Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.05.2002, Az.: 1 LA 2929/01

Abwägung; Bauleitplanung; Denkmal; Denkmalschutz; Flächennutzungsplan; Friedhof; Heranrücken; jüdischer Friedhof; Wohnbebauung; Wohnbedürfnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.05.2002
Aktenzeichen
1 LA 2929/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43889
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 19.07.2001 - AZ: 4 A 959/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Abwägung zwischen Belangen des Denkmalschutzes und der Befriedigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung.

2. Die exponierte Lage eines alten jüdischen Friedhofs weit ab von der Bebauung kann durch das Heranrücken von Wohnbebauung wesentlich beeinträchtigt werden.

Gründe

1

Die Klägerin begehrt die uneingeschränkte Genehmigung der von ihrem Rat beschlossenen 15. Änderung des Flächennutzungsplanes, hilfsweise die Genehmigung auf die Flurstücke 41 bis 46 und 10 bis 12 auszudehnen, für die die Genehmigung versagt wurde.

2

Der Rat der Klägerin beschloss am 3. November 1998 die 15. Änderung des Flächennutzungsplanes, mit der Wohnbauflächen am westlichen Ortsrand auf Flächen der Beigeladenen zu 1) dargestellt werden. Im Norden begrenzt die Landesstraße L 855 den Änderungsbereich. Im Westen grenzt an das Plangebiet ein in das Verzeichnis der Baudenkmale eingetragener jüdischer Friedhof an, welcher von den Wohnbauflächen durch zwei Gräben und einen Weg getrennt ist. Der Friedhof wurde um 1795 inmitten der weiten Marsch, abgesetzt von der Siedlung, angelegt und ist mit einer Hainanlage eingefriedet. Auf dem ca. 573 m² großen Friedhof stehen heute noch 53 Grabsteine, deren ältester von 1811 und deren jüngster von 1930 datiert. Der Friedhof ist bislang ringsherum weitläufig von unbebauten landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben.

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Mit Verfügung vom 12. Februar 1999 genehmigte die Beklagte die 15. Änderung des Flächennutzungsplanes nur teilweise. Von der Genehmigung wurden eine nordwestliche Teilfläche und ein an die nördlich verlaufende L 855 grenzender Teilbereich (zusammen ca. 1/2 des Plangebietes) ausgenommen. Die Versagung der Genehmigung wurde wie folgt begründet: Die Klägerin habe die denkmalpflegerische Bedeutung des jüdischen Friedhofs in seiner abgeschiedenen Lage von der bebauten Siedlung fehlerhaft abgewogen.

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Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Juli 2001 abgewiesen.

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Der Zulassungsantrag, der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 und 5 VwGO gestützt wird, ist unbegründet.

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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis die "besseren Gründe" sprechen, d.h. wenn sein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen (Beschl. d. Sen. v. 31.7.1998 - 1 L 2696/98 -, NdsVBl. 1999, 93). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

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Die von der Klägerin gegen die teilweise Versagung der Genehmigung für die 15. Änderung ihres Flächennutzungsplanes erhobenen Einwände in dem Zulassungsantrag vom 24. August 2001, auf dessen Ausführungen wegen der Frist des § 124 a Abs. 1 Sätze 1 und 4 VwGO a.F. abzustellen ist, greifen nicht durch. Gemäß § 6 Abs. 2 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn der Flächennutzungsplan unter anderem den Vorschriften des BauGB widerspricht. Der Flächennutzungsplan muss deshalb den Anforderungen an eine sachgerechte Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB genügen. Hieran fehlt es.

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Das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 6 BauGB verlangt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind (vgl. zu den Grundsätzen: BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301/309). Die Verpflichtung zur Abwägung erstreckt sich u.a. auf die Abwägung der öffentlichen Belange untereinander, d.h. die ohne Rangordnung vorgegebenen Belange sind nach den konkreten Gegebenheiten zu gewichten und zu bewerten. Weder die öffentlichen Belange insgesamt noch einzelne öffentliche oder einzelne private Belange können nach dem BauGB automatisch einen Vorrang beanspruchen (BVerwG, Urt. v. 1.11.1974 - IV C 38.71 -, BVerwGE 47, 144/148). Dies gilt auch für die nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB zu berücksichtigenden Belange des Denkmalschutzes. Ihnen kommt kein absoluter Vorrang vor anderen Belangen zu (OVG Lüneburg, Urt. v. 26.6.1984 - 6 OVG C 22/81 - V.n.b.; Moench, ZfBR 1985, 163/166). Auch aus § 2 Abs. 3 NDSchG lässt sich eine Gewichtungsvorgabe nicht entnehmen. Diese Vorschrift verpflichtet u.a. die Gemeinden, die Belange des Denkmalschutzes in die Bauleitplanung rechtzeitig und so einzubeziehen, dass die Kulturdenkmale erhalten werden und ihre Umgebung angemessen gestaltet wird, soweit nicht andere öffentliche Belange überwiegen. Der letzte Halbsatz verdeutlicht, dass auch eine Unterscheidung zwischen absolutem und relativem Vorrang des Denkmalschutzes nicht weiterhilft (vgl. Schladebach, Baurecht 2000, 314/319 m.w.N., der dem Denkmalschutz einen relativen Vorrang in der bauleitplanerischen Abwägung zuerkennt). Im Falle des Widerstreits öffentlicher Belange untereinander ist, nicht anders als im Falle des Widerstreits öffentlicher Belange mit privaten Belangen, im Sinne der von § 1 Abs. 6 BauGB geforderten Abwägung (allein) zu prüfen, ob sachgerechte, d.h. an den Planungsleitsätzen orientierte und hinreichend gewichtige Gründe es rechtfertigen, den einen Belang hinter den anderen zurücktreten zu lassen (BVerwG, Urt. v. 1.11.1974 - IV C 38.71 -, a.a.O.; Krautzberger in: Battis/Krautzberger/ Löhr, BauGB, 8. Aufl. 2002, § 1, Rdnr. 100; Wiechert, in: Schmaltz/Wiechert, NDSchG, 1998, Vorb. Rdnr. 27). Hieran gemessen hat die Klägerin bei der Gewichtung der Belange des Denkmalschutzes nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Denkmalwert des jüdischen Friedhofs durch die Darstellung von Wohnbauflächen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft beeinträchtigt wird. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ausführt, die Klägerin habe den relativen Vorrang des Denkmalschutzes nicht genügend beachtet, ist dieser rechtliche Ansatz nach dem Vorgesagten zwar zweifelhaft. Die Richtigkeit des Ergebnisses der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wird dadurch aber nicht in Frage gestellt.

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Die Klägerin wendet zu Unrecht ein, das Verwaltungsgericht habe eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des jüdischen Friedhofs durch eine heranrückende Wohnbebauung im Geltungsbereich der 15. Änderung des Flächennutzungsplanes angenommen, ohne das Erscheinungsbild selbst näher zu beschreiben bzw. sich ein eigenes Urteil vor Ort über die Beeinträchtigung zu bilden. Nach § 8 Satz 1 NDSchG ist es untersagt, das Erscheinungsbild eines Baudenkmales durch die Errichtung, Änderung oder Beseitigung von Anlagen in der Umgebung zu beeinträchtigen. Die Gemeinde muss deshalb im Rahmen der Bauleitplanung nicht nur dem Denkmal selbst, sondern auch seiner Umgebung eine städtebauliche Nutzung zuweisen, die mit der Denkmaleigenschaft verträglich ist (OVG Münster, Urt. v. 30.1.1996 - 11 a D 127/92.NE -, BRS 58 Nr. 15). Ob das Erscheinungsbild eines Kulturdenkmals beeinträchtigt wird, ist nach dem Urteil eines sachverständigen Betrachters festzustellen, dessen Maßstab von einem breiten Kreis von Sachverständigen getragen wird. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Beurteilung der Frage, ob gemäß § 6 Abs. 2 NDSchG der Denkmalwert durch Veränderungen beeinträchtigt wird (vgl. hierzu Urt. d. Sen. v. 25.7.1997 - 1 L 6544/95 -, BRS 59 Nr. 233; Wiechert, in: Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 8 Rdnr. 12 und § 6 Rdnr. 18). Es unterliegt deshalb keinen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht nach Einrücken von wesentlichen Teilen der von dem Beigeladenen zu 2), dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, abgegebenen Stellungnahme vom 6. Mai 2001 zu der Frage der Beeinträchtigung des Denkmalwertes des jüdischen Friedhofs durch die geplante Darstellung von Wohnbauflächen in seiner Nachbarschaft ausgeführt hat, es folge der Einschätzung des Beigeladenen zu 2). Nach der Rechtsprechung des Senats vermittelt der Beigeladene zu 2) regelmäßig das zur denkmalschutzrechtlichen Beurteilung erforderliche Fachwissen in sachgerechter Weise (vgl. Urt. d. Sen. v. 7.2.1996 - 1 L 3301/94 -, NVwZ-RR 1996, 633; Wiechert, in: Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 3, Rdnr. 26). Das erstinstanzliche Gericht hat auf Seite 10 des Urteilsabdruckes hinreichend verdeutlicht, dass es sich die Ausführungen des Beigeladenen zu 2) aufgrund eigener Feststellungen und Erwägungen zueigen macht. Entgegen der Auffassung der Klägerin war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, die Gegebenheiten vor Ort in Augenschein zu nehmen. Die überreichten Lagepläne und die bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbilder vermitteln in einem ausreichenden Umfang die maßgeblichen Beweggründe für die denkmalpflegerische Einschätzung der Beigeladenen zu 2).

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Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Erscheinungsbild des jüdischen Friedhofs gemäß § 8 Satz 1 NDSchG beeinträchtigt wird, wenn die durch die 15. Änderung des Flächennutzungsplanes ermöglichte Wohnbebauung bis auf wenige Meter an das Denkmal heranrückt. Aufgrund ihrer Entfernung zur nächstgelegenen Bebauung dokumentiert die Friedhofsanlage, dass im ländlichen Bereich bis weit in das 19. Jahrhundert jüdische Begräbnisstätten weit ab von den Siedlungen angelegt wurden bzw. angelegt werden mussten, weil aus einer intoleranten christlichen Geisteshaltung kein anderer Ort als zumeist landwirtschaftlich wertloses bzw. nur bedingt brauchbares Gelände zur Verfügung gestellt wurde. Der Beigeladene zu 2) hat den Denkmalwert in seiner Stellungnahme vom 6. Mai 2001 dahingehend zusammengefasst, dem Friedhof komme in seiner isolierten Lage eine besondere Bedeutung als ein einzigartiges, eindrucksvolles und seltenes Beispiel für die komplexe Glaubens-/Kultur- und siedlungsgeschichtliche Geisteshaltung dieser Zeit zu. Dagegen wendet die Klägerin zu Unrecht ein, in Bezug auf die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Baudenkmals helfe der Begriff der isolierten Lage nicht weiter, weil er keinen Anhaltspunkt dafür vermittele, wo die Isolation beginne und wo sie aufhöre.

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Durch § 8 Satz 1 NDSchG werden die Wirkung des Baudenkmals in seiner Umgebung und die optischen Bezüge zwischen dem Baudenkmal und seiner Umgebung geschützt. Entscheidend ist, ob die Umgebung für das Erscheinungsbild des Baudenkmals von so erheblicher Bedeutung ist, dass durch die Errichtung, Änderung oder Beseitigung von Anlagen denkmalpflegerische Belange berührt werden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.6.1998 - 1 S 98/88 -, BRS 49 Nr. 145). Die Ausstrahlungskraft des jüdischen Friedhofs als Zeugnis der Geschichte beruht wesentlich darauf, dass seine Umgebung bisher frei von Bebauung ist. Dadurch wird nachhaltig die (erzwungene) Abgeschiedenheit alter jüdischer Begräbnisstätten von der Besiedlung dokumentiert.

12

Der Klägerin ist einzuräumen, dass die Abgrenzung, bei welcher Entfernung von der geplanten Wohnbebauung die Friedhofsanlage noch isoliert liegt, nicht ganz einfach ist. Der Beklagte hat in dem angegriffenen Bescheid ausgeführt, im Zuge der Abwägung des Interesses der Klägerin an der Darstellung weiterer Wohnbauflächen finde jedes weitere Heranrücken von Wohnbebauung an das Denkmal dort seine Grenze, wo die historische Aussagekraft der isolierten Lage des jüdischen Friedhofs nicht nur gemindert, sondern zerstört werde. Es liegt in der Bandbreite der denkmalpflegerischen Einschätzung der Beklagten, dass sie zum Schutz des Denkmalwertes vor Zerstörung die genaue Grenzfestlegung der genehmigungsfähigen und der nicht genehmigungsfähigen Teile des Flächennutzungsplans unter topographischen Gesichtspunkten vorgenommen hat. Mit der Fortführung einer natürlichen Grenze in Form eines Grabens und der Arrondierung der vorhandenen Bebauung nördlich des jetzigen Siedlungsrandes bleibt gewährleistet, dass die freie Lage des Friedhofs von verschiedenen Standorten noch ablesbar ist.

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Die Rechtmäßigkeit der Teilversagung wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass die siedlungsisolierte Lage des Friedhofsgrundstückes wegen seiner Eingrünung durch Bäume und Büsche ab einer Entfernung von 50 m bis 70 m nicht mehr eindeutig zu erkennen ist (vgl. Stellungnahme des Landkreises {C.} vom 18.12.1998 im Beteiligungsverfahren zur 15. Änderung des Flächennutzungsplanes). Zunächst ist in Frage zu stellen, dass die Friedhofsanlage auch im Herbst und Winter, wenn die umstehenden Bäume und Büsche nicht belaubt sind, erst bei einer Entfernung von 50 m bis 70 m visuell wahrnehmbar ist. Dagegen sprechen die Lichtbildaufnahmen, die die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Broschüre des Landkreises {E.}"zur Geschichte der Juden in der {C.}" illustrieren. Sie vermitteln den Eindruck, dass der Friedhof insbesondere wegen seiner schlanken und teilweise nahezu mannshohen Grabsteine auch aus einer größeren Entfernung erkennbar ist. Der Landkreis spricht deshalb in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 1998 auch davon, dass ohne Lagekenntnis des Friedhofsgrundstückes ein eindeutiges Festmachen des Denkmals im "freien Gelände und oberhalb einer Entfernung von 150 m nicht möglich" sei. Diesem Gesichtspunkt muss an dieser Stellung nicht weiter nachgegangen werden, weil die Beklagte die genaue Grenzziehung bei der Herausnahme von Teilen der Wohnbauflächen damit begründet hat, dass die freie Lage des Friedhofs von verschiedenen Standorten noch ablesbar sein müsse. Das aus den Gründen des Denkmalschutzes herrührende Interesse besteht also darin, die Sichtbarkeit der isolierten Lage (von allen Seiten) zu erhalten. Dazu ist es erforderlich, dass auch die Sichtachse von Richtung Osten den unverstellten Blick auf das Denkmal zulässt. Diese Sichtbeziehung wäre nicht mehr gewährleistet, wenn die Wohnbauflächen bis an die L 855 heranrückten. Es liegt auf der Hand, dass von der Freihaltung einer Sichtachse nicht mehr gesprochen werden kann, wenn lediglich ein Radius von 50 m bis 70 m um das Denkmal in den Blick genommen wird. Die räumliche Distanz der Friedhofsanlage zu der bebauten Siedlung bleibt nur dann erlebbar, wenn auch in der Annäherung auf das Denkmal dessen nähere Umgebung von Bebauung frei bleibt. Den Umfang des daraus resultierenden Umgebungsschutzes hat die Beklagte fehlerfrei festgelegt. Wegen des Erfordernisses, die Sichtachse aus Richtung Osten frei zu halten, hat das Verwaltungsgericht auch mit zutreffenden Erwägungen den Hilfsantrag der Klägerin, der darauf gerichtet ist, die Genehmigung hinsichtlich der Darstellung von Wohnbauflächen auf einzelne Grundstücke in Richtung Norden zur L 855 auszudehnen, abgelehnt.

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Die Klägerin rügt weiter zu Unrecht, das Verwaltungsgericht habe, der Wertung des Beigeladenen zu 2) folgend, dem Seltenheitswert des Baudenkmals ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Dass der Seltenheitswert allein regelmäßig die Denkmaleigenschaft nicht begründen kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.12.1994 - 1 S 2952/92 -, BRS 57 Nr. 263), hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt. Die von dem Beigeladenen zu 2) in seiner Stellungnahme vom 6. Mai 2001 angeführte Tatsache, dass nahezu alle jüdischen Friedhöfe im {B.}-Bereich inzwischen in die Städte und Ortschaften baulich integriert seien, ist nur ein Aspekt, mit dem die Denkmaleigenschaft begründet wird. Der Beigeladene zu 2) hat ausführlich die geschichtliche Bedeutung des Denkmals i.S. von § 3 Abs. 2 NDSchG damit begründet, dass der jüdische Friedhof in seiner abgeschiedenen Lage Zeugnis ablege von 150 Jahren jüdischer Geschichte und christlich-jüdischen Mit- bzw. Nebeneinanders im Gemeindegebiet der Klägerin. Da der Seltenheitswert nur ein Begründungselement der denkmalpflegerischen Einschätzung ist, stellt sich die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob sie als Trägerin der Planungshoheit die Ungleichbehandlung des auf ihrem Gemeindegebiet liegenden jüdischen Friedhofes gegenüber anderen jüdischen Begräbnisstätten, die bereits an die Besiedlung herangerückt seien, hinnehmen müsse, nicht. Die Rüge der Klägerin bliebe auch erfolglos, weil sich die Grundstückssituation des jüdischen Friedhofs von der Lage der in Bezug genommen anderen Begräbnisstätten unterscheidet, so dass eine Vergleichbarkeit der Fallgestaltungen nicht vorliegt. Außerdem rechtfertigen die dargestellten sachlichen Gründe den denkmalpflegerischen Umgebungsschutz für den jüdischen Friedhof.

15

Das Verwaltungsgericht hat ferner rechtsfehlerfrei den Stellungnahmen des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen vom 8./9. und (telefonisch) 10. September 1998 im Beteiligungsverfahren zur 15. Änderung des Flächennutzungsplanes nicht das Gewicht zugesprochen, das dieser Äußerung nach Auffassung der Klägerin zukommt. Der Landesverband hat sich für ein Wohngebiet in unmittelbarer Nähe des Friedhofes ausgesprochen, weil die Begräbnisstätte damit unter einer gewissen Kontrolle der Öffentlichkeit stehe und dadurch vor Zerstörung und Beschädigung geschützt werde. Es ist nachvollziehbar, dass aus dem jüdischen Religionsverständnis keine Ablehnungsgründe gegen eine Bebauung in unmittelbarer Nähe des jüdischen Friedhofs bestehen. Die Denkmalpflege geht jedoch von einem anderen Ansatz aus, soweit es um die geschichtliche Bedeutung des Denkmals geht. Sie will historische Ereignisse oder Entwicklungen heute und für künftige Generationen anschaulich machen. Demgegenüber hat der Landesverband weder als Grundstückseigentümer noch als Körperschaft des öffentlichen Rechts denkmalschutzrechtliche Bedenken oder andere Einwände mit bodenrechtlichem Bezug erhoben.

16

Die Beklagte hat auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Dem von der Klägerin ins Feld geführten öffentlichen Interesse an der Zurverfügungstellung weiterer Wohnbauflächen hat sie durch Teilgenehmigung des Flächennutzungsplanes Rechnung getragen. Soweit die Klägerin ausführt, das Verwaltungsgericht hätte sich wegen der Regelungen in § 8 Satz 3 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 NDSchG mit der Zumutbarkeit des von der Beklagten verfolgten Umgebungsschutzes auseinandersetzen müssen, legt sie nicht dar, aus welchen Gründen sie bzw. die Beigeladene zu 1) als Planungsträgerin durch die getroffene Regelung wirtschaftlich unzumutbar belastet sein könnte. In der Ablehnung einer Änderung der bisherigen Grundstückssituation liegt regelmäßig keine unzumutbare wirtschaftliche Belastung, und zwar selbst dann nicht, wenn der Eigentümer durch den Denkmalschutz gehindert ist, zu einer wirtschaftlich erheblich vorteilhafteren Bodennutzung überzugehen (OVG Lüneburg, Urt. v. 21.5.1987 - 6 OVG A 208/86 -, Nds.Rpfl. 1988, 37).