Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 13.12.2010, Az.: 18 A 2079/10

Aberkennung des Ruhegehalts; Bereicherungsabsicht; Burn-Out-Syndrom; geminderte Schuldfähigkeit; Gerichtsvollzieher; Höchstmaß; Höchstmaßnahme; Milderungsgrund; Schuldunfähigkeit; Streitwert

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.12.2010
Aktenzeichen
18 A 2079/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 47901
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Beklagte ist eines Dienstvergehens schuldig. Ihm werden die Ruhegehaltsbezüge aberkannt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 36.530,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klagebehörde begehrt die Aberkennung des Ruhegehaltes des Beklagten.

Der Ende 1958 geborene Beklagte wurde 1975 als Justizkanzleilehrling in den Justizdienst eingestellt und zum 01.08.1981 als Beamter auf Widerruf in den Vorbereitungsdienst für den mittleren Justizdienst berufen. 1983 wurde er nach bestandener Laufbahnprüfung zum Justizassistenten z.A. ernannt. 1985 bekam er die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. 1986 wurde der Beklagte zur Ausbildung für die Sonderlaufbahn des Gerichtsvollziehers zugelassen. Zuletzt war der Beklagte als Obergerichtsvollzieher beim Amtsgericht P. tätig. Mit Verfügung der Klagebehörde vom 09.03.2005 wurde der Beklagte mit Ablauf des 31.03.2005 als dienstunfähig in den Ruhestand versetzt.

Der Beklagte ist mit einer Lehrerin verheiratet und hat zwei volljährige Kinder. Der Sohn hat einen Grad der Behinderung von 100 und lebt in einer Hilfeeinrichtung. Nach Angaben des Beklagten gegenüber der Klagebehörde wird dieses Kind nach wie vor vom Beklagten unterstützt. Im September 2005 wurde die Zwangsversteigerung des damaligen Eigenheims des Beklagten angeordnet.

Bis auf die Vorfälle, die Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens sind, ist der Beklagte zuvor nicht disziplinarisch in Erscheinung getreten.

Bereits Ende März 2004 wurden gegen den Beklagten Vorermittlungen nach dem seinerzeit geltenden § 26 NDO angeordnet. Aufgrund von Beschwerden und Sachstandsanfragen fand von März bis August 2004 eine außerordentliche Prüfung bei dem damals noch im aktiven Dienst stehenden, allerdings bereits seit Mitte Januar 2004 dienstunfähig erkrankten Beamten statt. Im Rahmen dieser Prüfung stellte der Prüfungsbeamte des Amtsgerichts fest, dass der Beklagte in einer ganzen Reihe von Fällen nicht ordnungsgemäß verfahren sei (Beiakte M Bl. 3 ff. und Bl. 17 ff.).

Der Vorermittlungsführer kam daraufhin zu dem Ergebnis, dass der Beklagte seine beamtenrechtlichen Dienstpflichten dadurch verletzt habe, dass seine Führung der Sonderakten in vielen Fällen mangelhaft und unübersichtlich gewesen sei, in vielen Fällen eingegangene Zahlungen entweder mit erheblicher Verspätung oder überhaupt nicht an die Gläubiger weitergeleitet worden seien, er Vollstreckungsaufträge gar nicht eingetragen oder nur zögerlich bearbeitet habe, Barabhebungen vom Dienstkonto vorgenommen habe, deren Zulässigkeit nicht durch Abrechnungsscheine belegt sei und Gegenstände aus dem Besitz von Schuldnern in Gewahrsam genommen habe, ohne ein Pfändungsprotokoll zu erstellen sowie einem im Jahr 2000 gepfändeten Ring im Wert von ca. 2.300 DM bislang weder verwertet, noch an den Gläubiger herausgegeben habe.

Mit Schreiben seiner damaligen Bevollmächtigten vom 15.12.2004 äußerte sich der Beklagte zur Sache (Beiakte B, Bl. 105). Er habe den Überblick verloren und könne nur vermuten, dass die auf den Prüfberichten beruhenden Vorwürfe so im Wesentlichen zutreffend seien. Aufgrund seiner schwerwiegenden Erkrankung habe er die ihm obliegenden Dienstpflichten nicht mehr in vollem Umfang ausführen können.

Mit Verfügung vom 27.07.2005 leitete der Kläger - seinerzeit noch nach den Vorschriften der NDO - ein förmliches Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Gegenstand der Einleitungsverfügung waren die Vorwürfe, der Beklagte habe

1. in einer Vielzahl von Fällen dienstlich vereinnahmte Gelder nicht oder nur erheblich zeitverzögert weitergeleitet;

2. empfangene Wertsachen nicht getrennt von seinem eigenen Gut unter sicherem Verschluss aufbewahrt;

3. die Vorschriften des dienstlichen Zahlungsverkehrs nicht beachtet;

4. in mehreren Verfahren dem Vollstreckungsschuldner keine Quittung über empfangene Leistungen ausgestellt;

5. Sonderakten mangelhaft geführt, so dass sich der Stand der Angelegenheit nicht vollständig daraus ergeben habe;

6. diverse Sonderakten nicht vorgelegt habe,

7. und er in zahlreichen Vollstreckungsverfahren untätig geblieben sei oder die ihm erteilten Aufträge nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung bearbeitet habe.

Der Beklagte war bis zum Inkrafttreten des NDiszG nicht zur Vernehmung nach § 58 NDO geladen worden.

Am 29.11.2005 erhob die Staatsanwaltschaft Hildesheim gegen den Beklagten Anklage wegen Untreue und Urkundenunterdrückung. Im Strafverfahren wurde ein nervenärztliches Gutachten über den Beklagten durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie D. (Gutachten vom 23.05.2008) und eine testpsychologische Zusatzuntersuchung durch den Dipl. Psychologen E. (Gutachten vom 16.06.2008) eingeholt (Beiakte M Bl. 170). Wegen des näheren Inhaltes wird auf die Gutachten Bezug genommen.

Das Amtsgericht Peine verurteilte den Beklagten am 10.09.2008 wegen Untreue in 26 Fällen (Höhe des Gesamtschadens: 12.824,69 €) zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen, das Verfahren hinsichtlich der Urkundenunterdrückung wurde eingestellt. Das Strafgericht verneinte ausdrücklich das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20 f. StGB, konnte jedoch nicht klären, was mit den abhanden gekommenen Geldern geschehen ist. Der Strafrichter ging deshalb nicht von einer Bereicherungsabsicht des Beklagten aus. Wegen der Einzelheiten der Fälle mit den lfd. Nr. 1 bis 28 wird auf das Urteil des Amtsgerichts Peine vom 10.09.2008 Bezug genommen (Beiakte P, Bl. 156 ff.).

Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig. Nach Eintritt der Rechtskraft nahm die Klagebehörde das zwischenzeitlich ausgesetzte Disziplinarverfahren wieder auf.

Der Kläger hat am 29.04.2010 Klage eingereicht. Die Klageschrift war jedoch nicht unterzeichnet. Am 07.05.2010 ging bei Gericht jedoch eine unterschriebene Klageschrift ein.

Der Kläger trägt vor: Nach dem Wechsel des Beklagten vom AG Gifhorn zum AG Peine sei es bis 13. Januar 2004,dem Beginn der dauerhaften Krankschreibung des Beklagten, in einer Vielzahl von Fällen dazu gekommen, dass der Beklagte ihm übertragene Zwangsvollstreckungsaufträge nicht oder nur in unzureichender Art und Weise ausgeführt und insbesondere vereinnahmte Zahlungen von Schuldnern nicht ordnungsgemäß weitergeleitet habe.

Die Klagebehörde zählt dazu zunächst die auch im strafgerichtlichen Urteil genannten 26 Fälle auf, führt dann jedoch weiter aus: Die Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil zu den Fällen der lfd. Nr. 17, 18 und 22 seien unrichtig. Die fraglichen Beträge über insgesamt 1.160,82 € seien bei den Gläubigerinnen eingegangen. Insoweit werde der Sachverhalt des strafgerichtlichen Urteils nicht zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens gemacht (GA Bl. 13).

Weiter trägt der Kläger vor:

In den Verfahren DR II 565/03, 585/03 und 614/03 habe die Staatsanwaltschaft von der Anklage abgesehen. Das Fehlverhalten des Beklagten ergebe sich insoweit aber aus den entsprechenden Schadensvorgängen des Amtsgerichts Peine (GA Bl. 14).

Hinsichtlich der Vollstreckungssachen gegen F. aus Gifhorn (12 Verfahren), sei das Verfahren zwar von der Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt worden. Umstände, die geeignet wären, Zweifel an den Angaben des Schuldners, er habe hierzu Zahlungen an den Gerichtsvollzieher geleistet, ohne dafür Quittungen erhalten zu haben, hervorzurufen, seien nicht ersichtlich (GA Bl. 16, 17). Der Beklagte habe auch hier vereinnahmte Beträge zum Teil nicht weitergeleitet.

In einem weiteren Verfahren (DR II 253/03) habe der Beklagte vom Gläubiger vorgestreckte Kosten einer Zwangsräumung, die dann doch nicht durchgeführt wurde, nicht zurückerstattet. Das Land habe Schadensersatz in Höhe von 2.078,30 € leisten müssen (GA Bl. 17)

Insgesamt habe das Land Niedersachsen Gläubigern Schadensersatz in Höhe von 9.309,47 € leisten müssen.

Der Beklagte habe zudem in einer ganzen Reihe von weiteren Fällen Geldbeträge erst mit erheblicher Verzögerung an die Gläubiger weitergeleitet. In den Berichten der Amtsgerichte Peine und Gifhorn seien im Einzelnen die Fälle aufgelistet, in denen es zu einer verzögerten Ablieferung von Geldbeträgen gekommen sei (GA Bl. 18 f.).

Daneben habe der Beklagte am 02.12.199 einen Ring mit einem gutachterlichen Schätzwert von ca. 2.300,00 DM gepfändet, der weder an den Gläubiger herausgegeben noch vom Beklagten verwertet worden sei (GA Bl. 19). Der Ring sei nicht mehr auffindbar, insbesondere sei er nicht in der Pfandkammer hinterlegt.

Weiterhin würden die Barabhebungen, die der Beklagte vom Dienstkonto vorgenommen habe, um 1.979,70 € den ihm nach den Abrechnungsscheinen zustehenden Betrag übersteigen.

Unter Verstoß gegen § 73 Nr. 6 GVO sei zudem die Ehefrau des Beklagten zeitweise als Mitinhaberin des Dienstkontos beim Bankinstitut geführt worden. Erst auf entsprechende Weisung des Amtsgerichts Peine sei dies zum 28.05.2004 geändert worden.

Zudem habe der Beklagte gegen Weisungen zur geordneten Aufbewahrung von Akten verstoßen und die Pflicht, die Akten der Dienstbehörde auf deren Verlangen vorzulegen, missachtet. Neun Akten habe er erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Strafrichter herausgegeben; 13 Akten seien bis heute nicht vom Beklagten herausgegeben worden. Ihr Verbleib sei nicht erklärt worden (GA Bl. 21).

Umstände, die das Geschehen in ein milderes Licht tauchen könnten, seien nicht vorhanden. Der Beklagte sei zwar krank gewesen, nach dem strafgerichtlichen Urteil lägen aber keine Schuldausschließungsgründe oder eine verminderte Schuldfähigkeit vor.

Auch wenn das Strafgericht keine Bereicherungsabsicht des Beklagten habe feststellen können, so sei doch nicht von den Höchstmaßnahmen abzusehen. Allein die Zwangsvollstreckungssache DR II 1476/02 zeige, dass das Handeln des Beklagten durchaus von materiell-egoistischen Aspekten geprägt gewesen sei. Hier habe der Beklagten den dienstlich vereinnahmten Betrag von 1.500,00 seinem Privatkonto gutschreiben lassen und - wovon aufgrund des Zeitablaufs auszugehen sei - für eigene Zwecke verwendet. Eine Bereicherungsabsicht ergebe sich weiterhin daraus, dass der Beklagte zwischen dem 01.09.2003 und 02.02.2004 insgesamt 10.500 € in bar vom Dienstkonto abgehoben habe, obwohl ihn lediglich 8.520,30 € an Gebühren und Schreibauslagen zugestanden haben. Den Differenzbetrag habe der Beklagte sich zugeeignet.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten eines Dienstvergehens schuldig zu bekennen und ihm das Ruhegehalt abzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, von der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme abzusehen und nach dem Ermessen des Gerichts auf eine geringere Maßnahme zu erkennen,

weiter hilfsweise, Beweis zu erheben zu der Behauptung, dass dem Beklagten aufgrund seiner Erkrankung in Form eines Burn-out-Syndroms mit einem vorgeschalteten hochgradigen psychovegetativen Erschöpfungssyndrom seit spätestens Juli 2002 bis Dezember 2005 kein Verschuldensvorwurf gemacht werden könnte, wenn es in dieser Zeit zu einer der in der Klageschrift dem Beklagten vorgehaltenen Dienstpflichtverletzung gekommen sein sollte, durch Zeugnis der Ärztin G., H. bzw. durch einen vom Gericht zu bestimmenden Sachverständigen.

Er bestreite, dass die in der Klageschrift genannten Beträge nicht entsprechend den Vorgaben der Gerichtsvollzieherordnung ausgekehrt worden seien. Wenn Fehler vorgekommen seien, sei er lediglich aufgrund seiner Erkrankung (Burn-Out-Syndrom) nicht in der Lage gewesen, seine dienstlichen Tätigkeiten uneingeschränkt auszuführen. Er bestreite weiterhin, empfangene Wertsachen nicht getrennt von eigenem Gut aufbewahrt zu haben und Vollstreckungsgläubigern einen Ring widerrechtlich vorenthalten zu haben.

Soweit ihm vorgeworfen werde, das er in fünf Fällen, die nicht Gegenstand des Strafverfahrens waren, dienstlich vereinnahmte Gelder nicht oder nur erheblich zeitverzögert weitergeleitet habe, seien diese Vorwürfe schon nicht nachvollziehbar und würden bestritten.

Empfangene Wertsachen habe er steht getrennt von seinem eigenen Gut unter sicherem Verschluss aufbewahrt. Den Ring in der Vollstreckungssache DS II 2636/99 habe er an die Vollstreckungsgläubigerin ausgekehrt.

Vorsätzlich habe er weiterhin seiner Ehefrau keine Verfügungsgewalt verschafft. Er habe nicht gewusst, dass die GE Money Bank automatisch auch der Ehefrau des Kontoinhabers Verfügungsgewalt einräume.

Welche Sonderakten er angeblich erhalten, aber nicht zurückgegeben haben soll, ergebe sich nicht nachvollziehbar aus der Klageschrift. Selbst wenn er Akten tatsächlich nicht zurückgegeben haben sollte, läge dies einzig daran, dass er aufgrund seiner Erkrankung handlungsunfähig gewesen sei. Ein Verschuldensvorwurf könne ihm nicht gemacht werden.

Überhaupt könne ihn für alle vorgeworfenen Handlungen kein Verschuldensvorwurf gemacht werden. In den strafrechtlichen Feststellungen zur Schuldfähigkeit seien die Erkenntnisse der Zeugin G. und seine außergewöhnlichen Lebensumstände nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Zumindest liege bei ihm eine stark verminderte Schuldfähigkeit vor.

Im Übrigen habe er ausweislich der insoweit das Gericht bindenden Feststellungen des Strafgerichts nicht mit Bereicherungsabsicht gehandelt.

Die von der Klagebehörde beantragte Disziplinarmaßnahme sei zudem unangemessen. Seine Erkrankung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden und es fehlten materiell-egoistische Motive, so dass das Gewicht eines Dienstvergehens stets zu mildern sei.

Hinsichtlich des Vorwurfs, er, der Beklagte, habe im Zwangsvollstreckungsverfahren gegen F. aus Gifhorn die von diesen geleisteten Beträgen nicht ordnungsgemäß an die jeweiligen Gläubiger weitergeleitet (S. 15 der Klageschrift), weise die Klageschrift Mängel auf. Die Vorwürfe seien nicht hinreichend bestimmt. Es werde vom Kläger nicht dargelegt, wann der Beklagte die betreffenden Zahlungen vom Schuldner erhalten haben soll. Auch habe der Kläger nicht detailgenau aufgeführt, auf welche konkreten Fälle er sich bei dem Vorwurf beziehe, in 370 Fällen sei die empfangene Leistung erst nach 10 Tagen und in 138 dieser Fälle sowie auf 30 vom AG Peine festgestellten Fälle sei die Leistung erst mit einer Verspätung von über 30 Tagen ausgezahlt worden. Eine Verweisung auf Aufstellungen in der Disziplinarakte ersetze nicht die fehlende Substantiierung in der Klageschrift. Auch hinsichtlich des Vorwurfs, Wertsachen nicht getrennt von eigenem Gut aufbewahrt zu haben, fehle es an der erforderlichen Bestimmtheit der Klage. Zu unbestimmt seien daneben die Vorwürfe, er habe 16.247,30 € für sich verbraucht. Es werde nicht vollziehbar dargelegt, wie sich dieser Betrag zusammensetze.

Mit Schriftsatz vom 09.09.2010 ergänzte daraufhin der Kläger zur Beseitigung von Mängeln ihre Klageschrift.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Disziplinarklage ist zulässig und begründet.

Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts ist das NDiszG anzuwenden, da der Beklagte noch nicht zur Vernehmung nach § 50 NDO geladen war.

Dem Beklagten ist das Ruhegehalt abzuerkennen, weil er ein schweres Dienstvergehen begangen hat (§ 47 BeamtStG), durch das das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren gegangen ist. Ein Beamter im aktiven Beamtenverhältnis hätte für dieses Dienstvergehen aus dem Dienst entfernt werden müssen (§ 14 Abs. 2 NDiszG).

Nach Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichtes Peine vom 10.10.2008 - 25 Ds 17 Js 27957/04 -, die, soweit es die Untreuedelikte zu den laufenden Nr. 1 bis 16, 19 bis 21 und 23 bis 26 betrifft, nicht offenkundig unrichtig und mithin für das erkennende Gericht im Disziplinarklageverfahren bindend sind (§ 52 Abs. 1 NDiszG), hat der Beklagte in 23 Fällen den strafrechtlichen Tatbestand der Untreue erfüllt.

Dem steht nicht entgegen, dass offenbar der Strafrichter hinsichtlich der angeklagten Untreuedelikte zu den lfd. Nr. 17, 18 und 22 eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung getroffen hat. Diese drei abgeurteilten Taten sind nicht Gegenstand der disziplinarrechtlichen Anschuldigung; insoweit werden dem Beklagten vom Kläger keine Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen. Die insoweit falsche Tatsacheneinschätzung des Strafrichters beruhte darauf, dass die Mitteilung der Gläubigerin, die Beträge seien an sie ausgekehrt worden, nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde. Dieser Umstand lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, dass das Strafgericht hinsichtlich der restlichen 23 Taten ebenfalls unrichtige Feststellungen getroffen hat.

Der Beklagte hat durch die Untreuedelikte in 23 Fällen gegen seine Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf und zur uneigennützigen Amtsführung verstoßen und ist durch sein Verhalten nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden, die sein Beruf erfordert und nicht gegen Strafgesetze zu verstoßen, § 62 NBG a.F. bzw. nunmehr § 34 BeamtStG.

Er hat die vorgenannten 23 Dienstpflichtverletzungen, die ein einheitliches Dienstvergehen iSd. § 85 NBG darstellten bzw. nunmehr iSd. 47 BeamtStG darstellen, auch schuldhaft begangen. Von einer Schuldunfähigkeit iSd. § 20 StGB ist beim Beklagten nicht auszugehen. Das Amtsgericht Peine hat in dem rechtskräftigen Strafurteil vom 10.09.2008 weder eine Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB angenommen noch ist es von einer verminderten Schuldfähigkeit iSd. § 21 StGB ausgegangen. Es hat vielmehr den Beklagten als voll schuldfähig angesehen.

Zur Frage der Schuldunfähigkeit des Beklagten ist nach alledem weder die den Beklagten seinerzeit behandelnden Ärztin Frau G. zu hören, noch ein weiteres Sachverständigengutachten zu dieser Frage einzuholen. Das erkennende Gericht ist nach § 52 Abs. 1 NDiszG an diese Feststellungen im Strafurteil gebunden. Lediglich Feststellungen, die offenkundig unrichtig sind, können erneut überprüft werden. Dafür besteht hier jedoch hinsichtlich der Frage der Schuldunfähigkeit kein Anlass. Es finden sich keine Anhaltspunkte, dass insoweit die strafgerichtliche Entscheidung fehlerhaft ist. Die dem Strafurteil insoweit zugrunde liegenden Gutachten sind nachvollziehbar und in sich schlüssig. Der entsprechende hilfsweise gestellte Beweisantrag des Beklagten ist abzulehnen.

Das vom Beklagten begangene Dienstvergehen ist weiterhin von derartigem Gewicht, dass das Ruhegehalt des Beklagten abzuerkennen war.

Gemäß § 14 Abs. 1 NDiszG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen, wobei das Persönlichkeitsbild einschließlich des bisherigen dienstlichen Verhaltens des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist. Nach Absatz 2 Satz 2 des § 14 NDiszG ist dabei einem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt abzuerkennen, wenn er als aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Ein aktiver Beamter ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat.

Der Umstand, dass der Beklagte während seiner aktiven Dienstzeit 23 Mal wie vom Strafgericht festgestellt in einem längeren Zeitraum wiederholt nennenswertes Beträge mit einer relativ hohen Gesamtschadenssumme veruntreute, hat sowohl das Vertrauen des Dienstherrn als auch das der Allgemeinheit in den Beklagten vollständig zerstört. Als Beamter im aktiven Beamtenverhältnis wäre der Beklagte nicht mehr tragbar und müsste aus dem Beamtenverhältnis entfernen. Der Dienstherr muss sich immer darauf verlassen können, dass Beamte, die für ihn finanzielle Dinge regeln, dies korrekt tun. Erfolgen Handlungen, wie sie der Beklagte nach dem Strafurteil des Amtsgerichtes Peine begangen hat, ist dieses Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt. Und die Öffentlichkeit hat ebenfalls kein Vertrauen mehr in Gerichtsvollzieher, die derart mit ihnen anvertrauten fremden Geldern umgehen.

Milderungsgründe, die dafür sprechen könnten, von der gebotenen Aberkennung des Ruhegehaltes abzusehen und stattdessen nur eine geringfügigere Disziplinarmaßnahme auszusprechen, sind nicht erkennbar.

Insbesondere kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass ihm im Strafprozess eine Bereicherungsabsicht nicht nachzuweisen war und das Strafurteil entsprechend keine diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen getroffen hat. Auch das erkennende Gericht geht - obwohl der Kläger gewichtige Indizien für eine Bereicherungsabsicht dargelegt hat - zu Gunsten des Beklagten davon aus, dass ihm jedenfalls eine Bereicherungsabsicht hinsichtlich der abgeurteilten 23 Fälle nicht nachzuweisen sein dürfte. Darauf, ob der Beklagte letztendlich Gelder tatsächlich für sich verbraucht hat oder nicht, kommt es nicht mehr an. Auch wenn der Verbleib der veruntreuten Gelder nicht mehr aufgeklärt werden kann, so ist doch festzustellen, dass durch die Untreuehandlungen des Beklagten sowohl die Schuldner (die immer noch als säumige Zahler galten, obwohl die Schulden längst beglichen waren) als auch die Gläubiger (denen das Geld, das ihnen zustand und von dem womöglich auch ihre wirtschaftliche Existenz mit abhing, vorenthalten wurde) und dem Land Niedersachsen (das gegenüber den Geschädigten schadensersatzpflichtig wurde und tatsächlich auch Schadenersatz in beträchtlicher Höhe leisten musste) geschädigt wurden. Gerade von Gerichtsvollziehern, die mit staatlichen Hoheitsrechten ausgestattet, für die Gläubiger Zahlungsforderungen und andere Handlungen vollstrecken müssen, wird in der Öffentlichkeit ein besonders korrektes Verhalten hinsichtlich finanzielle Dinge erwartet. Handlungen, wie sie nach dem Strafurteil vom 10.09.2008 vom Beklagten begangen wurden, werfen entsprechend ein extrem schlechtes Licht auf den Berufsstand der Gerichtsvollzieher im besonderen und der Beamtenschaft im Allgemeinen und sind geeignet, das Vertrauen in die Justizverwaltung nachhaltig zu erschüttern. Hinzu kommt, dass so, wie der Beklagte verfahren ist, jedenfalls die konkrete Gefahr bestanden hat, dass doch Gelder versehentlich auf das eigene Konto fließen und dort möglicherweise - weil der Beklagte den Überblick verloren hat - dann doch für persönliche Zwecke verwendet wurden. Dieses Risiko ist der Beklagte zumindest grobfahrlässig eingegangen.

Zwar kann nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23.09.1987 - 1 D 16/87 - (zit. n. juris) von der disziplinaren Höchstmaßnahme abgesehen werden, wenn es an einem uneigennützigen Motiv fehlt. Auch in einer Reihe weitere Entscheidungen hatte sich das BVerwG mit der Frage des fehlenden Eigennutzes auseinandergesetzt und sich dann gegen die Höchstmaßnahme ausgesprochen. Bereits in seinem Urteil vom 22.10.1980 - 1 D 51/79 - (z. n. juris) hatte das BVerwG zugunsten des damals angeschuldigten Beamten eingestellt, dass er „jedenfalls nicht aus egoistischen Motiven“ gehandelt habe. Im Urteil des BVerwG vom 13.06.1995 - 1 D 21/94 - heißt es, der Senat habe „beim Fehlen eines materiell-egoistischen Aspekts grundsätzlich von der Dienstentfernung abgesehen“, weil es hierbei im Vergleich zu Zugriffsdelikten zu einer minderschweren Belastung des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses komme (zit. n. juris), im Urteil vom 07.11.1995 - 1 D 1/95 des BVerwG wird diese Rechtsprechung fortgeführt.

Der hier zu entscheidende Fall unterscheidet sich jedoch im wesentlichen Punkte von den zitierten Fällen des Bundesverwaltungsgerichts. Im Urteil vom 07.11.1995 - 1 D 1/95 - ging es um einen Postbeamten, der bei einer Umtauschaktion Briefmarken in kleinen Mengen statt gegen neue Marken gegen Bargeld eingetauscht hatte und zudem in einigen Fällen auch ungültige Briefmarken zum Tausch angenommen hatte. Hierin hatte wegen des Fehlens eigennütziger Motive das BVerwG das Gewicht des Dienstvergehens als gemindert angesehen.

Demgegenüber handelt es sich im Fall des Beklagten des vorliegenden Verfahrens nicht nur um eine Reihe kleinerer Bagatellvorgänge, die wenn überhaupt, nur zu einem geringen Schaden beim Dienstherrn geführt haben. Der Beklagte des vorliegenden Verfahrens hat hinsichtlich beträchtlicher Summen jeweils eine Untreue begangen und dabei nicht nur seinem Dienstherrn, sondern zusätzlich Schuldner und Gläubiger erheblich geschädigt. Auch wenn dem Beklagten keine Bereicherungsabsicht nachgewiesen werden konnte, hat er doch zumindest auch mit eigennützigen Motiven gehandelt. Denn er hat sich durch die zumindest sehr nachlässige Arbeitsweise an sich notwendige Arbeiten und Mühen erspart, er hat ferner seine Überlastung (mit der Folge, dass möglicherweise ein Teil seines Bezirks in andere Hände gegangen und dadurch Einnahmeverluste entstanden wären) nicht angezeigt. Schließlich hat er durch sein Handeln zumindest erhebliche Verdachtsmomente für eine private Verwendung der Gelder geliefert. Dies alles sind Umstände, die völlig anders liegen als die im Verfahren 1 D 1/95 des BVerwG und die geeignet sind, einen endgültigen Vertrauensverlust zwischen ihm und seinem Dienstherrn herbeizuführen

Im Urteil vom 13.06.1995 - 1 D 21/94 - war Grundlage der Entscheidung des Gerichts, dass der dortige Beamte die durch das Dienstvergehen erzielten Einnahmen zum Ausgleich von Kassenfehlbeträgen verwendete. Es handelt sich auch hier um eine Fallkonstellation, die mit dem vorliegenden Fall des Beklagten nicht vergleichbar ist. Entsprechendes gilt hinsichtlich des dem Urteil des BVerwG vom 23.09.1987 - 1 D 16/97 - zugrundeliegenden Sachverhalts. Hier war der angeschuldigte Beamte zum Teil schuldunfähig und zum anderen Teil lag eine erheblich verminderte Schuldunfähigkeit vor. Der Beklagte ist jedoch, wie noch ausgeführt werden wird, auch nicht vermindert schuldunfähig. Der vom BVerwG am 22.10.1980 (- 1 D 51/79 -) entschiedene Fall lässt sich mit dem des Beklagten ebenfalls nicht vergleichen, kam es dabei doch nicht zu einer so beträchtlichen Schädigung des Dienstherrn und Verlustes des Vertrauens in der Öffentlichkeit wie beim Beklagten. Zudem meinte das BVerwG weiter, dass einem Arzt ohne wesentliche Verwaltungserfahrung die Bedeutung eines von ihm verfassten Vermerks nicht in vollem Umfange klar gewesen sein könnte. Dem Beklagten mussten indes aufgrund seiner Ausbildung zum Gerichtsvollzieher die Konsequenzen seiner Handlungen jedoch bewusst sein.

Der Beklagte kann sich im Weiteren nicht auf eine verminderte Schuldunfähigkeit berufen. Zwar ist eine erhebliche verminderte Schuldfähigkeit grundsätzlich als Milderungsgrund anerkannt (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 2 C 59/07 -).

Eine verminderte Schuldunfähigkeit - und mithin schon gar nicht eine erheblich geminderte Schuldunfähigkeit - liegt beim Beklagten aber nicht vor. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BVerwG insoweit nicht von einer Bindungswirkung des strafgerichtlichen Urteils auszugehen. Unabhängig von den Feststellungen im Strafurteil, dass keine verminderte Schuldfähigkeit vorliegt, vermag die Kammer ebenfalls nicht festzustellen, dass für die hier in Rede stehenden Handlungen von einer verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten auszugehen ist. Aufgrund des widerspruchsfreien und überzeugenden Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie D. steht für das erkennende Gericht fest, dass beim Beklagten hinsichtlich der o.g. 23 Dienstpflichtverletzungen nicht von einer verminderten Schuldunfähigkeit auszugehen ist. Der Gutachter hat festgestellt (Beiakte P Bl. 118), dass der Beklagte sich seines Handelns durchgängig bewusst gewesen ist. Der Beklagte hat danach weder unter einer krankhaften seelischen Störung noch in einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung gehandelt.

Das vorgenannte Gutachten hat der Beklagte nicht zu erschüttern vermocht. Die Diagnosen „Burn-Out-Syndrom, depressive Verstimmung und Alkoholabusus belegen für sich genommen keine eingeschränkte Schuldfähigkeit. Auch dann ist es grundsätzlich für einen Beamten immer noch erkennbar, dass eine Veruntreuung eine erhebliche Dienstpflichtverletzung darstellt. Die Einholung eines weiteren Gutachtens oder die Vernehmung der behandelnden Ärztin Frau G.als sachverständige Zeugin kommt nach alledem auch zur Frage der verminderten Schuldfähigkeit nicht in Betracht.

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass der Milderungsgrund „Verminderte Schuldfähigkeit“ in Fällen, in denen grundsätzlich wegen endgültiger Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn die Entfernung bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung der Ruhebezüge auszusprechen ist, nur untergeordnete Bedeutung zuzumessen ist. Denn das Maß der Beeinträchtigung des Dienstverhältnisses ist letztlich nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Ist das Verhältnis auf Grund dem Beamten subjektiv zurechenbaren Verhaltens zerstört, ist der betroffene Beamte untragbar geworden und kann aus dem Dienst entfernt werden, auch wenn ihm der Milderungsgrund verminderter Schuldfähigkeit zuzubilligen ist (vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 14.10.97 - 1 D 60.96 -; weitere Bsp. bei Köhler/Ratz, BDG, A.I.4 Rn. 35, S. 89 f, std. Rechtsprechung der Kammer). Das ist angesichts des Umfangs und der Schwere der begangenen Untreuetaten hier der Fall.

Nach alledem kann hier offen bleiben, ob der Beklagte außer in den vor dem Strafgericht abgeurteilten 23 Untreuetaten in weiteren fünf Fällen - die Sachen DR II 565/03, 585/03, 614/03, in der Zwangsvollstreckungssache gegen F. sowie in der Sache DR II 253/03 - ebenfalls jeweils eine Untreue begangen hat oder nicht. Ebenso wenig braucht entschieden zu werden, wie die vorgeworfene Barabhebungen von zusammen 1.979,70 € vom Dienstkonto, der Vorwurf, eingehende Zahlungen nur verspätet an die Gläubiger weitergeleitet zu haben, die vorgeworfene Nicht-Herausgabe von dienstlichen Akten, die Führung des Dienstkontos auch auf den Namen der Ehefrau und der Vorwurf, einen Ring weder verwertet noch herausgegeben zu haben, zu bewerten sind. Darauf kommt es nicht mehr an. Die vom Strafgericht ausgeurteilten 23 Fälle der Untreue reichen aus, um die Disziplinarmaßnahme „Aberkennung des Ruhegehalts“ auszusprechen. Es bedarf mithin keiner Beweiserhebung mehr zur Frage der getrennten Verwahrung von Pfandsachen und ob der oben angesprochene Ring bzw. dessen Erlös nun an die Gläubiger herausgegeben wurden oder nicht.

Für Entscheidungen nach § 13 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 11 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 3 NDiszG (Ausschluss des Unterhaltsanspruches bzw. Verlängerung des Anspruches über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus) liegen keine Anhaltspunkte vor; der Beklagte hat nicht gemäß § 13 Abs. 3, § 11Abs. 3 Satz 3 NDiszG entsprechende Umstände glaubhaft gemacht. Hinzu kommt, dass seine Ehefrau dem Beklagten unterhaltsverpflichtet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 70, 71 NDiszG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 71 NDiszG i. V. m. § 52 Abs. 5 GKG. Für die Wertberechnung ist nach § 40 GKG der Zeitpunkt, der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, d. h. hier der Zeitpunkt der Klageerhebung im April 2010 maßgeblich ist. Hiernach legt die Kammer für die Streitwertfestsetzung den 13-fachen Betrag des Endgrundgehaltes einschl. des ruhegehaltsfähigen Zulagen zu Grunde. Denn es geht nicht nur um den Verlust des Ruhegehaltes selbst. Mit der Disziplinarmaßnahme verliert der Beklagte seinen Status als Ruhestandsbeamter. Er verliert seinen (eigenen) Beihilfeanspruch und kann auch nicht mehr nach einer eventuellen Gesundung reaktiviert werden. Nach alledem errechnet sich der Streitwert von 36.530,00 € [13 X (2741,20 € + 68,80 € )].