Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.05.2004, Az.: 6 A 231/04

Amtshaftung; Beschlagnahme; Bußgeldverfahren; Entschädigungsanspruch; gerichtliche Zuständigkeit; Verwaltungsrechtsweg; Verweisung; Wahlrecht

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
05.05.2004
Aktenzeichen
6 A 231/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50692
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Kommen im Fall der Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nach den für ein Schadensersatzbegehren in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (Amtshaftungsanspruch - Landgericht / Entschädigungsanspruch nach § 110 OWiG - Amtsgericht) mehrere Gerichte in Betracht, an die das Verfahren verwiesen werden könnte, ist an das vom Kläger bezeichnete Gericht zu verweisen (§§ 173 VwGO, 17a Abs. 2 Satz 2 GVG).

Tenor:

Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Göttingen verwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

I. Der beklagte Landkreis hatte gegen den Kläger mit Bußgeldbescheid vom 13. August 2002 wegen eines Rotlichtverstoßes eine Geldbuße (143,68 Euro) sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Nachdem der Kläger sich mit einem Einspruch vom 24. August 2002 gegen das gegen ihn verhängte Fahrverbot gewandt hatte, leitete der Beklagte den Vorgang der Staatsanwaltschaft Göttingen zur Entscheidung zu. Zu einem Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht Duderstadt kam es nicht mehr, weil der Kläger am 3. Dezember 2002 seinen Einspruch zurückgenommen hatte.

2

Auf seinen Antrag vom 29. Januar 2003 wurde dem Kläger im Hinblick auf seine Arbeitslosigkeit eine Ratenzahlung bewilligt. Mit Schreiben vom 20. März 2003 gab der Beklagte dem Kläger außerdem auf, bis zum 3. April 2003 dem verhängten Fahrverbot nachzukommen und den Führerschein in amtliche Verwahrung zu geben. Einem Antrag des Klägers vom 27. März 2003, den Zeitraum des Fahrverbots auf den Monat Dezember 2003 zu verlegen, wurde von der Bezirksregierung Braunschweig nicht entsprochen; mit Entscheidung vom 10. April 2003 wurde das als Gnadengesuch behandelte Begehren abgelehnt. Am 17. April 2003 ging der Führerschein des Klägers bei der Beklagten ein.

3

Auf ein weiteres Gnadengesuch des Klägers vom 17. April 2003, das dieser an das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr gerichtet hatte, hob die Bezirksregierung Braunschweig die ablehnende Gnadenentscheidung vom 10. April 2003 wieder auf und gewährte mit Entscheidung vom 7. Mai 2003 eine Verlegung des Beginns der Vollstreckung des Fahrverbots auf den 1. Dezember 2003. Mit Schreiben vom 9. Mai 2003 sandte der Beklagte dem Kläger daraufhin den Führerschein mit der Aufforderung zurück, das Ausweispapier ab dem 1. Dezember 2003 unter Anrechnung der Verwahrungsfrist (17. April bis 9. Mai 2003) erneut abzuliefern.

4

Als der Kläger im Dezember dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen war, erließ der Beklagte unter dem 8. Dezember 2003 eine Beschlagnahmeanordnung, die am 21. Dezember 2003 im Wege der Amtshilfe zu einer Beschlagnahme des Führerscheins durch die Polizeidienststelle Bischofswerda führte. Mit Schreiben vom 7. Januar 2004 wurde dem Kläger der Führerschein wieder zugeleitet, nachdem er von der Polizeidienststelle Bischofswerda an den Beklagten übersandt und dort am 29. Dezember 2003 eingegangen war.

5

Mit Schreiben vom 15. Januar 2004 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche wegen einer nicht zeitgerechten Herausgabe des Führerscheins geltend. Ein solches Schadensersatzbegehren, das der Kläger mit 143,68 Euro bezifferte, wies der Beklagte mit Bescheid vom 3. März 2004 als unbegründet zurück und verwies den Kläger mit einem weiteren Schreiben vom 25. März 2004 auf den Klageweg.

6

Am 22. April 2004 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Braunschweig Klage erhoben, mit der er von dem Beklagten Schadensersatz wegen einer nicht zeitgerechten Herausgabe des Führerscheins nach dem Ablauf der Frist für die Vollstreckung des Fahrverbots begehrt.

7

Auf den Hinweis des angerufenen Gerichts, dass das Verwaltungsgericht weder örtlich noch sachlich zuständig sei und nach der Art des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs entweder eine Verweisung an das Amtsgericht Göttingen oder an das Landgericht Göttingen in Betracht komme, hat sich der Kläger für eine Verweisung an das Amtsgericht Göttingen ausgesprochen. Der Beklagte hält dagegen eine Verweisung an das Landgericht Göttingen für geboten.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefter) verwiesen.

9

II. Für die Entscheidung über Schadensersatzansprüche ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht gegeben. Das angerufene Verwaltungsgericht verweist deshalb den Rechtsstreit gemäß den §§ 173 VwGO, 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Gericht. Als solches kommen - je nach den rechtlichen Grundlagen, aus denen der vermeintliche Ersatzanspruch hergeleitet wird - das Amtsgericht Göttingen (Entschädigung für Vermögensschäden durch eine Verfolgungs- oder Vollstreckungsmaßnahme im Bußgeldverfahren / §§ 110 Abs. 2, 62, 68 Abs. 1 OWiG i.V.m. Nr. 27 der Anlage zu § 3 Abs. 2 GerOrgG) und das Landgericht Göttingen (Amtshaftungsanspruch / §§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG i.V.m. § 2 Abs. 1 GerOrgG) in Betracht. Der Kläger hat sich nach Anhörung der Beteiligten für eine Verweisung an das Amtsgericht Göttingen ausgesprochen. Diesem Begehren ist gemäß § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG zu entsprechen.

10

Der gegenteiligen Auffassung des Beklagten folgt die Kammer nicht. Der Vollzug einer Beschlagnahme oder Sicherstellung im Bußgeldverfahren kann zu einem Entschädigungsanspruch führen, über den die zuständige Verwaltungsbehörde zu befinden hat, sofern nicht die Entscheidungskompetenz infolge eines Einspruchs auf die Staatsanwaltschaft oder das Amtsgericht übergegangen ist. Wurde der Einspruch verworfen oder - wie hier - zurückgenommen, verbleibt es bei der Zuständigkeit der Behörde (Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 110 Rn 23 m.w.N.). Diese hat in entsprechender Anwendung von Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen über den geltend gemachten Entschädigungsanspruch zu befinden. Ob in dem ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3. März 2004 eine solche Entscheidung zu sehen ist und ob dem Kläger ein derartiger Anspruch zusteht, wird zu gegebener Zeit das dazu berufene Gericht entscheiden.

11

Der Ausspruch hinsichtlich der Kosten beruht auf § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG.