Landgericht Aurich
Beschl. v. 11.11.2004, Az.: 4 T 216/04

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
11.11.2004
Aktenzeichen
4 T 216/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50883
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Emden - 19.03.2004 -AZ: 5a II 85/03
AG Emden - 01.11.2004 -AZ: 5a II 85/03
nachfolgend
LG Aurich - 11.11.2004 - AZ: 4 T 550/04
OLG Oldenburg - 05.04.2005 - AZ: 5 W 194/04

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Emden vom 19.03.2004 zu den Ziffern 1. und 5. wie folgt geändert:

Ziffer 1.

Unter Abweisung des Antrags im übrigen werden die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 25.10.2003 zu den Tagesordnungspunkten 4 hinsichtlich der Verteilung der Verzugszinsen und zu den Tagesordnungspunkten 5, 5.1, 5.3 bis 5.7 für ungültig erklärt.

Ziffer 5.

Der Gegenstandswert wird auf 186.486,73 € festgesetzt.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 4. auferlegt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 36.779,-- € festgesetzt.

II. Die Streitwertbeschwerde des Rechtsanwalts H. gegen den im Beschluss des Amtsgerichts Emden vom 19.03.2004 festgesetzten Gegenstandswert wird als unzulässig verworfen.

Insoweit ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beteiligten zu 1., 2. und 3. sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft W.-L.-Straße …, …… in E., die aus 242 Eigentumseinheiten besteht. Die Beteiligte zu 4. ist die Verwalterin. In § 12 der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft ist die Verteilung der Lasten und Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft geregelt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Teilungserklärung verwiesen. In der Eigentümerversammlung vom 25.10.2003 haben die Wohnungseigentümer u.a. folgenden Beschluss zum Tagesordnungspunkt 4 gefasst:

„Beschluss über eine Sonderumlage wegen Nichtzahler, um den Geldengpass der Gemeinschaft zu überbrücken, bis die Wohngeldklagen Erfolg haben. Voraussichtliche Höhe von EURO 350.000,-- = EURO 35,-- je Miteigentumsanteil.

Die Verwalterin und der Beirat erläutern anhand von Vorlagen, Folien, offenen Rechnungen den anwesenden und vertretenen 233 Eigentümern die Finanzsituation der WEG, verursacht durch die Nichtzahler (siehe Anlage 6)

Die Verwalterin und der Beirat empfehlen die nachfolgende Beschlussfassung.

Beschluss:

Die Eigentümergemeinschaft beschließt zur Abwendung der Zahlungsprobleme und des Liquiditätsengpasses durch nicht zahlende Eigentümer, eine Sonderumlage von insgesamt: € 360.000,00 = EUR 35,00 je Miteigentumsanteil (MEA).

Die Sonderumlage wird in der Buchhaltung getrennt erfasst, ins SOLL gestellt und gegenüber den Eigentümern durch Sonderumlageabrechnung gesondert berechnet.

Die Sonderumlage wird in die Abrechnung 2003 als Zuführung zur Rücklage eingestellt, aber als Liquiditätshilfe bis zum Eingang der eingeklagten Wohngelder eingesetzt.

Die Sonderumlage ist sofort fällig, spätestens zahlbar bis zum 14.11.2003 auf das in der Anforderung genannte Konto der Gemeinschaft.

Die Verwaltung wird beauftragt und bevollmächtigt, die bis dahin nicht eingegangenen Gelder mittels Anwalt gerichtlich durchzusetzen.

Die Verwaltung ist ferner bevollmächtigt, mit Eigentümern Ratenzahlungsvereinbarungen abzuschließen.

Die zahlenden Eigentümer, die pünktlich bis zum 14.11.2003 zahlen, erhalten die eingehenden Verzugszinsen derjenigen Eigentümer, die durch Gerichtsbeschluss zur Zahlung von Verzugszinsen verurteilt wurden. Zu diesem Zweck wird die Verwaltung beauftragt, diese eingehenden Zinsen getrennt zu buchen.

Die Auszahlung dieser getrennt gebuchten Zinsen erfolgt an die oben bezeichneten Eigentümer, sobald die Liquidität der Gemeinschaft dies zulässt.“

Ferner hat die Wohnungseigentümerversammlung am 25.10.2003 unter den Tagesordnungspunkten 5 – 5.10 Beschlüsse zur Änderung des Verteilerschlüssels der Lasten und Kosten gefasst. Wegen aller Einzelheiten wird insoweit auf das Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.10.2003 verwiesen.

Das Amtsgericht Emden hat durch Beschluss vom 19.03.2004 u.a. die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.10.2003 zu den Tagesordnungspunkten 5, 5.1, 5.3 – 5.7 – soweit sie für 2003 und davor gelten sollten – und für 5.8 für ungültig erklärt. Den Antrag der Antragsteller, die Beschlussfassungen zum Tagesordnungspunkt 4 hinsichtlich der Verteilung der Verzugszinsen und zu den Tagesordnungspunkten 5, 5.1, 5.3 – 5.7 insgesamt für ungültig zu erklären, hat es zurückgewiesen

Gegen diesen ihnen am 24.03.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 06.04.2004 eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsteller mit dem Ziel, die Beschlussfassungen zu Tagesordnungspunkt 4 hinsichtlich der Verteilung der Verzugszinsen und zu den Tagesordnungspunkten 5, 5.1, 5.3 bis 5.7 für die Zukunft, d.h. ab dem Wirtschaftsjahr 2004, für unwirksam zu erklären. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat gegen den Beschluss des Amtsgerichts Emden ebenfalls – verfristet – sofortige Beschwerde eingelegt, die sie jedoch mit Schriftsatz vom 28.07.2004 bzw. 14.06.2004 zurückgenommen hat.

Ferner hat Rechtsanwalt H. gegen den im Beschluss des Amtsgerichts festgesetzten Gegenstandswert Beschwerde gemäß § 9 BRAGO eingelegt.

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist zulässig und begründet. Die Entscheidungen der Wohnungseigentümerversammlung zum Tagesordnungspunkt 4 vom 25.10.2003 enthalten

a) den Beschluss zur Erhebung einer Sonderumlage von 350.000,-- € und

b) den Beschluss, dass Wohnungseigentümer, die die Sonderumlage bis 14.11.2003 zahlen, die Verzugszinsen von denjenigen Wohnungseigentümern erhalten, die gerichtlich zur Zahlung der Sonderumlage verurteilt werden. Nur dieser Beschluss ist Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.

Die Anfechtung dieses Beschlusses greift durch. Verzugszinsen sind Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums, die nach § 16 Abs. 1 S. 1 WEG jedem Wohnungseigentümer dieser Wohnungseigentümergemeinschaft nach seinem Miteigentumsanteil zustehen, denn in der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft ist nichts anderes geregelt. § 12 Ziff. 3 der Teilungserklärung regelt nur in § 12 der Teilungserklärung nicht erfasste Kosten und Lasten, keine Nutzungen. Eine von der gesetzlichen Verteilung abweichende Regelung ist nur zulässig, wenn die Teilungserklärung insoweit eine Öffnungsklausel enthält. Bereits das ist hier nicht der Fall. Zwar enthält § 12 Ziff. 9 der Teilungserklärung die Bestimmung, dass eine Änderung des Verteilungsschlüssels durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen werden kann. Aus der Stellung als letzten Punkt der Regelungen in § 12 der Teilungserklärung ergibt sich jedoch, dass sich die Ziff. 9 auf die vorherigen, in Ziffern 1 - 8 enthaltenen Regelungsgegenstände bezieht. In § 12 Ziffern 1 - 8 sind jedoch nur Lasten und Kosten geregelt, keine Nutzungen.

Zum Schutze des in eine Wohnungseigentümergemeinschaft eintretenden Wohnungseigentümers sind Teilungserklärungen in Bezug auf Öffnungsklauseln für eine Änderung des Verteilungsschlüssels eng auszulegen. Denn die Wohnungseigentümergemeinschaft kann einstimmig jederzeit Verteilerschlüssel ändern, bei unbilligen Regelungen besteht unter Umständen ein Anspruch auf Zustimmung zur Änderung des Verteilerschlüssels, so dass kein Bedürfnis für eine weite Auslegung einer Öffnungsklausel besteht.

Selbst wenn die vorliegende Öffnungsklausel die Änderung grundsätzlich zulassen würde, setzt eine Änderung voraus, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die ein Festhalten an dem geltenden Schlüssel als grob unbillig erscheinen lassen (vgl. Bärmann, WEG, 9. Aufl., § 16 Randnr. 119). Auch das ist vorliegend nicht der Fall. Nach der gesetzlichen Regelung in § 16 WEG müssen Erträge aus Verzugszinsen nach Miteigentumsanteilen jedem Wohnungseigentümer gutgeschrieben werden. Es ist nicht einsichtig, dass Miteigentümer, die nicht pünktlich zahlen, von dieser Regelung ausgenommen werden, denn schließlich zahlen diese für „unpünktliche“ Zahlungen ja gerade die Verzugszinsen. Die in Tagesordnungspunkt 4 enthaltene Regelung ist im Vergleich zur gesetzlichen Regelung eher unbillig, denn sie bestraft „unpünktlich“ zahlende Wohnungseigentümer durch Ausschluss von der Gutschreibung zusätzlich, obwohl der Verzugsschaden der Wohnungseigentümergemeinschaft bereits durch die Verzugszinsen der verspätet Zahlenden gedeckt ist.

Tagesordnungspunkte 5, 5.1, 5.3, 5.4, 5.5, 5.6, 5.7:

Die zu diesem Tagesordnungspunkten gefassten Beschlüsse sind sämtlich für ungültig zu erklären, weil durch sie der Verteilungsschlüssel der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht hinreichend bestimmt geregelt ist.

Die Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft enthält in § 12 Ziff. 1-8 bereits eine fast zwei DIN-A4-Seiten umfassende, von § 16 WEG abweichende aber klar verständliche Regelung der Lasten und Kosten. Dieser Regelung hinzugefügt wird nunmehr eine sich über 5 ½-DIN-A 4-Seiten erstreckende Änderung des Verteilerschlüssels, die zum Teil überflüssige Ausführungen, zum Teil sprachlich missglückte Ausführungen und zum Teil unklare und unübersichtliche Regelungen enthält, wie nachfolgend erläutert werden wird. Der geltende Verteilerschlüssel der Wohnungseigentümergemeinschaft ist so für einen Wohnungseigentümer, den etwaigen Erwerber eines Wohnungseigentums aber auch für einen Dritten mit zumutbarem Aufwand nicht mehr feststellbar, wenn er denn überhaupt feststellbar ist. Bei den 242 Wohnungseigentümern dieser Wohnungseigentümergemeinschaft ist durch Form und In halt dieses Regelungswerks der Keim für zukünftige Streitigkeiten um die Verteilung der Kosten und Lasten gelegt. Angesichts der Bedeutung des Verteilerschlüssels für die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, den Rechtsfrieden der Wohnungseigentümer untereinander und auch der Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft mit ständig wechselnden Wohnungseigentümern ist es der Wohnungseigentümergemeinschaft zuzumuten, einen Verteilerschlüssel aufzustellen, der den Willen der Wohnungseigentümergemeinschaft klar, eindeutig und übersichtlich umsetzt. Soweit die Verwalterin nicht in der Lage ist, denn Willen der Gemeinschaft durch sachkundig erstellte Beschlussvorlagen und Beschlussvorschläge umzusetzen, ist der Wohnungseigentümergemeinschaft zuzumuten, für entsprechende Formulierungshilfe Rechtsrat einzuholen und über eine Änderung des Verteilerschlüssels erst dann endgültig zu beschließen, wenn ein vom Mehrheitswillen getragener klar und übersichtlich formulierter Beschlussentwurf vorliegt.

Die zu den Tagesordnungspunkten 5 - 5.10 gefassten Beschlüsse gehören formell und materiell zusammen, denn zu diesen Beschlussfassungen wurde unter dem Tagesordnungspunkt 4 der Tagesordnung einheitlich eingeladen und sie betreffen sämtlich die Verteilung von Kosten und Lasten des Wohnungseigentums. Analog § 139 BGB ist anzunehmen, dass bei Ungültigkeit eines Beschlusses zu den Tagesordnungspunkten 5 – 5.10 auch die anderen Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft nach deren Willen ungültig sein sollen.

Im einzelnen:

1. Die protokollierten sehr umfangreichen Neuregelungen des Verteilerschlüssels enthalten im wesentlichen Einzelregelungen zu bestimmten Kosten und Lasten: Die Neuregelung schweigt jedoch zu der Frage, inwieweit daneben noch die Regelung in § 12 Ziff. 1 – 8 der Teilungserklärung gelten soll. Für den Leser, zumal dem in der Regel nicht rechtskundigen Wohnungseigentümer, erschließt sich die Tragweite der Neuregelung im Verhältnis zur bisherigen Regelung in § 12 Ziffer 1 – 8 der Teilungserklärung nicht ohne Weiteres, ein mühsames Durcharbeiten und Durchdenken, für das er möglicherweise erst Rechtsrat einholen muss, ist ihm nicht zuzumuten. Angesichts der bisherigen Regelung der Wohnungseigentümergemeinschaft ist ihr vielmehr eine klarstellende Regelung über die Fortgeltung oder teilweise Nichtfortgeltung der bisherigen Regelungen in § 12 Ziff. 1 – 8 der Teilungserklärung zuzumuten. Da die Beschlussfassungen vom 25.10.2003 dazu keine Regelungen enthalten, sind sie für ungültig zu erklären.

2. Tagesordnungspunkt 5:

Der sich über eine DIN-A-4-Seite erstreckende Beschluss ist inhaltlich unbestimmt. Er enthält in Absatz 1 keine Regelungen des Verteilerschlüssels, sondern überflüssige allgemeine Ausführungen, die die Verständlichkeit und Übersichtlichkeit des beschlossenen Verteilerschlüssels erschweren. Dasselbe gilt für die Absatz 2. Er behandelt im wesentlichen Wasser und Abwasser und enthält eine Regelung zum Haus Nr. 51 wie folgt: „Deshalb soll künftig dieses Haus nur mit dem Wasser und Abwasser belegt werden, den die Bewohner dieses Hauses selbst verursachen.“ Diese Regelung ist nicht nur sprachlich missglückt, sondern völlig überflüssig, weil der Verteilerschlüssel zu Wasser und Abwasser unter Tagesordnungspunkt 5.6 beschlossen ist. In Absatz 3 ist auch unter Berücksichtigung der Anlage 7 zum Protokoll unklar, welche konkreten Kosten mit „zuordnungsfähige Kosten“ gemeint sind, nach welchen Kriterien sie denn den jeweiligen Häusern der Wohnungseigentumsanlage zugeordnet werden sollen und wie diese Kosten denn zwischen den Wohnungseigentümern des jeweiligen Hauses verteilt werden sollen. Ebenso unklar ist, welche Kosten nicht zuordnungsfähige Kosten sind und wie diese Kosten verteilt werden, denn wörtlich heißt es:

„Die Kosten, die nicht zuordnungsfähig je Haus sind, werden zunächst auf die Quadratmeter oder Miteigentumsanteile oder andere bestimmte Verteilerschlüssel der 23 Häuser vorverteilt, um diese dann innerhalb der Häuser nach den Verteilerschlüsseln der Wohnungen zu belasten.“ Dieser Satz ergibt überhaupt keinen Sinn, denn wenn die Koste n nicht zuordnungsfähig je Haus sind, können sie auch nicht vorverteilt werden. Einen Verteilerschlüssel der 23 Häuser und einen Verteilerschlüssel der Wohnungen gibt es nicht.

In Absatz 4 des Beschlusses erschließt sich nicht, wie die Kosten nach der Anlage 8 des Protokolls verteilt werden sollen. Der Regelungsinhalt ist nicht verständlich.

Nicht geregelt ist ferner, wofür die bisher schon nach § 12 Ziff. 1c der Teilungserklärung zu bildende Instandhaltungsrücklage zu verwenden ist, wenn nunmehr diese Kosten für Instandhaltung eines Hauses nur die Wohnungseigentümer tragen sollen, die in diesem Haus Wohnungseigentümer sind. Selbst wenn die Mittel der Instandhaltungsrücklage inzwischen für andere Ausgaben der Wohnungseigentümergemeinschaft verwandt worden sein sollten, ist diese Neuregelung unbillig, denn die Instandhaltungsrücklage ist von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgebracht worden, so dass es billig und gerecht erscheint, dass die Mittel für Instandhaltung auch weiterhin von der Miteigentümergemeinschaft insgesamt aufgebracht werden. Zudem soll die nach Top 4 beschlossene Sonderumlage nach Behebung der Liquiditätsprobleme in die Instandhaltungsrücklage fließen Gerechterweise muß sie dann auch für die Instandhaltung aller 23 Häuser verwendet werden, denn sie wird nach Miteigentumsanteilen erhoben. Die unterschiedliche Ausstattung der Häuser allein rechtfertigt eine Änderung nicht, denn von ihr und dem Verteilerschlüssel der Teilungserklärung konnten alle Wohnungseigentümer Kenntnis nehmen, bevor sie sich zum Erwerb einer Wohnung in dieser Wohnungseigentümergemeinschaft entschlossen haben.

3. Tagesordnungspunkt 5.1und 5.3:

Die Beschlussfassungen meinen wohl im Kern, dass Kosten für Grundsteuer, Müllentsorgung, Schlossgebühren und Deichacht nicht mehr nach dem Verteilerschlüssel der Wohnungseigentümergemeinschaft abgerechnet werden sollen, weil diese Kosten von den Kostengläubigern direkt dem jeweiligen Wohnungseigentümer in Rechnung gestellt werden. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn denn die Kosten von den Kostengläubigern satzungsgemäß, bezogen auf das jeweilige Wohnungseigentum, eingezogen werden können. Bedenken hat die Kammer hier bei der Deichacht, die üblicherweise auch bei Miteigentümern nach der Größe des Grundstücks, also nicht nach Miteigentumsanteilen in Rechnung gestellt wird. Sie wird auch erhoben von Wasser- und Bodenverbänden und nicht, wie es in dem Beschluss heißt, von einem „Deichamt“ „unmittelbar an die Stadt“. Letztlich kann eine Klärung dieser Frage dahinstehen, weil diese Beschlussfassung schon wegen der mangelnden Bestimmtheit der Gesamtregelung für ungültig zu erklären ist.

4. Tagesordnungspunkt 5.4 und 5.5:

Hier ist beschlossen, dass Mieteinnahmen für das Aufstellen von Zigarettenautomaten nach Miteigentumsanteilen und nicht mehr nach Nutzfläche verteilt werden (Tagesordnungspunkt 5.4) bzw. die Kosten für Antennen-, Kabelfernsehen und SAT-Gebühren nicht mehr nach dem Verhältnis der Wohnung- und Nutzflächen verteilt werden, sondern nach den 242 Wohneinheiten. Ob die dafür im Schriftsatz der Beschwerdegegner vom 08.10.2004 genannten Gründe „außergewöhnliche Umstände sind, die ein Festhalten an dem geltenden Schlüssel als grob unbillig erscheinen lassen“ (vgl. Bärmann, aaO.) erscheint fraglich. Wenn Kosten und Lasten nach den Verhältnissen der Wohn- und Nutzflächen verteilt werden, erscheint es nicht grob unbillig, auch Einnahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft nach diesem Schlüssel zu verteilen. Letztlich kann die Frage hier unentschieden bleiben, weil auch diese Beschlussfassungen aus den vorgenannten Gründen für ungültig zu erklären sind.

5. Tagesordnungspunkt 5.6:

Auch diese Beschlussfassung ist nicht hinreichend bestimmt. Unklar ist die Regelung zu A: „Die Heizkosten werden abgerechnet 50 % nach Quadratmeter-Wohn-Nutzfläche und 50 % nach gemessenem Verbrauch je Wohneinheit.“ Angesichts der vorstehenden Ausführungen in diesem Beschluss, dass es einen Heizkreis, aber 5 Warmwasserbereiter für die dort aufgeführten Häuser geben soll, ist unklar,

a) welche Heizkosten gemeint sind, nur die für die Beheizung der Wohnung oder auch die für die Herstellung des Warmwassers,

b) ob diese Heizkosten auf die einzelnen Häuser vorverteilt werden und dann nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen innerhalb des Hauses verteilt werden oder ob sie bezogen auf die gesamte Wohnungseigentumsanlage verteilt werden.

Unklar ist ebenso die Regelung zu B) die lautet:

„Die Warmwasserkosten werden verteilt nach dem an der Warmwasseruhr gemessenen Verbrauch je Wohneinheit und Berechnung der Energielieferanten je Heizzentrale beteiligter Häuser und Wohnungen. Zu den Warmwasserkosten gehören auch die Kalt- und Abwasserkosten zur Aufbereitung und der Verbrauch für Warmwasser je Wohnung.“ Unklar ist hier zunächst, welche Warmwasserkosten gemeint sind. Unklar ist ferner, wie sie verteilt werden, sie können nicht verteilt werden „nach ... Verbrauch ... und Berechnung der Energielieferanten je Heizzentrale beteiligter Häuser und Wohnungen“, sondern entweder nur nach Verbrauch oder zu einem bestimmten Prozentsatz nach Verbrauch und zu einem anderen bestimmten Prozentsatz nach einem anderen Schlüssel.

Verständlich ist an sich die Regelung in C) die lautet:

„Die Kalt- und Abwasserkosten werden je Haus und Lieferantenrechnungen auf den Verbrauch laut Kaltwasseruhr je Wohnung verteilt.“

Unverständlich ist jedoch dann der weitere Zusatz:

„Zuvor wird die Kalt- und Abwassermenge im jeweiligen Haus ermittelt und der Warmwasserstation für die Warmwasseraufbereitung zur Belieferung aller an dieser Station hängenden Wohnungen herausgerechnet und den Warmwasserkosten hinzugerechnet (siehe Anlage 8)“, denn die Kaltwasseruhr je Wohnung misst nur den Kaltwasserverbrauch, der Warmwasserverbrauch wird nach den Ausführungen im Beschluss von einer Warmwasseruhr je Wohnung ermittelt. Unklar ist, weshalb dann der Kaltwasserverbrauch der Wohnung in die Abrechnung über den Warmwasserbrauch einfließen soll.

6. Tagesordnungspunkt 5.7:

Beschlossen ist, die dort aufgeführten Kosten nach Miteigentumsanteilen abzurechnen, statt wie bisher nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen. Unklar ist, ob hier die hier zu TOP 5 beschlossene Vorverteilung auf die einzelnen Häuser der Wohnungseigentumsanlage greifen soll und dann innerhalb der Häuser nach Miteigentumsanteilen verteilt werden soll, was rechnerisch schwierig sein dürfte oder ob diese Kosten innerhalb der gesamten Wohnungseigentumsanlage nach Miteigentumsanteilen verteilt werden sollen. Denn an sich handelt es sich bei den Kostenpositionen „Reparatur an Anlagen“ und „Gebäudeausstattung“ um Kostenpositionen, die an sich bestimmten Häusern zugeordnet werden können.

Es ist im Sinn von § 47 WEG angemessen, die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten für das Beschwerdeverfahren der Verwalterin aufzuerlegen. Die von der Wohnungseigentümerversammlung unter der Leitung der Verwaltern gefassten Beschlüsse sind ersichtlich von der Verwalterin initiiert und formuliert. Da die Verwalterin Beschlüsse auszuführen hat, hat eine sachkundige Verwalterin die Wohnungseigentümergemeinschaft vor der Fassung von unklaren und unübersichtlichen Beschlüssen gerade zu der Verteilung von Lasten und Kosten zu warnen und dafür zu sorgen, dass der Wille der Wohnungseigentümergemeinschaft in den gefassten Beschlüssen klar, eindeutig und übersichtlich umgesetzt wird. Die Wohnungseigentümergemeinschaft läuft nämlich ansonsten Gefahr, in zahllosen Rechtsstreitigkeiten zu Kosten herangezogen zu werden. Dieser Verpflichtung ist die Verwalterin ersichtlich nicht nachgekommen, so dass es angemessen erscheint, die sich hieraus ergebenden Kosten des Beschwerdeverfahrens der Verwalterin aufzuerlegen.

Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten hält das Beschwerdegericht die Kostenentscheidung des Amtsgerichts auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Gegenstandswert des amtsgerichtlichen Verfahrens durch das Beschwerdegericht anders festgesetzt wurde und des Umstandes, dass die Beschlussfassungen der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Tagesordnungspunkt 5 ff. insgesamt für ungültig erklärt wurden, für angemessen.

Die Geschäftswerte werden wie folgt festgesetzt:

1. Tagsordnungspunkt 4: Verzugszinsenregelung

Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Wohnungseigentümergemeinschaft geht es um die Verteilung von Verzugszinsen in Höhe von ca. 14.306,-- € jährlich. Bei 242 Wohneinheiten sind die Antragsteller mit rund 1/242 = 59,11 € beteiligt. Ausgehend von diesem Einzelinteresse der Anfechtenden hält die Kammer deshalb einen Geschäftswert von 150,-- € für angemessen.

2. Tagesordnungspunkt 5:

Die Abrechnungssumme der Wohnungseigentümergemeinschaft betrug 2002 732.559,76 €, pro Wohnung umgerechnet rund 3.027,-- €. Ausgehend von diesem Einzelinteresse der Anfechtenden aber auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft den zu TOP 5 ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Emden zunächst angefochten hat, hält die Kammer 5 % der Abrechnungssumme, rund 36.628,-- €, für angemessen.

3. Abberufung der Verwalterin:

Geschäftswert ist die Höhe der Verwaltervergütung vom Zeitpunkt des Antrags auf Abberufung bis zum Ablauf der regulären Amtszeit der Verwalterin, hier unstreitig 120.708,73 €. Für die beantragte Notverwaltung von sechs Monaten sind dementsprechend 26.ooo,-- € angemessen. Für den Hilfsantrag, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, sind 3.000,-- € angemessen.

Folglich ist der Geschäftswert für das Verfahren der ersten Instanz auf 186.486,73 € und für das Verfahren in zweiter Instanz auf 36.779,-- € festzusetzen.

Streitwertbeschwerde des Rechtsanwalts H.:

Die Beschwerde des Rechtsanwalts ist unzulässig. Zwar hat der Rechtsanwalt einer Partei ein eigenes Beschwerderecht aus § 9 Abs. 2 BRAGO. Rechtsanwalt H. war jedoch nicht Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft in erster Instanz. Die ihm seinerzeit von der Verwalterin erteilte Vollmacht war – wie die Kammer an anderer Stelle schon ausgeführt hat – unwirksam. Zwar konnte die Verwalterin auf Grund der Verwaltervollmacht Rechtsanwalt H. bevollmächtigen. Die Erteilung dieser Verwaltervollmacht durch den Beirat war jedoch nicht durch den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.04.2001 gedeckt, zumal hier der Fall der Interessenkollision bei der Verwalterin hinsichtlich des Antrages auf Abberufung vorlag.