Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.11.2008, Az.: 8 C 713/08

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
07.11.2008
Aktenzeichen
8 C 713/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 45329
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2008:1107.8C713.08.0A

Tenor:

  1. I.

    Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes werden abgelehnt.

  2. II.

    Die Antragsteller/innen tragen die Kosten des jeweiligen Verfahrens.

  3. III.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird für jedes Verfahren auf 5000,- € festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin zu 4. begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Antragsgegnerin zum Wintersemester 2008/09 auf einem Vollstudienplatz im 2., hilfsweise im 1. klinischen Fachsemester. Die übrigen Antragstellerinnen und Antragsteller (im Weiteren: Antragsteller) begehren im Wege der einstweiligen Anordnung ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Antragsgegnerin zum Wintersemester 2008/09 auf einem Vollstudienplatz im 1. klinischen Fachsemester. Der Antragsteller zu 1. begehrt darüber hinaus hilfsweise die Zulassung zum Studium im 4. bis 1. vorklinischen Semester. Zur Begründung ihrer Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerin schöpfe ihre Aufnahmekapazität nicht aus und sei in der Lage, über die (durch Verordnung) festgesetzte Zahl von zu vergebenden Studienplätzen hinaus weitere Studienbewerber aufzunehmen. Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Antragsbegründungen verwiesen. Die Antragsgegnerin beantragt die Ablehnung der Anträge. Unter Vorlage von Kapazitätsberechnungsunterlagen trägt sie vor, sie habe ihre Ausbildungskapazität bezüglich der Vollstudienplätze ausgeschöpft.

2

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Generalakten Humanmedizin Wintersemester 2008/09 Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Grundlage dieses Beschlusses gewesen.

3

II.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben keinen Erfolg.

4

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die besondere Dringlichkeit (Anordnungsgrund) einer solchen Entscheidung sowie ein Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgenutzter Aufnahmekapazität (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

5

Die Zahl der bei der Antragsgegnerin im 5. und in höheren Semestern des Studiengangs Humanmedizin zu vergebenden Studienplätze ist vom Nds. Ministerium für Wissenschaft und Kultur für das Wintersemester 2008/09 auf jeweils 126 Studienplätze festgesetzt worden (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anl. 1, Abschn. II B, Universität D., der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2008/2009 und zum Sommersemester 2009 vom 26.06.2008, Nds. GVBl.S. 223 ff. - ZZ-VO 2008/2009 -).

6

Diese normative Festlegung ist rechtswidrig und daher unbeachtlich, weil sie gegen rechtskräftige Entscheidungen des Nds. OVG verstößt. Die Studienkohorte, welche im laufenden Wintersemester 2008/09 bei planmäßigem Studienverlauf die vier vorklinischen Semester absolviert hat und damit in das erste klinische Semester eingetreten ist, hat das Studium zwei Jahre zuvor mit dem Wintersemester 2006/07 aufgenommen. Für sie hat das Nds. OVG durch Beschluss vom 21.12.2007 - 2 NB 303/07  u.a. - (S. 19) die Rechtsprechung der Kammer (Beschluss vom 15.01.2007 - 8 C 704/06  u.a. -, S. 31) bestätigt, dass 163 (rechnerisch: 163,0434) Vollstudienplätze vom 1. bis zum letzten Fachsemester einschließlich einer vorklinischen Schwundquote von 20 % (Jahreskapazität 271,7390: 2 Semester = 135,8695 + 20 % [27,1739] = 163,0434) zu vergeben sind. Abzüglich der mit Ablauf des 4. Semesters verbrauchten Schwundquote stehen für das nunmehr beginnende 1. klinische Fachsemester an der Antragsgegnerin demzufolge 135,8695, gerundet 136, Vollstudienplätze zur Verfügung. Nach Auskunft der Antragsgegnerin vom 05.11.2008 hat sie für das 1. klinische Fachsemester derzeit 170 Studierende immatrikuliert, so dass ihre Kapazität um 34 Studierende übererfüllt ist und kein weiterer Studienplatz zur Verfügung steht.

7

Die Studienkohorte, welche im laufenden Wintersemester 2008/09 bei planmäßigem Studienverlauf in das zweite klinische Semester eingetreten ist, hat das Studium zweieinhalb Jahre zuvor mit dem Sommersemester 2006 aufgenommen. Für sie hat das Nds. OVG durch Beschluss vom 24.09.2007 - 2 NB 1048/06  u.a. - (S. 21) die Rechtsprechung der Kammer (Beschluss vom 15.06.2006 - 8 C 1/06  u.a. -, S. 25f) bestätigt, dass 172 (Jahreskapazität 287,6259 zuzüglich 20 % Schwundausgleich für die Vorklinik = 57,5251, insgesamt 345,1510, gerundet 345, davon 173 Plätze für das Wintersemester 2005/06 und 172 Plätze für das Sommersemester 2006) Vollstudienplätze vom 1. bis zum letzten Fachsemester zu vergeben sind. Abzüglich der mit Ablauf des 4. Semesters verbrauchten Schwundquote stehen für das nunmehr beginnende 2. klinische Fachsemester an der Antragsgegnerin demzufolge (287,6259: 2 - 0,5 = 143,3129, gerundet) 143 Vollstudienplätze zur Verfügung. Nach Auskunft der Antragsgegnerin vom 05.11.2008 hat sie für das 2. klinische Fachsemester derzeit 169 Studierende immatrikuliert, so dass ihre Kapazität um 26 Studierende übererfüllt ist, kein weiterer Studienplatz zur Verfügung steht und es somit auf die geäußerten Zweifel an der Zulässigkeit des außerkapazitären Antrags der Antragstellerin zu 4. bei der Antragsgegnerin nicht mehr ankommt.

8

Soweit der Antragsteller zu 1. hilfsweise eine außerkapazitäre Zulassung in das 1. bis 4. vorklinische Semester erstrebt, ist dieser Antrag ebenfalls abzulehnen. Für Studierende, die bereits den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung absolviert haben, besteht kein Rechtsschutzinteresse dahingehend, nochmals in ein niedrigeres Fachsemester eines Studienabschnitts eingestuft zu werden, dessen Wissensstoff sie bereits kennen und dessen Scheine und Prüfungen sie bereits absolviert haben (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 07.05.2008 - 8 C 39/08  u.a. -; VG Sigmaringen, Beschluss vom 31.03.2008 - NC 6 K 318/08 -, juris; ebenso VG Ansbach, Beschluss vom 22.03.2006 - AN 2 E 05.10669 -). Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Studienbewerber auf seinen Anrechnungsstatus zulassungsrechtlich verzichten kann, um seine Zulassung zu erreichen; in der Bewerbung für ein niedrigeres Fachsemester kann demgemäß ein - zumindest teilweiser - Verzicht auf einen bereits erworbenen Zulassungs- und Ausbildungsstatus liegen, sodass die Frage, in welches Fachsemester der Studienbewerber aufzunehmen ist, grundsätzlich allein von seinem Antrag abhängt (vgl. VG Sigmaringen, aaO., m.w.N.). Dies kann jedoch bei einem außerkapazitären Streit jedenfalls dann nicht gelten, wenn das Studium sowohl ausbildungs- (§ 1 Abs. 3 ÄAppO) als auch kapazitätsrechtlich (§§ 7 Abs. 3, 18 KapVO VII) in getrennte Studienabschnitte aufgeteilt ist, die von unterschiedlichen Lehreinheiten angeboten werden, wenn der Studienbewerber nochmals in den bereits vollständig und erfolgreich absolvierten Studienabschnitt zurückgestuft werden möchte und wenn zudem - wie hier - für die klinischen Fachsemester niedrigere Zulassungszahlen bzw. Auffüllgrenzen festgesetzt sind als für die vorklinischen Fachsemester. Im Übrigen könnte der Antragsteller zu 1. über den "Umweg" der späteren ausbildungsrechtlichen Höherstufung durch eine zunächst erfolgende Zulassung in ein vorklinisches Semester die im Grunde begehrte spätere Zulassung für die Klinik ohnehin nicht erreichen, weil die erreichbare einstweilige Anordnung allenfalls bis zum Abschluss der Vorklinik reicht.

9

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der ständigen Rechtsprechung der niedersächsischen Verwaltungsgerichte (u.a. Nds. OVG, Beschluss vom 3.5.2005 - 10 OA 217/05 -).