Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.06.2022, Az.: 13 Verg 3/22

Sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung durch eine Vergabekammer; Überhöhter Gegenstandswert; Kostentragungspflicht nach Rücknahme einer Beschwerde in der Hauptsache

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.06.2022
Aktenzeichen
13 Verg 3/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 32494
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VK Niedersachsen - 07.03.2022 - AZ: VgK-05/2022

Fundstelle

  • VS 2022, 78

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer vom 7. März 2022 hinsichtlich der Kostenfestsetzung in Ziffer 2. des Tenors dahin abgeändert, dass die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer auf 3.838,96 € festgesetzt werden.

Im Übrigen ist die Antragstellerin des Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen verlustig.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 52.885,57 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin richtet sich nach der Teilrücknahme mit Schriftsatz vom 17. Mai 2022 (Bl. 741 d.A.) lediglich noch gegen die Kostenfestsetzung der Vergabekammer unter Ziffer 2. des Tenors, die nach Auffassung der Antragstellerin auf einem unzutreffenden Gegenstandswert beruht.

Über diese zulässige (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - X ZB 5/10 -, Rn. 9, juris) Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sie eine Nebenentscheidung der Vergabekammer betrifft (vgl. Senat, Beschluss vom 5. November 2020 - 13 Verg 7/20 -, Rn. 4, juris; Beck VergabeR/Vavra/Willner, 4. Aufl. 2022, § 175 GWB Rn. 10; jeweils m.w.N.).

II.

Die sofortige Beschwerde hat hinsichtlich der Kostenfestsetzung Erfolg.

Die Entscheidung über den Gebührenansatz liegt gemäß § 182 Abs. 1, Abs. 2 GWB im pflichtgemäßen Ermessen der Vergabekammer. Auf die Beschwerde wird die Gebührenentscheidung nur auf Ermessensfehler überprüft (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 12). Ein solcher Fehler liegt hier vor, weil die Vergabekammer von einem überhöhten Gegenstandswert ausgegangen ist. Sie hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass eine Vielzahl der im Angebot der Antragstellerin enthaltenen Positionen nur einmalig anfallen und deshalb bei der Bestimmung des Auftragswerts nicht der (fiktive) Gesamtwert aus dem Preisblatt und der Angebotswertung herangezogen und mit der Vertragslaufzeit multipliziert werden kann.

Danach waren die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 182 GWB auf nur 3.838,96 € festzusetzen, weil der zugrunde zu legende Auftragswert, der sich nach dem Angebot der Antragstellerin bemisst, auf (brutto) 1.057.711,35 € festzulegen ist.

Im Einzelnen:

1. Wegen der Berechnung des Bruttoauftragswerts unter Berücksichtigung der Einmalkosten, der laufenden Wartungskosten und der Bedarfsleistungen wird auf die Ausführungen der Antragsgegnerinnen im Schriftsatz vom 2. Juni 2022 (Bl. 752 ff. d.A.) verwiesen, denen die Antragstellerin überwiegend beigetreten ist und die auch der Senat insoweit für zutreffend erachtet.

Soweit die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 23. Juni 2022 (Bl. 772 f. d.A.) lediglich "der guten Ordnung halber" eine Korrektur in drei Punkten vorgenommen hat, gilt Folgendes:

a) Der Senat teilt die Auffassung der Antragstellerin, dass sich aus der Leistungsbeschreibung (Anlage ASt 3, dort Seite 2, Bl. 23R VgK) nicht ergibt, dass das dort genannte "Kickoff-Seminar (Workshop) mit allen Mitarbeitern/-innen der Projektgruppe" an allen drei Standorten gesondert durchgeführt werden muss, so dass die hierfür angesetzten Kosten - anders als bei den weiteren Schulungen - nur einmal zu berücksichtigen sind.

b) Es erscheint dem Senat auch zutreffend, dass im Falle des Abrufs der Bedarfspositionen für die Landkreise Göttingen, Holzminden und Northeim, die unstreitig die Software der Antragstellerin bereits nutzen, insoweit nach dem Angebot der Antragstellerin - anders als bei anderen Bietern - keine Schulungskosten anfallen.

c) Dass auch optionale Verlängerungszeiträume lediglich zu 50 % in die Bemessung des Auftragswerts eingehen, wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, haben die Antragsgegnerinnen bei ihrer Berechnung bereits berücksichtigt (vgl. Seite 8 f. des Schriftsatzes vom 2. Juni 2022, Bl. 759 f. d.A.).

2. Nach alledem errechnet sich - unter Berücksichtigung der Abzüge zu 1.a) und b) von dem seitens der Antragsgegnerinnen ermittelten Betrag - ein Bruttoauftragswert von 1.057.711,35 €. Dieser Wert führt bei Zugrundelegung der von den Vergabekammern des Bundes genutzten Gebührentabelle des Bundeskartellamts (zu deren Anwendbarkeit vgl. BGH; a.a.O., Rn. 15; KG, Beschluss vom 11. Mai 2022 - Verg 5/11 - Rn. 4, juris) sowie des von der Vergabekammer angenommenen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwands zu einer durch lineare Interpolation ermittelten Gebühr von 3.838,96 €.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren insgesamt der Antragstellerin aufzuerlegen.

Soweit die Antragstellerin die sofortige Beschwerde in der Hauptsache zurückgenommen hat, ergibt sich ihre Kostentragungspflicht aus § 175 Abs. 2, § 71 Satz 1 und 3 GWB i.V.m. § 516 Abs. 3 ZPO.

Dass die Antragstellerin mit der Anfechtung einer Nebenentscheidung in Gestalt der Kostenfestsetzung der Vergabekammer obsiegt hat, rechtfertigt unter Billigkeitsgesichtspunkten keine teilweise Auferlegung von Kosten auf die Antragsgegnerinnen. Bei einer fehlerhaften Gebührenfestsetzung durch die Vergabekammer ist es nicht sachgerecht, dem Verfahrensgegner die Kosten der dadurch ausgelösten Beschwerde aufzuerlegen (vgl. Beck VergabeR/Krohn, a.a.O., § 182 GWB Rn. 28). Dementsprechend ist die (isolierte) Beschwerde gegen die Gebührenfestsetzung der Vergabekammer, die sich wirtschaftlich für den betroffenen Beteiligten wie eine Streitwertfestsetzung auswirkt, in analoger Anwendung des § 68 Abs. 3 GKG gebührenfrei und außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 24, juris; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. Stand: 18.05.2021, § 175 GWB, Rn. 54).

Die außergerichtlichen Auslagen der Beigeladenen sind ebenfalls zu erstatten, weil dies der Billigkeit i.S.v. § 175 Abs. 2, § 71 Satz 1 GWB entspricht. Die Beigeladene hat sich an dem Beschwerdeverfahren bzw. dem Verfahren nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB aktiv beteiligt und eigene Anträge gestellt.

Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist im Beschwerdeverfahren - ohnehin ein Anwaltsprozess - nicht gesondert auszusprechen (vgl. Summa, a.a.O, Rn. 57).

IV.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde ergibt sich aus § 50 Abs. 2 GKG (5 % des Bruttoauftragswerts).