Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.06.2014, Az.: L 8 SO 147/10

Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe für den Betreuungsaufwand in einer sog. Familienpflege; Gewährung von Eingliederungshilfe für Betreuungsleistungen und Hilfestellungen bei einem Aufenthalt in einer Gastfamilie

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.06.2014
Aktenzeichen
L 8 SO 147/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 29939
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0626.L8SO147.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 08.06.2015 - AZ: B 8 SO 94/14 B

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 1. März 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten für die Zeit vom 2. Oktober 2006 bis zum 30. April 2011 um die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für den Betreuungsaufwand in der (ehemaligen) Pflegefamilie der Klägerin (sog. Familienpflege).

Bei der am 2. Oktober 1985 geborenen Klägerin besteht ein Down-Syndrom (Trisomie 21). Sie ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G, H und RF anerkannt und der Pflegestufe II zugeordnet. Sie lebt seit ihrer Geburt gemeinsam mit zwei weiteren ehemaligen, mittlerweile volljährigen Pflegekindern und ihrer (ebenfalls ehemaligen) Pflegemutter und Betreuerin Frau G. (im Folgenden: Betreuerin) in einem Doppelhaus in der Gemeinde H ... Dort lebt auch die älteste Tochter der Betreuerin, Frau I., gemeinsam mit zwei eigenen Kindern und fünf Pflegekindern. Bis Juli 2008 besuchte die Klägerin die Sonderschule in J ... Seit dem 8. September 2008 besucht sie tagsüber die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in K., zunächst im Berufsbildungsbereich. Seit dem 8. Dezember 2010 ist sie im Arbeitsbereich der Werkstatt mit einer vertraglichen Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden tätig. Seit Übernahme in den Arbeitsbereich der Werkstatt geht sie allerdings aus gesundheitlichen Gründen nur noch einer Tätigkeit von 32,5 Wochenstunden nach (montags bis donnerstags).

Bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres am 2. Oktober 2006 bezog die Klägerin vom Jugendamt des Beklagten Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII (Vollzeitpflege), zuletzt für die Zeit vom 1. Juni bis zum 2. Oktober 2006 aufgrund der Verpflichtung des Verwaltungsgerichts (VG) Oldenburg durch Beschluss vom 4. August 2006 (- 13 B 3142/06 -) in vorläufiger Höhe von 923,50 EUR je Monat. Der endgültige Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2007 weist eine Bewilligung in monatlicher Höhe von 769,50 EUR aus. Der von den Beteiligten vor dem VG geführte Rechtstreit in der Hauptsache (- 13 A 4832/06 -) endete hierauf durch Klagerücknahme.

Wegen des bevorstehenden Endes der Leistungsbewilligung nach dem SGB VIII beantragte die Klägerin unter dem 19. Mai 2006 bei der Beklagten zur Fortsetzung der vollzeitlichen Unterbringung in der Pflegefamilie Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe der vom Jugendamt des Beklagten zuvor gewährten Leistungen für eine sozialpädagogische Vollzeitpflege. Den Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 23. Mai 2006 mit der Begründung ab, dass die Gewährung eines den Leistungssätzen der Jugendhilfe entsprechenden Betreuungsgeldes bei einem Aufenthalt in einer (ehemaligen) Pflegefamilie nach den sozialhilferechtlichen Bestimmungen nicht vorgesehen sei. Wegen der Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Vierten Kapitel des SGB XII verwies er auf eine Antragstellung bei der von ihm herangezogenen Gemeinde H ...

Die von der Klägerin am 2. Juni 2006 bei der Gemeinde H. gestellten Anträge auf "Hilfe zum Leben", Erhöhung der bis dahin in monatlicher Höhe von 20,97 EUR gewährten Hilfe zur Pflege sowie Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten lehnte diese zunächst unter Hinweis auf ihre sachliche Unzuständigkeit durch Bescheid vom 21. Juni 2006 ab und leitete die Anträge an den Beklagten weiter. Dem Widerspruch der Klägerin vom 14. Juli 2006, nochmals eingelegt - nunmehr anwaltlich vertreten - am 21. Juli 2006, half die Gemeinde H. nicht ab. Eine Widerspruchsentscheidung ist durch den Beklagten - soweit ersichtlich - nicht erfolgt. Erst nach Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes beim Sozialgericht (SG) Oldenburg mit Antrag vom 4. Juni 2007 (- S 2 SO 91/07 ER -) bewilligte die Gemeinde H. der Klägerin zunächst - jeweils befristet - ab dem 1. Juni 2007 (vgl. Bescheide vom 29. Oktober 2007, 16. Juni 2008, 8. Juli 2008, 23. September 2008, 29. Januar 2009, 15. Juni 2009, 22. März 2010, 31. Mai 2010, 3. Juni 2010, 10. März 2011 und 18. März 2011) Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sowie Hilfe zur Pflege nach Art. 51 Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) in monatlicher Höhe von 20,97 EUR (sog. Besitzstandspflegegeld). Die Bewilligung dieser Leistungen für die Zeit vom 2. Oktober 2006 bis 31. Mai 2007 erfolgte durch Bescheid vom 31. Mai 2010 (Nachzahlungsbetrag: 5.596,73 EUR). Bei der Leistungsgewährung berücksichtigte die Gemeinde H. u.a. einen Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1, den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII sowie Kosten der Unterkunft und Heizung von 305,00 EUR (Mietvertrag zwischen der Klägerin und ihrer Betreuerin vom 30. September 2006 für die Zeit ab 1. Oktober 2006 mit einer Grundmiete von 255,00 EUR und 55,00 EUR Heizkosten). Unter Kürzung des Regelbedarfs wegen des in der WfbM bereit gestellten Mittagessens und Anrechnung des Einkommens aus der Tätigkeit in der WfbM belaufen sich die monatlichen Leistungen in wechselnder Höhe auf ca. 690,00 EUR bis 730,00 EUR. Den Widerspruch der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 23. Mai 2006 (Eingliederungshilfe) wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. April 2007 zurück. Die Übernahme von Kosten für eine Unterbringung von volljährigen behinderten Menschen in Vollzeitpflege aus Mitteln der Eingliederungshilfe komme nach § 54 SGB XII nicht in Betracht.

Die gegen diese Entscheidung beim SG Oldenburg am 23. April 2007 erhobene Klage hat das SG durch Urteil vom 1. März 2010 abgewiesen und im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Klägerin seit geraumer Zeit in der WfbM arbeite und dort den Großteil der Unterstützung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfahre. Ein Anspruch auf Bewilligung eines Pflegegeldes ergebe sich auch nicht aus § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, weil Hilfen zu selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten eine fachlich betreute Wohnform voraussetzten, die bei der Klägerin gerade nicht vorliege.

Gegen das ihr am 29. März 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. April 2010 Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 21. April 2011 "freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" ein Kostenanerkenntnis zur Gewährung eines "Betreuungsgeldes" für den Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis 30. April 2012 in monatlicher Höhe von 278,72 EUR abgegeben, sich hierbei an fiktiv berechneten Leistungen nach dem SGB VIII für volljährige Pflegekinder in Pflegefamilien orientiert und den Betrag wegen eines überwiegenden Aufenthalts der Klägerin in der WfbM um 20 Prozent gekürzt. Hintergrund dieser "freiwilligen Leistungen" ist der beabsichtigte Erlass einer Richtlinie des Beklagten für die Eingliederungshilfe für erwachsene behinderte Menschen in Gastfamilien (vgl. Entwurf der Richtlinie, Bl. 134 d. Gerichtsakte), die wegen des vorliegenden Gerichtsverfahrens noch nicht in Kraft getreten ist. Das wegen der Höhe der durch Bescheid vom 21. April 2011 gewährten Leistungen geführte Widerspruchsverfahren ruht (Widerspruch der Klägerin vom 4. Mai 2011). Den Antrag der Klägerin vom 6. April 2012 auf Bewilligung eines entsprechenden Betreuungsgeldes für die Zeit ab 1. Mai 2012 hat der Beklagte mit Bescheid vom 11. April 2012 abgelehnt. Die Entscheidung über den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 30. April 2012 steht ebenfalls aus. Bereits zuvor hat der Beklagte der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Juli 2010 eine "freiwillige" Leistung für den Zeitraum vom 2. Oktober 2006 bis zur Aufnahme ihrer Tätigkeit in der WfbM (am 8. September 2008) i.H.v. 225,00 EUR je Monat angeboten. Dieses Angebot hat die Klägerin nicht angenommen (Schriftsatz vom 3. September 2010) und ist vom Beklagten mit Schriftsatz von 23. Februar 2012 zurückgenommen worden.

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren weiterhin einen "Ausgleich zwischen der Grundsicherung und dem Leistungstyp sozialpädagogische Vollzeitpflege für junge behinderte Erwachsene". Die Betreuung innerhalb einer Pflege- bzw. Gastfamilie bedeute nach den Ausführungen ihrer Betreuerin, dass diese 24 Stunden am Tag, am Wochenende, an Feiertagen, im Urlaub und bei Krankheit für die ihr anvertrauten jungen Erwachsenen zur Verfügung stehe, z.B. wenn die Klägerin krankheitsbedingt aus der WfbM abgeholt und zum Arzt gebracht werden müsse. Sie umfasse auch die Freizeitgestaltung - etwa im Garten bei den Tieren, auf Flohmärkten, im L. Zoo oder beim gemeinsamen Singen und Sport (Walking, Gymnastik, Schwimmen) - und Ausflüge zu Museen, Schlössern und historischen Bauernhöfen sowie den gemeinsamen Urlaub mit anderen Familien auf einem Campingplatz an der Ostsee. Dass diese Betreuung als besondere Form der Eingliederungshilfe von dem Leben in einer Familie nicht klar getrennt werden könne, sei rechtlich irrelevant. Die Betreuung in einer Pflege- bzw. Gastfamilie sei eine besondere Form der Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB XII bzw. eine Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, aber auch eine Hilfe nach dem offenen Leistungskatalog des § 55 SGB IX. Subsidiär kämen zudem die laufenden Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zum Tragen, die einem Aufenthalt in einer Pflegefamilie nicht erst seit der Änderung des § 28 Abs. 5 SGB XII (i.d.F. vom 30. Juli 2009, BGBl. I 2495) im Jahre 2009 bzw. seit dem 1. Januar 2011 nach § 27a Abs. 4 Satz 3 SGB XII (i.d.F. vom 24. März 2011, BGBl. I 453, 481 f.) durch eine individuelle Erhöhung des Regelbedarfs Rechnung tragen könnten und nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz von dem ersten Antrag bei dem Beklagten vom 19. Mai 2006 mit umfasst gewesen seien.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 1. März 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2007 aufzuheben und 2. den Beklagten zu verurteilen, ihr - der Klägerin - für die Zeit ab dem 2. Oktober 2006 Eingliederungshilfe in Form von Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in einer betreuten Wohnmöglichkeit (hier: Pflegefamilie) zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist weiterhin der Auffassung, dass es im Eingliederungshilferecht für die Gewährung des mit der Klage geltend gemachten "Betreuungsgeldes" für den Aufwand der Betreuung in einer Gastfamilie keine Anspruchsgrundlage gebe. Insbesondere liege eine betreute Wohnmöglichkeit i.S. des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX nicht vor. Die Klägerin halte sich als Erwachsene vielmehr "freiwillig" bei ihrer (ehemaligen) Pflegemutter auf. Dies sei kein Aufenthalt in einer Einrichtung i.S. des § 13 SGB XII, auch könne keine Übernahme von ambulanten Hilfen erfolgen, weil die Betreuerin der Klägerin nicht als Anbieterin von ambulanten Hilfen auftrete. Inhaltlich würden ohnehin nicht Ansprüche der Klägerin verfolgt, sondern die wirtschaftlichen Interessen der Betreuerin. Wegen eines möglicherweise höheren Anspruchs der Klägerin auf Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel aufgrund einer individuellen Erhöhung des Regelbedarfs macht der Beklagte geltend, dass die hierzu ergangenen Bescheide der Gemeinde H. nicht Gegenstand des Klageverfahrens seien. Zudem werde der Klägerin bereits ein höherer Regelbedarf gewährt, nämlich anstatt nach der Regelbedarfsstufe 3 für erwachsene Haushaltsangehörige ein Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende. Wegen der relativ hohen Unterkunftskosten und der bislang nicht erfolgten Anrechnung von Kindergeld würde sich auch unter Heranziehung der Jugendhilfesätze für eine Vollzeitpflege kein höherer Anspruch auf Grundsicherungsleistungen ergeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Eilverfahrensakte des SG Oldenburg (- S 2 SO 91/07 ER -) und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefter betreffend Eingliederungshilfe; 1 Hefter betreffend WfbM; 5 Hefter betreffend Jugendhilfe) und der Gemeinde H. (4 Bände) sowie auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte, Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angegriffene Ablehnungsentscheidung des Beklagten rechtmäßig und die Klägerin durch diese Entscheidung nicht beschwert ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abse. 1, 4 SGG i.V.m. § 56 SGG) gegen den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2007 (§ 95 SGG) verfolgte Anspruch der Klägerin auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII in Form eines pauschalen "Betreuungsgeldes" wegen des Aufwands ihrer Betreuerin für die Zeit vom 2. Oktober 2006 bis 30. April 2011.

Nicht Streitgegenstand sind die der Klägerin durch die vom Beklagten herangezogene Gemeinde H. bewilligten Leistungen nach dem Vierten Kapitel (Leistungen der Grundsicherung) bzw. Fünften Kapitel (Besitzstandspflegegeld nach Art. 51 PflegeVG) des SGB XII, im Einzelnen bewilligt für die Zeit vom 2. Oktober 2006 bis zum 30. April 2011 (zum Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht gleich) durch Bescheide vom 29. Oktober 2007, 16. Juni 2008, 8. Juli 2008, 23. September 2008, 29. Januar 2009, 15. Juni 2009, 22. März 2010, 31. Mai 2010, 3. Juni 2010, 10. März 2011 und 18. März 2011. Auch wenn die Klägerin mit ihren Anträgen beim Beklagten vom 19. Mai 2006 und bei der Gemeinde H. vom 2. Juni 2006 eine Hilfegewährung auf dem bisherigen Niveau der Jugendhilfeleistungen - gleich nach welcher Rechtsgrundlage - begehrt hat, waren die genannten Bescheide nicht in das vorliegende Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren einzubeziehen. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des sog. Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte Anträge bzw. Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10. November 2011 - B 8 SO 18/10 R - Rn. 13 und Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 10/11 R - Rn. 9). Ob sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch (auch) aus einer individuellen Erhöhung des Regelbedarfs nach §§ 41, 42 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 28 Abs. 5 SGB XII (i.d.F. vom 30. Juli 2009, BGBl. I 2495), gültig vom 5. August 2009 bis zum 31. Dezember 2010, bzw. nach § 27a Abs. 4 Satz 3 SGB XII i.d.F. vom 21. März 2011 (BGBl. I 453, 481 f.), gültig ab 1. Januar 2011, ergeben könnte, ist in diesem Rechtstreit nicht zu beantworten.

Eine Einbeziehung der o.g. Bescheide der Gemeinde H. und auch des anfänglichen Ablehnungsbescheids vom 21. Juni 2006 in das mit Widerspruch vom 31. Mai 2006 gegen den Ausgangsbescheid des Beklagten vom 19. Mai 2006 eingeleitete Vorverfahren oder für die Zeit nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2007 in das gerichtliche Verfahren ergibt sich nicht aus §§ 86, 96 SGG. Nach § 86 1. Halbsatz SGG wird auch ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn durch diesen der ursprüngliche Verwaltungsakt während des Vorverfahrens abgeändert wird. § 96 Abs. 1 SGG (i.V.m. § 153 SGG) sieht Entsprechendes auch im gerichtlichen Verfahren für einen nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangenen Verwaltungsakt vor, wenn dieser den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid in diesem Sinne nur dann, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 96 Rn. 4) bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (BSG, Urteil vom 20. November 2003 - B 13 RJ 43/02 R - Rn. 16 mwN; Leitherer, a.a.O., Rn. 4b). Ein bloßer Sachzusammenhang mit dem anfänglich erhobenen Anspruch ist nicht ausreichend. Die Feststellung, ob der neue Bescheid in die Regelung des Erstbescheids eingegriffen hat, ist durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Regelungen (der ergangenen "Verfügungssätze") zu treffen (Leitherer, a.a.O., RdNr 4a; vgl. auch BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R -, Rn. 14). Nach diesen Maßgaben beschränkt sich der Verfügungssatz des hier angefochtenen Bescheids vom 19. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2007 allein auf die fragliche Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen nach §§ 53, 54 SGB XII, über die - unabhängig von einer Bewilligung laufender Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel oder Hilfe zur Pflege nach dem Fünften Kapitel des SGB XII - selbstständig entschieden werden kann. Dem Anliegen der Klägerin hat der Beklagte entsprechend der sachlichen Aufgabenteilung zwischen dem Beklagten und der von ihm für die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen herangezogenen Gemeinde H. - wenn auch zeitlich verzögert - in getrennten Verwaltungsverfahren Rechnung getragen und hierauf bereits im Ausgangsbescheid vom 19. Mai 2006 hingewiesen. Aus diesem Grund hat er auch nicht etwa über die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zumindest konkludent in dem angefochtenen Bescheid mitbefunden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 2. Februar 2010 - B 8 SO 21/08 R - Rn. 10).

Auch der Umstand, dass sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ggf. aus der erst im Laufe des Klageverfahrens erfolgten Änderung des § 28 Abs. 5 SGB XII (für die Zeit vom 5. August 2009 bis zum 31. Dezember 2010, BGBl. I 2009, 2495) bzw. § 27a Abs. 4 Satz 3 SGB XII (für die Zeit ab 1. Januar 2011, BGBl. I 2011, 453, 481 f.) ergeben könnte, weil danach bei einer in einer Pflegefamilie untergebrachten Person eine individuelle Erhöhung des Regelbedarfs nach Maßgabe der Vollzeitpflegesätze der Jugendhilfe ermöglicht worden ist, rechtfertigt keine verfahrensrechtliche Einbeziehung der Bewilligungsbescheide der Gemeinde H. nach § 96 Abs. 1 SGG (in entsprechender Anwendung). Hierfür besteht bereits wegen der allgemeinen Rechtsinstitute zur möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs. 2 2. Halbsatz SGB I) kein Anlass. Insbesondere wenn es allein von der Entscheidung des Gesetzgebers abhängig ist, eine für den Kläger günstige Anspruchsgrundlage im Recht der Eingliederungshilfe (Sechstes Kapitel des SGB XII) oder im Recht der lebensunterhaltssichernden Leistungen (Drittes Kapitel des SGB XII) zu verorten, kann in solchen Fallkonstellationen der Unkenntnis über eine für den Kläger günstige Rechtsänderung, die bereits durch bestandskräftige Bescheide geregelte Ansprüche betrifft, durch ein Zugunstenverfahren nach § 44 Abse. 1, 4 SGB X angemessen Rechnung getragen werden. Wenn die Behörde den unwissenden Kläger pflichtwidrig auf die für ihn günstige Rechtsänderung nicht hingewiesen hat, können sozialrechtliche Nachteile - etwa nach Ablauf der Jahresfrist nach § 116a SGB XII - auch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (zum Verhältnis des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vgl. jüngst BSG, Urteil vom 24. April 2014 - B 13 R 23/13 R - [...] Rn. 17) verhindert werden. Ein solcher Sachverhalt liegt hier aber nicht vor, weil die anwaltlich vertretene Klägerin im gerichtlichen Verfahren selbst zeitnah auf die Gesetzesänderung im Jahr 2009 (§ 28 Abs. 5 SGB XII) hingewiesen hat (Schriftsatz vom 23. Oktober 2009) und es ihr insoweit möglich war, eine Überprüfung bereits bestandskräftiger Bescheide der Gemeinde H. (z.B. Bescheid vom 15. Juni 2009 für die Zeit von Juli 2009 bis Juni 2010) nach § 44 SGB X zu beantragen bzw. (rechtzeitig) Widerspruch gegen zukünftige Bescheide zu erheben. Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ist auch nicht zumindest für die Zeit vom 2. Oktober 2006 bis 31. Mai 2007 aufgrund einer zulässigen Klageänderung nach § 99 Abse. 1, 2 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden. Der Beklagte hat zwar auf dieses erstmals mit klägerischem Schriftsatz vom 26. November 2007 geäußerte Begehren der Klägerin seine "grundsätzliche Bereitschaft" zu einer entsprechenden Leistungsbewilligung erklärt (Schriftsatz vom 22. Januar 2008) und damit in eine (mögliche) Klageänderung nach § 99 Abs. 2 SGG eingewilligt. Nach dem protokollierten Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 1. März 2010, in der die noch ausstehende Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit bis zum 31. Mai 2007 erörtert worden ist, und dem erstinstanzlich gestellten Klageantrag (allein) auf Bewilligung von Eingliederungshilfe ist dieses Begehren von der anwaltlich vertretenen Klägerin aber nicht weiter verfolgt worden.

In zeitlicher Hinsicht ist der Gegenstand der Klage wegen des Erlasses des "freiwilligen" Kostenanerkenntnisses des Beklagten vom 21. April 2011 (für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis zum 30. April 2012) begrenzt auf den Zeitraum vom 2. Oktober 2006 bis zum 30. April 2011. Nach der Rechtsprechung des BSG erstreckt sich der streitige Zeitraum einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gegen eine behördliche Entscheidung, mit der Leistungen insgesamt abgelehnt worden sind, bei einem zeitlich unbefristeten Klageantrag grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz (vgl. etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - Rn. 8 m.w.N.). Dies gilt allerdings nicht in denjenigen Fällen, in denen der Beklagte während des Klageverfahrens - wie hier - über den gleichen Klageanspruch ab einem bestimmten Zeitpunkt eine (positive) Entscheidung trifft, sei es auf Antrag des Klägers oder aufgrund der Kenntnis des Hilfebedarfs (§ 18 SGB XII). Für die Zeit ab dem durch diese Leistungsentscheidung geregelten Zeitraum hat sich die ursprüngliche Ablehnungsentscheidung nach § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt; er wird nicht als Folgebescheid i.S. des § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R - Rn. 8; BSG, Urteil vom 2. Februar 2010 - B 8 SO 21/08 R - Rn. 9).

2. Die Klage richtet sich zutreffend gegen den beklagten Landkreis, der im Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung nach den §§ 53 bis 60 SGB XII für den sachlich zuständigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe - das Land Niedersachsen (vgl. § 6 Abse. 1 und 2 Nr. 1 Buchstabe a) des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des SGB XII - Nds. AG SGB XII - vom 16. Dezember 2004, Nds. GVBl. 2004, 644) - als örtlicher Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Heranziehung im eigenen Namen entscheidet (vgl. §§ 8 Abs. 2 Satz 1, 9 Abs. 5 Nds. AG SGB XII) und insoweit passivlegitimiert ist (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. Mai 2007 - L 8 SO 136/06 - Rn. 42, nachfolgend BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R -).

3. In der Sache hat die Klägerin gegen den Beklagten in dem Zeitraum vom 2. Oktober 2006 bis zum 30. April 2011 keinen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe (§§ 53 ff. SGB XII) für die Betreuung im Haushalt ihrer Betreuerin. Einen (pauschalen) "Ausgleich" der im Vergleich zu den sozialpädagogischen Hilfen nach dem SGB VIII geringeren Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sieht das SGB XII als Leistung der Eingliederungshilfe nicht vor.

a) Die Klägerin erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII für die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe als Pflichtleistung. Danach werden Pflichtleistungen nur an Personen erbracht, die durch eine Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Klägerin ist geistig behindert (Down-Syndrom) und infolgedessen in erheblichem Umfang in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt i.S. des § 2 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung; hier i.d.F. vom 1. Februar 1975, BGBl I 433, zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27. Dezember 2003, BGBl. I 3022).

b) Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 3 SGB XII. Nach letztgenannter Norm (in der vom 5. August 2009 bis zum 2. Dezember 2013 geltenden Fassung vom 30. Juli 2009, BGBl. I 2495) ist eine Leistung der Eingliederungshilfe auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie, soweit eine geeignete Pflegeperson Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann. Bereits nach ihrem Wortlaut können nach dieser Vorschrift nur Kinder und Jugendliche (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII), nicht aber Volljährige anspruchsberechtigt sein. Der Gesetzgeber hat eine Ausweitung der Vorschrift auf erwachsene Menschen mit Behinderung in Pflegefamilien aufgrund der möglichen Hilfeleistung nach dem offenen Leistungskatalog des § 54 SGB XII nicht für erforderlich gehalten (vgl. BT-Drs. 16/13417 S. 6 zu § 54 SGB XII). Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm bereits 23 Jahre alt war, scheidet hiernach eine Leistungsgewährung aus.

c) Die Gewährung von Eingliederungshilfe für Betreuungsleistungen und Hilfestellungen bei einem Aufenthalt in einer Gastfamilie kommt danach allenfalls aufgrund des offenen Leistungskatalogs der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX in Betracht.

Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX insbesondere die in den Nummern 1 bis 5 aufgezählten Hilfen. Dabei beinhalten § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und der hier einschlägige § 55 Abs. 2 SGB IX, wie das Wort "insbesondere" zeigt, einen lediglich beispielhaften, offenen Leistungstatbestand, nach dem auch andere, nicht ausdrücklich in § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII oder § 55 Abs. 2 SGB IX genannte Maßnahmen in Betracht kommen, sofern sie geeignet und erforderlich sind, die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 - 5 C 19/08 - , Rn. 14; BSG, Urteil vom 24. März 2009 - B 8 SO 29/07 R - , Rn. 20 m.w.N.). Als Eingliederungshilfeleistung sieht § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX insbesondere die Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten vor.

Entgegen der Auffassung des Beklagten und des SG in dem angefochtenen Urteil vertritt der Senat ein weitergehendes Verständnis des Begriffs der betreuten Wohnmöglichkeit i.S. des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, nach dem der Aufenthalt der Klägerin im Haushalt ihrer Betreuerin durchaus unter diesen Begriff zu fassen ist. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des BSG hat sich der im Gesetz nicht näher definierte Begriff des betreuten Wohnens nicht an der Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern an dem Zweck der Hilfeleistungen zu orientieren. Diese sind nicht auf solche Wohnformen begrenzt, bei denen Betreuung und Wohnen institutionell verknüpft sind, und können ihrer Art nach äußerst vielfältig sein und unterschiedlichste Betreuungsleistungen sowohl in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder Wohngemeinschaften erfassen. Hauptzielrichtung der Leistungen muss aber die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein (grundlegend BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 7/10 R - Rn. 15 f.). Die Gewährung dieser Eingliederungshilfe ist damit auch - wie hier - in einer Pflege- oder Gastfamilie möglich (so auch Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 9. März 2011 - L 9 SO 21/09 - Rn. 30; Wehrhahn in [...] PK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 54 Rn. 50), wobei es - je nach Maßnahme - nicht unbedingt darauf ankommt, ob der Mensch mit Behinderung fachlich besonders ausgewiesenes Personal in Anspruch nimmt (vgl. etwa Luthe in PK- SGB IX, 1. Aufl., § 55 SGB IX Rn. 44). In Abgrenzung zu der Hilfe zur Pflege erstreckt sich allerdings die Eingliederungshilfe grundsätzlich nicht auf die pflegerische Hilfe (Hoffmann in Deinert/Neumann, 2. Aufl. 2009, § 13 Rn. 14). Neben dieser Hilfegewährung in einer betreuten Wohnmöglichkeit sind im vorliegenden Fall aber auch Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ermöglichung der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX oder Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX denkbar, die sich nach § 58 SGB IX u.a. auf Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen (Nr. 1) und Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen (Nr. 2), erstrecken. Nicht zuletzt ermöglicht eine Hilfegewährung für die Betreuung in einer Pflege- oder Gastfamilie auch der offene Tatbestand des § 55 Abs. 1 SGB IX. Entscheidend für eine Hilfegewährung ist allerdings allein, ob eine Maßnahme geeignet und erforderlich ist, die besondere Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen, insbesondere den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (vgl. § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII).

Nach diesen Maßgaben sind die von der Betreuerin der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 4. Juni 2012 dargestellten Tätigkeiten für die Klägerin teilweise (auch) als der Eingliederung in die Gesellschaft dienende anzusehen. Wegen der daneben zu erbringenden Pflege und ihrer Stellung als Betreuerin lassen sich die einzelnen Tätigkeiten allerdings nicht trennscharf der Eingliederungshilfe zuordnen. Außer Betracht bleiben etwa die bloße Beaufsichtigung und Ansprechbereitschaft (24 Stunden am Tag, an Wochenenden und Feiertagen), die grundsätzlich keinen spezifischen Bezug zur Eingliederungshilfe aufweisen und zu der die Betreuerin im Rahmen der Pflege und Betreuung ohnehin verpflichtet ist. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass bestimmte, hierüber hinausgehende Hilfestellungen durchaus als Eingliederungshilfeleistungen zu einem selbstbestimmten Leben i.S. des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX anzusehen sind (z.B. Beratung, Unterstützung oder - konkret - Assistenzleistungen für die Gestaltung des Tagesablaufs). Die weiteren von der Betreuerin geschilderten Betätigungen, die im Wesentlichen auf die Freizeitgestaltung der Klägerin abzielen, etwa die Besuche auf Flohmärkten oder im Zoo, das gemeinsame Singen, die sportlichen Aktivitäten (Walking, Gymnastik, Schwimmen) und die Urlaube auf einem Campingplatz an der Ostsee sowie Ausflüge zu Museen, Schlössern und historischen Bauernhöfen, können grundsätzlich im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe relevant sein, weil durch sie praktische Kenntnisse und Fähigkeiten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX) vermittelt werden und sie der Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (§ 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX), insbesondere der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen (vgl. § 58 Nr. 1 SGB IX) bzw. dem Besuch der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienenden Veranstaltungen und Einrichtungen (Museen, Schlösser, historischen Bauernhöfen) dienen können (vgl. § 58 Nr. 2 SGB IX). Dass die Betreuung innerhalb einer Pflege- bzw. Gastfamilie materiell der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe zugeordnet werden kann, ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem zum 5. August 2009 eingeführten § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (i.d.F. vom 30. Juli 2009, BGBl. I 2495), der hier allerdings wegen der Volljährigkeit der Klägerin nicht anwendbar ist (s.o.).

d) Einer Hilfegewährung nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 SGB IX für die Tätigkeiten der Betreuerin in der von der Klägerin begehrten Weise einer pauschalen Erhöhung der Sozialhilfeleistungen auf das vorherige Leistungsniveau der jugendhilferechtlichen Vollzeitpflege nach §§ 27, 33, 39 SGB VIII stehen jedoch die sozialhilferechtlichen Grundsätze des Leistungserbringung nach §§ 75 ff. SGB XII entgegen. Die allgemeinen Vorgaben für die Leistungserbringung durch Dritte (Leistungserbringer) nach den §§ 75 bis 80 SGB XII gelten sowohl für Einrichtungen i.S. des § 13 SGB XII als auch für Dienste, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Bei Diensten handelt es sich um Institutionen, die auf Grundlage von Dienstleistungsverträgen personenbezogene ambulante Leistungen erbringen.

Nach dem Grundmodell der sozialhilferechtlichen Leistungserbringung - dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis (vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R - BSGE 102, 1; BSG, Urteil vom 18. März 2014 - B 8 SF 2/13 R - ; Jaritz/Eicher in [...]PK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 SGB XII Rn. 28 ff.) ist zwischen den Rechtsbeziehungen des bedürftigen Hilfeempfängers, des Leistungserbringers (Einrichtung oder Dienst) und des Sozialhilfeträgers zu unterscheiden:

Im Verhältnis zum Träger der Sozialhilfe hat der bedürftige Hilfeempfänger - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - einen Anspruch auf Gewährung von bedarfsdeckenden Sozialhilfeleistungen (§ 17 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 9 SGB XII), hier also ggf. auf einzelne (konkrete) Betreuungsleistungen, die der Erfüllung der besonderen Aufgaben der Eingliederungshilfe dienen (§ 53 Abs. 3 SGB XII), nicht aber - wie von der Klägerin begehrt - auf pauschalierte (Geld-) Leistungen. Eine solche Leistungserbringung ist allenfalls im Rahmen des persönlichen Budgets (vgl. § 57 SGB XII) möglich, bei dem der bedürftige Hilfeempfänger die von Dritten zu erbringenden Hilfeleistungen selbstverantwortlich organisiert und mit den vom Sozialhilfeträger gewährten Geldleistungen selbst bezahlt. Diese Art der Hilfegewährung ist hier aber weder beantragt worden (zum Antragserfordernis vgl. § 57 Satz 1 SGB XII), noch Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen. In der Sache ist es auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihrer Betreuerin Vereinbarungen über (konkrete) Betreuungsleistungen getroffen hat, die zudem gegen das Verbot des Insichgeschäfts (§ 181 BGB) verstoßen würden und damit unwirksam wären. Der Abschluss solcher Vereinbarungen ist erst seit der Bestellung des Ergänzungsbetreuers durch das Amtsgericht Brake (Unterweser) für den Aufgabenkreis "Abschluss eines (häuslichen) Pflegevertrages, Prüfung und ggf. Abschluss eines Betreuungs- und/oder Assistenzvertrags", also seit September 2012, möglich. Wegen der fehlenden schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrer Betreuerin scheidet auch ein Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4, 2. Alt SGB IX, nach dem selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten sind, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R - Rn. 17), von vornherein aus.

Im Verhältnis zwischen dem Leistungserbringer und dem Träger der Sozialhilfe gelten die Vereinbarungen i.S. des § 75 Abs. 3 SGB XII, die die Grundlage für die Verschaffung der Sozialleistung für den bedürftigen Hilfeempfänger unter Einschaltung des Leistungserbringers darstellen (sog. Sachleistungsverschaffungsverhältnis). Mit dem Abschluss einer sozialhilferechtlichen Vereinbarung ist die vertragsschließende Einrichtung bzw. der Dienst (vgl. § 75 Abs. 1 SGB XII) zur Erbringung von sozialhilferechtlichen Leistungen berechtigt. Umgekehrt ist der Träger der Sozialhilfe nach § 75 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zur Übernahme der Vergütung für eine Leistung der Einrichtung oder des Dienstes nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung bzw. des Dienstes oder seinem Verband eine Vereinbarung über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung (Leistungsvereinbarung) (Nr. 1), die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) (Nr. 2) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) (Nr. 3) besteht. Mit der Bewilligung der Leistung gegenüber dem bedürftigen Hilfeempfänger tritt der Sozialhilfeträger insoweit der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers, einer privatrechtlichen Schuld, gegenüber der Einrichtung aus dem zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrag bei (vgl. Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 SGB XII Rn. 42 ff.). Übertragen auf den vorliegenden Fall kann also dahinstehen, ob die Betreuerin der Klägerin, die womöglich gemeinsam mit ihrer Tochter eine Vielzahl von Pflegekindern bzw. ehemaligen, mittlerweile volljährigen Pflegekindern betreut, eine (stationäre) Einrichtung i.S. des § 13 SGB XII betreibt oder (ambulante) Dienstleistungen erbringt. Die unter diesen Umständen erforderlichen Vereinbarungen i.S. des § 75 Abs. 3 SGB XII - gleiches gilt ohnehin für die ebenfalls notwendigen schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrer Betreuerin (s.o.) - bestehen nicht. Diese waren auch nicht nach § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII entbehrlich. Danach darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch eine Einrichtung (bzw. durch einen Dienst) ohne abgeschlossene Vereinbarung i.S. des § 75 Abs. 3 SGB XII nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist. Die Besonderheiten des Einzelfalles müssen in der Person des bedürftigen Hilfeempfängers, nicht in Bezug auf den Leistungserbringer vorliegen (vgl. Jaritz/Eicher in PK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 SGB XII Rn. 137). Hiervon ist auszugehen, wenn die Besonderheiten des Einzelfalles die Hilfegewährung durch einen nichtvereinbarungsgebundenen Leistungserbringer erfordern, weil der Bedarf nicht durch einen vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gedeckt werden kann (objektive Unmöglichkeit) oder die Inanspruchnahme der Leistungen eines vereinbarungsgebundenen Leistungserbringers dem bedürftigen Hilfeempfänger nicht zumutbar ist (subjektive Unmöglichkeit, vgl. Jaritz, a.a.O. m.w.N.). Abgesehen davon, dass es auch an den weiteren Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 Satz 2 SGB XII mangelt (Vorlage eines Leistungsangebots i.S. des § 76 SGB XII über konkrete Dienst- oder Sachleistungen wie etwa Unterstützungs- oder Assistenzleistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, s. o.), wäre die Betreuerin der Klägerin nicht nach § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII von dem Abschluss einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII befreit, weil sie im Kontext mit der Versorgung der weiteren ehemaligen Pflegekinder, ggf. auch gemeinsam mit ihrer Tochter, durchaus als reguläre Anbieterin von stationären bzw. ambulanten Hilfen in Betracht kommt. Die Betreuerin der Klägerin ist hier aber nicht als Leistungserbringerin für den Beklagten mit allen Rechten, aber auch allen Pflichten, die sich aus den §§ 75 ff. SGB XII ergeben, aufgetreten, sondern begehrt - im Namen der Klägerin - einen pauschalen Ausgleich für ihren Betreuungsaufwand. Dies ist auf diese Weise gesetzlich nicht vorgesehen.

4. Der Senat hat von einer (einfachen) Beiladung der Betreuerin der Klägerin nach § 75 Abs. 1 SGG abgesehen, weil ihre berechtigten Interessen im gerichtlichen Verfahren durch ihre Betreuerstellung hinreichend gewahrt sind. Zu einer notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG bestand kein Anlass. Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei einer Klage eines Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Kostenübernahme als Sachleistung im weiten Sinne (Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung) zwar der Leistungserbringer notwendig beizuladen, weil die Entscheidung über die Verpflichtung des Beklagten zur Kostenübernahme gegenüber dem Kläger und dem Leistungserbringer nur einheitlich ergehen kann (BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 10/12 R - Rn. 10). Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, weil die Betreuerin der Klägerin ihre Dienste nicht aufgrund einer schuldrechtlichen Verpflichtung (mit der Klägerin) erbringt und auch sonst nach sozialhilferechtlichen Maßgaben (§§ 75 ff. SGB XII) keine Leistungserbringerin ist (s.o.).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

6. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt. Die Rechtsache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil sich die Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen für die Betreuung von erwachsenen behinderten Menschen in Gastfamilien nach den allgemeinen Vorgaben des Leistungserbringungsrechts der Sozialhilfe (§§ 75 ff. SGB XII) richtet und die Rechtssache insoweit keine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.-