als ebenso geeignetes Mittel. Die Beklagte hat es nämlich nur aufgrund der Schutzbereichsanordnung als Genehmigungsbehörde selbst in der Hand, den fraglichen Bereich von Störungsquellen freizuhalten und nur im Einzelfall - nach ihrer militärischen Einschätzung - nichtstörende Bauten und Anlagen zuzulassen.

Die angeordnete Ausdehnung des Schutzbereiches auf einen Radius von 5 km um die Radaranlage erweist sich auch im Übrigen als verhältnismäßig. Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewahrt. Sie hat die widerstreitenden Interessen der betroffenen Gemeinden, Städte und Landkreise sowie der betroffenen Grundstückseigentümer in ihre Abwägung eingestellt und ist in nicht zu beanstandender Weise zu der Einschätzung gelangt, dass dem ganz erheblich tangierten Interesse an der Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der wichtigen Verteidigungsanlage … im vorliegenden Fall der Vorrang vor der kaum beeinträchtigten Planungshoheit der Gemeinden (vgl. hierzu die Stellungnahme des Niedersächsischen Ministers für Inneres und Sport vom 2. März 2011) und der Belange des Klägers und der sonstigen betroffenen Grundeigentümer einzuräumen ist. Im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Grundeigentümer hat die Beklagte zutreffend in Rechnung gestellt, dass mit der Ausdehnung des Schutzbereiches lediglich relativ geringe Beeinträchtigungen der Grundeigentümer und damit auch des Klägers verbunden sind. Die bereits errichteten baulichen Anlagen, wie die vom Kläger betriebenen Windenergieanlagen, sind durch die Anordnung nicht betroffen, da sie Bestandsschutz genießen. Die übrigen Beschränkungen durch die Schutzbereichsanordnung erschöpfen sich im Wesentlichen in Genehmigungsvorbehalten für die beabsichtigte zukünftige Errichtung weiterer Bauten. Eine nach § 4 Schutzbereichsgesetz mögliche Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung im Schutzbereich ist im vorliegenden Fall nach der gegebenen Sachlage nicht zu erwarten.

Sofern es zukünftig (etwa aufgrund verweigerter Genehmigungen für die Errichtung weiterer Windenergieanlagen) zu Vermögensnachteilen kommen könnte, so stünde dem Kläger insoweit ein Entschädigungsanspruch zu (§§ 12 ff. Schutzbereichsgesetz).

Nach alledem lässt sich nicht feststellen, dass die angefochtene Schutzbereichsanordnung der Beklagten vom 31. Mai 2011 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.