Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.05.2002, Az.: 8 LA 32/02
Genehmigung für eine dreitägige Modellflugveranstaltung in einem Landschaftsschutzgebiet; Erfordernis einer Erlaubnis der unteren Naturschutzbehörde; Vereinbarkeit von Maßnahmen mit der Landschaftsschutzverordnung; Befreiung vom Verunstaltungsverbot; Ausnahme vom Verunstaltungsverbot; Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.05.2002
- Aktenzeichen
- 8 LA 32/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 17768
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2002:0524.8LA32.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 14.11.2001 - AZ: 2 A 164/01
Rechtsgrundlagen
- § 5 RNatSchG
- § 19 RNatSchG
- § 31 Abs. 1 BNatSchG
- § 71 Abs. 1 NNatSchG
Fundstellen
- NVWZ 2003, 235-236 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ 2003, 235-236 (Volltext mit amtl. LS)
- NuR 2002, 757-759
Verfahrensgegenstand
Verunstaltung eines Landschaftsschutzgebiets durch eine Modellflugveranstaltung
Entscheidungsgründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt worden sind.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte die Genehmigung für die vom Kläger geplante dreitägige Modellflugveranstaltung zu Recht nicht erteilt habe. Die Veranstaltung sei mit den Bestimmungen der "Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen im Bereich der Gemeinde L., Stadt K., Samtgemeinden N.-E. und G. im Landkreis H. und der kreisfreien Stadt W." vom 26. Mai 1977 nicht zu vereinbaren. Von den Verboten dieser Verordnung könne dem Kläger auch keine Befreiung erteilt werden, weil die Einhaltung der Verbote zu keiner nicht beabsichtigten Härte führen würde und überwiegende Gründe des Allgemeinwohls die Befreiung nicht erforderten.
An der Richtigkeit dieser Entscheidung bestehen entgegen der Annahme des Klägers keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Nach § 3 Abs. 1 Buchst. a der o. g. Landschaftsschutzgebietsverordnung bedürfen die Errichtung oder wesentliche äußere Veränderung von baulichen Anlagen aller Art und von Verkaufseinrichtungen - auch soweit für sie keine Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde erforderlich ist - der vorherigen Erlaubnis der unteren Naturschutzbehörde. Damit ist ein Teil der Maßnahmen, die der Kläger im Zusammenhang mit der geplanten Modellflugveranstaltung durchführen will, erlaubnispflichtig. Das gilt insbesondere für die Schaffung der ca. 200 Parkplätze für die Besucher der Veranstaltung, weil diese nach § 2 Abs.1 Satz 2 Nr. 13 NBauO als bauliche Anlagen gelten und die Verordnung keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass nur die dauerhafte und nicht auch die vorübergehende Errichtung baulicher Anlagen der Erlaubnispflicht unterliegt.
Dem Kläger kann die erforderliche Erlaubnis aber nicht erteilt werden. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VO wird die Erlaubnis für Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 VO versagt, wenn diese geeignet sind, eine der in § 2 Abs. 1 VO genannten schädigenden Wirkungen hervorzurufen. § 2 Abs. 1 VO bestimmt seinerseits, dass es in dem geschützten Gebiet verboten ist, die Natur zu schädigen, den Naturgenuss zu beeinträchtigen oder die Landschaft zu verunstalten. Danach kommt die Erteilung einer Erlaubnis für die vom Kläger geplanten Maßnahmen nicht in Betracht, obwohl die §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 Satz 1 VO nur wirksam sind, soweit sie Handlungen betreffen, die die Landschaft verunstalten.
Die Landschaftsschutzgebietsverordnung ist aufgrund der §§ 5 und 19 des Reichsnaturschutzgesetzes - RNatSchG - vom 26. Juni 1936 i. d. F. vom 20. Januar 1938 (Nds. GVBl. Sb. II S. 908) erlassen worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 26. März 1955 entschieden, dass ganze Gebiete, d.h. flächenhafte Ausschnitte aus einer größeren Landschaft, auf der Grundlage dieser Bestimmung nur unter Schutz gestellt werden können, um das Landschaftsbild vor verunstaltenden Eingriffen zu bewahren (- 1 C 101.52 - Buchholz 406.40, § 24 NatSchG, Nr. 1). Diese insbesondere aus dem Zusammenhang von § 5 Satz 1 und Satz 2 RNatSchG hergeleitete Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 7. Juli 1956 (- 1 C 91.54 - Buchholz 406.40, § 24 NatSchG, Nr. 3) ausdrücklich bestätigt. Auch in dieser Entscheidung hat es betont, dass die Erstreckung des in erster Linie bestimmten Bestandteilen der Landschaft wie Bäumen, Alleen, Hecken usw. zugedachten Schutzes auf flächenmäßige Ausschnitte aus einer größeren Landschaft, die sogenannten Landschaftsteile, nur mit der Maßgabe zulässig ist, dass der Schutz sich auf die Bewahrung vor Verunstaltungen beschränkt (ebenso: Nds. OVG, Urt. v. 14.12.2000 - 3 L 733/00 -; Beschl. v. 11.07.2000 - 3 M 729/00 -). Dieser Rechtsauffassung folgt der beschließende Senat (Senatsurt. v. 25.04.2002 - 8 LB 47/01 -). Demnach sind die §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 Satz 1 VO nichtig, soweit sie sich auf Handlungen erstrecken, die geeignet sind, die Natur zu schädigen oder den Naturgenuss zu beeinträchtigen. Das hat zur Folge, dass die vom Kläger geplanten Maßnahmen materiell gegen die Landschaftsschutzverordnung verstoßen, wenn diese geeignet sind, die Landschaft zu verunstalten. Davon ist hier auszugehen.
Die Landschaft wird durch Maßnahmen verunstaltet, die in der Umgebung als hässlich empfunden werden, das ästhetische Empfinden verletzten und Kritik sowie die Forderung nach Abhilfe hervorrufen (Senatsurt. v. 25.04.2002, a.a.O.; OVG Saarlouis, Urt. v. 05.06.1981 - 2 R 115/80 - NuR 1982, S. 28; Blum/Agena/Franke, Niedersächsisches Naturschutzgesetz, Komm., § 3, Rn. 7; Louis, Niedersächsisches Naturschutzgesetz, Komm., Bd. 1, § 3, Rn. 3; § 26, Rn. 8 C). Ob das der Fall ist, ist vom Standpunkt eines gebildeten und für den Gedanken des Natur- und Landschaftsschutzes aufgeschlossenen Betrachters zu beurteilen (BVerwG, Urt. v. 13.04.1983 - 4 C 21.79 - NuR 1983, S. 274, 275; Urt. v. 12.07.1956, a.a.O.; Senatsurt. v. 25.04.2002, a.a.O.; Blum/Agena/Franke, § 3, Rn. 7). Aus der Sicht eines derartigen Betrachters verunstalten die vom Kläger geplanten baulichen Anlagen die Landschaft in dem durch die Verordnung vom 26. Mai 1977 geschützten Landschaftsteil. Das gilt insbesondere für die Parkplätze, die der Kläger für die Besucher der Modellflugveranstaltung schaffen will. Der Bereich um den Modellflugplatz des Klägers wird nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten im Berufungszulassungsverfahren, die durch die vorgelegten Fotografien bestätigt werden, von relativ kleinflächig parzellierten, landwirtschaftlich genutzten Flächen mit verstreut gelegenen Wäldchen, Feldgehölzen, sonstigen Gehölzinseln, einzelnen Gehöften und Brachflächen dominiert. An diese Flächen schließen sich im Westen, Nordwesten, Norden, Nordosten und Osten im Abstand von ca. 675 m bis 1500 m größere zusammenhängende Waldbestände an. Dieses Landschaftsbild würde durch die Parkplätze, die der Kläger den Besuchern der Modellflugveranstaltung zur Verfügung stellen will, verunstaltet, da diese vom Standpunkt eines gebildeten und für den Gedanken des Natur- und Landschaftsschutzes aufgeschlossenen Betrachters in der Umgebung als hässlich empfunden werden, das ästhetische Empfinden verletzen und Kritik sowie die Forderung nach Abhilfe hervorrufen, zumal sie auf Ackerland bzw. einer inzwischen vollständig rekultivierten Sandabbaustelle entstehen sollen. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Flächen, die als Parkplätze dienen sollen, nicht frei einsehbar seien. Die Fotografien, die der Beklagte vorgelegt hat, belegen, dass auch diese Flächen von weitem einsehbar sind. Der Kläger kann ebenfalls nicht einwenden, dass die Modellflugveranstaltung nur drei Tage dauern soll, da § 2 Abs.1 VO auch nur vorübergehende und kurzzeitige Verunstaltungen der Landschaft verbietet. Die Verunstaltung kann auch nicht durch Nebenbestimmungen oder Auflagen ausgeglichen werden.
Der Kläger hat gleichfalls keinen Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung von dem Verunstaltungsverbot nach § 31 Abs. 1 BNatSchG bzw. § 71 Abs. 1 Satz 2 NNatSchG i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1 NNatSchG, weil die Voraussetzungen für eine Befreiung nach diesen Vorschriften nicht gegeben sind. Die Beachtung des Verunstaltungsverbots würde keineswegs zu einer nicht beabsichtigten Härte im Sinne der §§ 31 Abs. 1 Nr. 1 a BNatschG, 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a NNatSchG führen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Befreiungsmöglichkeit nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a BNatSchG dazu dient, einer rechtlichen Unausgewogenheit zu begegnen, die sich dann ergibt, wenn aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls der Anwendungsbereich einer Vorschrift und deren materielle Zielsetzung nicht miteinander übereinstimmen (BVerwG, Urt. v. 14.09.1992 - 7 B 130/92 - NVwZ 1993, S. 583). Entsprechendes gilt für die Befreiungsmöglichkeit nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a NNatSchG (Nds. OVG, Beschl. v. 19.10.1999 - 3 L 3595/99 -). Im vorliegenden Fall kommt es jedoch nicht zu einer solchen Unausgewogenheit, weil der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 VO und dessen materielle Zielsetzung nicht auseinanderfallen. Daher kann keine Rede davon sein, dass die Beachtung des Verunstaltungsverbots im Falle des Klägers zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde. Dem Verwaltungsgericht ist ferner darin zuzustimmen, dass keine überwiegenden Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung im Sinne der §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG, § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NNatSchG fordern. Bei den Interessen, die der Kläger mit der Durchführung der Modellflugveranstaltung verfolgt, handelt es sich keineswegs um Gründe des Gemeinwohls, die gegenüber dem Landschaftsschutz überwiegen. Da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nicht vorliegen, geht der Einwand des Klägers, dass der Beklagte sein Ermessen nicht ausgeübt habe, ebenfalls fehl.
Schließlich kann der Kläger auch keine Ausnahme von dem Verunstaltungsverbot beanspruchen. § 2 Abs. 3 VO sieht zwar vor, dass in besonderen Fällen Ausnahmen von den Verboten durch die untere Naturschutzbehörde zugelassen werden können. Bei der Zulassung einer Ausnahme handelt es sich aber materiell-rechtlich um die Erteilung einer Befreiung, für die nach § 71 Abs. 1 Satz 2 NNatSchG § 53 NNatSchG entsprechend gilt. Daher eröffnet § 2 Abs. 3 VO nicht die Möglichkeit, Maßnahmen, für die eine Befreiung nicht erteilt werden kann, ausnahmsweise zuzulassen.
Die Berufung kann ferner nicht wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden. Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich noch nicht geklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 124, Rn. 30 ff., m.w.N.). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist daher nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO a. F. (= § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO n. F.) dargelegt, wenn eine derartige Frage bezeichnet und zudem erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 124, Rn. 53 ff., m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag nicht, weil der Kläger keine konkrete Frage, die seiner Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verleihen könnte, herausgearbeitet hat.
Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen. Der Kläger hat den Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zwar geltend gemacht, es aber versäumt, entscheidungserhebliche, konkrete Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung nur unter besonderen, d.h. überdurchschnittlichen Schwierigkeiten möglich sein soll, zu bezeichnen und darüber hinaus zu erläutern, worin solche Schwierigkeiten konkret bestehen könnten. Damit genügt die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO a. F. nicht.