Landgericht Göttingen
Beschl. v. 21.09.2009, Az.: 10 T 64/09

Zulässigkeit einer Zwangsversteigerung aus einer zugrundeliegenden Vollstreckungsklausel eines Notars

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
21.09.2009
Aktenzeichen
10 T 64/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 37994
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2009:0921.10T64.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 18.06.2009 - AZ: 75 K 10/06
nachfolgend
BGH - 11.03.2010 - AZ: V ZA 17/09
BGH - 16.12.2010 - AZ: V ZA 17/09
BGH - 07.04.2011 - AZ: V ZA 17/09

In dem Zwangsversteigerungsverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch K.
auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 28.06.2009
gegen
den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 18.06.2009 - 75 K 10/06
am 21.09.2009
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 28.06.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 18.06.2009 - 75 K 10/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

  2. 2.

    Beschwerdewert: bis zu 37.000,00 Euro.

  3. 3.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 01.02.2006 hat das Amtsgericht auf Antrag der Gläubigerin die Zwangsversteigerung des o.g. Miteigentumsanteils des Schuldners angeordnet. Der Schuldner hat am 03.05.2009 beantragt, die Zwangsversteigerung aus der dem Verfahren zu Grunde liegenden Vollstreckungsklausel des Notars L. vom 29.11.1982 für unzulässig zu erklären. Zur Begründung hat er ausgeführt, bei der Grundschuld handele es sich um eine Sicherungsgrundschuld, die nicht vor Fälligkeit verwertet werden dürfe. Die Fälligkeit wiederum setze Verzug und Androhung mit Fristsetzung voraus. Auch stehe dem Sicherungsgeber ein durch Tilgung des gesicherten Darlehens sukzessiv entstehender Rückgewähranspruch gegen den Sicherungsnehmer zu. Bis zur Erfüllung dieses Rückgewähranspruchs habe der Sicherungsgeber die Einrede des nicht erfüllten Rückgewähranspruchs. Darüber hinaus habe hier das Vollstreckungsgericht vor Anordnung der Zwangsversteigerung weder die Höhe der Forderung noch deren Fälligkeit geprüft. Entgegen §16 Abs. 2 ZVG habe dem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung keine aktuelle Forderungsaufstellung beigelegen. Zins- und Tilgungsleistungen seien nicht berücksichtigt worden, ebenso wenig der dem Schuldner zustehende Rückgewähranspruch in Höhe von 267.000,00 Euro. Auch habe das Vollstreckungsgericht die Fälligkeit der Forderung prüfen müssen, insoweit könne nicht auf einen in der Urkunde enthaltenen formularmäßigen Verzicht abgestellt werden, da diese Regelung unwirksam sei.

2

Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 18.06.2009 zurückgewiesen und ausgeführt, dass die Einwendungen des Schuldners materiell rechtlicher Art seien. Diese Einwendungen seien nicht im Vollstreckungsverfahren zu prüfen, vielmehr müsse die Prüfung im Erkenntnisverfahren erfolgen.

3

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde, mit der er geltend macht, die Gläubigerin habe den Zwangsversteigerungsantrag gestellt, obwohl sie wegen des bestehenden Rückgewähranspruchs des Schuldners in Höhe von rund 267.000,00 Euro angesichts einer in Rede stehenden Restforderung von 12.000,00 Euro völlig übersichert gewesen sei. Deshalb sei die Sicherungsgrundschuld weder fällig noch verwertungsreif gewesen. Der Zwangsversteigerung habe von Anfang an die Einrede des nicht erfüllten Rückgewähranspruchs entgegen gestanden. Infolge dessen sei die Forderung der Gläubigerin nicht fällig gewesen. Die Gläubigerin habe im Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung wahrheitswidrig behauptet, dass ihr eine fällige Forderung in Höhe des ursprünglichen Nennbetrags der Sicherungsgrundschuld zugestanden habe. Gleichzeitig habe sie pflichtwidrig unterlassen mit dem Antrag die nach §16 Abs. 2 ZVG erforderliche aktuelle Forderungsaufstellung beizufügen, die sie im Übrigen bis heute nicht vorgelegt habe. Die Gläubigerin habe sich damit eines Prozessbetrugs, der Untreue und der Nötigung strafbar gemacht. Tatsächlich hätten deshalb von Anfang an die erforderlichen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorgelegen, ebenso wenig wie das erforderliche Rechtschutzbedürfnis. Das Versteigerungsgericht habe diese Voraussetzungen prüfen müssen.

4

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts zur Entscheidung vorgelegt.

5

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §793 ZPO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

6

Das Amtsgericht hat die Erinnerung des Schuldners zutreffend zurückgewiesen. Die Zwangsversteigerung ist nicht unzulässig. Die vom Schuldner erhobenen Einwendungen sind nicht Gegenstand der Erinnerung/sofortigen Beschwerde im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens, denn sie sind materiell rechtlicher Art und deshalb hier nicht zu prüfen.

7

Auf die Frage, ob dem Schuldner gegen die Gläubigerin ein Rückgewähranspruch zusteht und der Schuldner bis zur Erfüllung dieses Anspruchs sich auf die Einrede der mangelnden Fälligkeit berufen kann, kommt es nicht an. Zum einen hat bereits das OLG Braunschweig in dem Beschluss vom 29.01.2009 (8 U 82/07) das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts wegen der Nichterfüllung von Rückgewähransprüchen verneint. Darüber hinaus prüft das Vollstreckungsgericht bei einer nicht akzessorischen Forderung aus einer Grundschulschuld nicht, ob Teilzahlungen des Schuldners vollständig und richtig verrechnet worden sind. Demzufolge kann auch eine Gesamtabrechnung der Gläubigerforderung bzw. die Darstellung aller Ratenzahlungen nicht verlangt werden (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl. §16 Rn. 3.4).

8

Der Schuldner kann sich auch nicht darauf berufen, dass entgegen §16 Abs. 2 ZVG dem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung keine aktuelle Forderungsaufstellung beigefügt gewesen sei und demzufolge Zins- und Tilgungsleistungen keine Berücksichtigung gefunden hätten. Die Gläubigerin musste dem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung eine derartige Aufstellung über die aktuelle Forderungshöhe nicht beifügen. Die Gläubigerin vollstreckt aus einer Grundschuld, die nicht akzessorisch ist, so dass das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung ohne Vorlage einer Forderungsaufstellung anordnen durfte.

9

Die übrigen zur Anordnung der Zwangsversteigerung erforderlichen Urkunden lagen vor, denn die Gläubigerin hat die notarielle Urkunde vorgelegt. Durch Erteilung der Vollstreckungsklausel wurde dem Vollstreckungsgericht die Fälligkeit der Forderung bindend bescheinigt. Ob die Vollstreckungsklausel zu Recht erteilt worden ist, darf das Vollstreckungsgericht nicht prüfen. Wenn der Schuldner demgegenüber die Fälligkeit bestreitet, handelt es sich um eine materiell rechtliche Einwendung, die im Wege der Klage nach §767 ZPO geltend zu machen ist.

10

Dasselbe gilt auch in Bezug auf die Frage, ob die Gläubigerin strafbare Handlungen, insbesondere Prozessbetrug oder Untreue begangen hat. Auch dies ist nicht vom Vollstreckungsgericht zu prüfen (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl. Einl. 48.6).

11

Entgegen der Auffassung des Schuldners bestand für die Gläubigerin auch ein Rechtschutzbedürfnis für den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung. Die Gläubigerin vollstreckt in ein Grundstück, auf das sich die Grundschuldbestellung bezieht. Ob insoweit eine Übersicherung der Gläubigerin vorliegt, ist vom Vollstreckungsgericht ebenfalls nicht zu prüfen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vorbringen des Schuldners auch kein hinreichend substantiierter Tatsachenvortrag, aus dem sich eine Übersicherung der Gläubigerin ergibt.

12

Gemäß §574 war die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Trotz des Hinweises des Oberlandesgerichts Braunschweig in dem Beschluss vom 29.01.2009 (8 U 82/07), dass die Einwendung des Schuldners, dem Antrag auf Zwangsvollstreckung habe keine ausreichend spezifizierte Forderungsaufstellung beigelegen, im Rahmen der Erinnerung oder der sofortigen Beschwerde nach §95 ZVG zu prüfen sei, geht die Kammer - wie oben ausgeführt - davon aus, dass bei einer Vollstreckung aus einer Grundschuld das Vollstreckungsgericht die Forderungshöhe nicht zu prüfen hat, demzufolge der Gläubiger auch eine aktuelle Forderungsaufstellung dem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung nicht beizufügen braucht.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf §97 Abs. 1 ZPO.

14

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach §3 ZPO festgesetzt.