Landgericht Göttingen
Urt. v. 18.02.2009, Az.: 5 S 69/08
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 18.02.2009
- Aktenzeichen
- 5 S 69/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 42728
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2009:0218.5S69.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hann.Münden - 05.08.2008 - AZ: 3 C 156/08
- nachfolgend
- BGH - 25.09.2009 - AZ: V ZR 36/09
In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen auf die mündliche Verhandlung vom 11.02.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Hann. Münden vom 05.08.2008 - Aktenzeichen: 3 C 156/08 - wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Rahmen eines Wohnungsrechts der Klägerin um die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung von Zahlungen der Klägerin auf eine Betriebskostenabrechnung. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Hann. Münden vom 05.08.2008 - Aktenzeichen: 3 C 156/08.
Das Amtsgericht hat, abgesehen von einem vom Beklagten anerkannten Guthabensbetrag der Klägerin, die Klage mit der Begründung abgewiesen, § 556 Abs. 3 S. 3 BGB sei nicht analog auf das Verhältnis der Parteien aufgrund des für die Klägerin bestellten Wohnungsrechts anzuwenden.
Gegen dieses Urteil, das am 12.08.2008 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit einem am 26.08.2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese im gleichen Schriftsatz begründet.
Die Berufung stützt ihren Angriff gegen das erstinstanzliche Urteil insbesondere darauf, dass die Vorschrift § 556 Abs. 3 BGB auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Es läge beim Wohnungsrecht eine vergleichbare Interessenlage zum Wohnraummietrecht vor. Insbesondere solle § 556 Abs. 3 BGB nicht der größeren Flexibilität bei Wohnraummietverhältnissen dienen, es stehe vielmehr die Rechtssicherheit für das bestehende Mietrechtsverhältnis im Vordergrund. Dies lasse sich auf das Wohnungsrecht übertragen, zumal die Unterscheidung zwischen Miete und Wohnungsrecht schwer zu treffen sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hann. Münden 3 C 156/08 den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 633,98 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Formulierung des Übergabevertrags vom 15.11.1993, insbesondere die fehlende Bezugnahme auf mietrechtliche Vorschriften lasse erkennen, dass die Kostentragungspflicht gerade nicht mietvertraglichen Regelungen folgen solle.
II.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Hann. Münden vom 05.08.2008 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg und war als unbegründet zurückzuweisen.
1.
Die Klägerin dringt mit ihren Rechtsauffassungen nicht durch. Das Amtsgericht Hann. Münden hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht eine über den anerkannten Anspruch hinausgehende Forderung der Klägerin gegen den Beklagten verneint.
Zwar normiert § 556 Abs. 3 S. 3 BGB eine Ausschlussfrist von 12 Monaten für Nachforderungen von Betriebskosten. Auch liegen dessen Voraussetzungen vor, da die als formell mangelhaft anzusehende Abrechnung vom 21.11.2007 die Frist nicht unterbrochen hat. Dennoch ist § 556 Abs. 3 S. 3 BGB entgegen der Ansicht der Klägerin nicht analog auf das Wohnungsrecht i.S.d. § 1093 BGB anwendbar.
Eine Analogie ist die Übertragung der für einen oder mehrere bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand. Sie setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke für den vorliegenden Fall aufweist (BGH NJW 2007, 993; Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., 2008, Einl. vor § 1, Rn. 48) und dieser unter teleologischen Gesichtspunkten als wesensgleich mit dem geregelten Tatbestand anzusehen ist (Staudinger- Coing, BGB, 13. Aufl., 1995, Einl., Rn. 157).
a)
Wie das Amtsgericht Hann. Münden ausführt, auf dessen zutreffende Ausführungen Bezug genommen wird, liegt schon keine planwidrige Regelungslücke im Gesetz vor. Zwar fehlt eine § 556 Abs. 3 S. 3 BGB entsprechende Regelung im Wohnungsrecht. Dieses gesetzgeberische Schweigen kann aber nicht als planwidrig angesehen werden.
§ 556 BGB gilt ausweislich seiner Stellung im Gesetz nur für Wohnraummietverhältnisse. Das Amtsgericht weist insoweit korrekt darauf hin, dass sich der Gesetzgeber gegen eine Erweiterung der Anwendbarkeit der Vorschrift auf andere Mietverhältnisse entschieden hat. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Vorschrift erst durch das Mietrechtsreformgesetz eingefügt wurde, wobei gleichzeitig die Systematik der Verweisungen bei Gewerbe- und Wohnraummiete neu geregelt wurde. Diese eindeutige Zuordnung lässt nicht nur erkennen, dass eine analoge Anwendung des § 556 BGB auf Gewerberaummietverhältnisse nicht in Betracht kommt. Sie lässt auch erkennen, dass § 556 BGB nicht auf alle Rechtsverhältnisse mit dem Bedürfnis einer Betriebskostenabrechnung angewendet werden soll.
Weiter spricht folgendes Argument im Hinblick auf das Wohnungsrecht gegen eine planwidrige Regelungslücke. Auch in § 1093 BGB finden sich explizite Verweise auf hier anwendbare, grundsätzlich für den Nießbrauch geltende Vorschriften. Hieraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich an die entsprechende Anwendung von Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten auf das Wohnungsrecht gedacht hat, eine Verweisung auf wohnungsmietrechtliche Normen aber nicht aufgenommen hat.
b)
Wie das Amtsgericht weiter zutreffend ausführt, wäre selbst bei Annahme einer Regelungslücke eine analoge Anwendung des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB zu verneinen. Insoweit besteht zwischen dem Wohnraummietrecht und dem Wohnungsrecht keine vergleichbare Interessenlage.
Zwar dienen beide Rechtsverhältnisse der Begründung und Sicherung von Wohnraum. Während bei der Wohnraummiete aber lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung eingegangen wird, wird bei einem Wohnrecht das Grundstück dinglich belastet (Staudinger- Ring, BGB, 13. Aufl., 1994, § 1093, Rn. 3). Dies ist mit einer unvergleichbar erhöhten Sicherheit des Wohnungsberechtigten verbunden. Daneben ist die Nutzung des Grundstücks beim Wohnrecht, also das Wohnen unter Ausschluss des Eigentümers, grundsätzlich unentgeltlich (BayObLG RPfleger 1980, 385; Staudinger - Ring, § 1093, Rn. 10) und auf längere Dauer angelegt.
§ 556 Abs. 3 S. 3 BGB ist wegen seiner Abweichung zu den allgemeinen Verjährungsregeln eine Ausnahmevorschrift. Er beinhaltet eine Ausschlussfrist von 12 Monaten, die kürzer ist als die allgemeine Verjährung nach § 195 BGB und - weitergehend als diese - nicht zu einer Einrede sondern zum Untergang des Rechts führt (Schmidt-Futterer - Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., 2007, § 556, Rn. 462). Eine Ausnahmevorschrift ist grundsätzlich nur unter erhöhten Anforderungen analogiefähig. So muss die teleologische Vergleichbarkeit gerade in dem engeren Zweck der Ausnahmevorschrift liegen (BGH NJW 2000, 3783, 3784; Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl., 2004, § 4, Rn. 80). Dies ist hier nicht der Fall.
Sinn und Zweck des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB ist vor allem, eine erhöhte Rechtssicherheit zu gewährleisten. Bei einem Wohnraummietverhältnis soll nach Ablauf eines Jahres nach Ende des einjährigen Abrechnungszeitraums Klarheit über die Nebenkosten bestehen (BT-Drucks. 14/4553, S. 37; Bamberger/Roth - Ehlert, BGB, 2. Aufl., 2007, § 556, Rn. 1). Dieser Zweck trägt - wie das Amtsgericht zutreffend ausführt - der zunehmenden Flexibilität im Mietrecht Rechnung.
Ein Bedürfnis nach Rechtssicherheit besteht zwar im Wohnungsrecht wie in jedem anderen Rechtsverhältnis auch. Anders als bei der Wohnraummiete sind hier aber die allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 194 ff. BGB ausreichend. Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit ist beim Wohnungsrecht nicht derart erhöht, dass es der strengen Vorschrift des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB bedarf. Das Wohnungsrecht ist - auch aufgrund der dinglichen Natur und der daraus folgenden Eintragung im Grundbuch - grundsätzlich auf viel längere Dauer angelegt als ein Wohnraummietverhältnis. Es besteht daher auch keine übermäßige Dringlichkeit, Ansprüche aus Nebenkostenabrechnungen möglichst schnell zu klären.
Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass es auch Mietverhältnisse über Wohnraum gibt, die auf lange Dauer angelegt sind. Denn die Regelung des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB soll vornehmlich bei kurzen Mietverhältnissen Probleme bei der Nebenkostenabrechnung vermeiden. Gerade bei diesen kurzen Mietverhältnissen sind die Parteien an einer schnellen Abwicklung interessiert, damit sie nicht über Jahre hinweg mit Abrechnungen aus vergangenen Vertragsverhältnissen belastet werden.
Darüber hinaus ist es auch Sinn und Zweck des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB, dass der Vermieter gezwungen wird, sich verlässliche Grundlagen über etwaige Korrekturen zugunsten des Mieters zu verschaffen, da er diese durch die Nettomiete ausgleichen muss (Schmidt-Futterer - Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl., 2007, § 556, Rn. 5). Beim Wohnungsrecht gibt es eine solche Nettomiete jedoch nicht. Hier findet die Verteilung der Nebenkosten lediglich zwischen Eigentümer und Berechtigtem statt. Ein erhöhtes Rechtssicherheitsbedürfnis des Wohnungsberechtigten ergibt sich daher nicht.
Letztendlich besteht beim Wohnungsrecht auch kein vergleichbarer sozialer Schutzbedarf wie beim Mietrecht. Ein Wohnungsrecht wird normalerweise nicht mit einem unbekannten Vertragspartner geschlossen, wie es beim Mietvertrag die Regel ist.
2.
Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO. Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegt § 708 Nr. 10 ZPO zugrunde.
3.
Die Revision war gem. § 543 Abs. 2, Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob § 556 Abs. 3, S. 3 BGB auch auf das Wohnungsrecht nach § 1093 BGB angewendet werden muss, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Auch berührt sie das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann.