Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 04.01.2006, Az.: L 8 SO 58/05 ER

Anspruch auf Gewährung von Hilfen für die hauswirtschaftliche Versorgung; Feststellung einer Pflegestufe

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
04.01.2006
Aktenzeichen
L 8 SO 58/05 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 37977
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2006:0104.L8SO58.05ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 30.05.2005 - AZ: S 2 SO 49/05 ER

...
hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
am 4. Januar 2006 in Celle
durch
die Richter Scheider - Vorsitzender -, Wimmer und Valgolio
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 30. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beschlussformel wird klarstellend folgendermaßen gefasst:

Die Antragsgegnerin wird im Wege vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - gemäß §61 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für ihre hauswirtschaftliche Versorgung im Umfang von wöchentlich vier Stunden bis zum 30. Juni 2006 zu gewähren.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Die Beschwerde ist zulässig.

2

Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus §172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte (SG) in Verfahren dieser Art die Beschwerde stattfindet.

3

Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 30. Mai 2005 ging fristgemäß innerhalb der Monatsfrist des §173 Satz 1 SGG am 23. Juni 2005 beim SG ein.

4

Die Beschwerde ist nicht begründet.

5

Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Antragstellerin weiterhin Hilfen für ihre hauswirtschaftliche Versorgung zu gewähren sind und damit zu Recht den nötigen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bejaht.

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Die im Dezember 1973 geborene Antragstellerin erhielt unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) von der Antragsgegnerin Sozialhilfe - laufende Hilfe zum Lebensunterhalt -. Sie erhielt zusätzlich gemäß §11 Abs. 3 bzw §22 Abs. 1 Satz 2 BSHG wegen körperlicher Beeinträchtigungen Leistungen für die Bezahlung einer Haushaltshilfe. Die Antragstellerin leidet seit ihrer Geburt an einer schweren spastischen Paraplegie; sie ist zur Fortbewegung auf zwei Unterarmgehstützen angewiesen; außerhalb der Wohnung benutzt die Antragstellerin einen Rollstuhl. Die Haushaltshilfe erfolgte zweimal wöchentlich für jeweils zwei Stunden. Folgende Arbeiten wurden nach Angaben einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin ausgeführt: Böden wischen, Wäsche bügeln, Böden saugen, Betten beziehen, Bad gründlich säubern, Fenster putzen und die Terrasse fegen. Den Einkauf habe die Antragstellerin mittels des Rollstuhls bewerkstelligt; es hätten nur Kleinigkeiten transportiert werden können. Die Mittel für die Haushaltshilfe hat die Antragsgegnerin bis einschließlich Februar 2005 bewilligt. Eine weitergehende Leistungsbewilligung lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. März 2005 ab, da die Antragstellerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) erhalte; sie sei daher von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ausgeschlossen, wie sich aus §21 SGB XII ergebe. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2005 als unbegründet zurückgewiesen.

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Dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 8. März 2005 hat das SG mit Beschluss vom 30. Mai 2005 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragstellerin Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - durch ein erweitertes Verständnis von §61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII zustehe; auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten müssten durch Hilfe zur Pflege aufgefangen werden. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die darauf verweist, dass es sich bei den fraglichen Hilfeleistungen um Hilfe zur hauswirtschaftlichen Versorgung handele, die von §27 Abs. 3 SGB XII erfasst werde. Es handele sich daher um Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt -, welche der Antragstellerin gemäß §21 SGB XII als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II nicht zustehe. Für die hier fraglichen Hilfeleistungen könne Hilfe zur Pflege nicht gewährt werden. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen.

8

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII.

9

Die Vorschrift des §61 SGB XII regelt die Gewährung von Hilfe zur Pflege an pflegebedürftigen Personen. Nach §61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen Hilfe zur Pflege zu leisten, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Diese Vorschrift korrespondiert mit den Regelungen des Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI), wie sich aus §§61 Abs. 2, 62 SGB XII ergibt. Die Vorschrift des §61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen wortgleich mit §14 Abs. 1 SGB XI. Die Gewährung von Hilfe zur Pflege nach §61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII setzt daher u.a. medizinische Feststellungen darüber voraus, dass die Antragstellerin wenigstens die Pflegestufe I gemäß §15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI erreicht.

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Ob dies bei der Antragstellerin gegenwärtig der Fall ist, steht bislang nicht fest. In den Gerichtsakten befindet sich lediglich eine ablehnende Entscheidung der Pflegekasse bei der D. vom 28. April 1995, wonach bei der Antragstellerin zwar ein gewisser Hilfebedarf bestehe, der in seinem Gesamtumfang nicht den Voraussetzungen des Pflegeversicherungsgesetzes entspreche. Ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine andere Betrachtungsweise angezeigt ist, wird sich nur durch Einholung eines weiteren Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung feststellen lassen. Auch aus diesem Grunde wurde die vorläufige Verpflichtung zur Hilfeleistung bis zum 30. Juni 2006 festgeschrieben, um der Antragstellerin Gelegenheit zu geben, eine entsprechende Begutachtung durchführen zu lassen. Sollte sich nunmehr ein positiver Bescheid ergeben, würde der Rechtsstreit vermutlich aufgrund der Bewilligung von Pflegegeld nach den Vorschriften des SGB XII seine Erledigung finden. Der Antragstellerin wird daher aufgegeben, einen entsprechenden Antrag auf Begutachtung und Leistungsgewährung bei ihrer zuständigen Kasse zu stellen.

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Soweit bislang eine Pflegestufe nicht festgestellt ist, entfallen damit Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII nicht vollständig. Denn einen "Auffangtatbestand", der den sozialhilferechtlichen Pflegebegriff erweitert, enthält §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Hierzu hat der Senat für eine ähnliche Fallgestaltung mit Beschluss vom 24. August 2005 - L 8 SO 78/05 ER - u.a. Folgendes ausgeführt:

"Danach ist Hilfe zur Pflege auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten, die voraussichtlich für weniger als sechs Monate der Pflege bedürfen oder einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben oder die der Hilfe für andere Verrichtungen als nach Abs. 5 bedürfen. Diese Regelung entspricht dem vorher geltenden §68 Abs. 1 Satz 2 BSHG. Durch die Regelung des §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII werden die für die Pflegeversicherung maßgeblichen Kriterien letztlich - für den Bereich der Sozialhilfe - wieder aufgehoben. Die Öffnungsklausel des §61 Abs. 1 Satz 2 verdeutlicht, dass die Hilfe zur Pflege vom sozialhilferechtlichen Strukturprinzip der Bedarfsdeckung geprägt ist, im Gegensatz zur sozialen Pflegeversicherung, die nur eine Grundsicherung darstellt (vgl. Grube in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 2005, §61 Rdnr. 11 ff; Klie in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, Loseblattsammlung, §61 Rdnr. 4; zu §68 Abs. 1 Satz 2 BSHG vgl. Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl. 2002, §68 Rdnr. 19 ff; Krahmer in Lehr- und Praxiskommentar - BSHG, 6. Aufl. 2003, §68 Rdnr. 4 ff).

Maßgeblich ist hier die zweite Möglichkeit in §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII "einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 haben". Denn der Antragsteller erreicht zwar nicht die Pflegestufe I, hat aber einen Grundbedarf an pflegerischen Leistungen (Grundpflege 20 Minuten pro Tag und Hauswirtschaft 45 Minuten pro Tag). Dieser geringere Pflegebedarf, die einfache Pflegebedürftigkeit, wird als Pflegestufe 0 bezeichnet (vgl. Krahmer in Lehr- und Praxiskommentar - SGB XII, 7. Aufl. 2005, §61 Rdnr. 6; Baur/Zink in Mergler/Zink, Kommentar zum SGB XII, §61 Rdnr. 33; Grube, a.a.O., Rdnr. 11).

Für diese einfache Pflegebedürftigkeit - Pflegestufe 0 - sind nach der ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers ebenfalls Leistungen der Hilfe zur Pflege zu gewähren.

Zwar steht beim Antragsteller der Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung im Vordergrund, also Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Wechsel und Waschen der Kleidung und Wäsche.

Nun wird für den Bereich der im Rahmen der allgemeinen Haushaltsführung anfallenden Tätigkeiten erörtert, diese nicht unter den Begriff der Pflegebedürftigkeit nach §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu subsumieren, weil für diesen Bedarf in erster Linie Leistungen der Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - nach §27 Abs. 3 SGB XII - vorher §11 Abs. 3 BSHG bzw. §22 Abs. 1 Satz 2 BSHG - in Betracht kommen sollen (vgl. Baur/Zink, a.a.O., Rdnr. 37; Klie, a.a.O., Rdnr. 4; vgl. zum BSHG Schellhorn, a.a.O., Rdnr. 22).

Ursprung dieser Erwägungen ist die frühere Rechtslage zum BSHG, wonach bei der Hilfe zur Pflege Verrichtungen vorliegen mussten, die an der Person des Hilfesuchenden nötig waren (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. April 1986 - 3 C 24/85 - Buchholz 427.3, §267 LAG Nr. 98; siehe auch Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 11. Aufl., §69 Rdnr. 31). Diese Rechtslage hat sich durch Schaffung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 und den damit verbundenen Änderungen der Vorschriften der §§68 ff BSHG, die sich in den Vorschriften des SGB XII fortsetzen, geändert (vgl. zur Rechtsentwicklung der §§68 ff BSHG Krahmer in Lehr- und Praxiskommentar - BSHG, a.a.O., vor §68 Rdnrn. 5 ff; siehe auch Exner/Krahmer; Zur Gewichtung von hauswirtschaftlicher Versorgung und Grundpflege in der Hilfe zur Pflege nach §§68 ff BSHG sowie zu verbleibenden Aufgaben der kleinen bzw. großen Haushaltshilfe nach §11 Abs. 3 bzw. §70 BSHG, ZfSH/SGB 2000, 538).

Insbesondere fällt nunmehr der Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, in welchem die nötigen Verrichtungen nicht an, sondern für die Person zu erbringen sind, in den Leistungsbereich der Hilfe zur Pflege. Denn nach §61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII gehören zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Sinne des §61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII

4. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen.

Mit anderen Worten: Sofern ein Antragsteller zu diesen Verrichtungen nicht bzw. nicht ausreichend in der Lage ist, kann er als pflegebedürftig im Sinne des §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII angesehen werden. Denn die Einschränkungen im SGB XI, wie sie beispielsweise in §15 SGB XI enthalten sind, gelten naturgemäß insoweit nicht, insbesondere nicht für die Zeitrelationen bei der hier maßgeblichen einfachen Pflegebedürftigkeit - Pflegestufe 0 - nach §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (vgl. Krahmer, a.a.O., §61 Rdnr. 26 a). Eine Ausnahme soll in den Fällen gelten, in denen kein messbarer Grundpflegeaufwand festgestellt wird (vgl. Krahmer, a.a.O.). In diesen Fallgestaltungen soll geprüft werden, ob eine eigenständige große - §70 SGB XII - oder eine kleine Haushaltshilfe - §§27 Abs. 3, bzw. 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII - angebracht sei.

Ob dieser Einschränkung zuzustimmen ist, kann hier offen bleiben, weil ein messbarer Grundpflegeaufwand durch das Gutachten festgestellt worden ist, nämlich ein Zeitaufwand für Grundpflege im Umfang von 20 Minuten pro Tag. Für die Pflegestufe 0 kann gerade nicht verlangt werden, dass das zeitliche Verhältnis zwischen Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung dem Verhältnis in §15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI entspricht., die Grundpflege also einen höheren zeitlichen Aufwand umfassen muss als der Aufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung. Denn die Hilfe zur Pflege nach §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII begründet insoweit einen von der Pflegeversicherung "eigenständigen" Anspruchstatbestand, weil im Rahmen der Sozialhilfe die Pflegeleistung bedarfsdeckend zu erbringen ist."

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Zwar treffen jene Beschlussausführungen nicht vollständig auf die vorliegende Fallgestaltung zu. Denn hier liegt bislang ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen nicht vor. Es steht daher nicht fest, ob und in welchem Umfang Pflegeleistungen an der Person der Antragstellerin nötig sind, neben den unzweifelhaft vorliegenden Pflegeleistungen für die Person in Form der hauswirtschaftlichen Versorgung.

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Allerdings bietet die vorliegende Fallgestaltung Anlass, Pflegeleistungen nach §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zuzusprechen, auch wenn die Pflegebedürftigkeit allein darin besteht, Hilfen zur Haushaltsführung zu benötigen. Die insoweit in der sozialhilferechtlichen Literatur (vgl. jetzt auch Lachwitz in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, §61 SGB XII Rdnr 27) gemachten Einschränkungen vermögen nicht zu überzeugen. Danach sollen die Regelungen des §27 Abs. 3 oder 70 SGB XII greifen, wenn die Hilfeleistungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung eindeutig dominieren.

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Dies berücksichtigt nicht ausreichend, dass durch §61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII der Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung ausdrücklich den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen i.S. des §61 Abs. 1 zugerechnet wurde. Nach jener Vorschrift gehören im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung und das Beheizen zu den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen. Aus dem gesetzlichen Regelungszusammenhang ergibt sich weiterhin nicht, dass der Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung - also Hilfen für den Pflegebedürftigen - mit den in §61 Abs. 5 Nr. 1-3 SGB XII genannten Verrichtungen verknüpft sein muss, welche überwiegend Hilfeleistungen an der Person des Hilfebedürftigen enthalten. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus §61 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, wonach sich der Inhalt der Leistungen nach §61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestimmt nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in §28 Abs. 1 Nr. 1, 5-8 des SGB XI aufgeführten Leistungen. Denn diese Regelung, die eine Verknüpfung mit den Vorschriften des SGB XI herstellen will, bezieht sich ausdrücklich auf die in §61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII aufgeführten Pflegeleistungen. Im vorliegenden Fall ist dagegen die Hilfe zur Pflege nach §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Streit, also die Hilfe zur Pflege für einen Personenkreis, der von §61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht erfasst wird. Die Regelung des §61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII wird daher zutreffend als eigentlicher Grundtatbestand der Hilfe zur Pflege genannt, weil er alle Pflegefälle einschließt (vgl. Lachwitz, a.a.O. Rdnr 23), der damit auch die hauswirtschaftliche Versorgung mit einschließt.

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Im Übrigen spricht Überwiegendes dafür, dass der geltend gemachte Anspruch die Voraussetzungen des §70 Abs. 1 SGB XII erfüllt. Danach sollen Personen mit eigenem Haushalt Leistungen zur Weiterführung des Haushalts erhalten, wenn keine der Haushaltsangehörigen den Haushalt führen kann und die Weiterführung des Haushalts geboten ist. Die Leistungen sollen in der Regel nur vorübergehend erbracht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgeschoben werden kann. Die Unfähigkeit der Antragstellerin, den Haushalt allein zu führen, steht fest. Gerade bei alleinstehenden Personen besteht die Notwendigkeit, einen bestehenden Haushalt aufrecht zu erhalten. Geschähe dies hier nicht, bestünde die Gefahr, dass die Antragstellerin ihren Haushalt allein nicht weiterführen kann, so dass Aufnahme in ein Heim - also eine stationäre Unterbringung - droht (vgl. dazu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. September 2005 - L 20 B 9/05 SO ER -). Dort wird zutreffend ausgeführt, dass die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe sich nicht nur ergibt, wenn der Hilfesuchende etwa wegen Krankheit oder eines Krankenhaus- oder Kuraufenthaltes seinen Haushalt überhaupt nicht mehr versorgen kann, sondern auch dann, wenn er - wegen einer Behinderung - wesentliche Verrichtungen wie Einkaufen, Unterbringung der gekauften Lebensmittel, Reinigung der Wohnung, Wechseln der Bettwäsche, Treppenhaus- und Gehwegreinigung nicht selbst erledigen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, so dass eine Bewilligung der begehrten Leistung auch auf dieser Rechtsgrundlage in Betracht kommt.

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Die Leistungen der Hilfe zur Pflege und zur Weiterführung des Haushalts befinden sich im 7. bzw 9. Kapitel des SGB XII, so dass der Ausschlusstatbestand des §5 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht greift. Dieser erfasst Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII, also die Hilfe zum Lebensunterhalt.

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Ein Anordnungsgrund steht der Antragstellerin ebenfalls zur Seite, da eine einstweilige Anordnung bereits dann i.S. des §86 b Abs. 2 SGG nötig ist, wenn andernfalls ein menschenwürdiges Leben i.S. des §1 SGB XII nicht gewährleistet ist. Dies wäre hier der Fall, da die Antragstellerin die Leistungen zur Aufrechterhaltung ihrer hauswirtschaftlichen Versorgung dringend benötigt, sie andernfalls zu verwahrlosen droht. Ohne die streitigen Leistungen kann die Antragstellerin die hier nötige Haushaltshilfe auf Dauer nicht erhalten. Der Antragstellerin kann daher nicht zugemutet werden, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, wobei der Senat davon ausgeht, dass die Antragstellerin gegen den abschlägigen Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2005 Klage erheben wird. Denn anderenfalls würde die Abweisung bindend und der Beschluss ginge ins Leere.

18

Die Leistungen sind bis zum 30. Juni 2006 befristet worden, damit in dieser Zeit geklärt werden kann, ob die Antragstellerin womöglich Leistungen nach dem SGB XI in Anspruch nehmen kann. Der Senat macht insoweit von seiner Befugnis Gebrauch, den Inhalt der einstweiligen Anordnung nach seinem Ermessen zu bestimmen, §86 b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. §938 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

19

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §193 SGG. Da die Antragstellerin obsiegt, trägt die Antragsgegnerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten dieses Rechtsstreits.

20

Gerichtskosten werden in Verfahren dieser Art nicht erhoben.

21

Der Beschluss ist gemäß §177 SGG unanfechtbar.

Scheider
Wimmer
Valgolio