Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 11.11.2008, Az.: 2 A 37/07

Antragsbefugnis; Ausschluss; Grundsicherung; Kosten der Unterkunft; Miete; Mietkosten; Nichtgeltendmachung; Teilverzicht; Transferleistungen; Unterkunftskosten; Verzicht; Wohn-und Wirtschaftsgemeinschaft; Wohngeld

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
11.11.2008
Aktenzeichen
2 A 37/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55117
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger beantragte am 31. Januar 2007 bei dem Beklagten die Bewilligung von Wohngeld. Er legte einen Untermietvertrag vom 1. Januar 2007 zwischen ihm und seinen Eltern vor, wonach er für ein ab Januar 2007 gemietetes, 18,5 Quadratmeter großes Zimmer in der von seinen Eltern angemieteten Wohnung eine monatliche Miete von 100,00 Euro zu zahlen hat. Diese setzt sich aus einer Kaltmiete von 68,40 Euro, Nebenkosten i.H.v. 17,60 Euro sowie Strom- und Heizungskosten i.H.v. 14,00 Euro zusammen. Küche und Sanitäreinrichtungen nutzt der Kläger mit seinen Eltern gemeinsam. An Einkommen erzielte der Kläger 67,00 Euro Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben sowie 154,00 Euro Kindergeld. Bereits am 21. Dezember 2006 hatte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII gestellt. Unterkunftskosten machte er hier erstmals in Form anteilig zu übernehmender Heizkosten im Oktober 2008 geltend. Seit Stellung des Grundantrages vom 21. Dezember 2006 gab der Kläger gegenüber dem für die Grundsicherungsleistungen zuständigen Fachbereichs Soziales des Beklagten zwar an, zur Untermiete zu wohnen, machte aber keinerlei Angaben zu Mietzahlungen und legte auch den Untermietvertrag dort niemals vor. Mit Bescheid vom 18. Juni 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger SGB XII-Leistungen ab Dezember 2006 bis 31. März 2008; auch aktuell erhält der Kläger derartige Leistungen, zuletzt aufgrund eines Bescheides vom 20. Oktober 2008, mit dem ab Oktober 2008 monatlich 32,39 Euro für Heizkosten bewilligt werden.

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Mit Bescheid vom 1. Februar 2007 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Wohngeld unter Hinweis auf die seinerzeit beantragten, später rückwirkend auch bewilligten, Leistungen nach dem SGB XII ab.

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Hiergegen hat der Kläger am 28. Februar 2002 mit der Begründung Klage erhoben, er habe nie SGB XII-Leistungen erhalten.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 1. Februar 2007 zu verpflichten, dem Kläger Wohngeldleistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

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Der Beklagte beantragt, dem klägerischen Vorbringen in der Sache entgegentretend,

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die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die das Gericht entscheiden darf, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war, weil er ordnungsgemäß und rechtzeitig geladen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig aber unbegründet.

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Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung von Wohngeldzahlungen durch den Beklagten nicht, so dass der angegriffene Bescheid vom 1. Februar 2007 rechtlich nicht zu beanstanden ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Ein solcher Anspruch ist dem Grunde nach durch § 1 Abs. 2 Nr. 3 Wohngeldgesetz -WoGG- ausgeschlossen. Danach sind u.a. Empfänger von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch, wie sie der Kläger bezieht, von Wohngeld nach dem WoGG ausgeschlossen, wenn bei deren Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind. Diese Regelung dient der klaren Trennung der für die Unterkunftskosten bestehenden sozialen Sicherungssysteme, wie sie seit dem 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) eingeführt ist. Allerdings sind Kosten der Unterkunft tatsächlich, soweit ersichtlich, erst ab Oktober 2008 mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 bei der Bemessung der SGB XII-Leistungen berücksichtigt. Indes spielt der Umstand, dass in der Vergangenheit, d.h. ab Dezember 2006 solche Leistungen offenbar nicht erbracht worden sind, für den Ausschluss nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 WoGG keine Rolle. Das gesetzgeberische Ziel des § 1 Abs. 2 WoGG war die klare Trennung der Systeme. Bezieht ein Leistungsempfänger Transferleistungen, wie hier der Kläger nach dem SGB XII, soll grundsätzlich innerhalb dieses Systems auch über die Kosten der Unterkunft entschieden werden und ist der wohngeldrechtliche Anspruch grundsätzlich ausgeschlossen. Sind, wie hier, derartige Leistungen nicht gewährt worden, kommt es dennoch zu einem wohngeldrechtlichen Anspruchsausschluss dann, wenn der Leistungsberechtigte auf die Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft im Rahmen des Transferleistungssystems verzichtet hat. Dies ergibt sich durch Auslegung des § 1 Abs. 5 WoGG. Danach kann der Leistungsberechtigte zwischen den Leistungssystemen SGB XII und WoGG wählen. Er kann aber nicht auf eine Teilleistung, nämlich die Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft bei der Bewilligung von SGB XII-Leistungen verzichten und diese gegenüber der Wohngeldbehörde geltend machen (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 1 Rn.34, 48 a). Folglich ist er gehalten, einen etwaigen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Unterkunft im Rahmen der Bewilligung von SGB XII-Leistungen durchzusetzen. Ein Wahlrecht zwischen der Berücksichtigung als SGB XII-Leistung oder als Wohngeldleistung besteht nicht. Etwas anderes gilt nur, wenn die Bescheide der SGB II- oder XII-Stellen gegen die Unteilbarkeit der Entscheidung über die Grundsicherung verstoßen. Dann sind sie für die Wohngeldstelle insoweit bindend als Kosten der Unterkunft nicht berücksichtigt worden sind, so dass der Wohngeldanspruch nicht nach § 1 Abs. 2 WoGG ausgeschlossen ist (Stadler u.a., a.a.O. Rn. 48 a). Dadurch, dass der Kläger im Rahmen des Verfahrens nach dem SGB XII Kosten der Unterkunft nicht geltend gemacht hat, die er aber seinen Angaben im wohngeldrechtlichen Verfahren nach tatsächlich doch gehabt hat, hat er auf die SGB XII-Leistung für die Kosten der Unterkunft verzichtet. Dies ist der beschriebene Teilverzicht auf eine Transferleistung, die nicht zur Anwendbarkeit des Wohngeldrechts führt.

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Unabhängig davon und selbständig die Entscheidung tragend, hätte die Klage auch dann keinen Erfolg, wenn man davon ausginge, das Wohngeldgesetz fände hier Anwendung. Denn der Kläger ist nicht antragsberechtigter Mieter im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 WoGG. Er bezog neben den SGB XII Leistungen nur Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro monatlich und Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von monatlich 67,00 Euro. Er wird daneben von seinen Eltern unterhalten, erhält von diesen auch Verpflegung und nutzt mit ihnen Küche und Sanitäreinrichtungen gemeinsam. Für ein eigenes Antragsrecht genügt es indes nicht, dass für die Überlassung von Wohnraum ein Entgelt vereinbart ist, die sonstige Versorgung des Haushalts aber gemeinschaftlich geschieht. Denn hier wird der Haushalt insgesamt nicht belastet, da das gezahlte Entgelt dem Haushalt wieder zur Verfügung steht (Stadler u.a., a.a.O. § 3 Rn. 16). So liegt der Fall hier. Der Kläger bildet mit seinen Eltern einen wohngeldrechtlichen Haushalt im Sinne von § 4 Abs. 2 WoGG, da sie insgesamt eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führen. Sie nutzen Küche und Sanitäreinrichtungen gemeinsam und das Gericht geht davon aus, dass auch die Versorgung mit dem täglichen Lebensbedarf gemeinsam erfolgt. Das zwischen dem Kläger und seinen Eltern vereinbarte Mietentgelt bleibt daher in diesem Haushalt und belastet ihn finanziell nicht. Nur eine solche finanzielle Belastung rechtfertigt aber die wirtschaftliche Entlastung, die durch das Wohngeld herbeigeführt werden soll. Die Frage, ob der zwischen dem Kläger und seinen Eltern abgeschlossene Mietvertrag, seine zivilrechtliche Wirksamkeit unterstellt, wohngeldrechtlich anzuerkennen ist, oder ob es sich gemäß § 18 Nr. 6 WoGG um einen Fall des Rechtsmissbrauchs handelt, braucht in Anbetracht dessen nicht vertieft zu werden.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.