Landgericht Göttingen
Beschl. v. 26.10.2009, Az.: 10 T 86/09
Zuweisung der Vermögensteile des Schuldners durch die Nachtragsverteilung in die Insolvenzmasse bei Nichteingehen in die Schlussverteilung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen; Zugehörigkeit von Pflichtteilsansprüchen des Schuldners zur Masse bei Rechtshängigkeit oder Anerkennung bei Verfahrenseröffnung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 26.10.2009
- Aktenzeichen
- 10 T 86/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 37740
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2009:1026.10T86.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osterode am Harz - 03.09.2009 - AZ: 8 IN 56/05
Rechtsgrundlagen
- § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO
- § 852 ZPO analog
Fundstellen
- FamRZ 2010, 1370-1371
- NJW-Spezial 2010, 7-8
- NZI 2009, 896-897
- ZEV 2010, 99-100
In dem Verbraucherinsolvenzverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht D als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 25.09.2009
gegen
den Beschluss des Amtsgerichts Osterode am Harz vom 03.09.2009 - 8 IN 56/05 -
am 26.10.2009
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert. Die angeordnete Nachtragsverteilung hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche der Schuldnerin nach ihrem im Jahr 2001 verstorbenen Vater wird aufgehoben.
Gründe
Mit Beschluss vom 30.06.2005 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Steuerberater C in Ca zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Verfahren ist mit Beschluss vom 30.11.2005 aufgehoben worden. Der Schuldnerin ist die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt worden, die Wohlverhaltensperiode endet am 30.06.2011.
Mitte des Jahres 2009 teilte die Schuldnerin dem Treuhänder mit, dass sie im Rahmen eines Vergleichs mit ihrer Stiefmutter einen Pflichtteil nach ihrem im Jahre 2001 verstorbenen Vater in Höhe von 6.328,05 Euro am 10.06.2009 erhalten habe. Der Treuhänder forderte die Schuldnerin auf, den Betrag an die Masse auszukehren. Nachdem die Schuldnerin der Aufforderung des Insolvenzverwalters nicht nachgekommen war, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 03.09.2009 gemäß §203 InsO die Nachtragsverteilung bezüglich der Pflichtteilsansprüche der Schuldnerin nach ihrem im Jahr 2001 verstorbenen Vater angeordnet und der Schuldnerin verboten über diese Ansprüche zu verfügen. Die Schuldnerin hat einen Betrag von 3.164,02 Euro an den Treuhänder gezahlt, im Übrigen wendet sie sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts mit der sofortigen Beschwerde. Sie trägt vor, sie habe erst im Jahr 2006 positiv vom Tod ihres Vaters im Jahr 2001 erfahren, da sie keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt habe. Sie meint, zur Masse könnten nur 50 % des Pflichtteils gezogen werden.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§6 Abs. 1, 204 Abs. 2 Satz 2 InsO zulässig, sie auch begründet. Das Amtsgericht durfte die Nachtragsverteilung bezüglich des von der Schuldnerin auf Grund ihres im Jahr 2001 verstorbenen Vaters erlangten Pflichtteils nicht anordnen. Die Voraussetzungen des §203 Abs. 1 Nr. 3 InsO liegen nicht vor. Durch die Nachtragsverteilung nach §203 InsO sollen den Gläubigern Vermögensteile des Schuldners, die der Insolvenzmasse zuzuordnen sind, aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen in die Schlussverteilung nicht eingehen konnten, zugewiesen werden (Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/Kießner, §203 RdNr. 1). Das Gericht ordnet die Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schusstermin Gegenstände ermittelt werden, die zur Insolvenzmasse gehören. Dabei gehört zur Insolvenzmasse nur das Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt hat (§35 InsO). Pflichtteilsansprüche des Schuldners gehören nur dann zur Masse, wenn sie bei Verfahrenseröffnung anerkannt oder rechtshängig waren. Dies folgt aus einer Analogie §852 ZPO. Zwar entsteht der Pflichtteil mit dem Erbfall (§2317 BGB), er wird aber nur dann Bestandteil der Insolvenzmasse, wenn er pfändbar ist. Die Pfändbarkeit entsteht erst dann, wenn der Pflichtteilsanspruch anerkannt oder rechtshängig ist (Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung/Schumann, §83 RdNr. 13; Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/App, 5. Aufl., §83 RdNr. 11; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., §83 RdNr. 10). Daraus folgt, dass der Pflichtteilsanspruch der Schuldnerin hier nicht zur Insolvenzmasse gehörte, mithin auch nicht der Nachtragsverteilung nach §203 InsO unterlag. Zwar ist der Pflichtteilsanspruch der Schuldnerin mit dem Tod ihres Vaters im Jahr 2001 entstanden, im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahren am 30.06.2005 bis zur Beendigung des Verfahrens am 30.11.2005 war der Pflichtteilsanspruch jedoch weder anerkannt noch rechtshängig. Er war damit nicht pfändbar und zählt deshalb auch nicht zur Insolvenzmasse. Die Schuldnerin hat den Pflichtteilsanspruch erst im Jahr 2006, mithin nach Beendigung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht. Die mit Beschluss vom 03.09.2009 angeordnete Nachtragsverteilung ist deshalb aufzuheben.
Klarstellend weist das Gericht darauf hin, dass von dieser Entscheidung die Obliegenheiten der Schuldnerin nach §295 Abs. 1 Nr. 2 InsO unberührt bleiben.