Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.06.2022, Az.: 8 U 205/22

Stufenklage zur Beurteilung der Voraussetzungen etwaiger weiterer Bereicherungsansprüche gegen die private Krankenversicherung nach deren Beitragserhöhung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.06.2022
Aktenzeichen
8 U 205/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 64746
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 21.04.2022 - AZ: 3 O 322/21

In dem Rechtsstreit
U. G., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro W., ...,
gegen
... Krankenversicherung AG, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro B., ...,
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie die Richterin am Oberlandesgericht ... am 21. Juni 2022 beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 21. April 2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Senat beabsichtigt weiter, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 13.000 € festzusetzen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 19. Juli 2022.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung des Klägers ist offensichtlich unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler im Sinne von § 513 Abs. 1, § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Im Einzelnen:

1. Die Berufung des Klägers ist unbegründet, soweit das Landgericht die vom Kläger erhobene Stufenklage als unzulässig abgewiesen hat.

Bereits aus dem Gesetzeswortlaut sowie aus der systematischen Stellung von § 254 ZPO wird deutlich, dass die Besonderheit der Stufenklage nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage liegt, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2000 - III ZR 65/99). Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof in seiner vorstehend zitierten Entscheidung eine Stufenklage als unzulässig betrachtet, mit deren Hilfe der Kläger zunächst die Informationen in Erfahrung bringen wollte, die ihm die Prüfung eines gegen den Beklagten etwaig zustehenden Anspruchs erst ermöglichen sollten.

Eine solche Konstellation ist auch im streitgegenständlichen Fall gegeben. Der Kläger will mit den begehrten Informationen zunächst nur in die Lage versetzt werden, die Voraussetzungen etwaiger weiterer Bereicherungsansprüche dem Grunde nach beurteilen zu können.

Zwar hat der Kläger vorgetragen, er wisse, dass "die Beitragsanpassungen" der Beklagten unwirksam gewesen seien. Um welche Beitragsanpassungen es konkret geht, kann seinem Vortrag aber nicht entnommen werden.

Auf dieser Grundlage kann ein dem Grunde nach bestehender Anspruch gegen die Beklagte nicht festgestellt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass unwirksame Beitragsanpassungen und in der Folge hierauf erfolgte Leistungen des Versicherungsnehmers eine Vielzahl von Rückforderungsansprüchen zur Folge haben. Jede auf eine unwirksame Beitragsanpassung gestützte Rückforderung stellt dabei einen eigenständigen Anspruch dar. Es ist aber unklar, ob und ggf. in welchem Tarif des Klägers es zu welchem Zeitpunkt zu einer Beitragsanpassung kam. Wenn aber beispielsweise unklar ist, ob es zum 1. Januar 2015 in einem bestimmten Tarif zu einer unwirksamen Beitragsanpassung kam, dann weiß der Kläger gerade nicht, ob insoweit auch ein entsprechender Rückforderungsanspruch besteht. Vielmehr will er gerade dies durch die Auskunftsklage in Erfahrung bringen.

2. Die unzulässige Stufenklage kann auch nicht in eine zulässige Auskunftsklage umgedeutet werden. Zwar hat der Bundesgerichtshof eine solche Möglichkeit grundsätzlich bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10; BGH, Urteil vom 2. März 2000 - III ZR 65/99). Eine Umdeutung kommt im vorliegenden Fall aber deshalb nicht in Betracht, weil auch eine Auskunftsklage in Ermangelung eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig wäre.

Nach allgemeinen Grundsätzen entfällt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Kläger auch ohne die Erhebung einer Klage auf einfacherem, schnelleren und preisgünstigerem Wege an die streitgegenständlichen Informationen gelangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2021 - IX ZR 266/18; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - I ZR 228/19; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2020 - KZR 60/16; BGH, Beschluss vom 24. September 2019 - VI ZB 39/18; BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - III ZR 329/14).

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Denn unstreitig besitzt der Kläger Zugriff auf das Online-Kundenportal der Beklagten. Ebenso unstreitig umfasst der Zugriff über das Kundenportal auch alle streitgegenständlichen Informationen. Damit fehlt es bereits an dem Rechtsschutzinteresse für eine Auskunftsklage, weil der Kläger sich die notwendigen Informationen problemlos auch ohne die Erhebung einer Klage beschaffen kann. Das hat zur Folge, dass die unzulässige Stufenklage nicht in eine zulässige Auskunftsklage umgedeutet werden kann.

II.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 13.000 € festzusetzen.

Bei der Bewertung der Stufenklage ist gemäß § 44 GKG nur der höchste Anspruch maßgeblich. Regelmäßig handelt es sich dabei um den Leistungsanspruch. Dabei ist unmaßgeblich, dass die Klägerin diesen Leistungsanspruch noch nicht beziffert hat. Vielmehr ist die Erwartung der Klägerin maßgebend (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1997 - XII ZR 307/95). Der Kläger hat seine Erwartung im vorliegenden Fall mit 10.700,00 € beziffert (Bl. 7 R d. A.).