Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 19.05.2004, Az.: 4 A 324/03

Einkommen; Kindergeld; Kindergeldberechtigter

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
19.05.2004
Aktenzeichen
4 A 324/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50438
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18.7.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.11.2003 verpflichtet, der Klägerin eine einmalige Beihilfe für Lernmittel in Höhe von 47,70 Euro zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine einmalige Beihilfe für Lernmittel.

2

Die am 19.9.1993 geborene Klägerin ist Schülerin. Sie lebt mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und dem Lebensgefährten der Mutter in einem gemeinsamen Haushalt. Die Mutter der Klägerin verfügt über ein in der Höhe schwankendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Kindergeld für ihre beiden Kinder, darüber hinaus erhält sie von der Beklagten unter Anrechnung des Kindergeldes beider Töchter Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe ihrer Sozialversicherungsbeiträge; ihren weiteren ungedeckten Bedarf trägt ihr Lebensgefährte, der aber nicht bereit ist, auch für den Unterhalt der Kinder aufzukommen.

3

Am 1.7.2003 beantragte die Klägerin die Gewährung einer einmaligen Beihilfe in Höhe von 47,70 Euro für Arbeitsmittel entsprechend der beigefügten Liste der Schule. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.7.2003 ab, weil die Klägerin über ausreichendes Einkommen verfüge - hierbei berücksichtigte die Beklagte das Kindergeld, das die Mutter der Klägerin erhält, als Einkommen der Klägerin. Den hiergegen rechtzeitig eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6.11.2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kindergeld nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei gleichzeitiger Bedürftigkeit von kindergeldberechtigtem Elternteil und Kind vorrangig auf den Bedarf des Kindes anzurechnen sei.

4

Die Klägerin hat am 11.11.2003 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und verfolgt damit ihr Begehren weiter.

5

Sie beantragt,

6

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.7.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.11.2003 zu verpflichten, ihr eine einmalige Beihilfe für Lernmittel in Höhe von 47,70 Euro zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und bezieht sich auf verschiedene Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, aus denen sich die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungen ergeben soll.

10

Die Beteiligten haben mit Erklärungen vom 11.2.2004 und 5.3.2004 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen; diese waren in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

12

Die Entscheidung ergeht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 6 VwGO durch die Einzelrichterin, der die Kammer mit Beschluss vom 11.3.2004 den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat.

13

Die zulässige Klage ist begründet.

14

Die Klägerin hat gemäß §§ 11, 12, 21 Abs. 1a Nr. 3 BSHG einen Anspruch auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe in Höhe von 47,70 Euro gegen die Beklagte. Die dem entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 18.7.2003 und 6.11.2003 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

15

Gemäß § 11 Abs. 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen oder Vermögen, beschaffen kann. Die Lernmittel, für die Klägerin die Gewährung einer einmaligen Beihilfe begehrt, gehören unstreitig zu dem nach §§ 11 Abs. 1 und 21 Abs. 1a Nr. 3 BSHG notwendigen Lebensunterhalt der Klägerin. Die Klägerin kann diesen Bedarf auch nicht aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen, denn sie verfügt nicht über ein hierfür ausreichendes Einkommen. Der Klägerin steht für ihren Lebensunterhalt lediglich der von ihrem Vater gezahlte Unterhalt in Höhe von monatlich 249,00 Euro zur Verfügung, das an ihre Mutter gezahlte Kindergeld wird von dieser für ihren eigenen Bedarf verbraucht. Der Verbrauch des Kindergeldes durch den Kindergeldberechtigten für seinen eigenen Bedarf ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Urteile vom 21.6.01, - 5 C 7/00 -; vom 25.11.93, - 5 C 8/90 -, BVerwGE 114, 339 f.; vom , - - , BVerwGE 94, 326 f.), des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (Urteile vom 7.3.2000, - 4 L 327/99 -, NDV-RD 2000, 56 f.; vom 23.6.99, - 4 M 2290/99 -; vom 19.4.99, - 4 M 5628/96 -; Beschluss vom 7.8.2003, - 12 ME 283/03 -) und des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Beschluss vom 2.6.03, - 4 B 139/03 -; Urteil vom 3.4.03, - 3 A 262/02 -) zulässig. Das Kindergeld ist auch bei gleichzeitiger Bedürftigkeit des Kindes und des Kindergeldberechtigten nicht vorrangig auf den Bedarf des Kindes anzurechnen. Das Kindergeld ist nur dann als Einkommen des Kindes zu berücksichtigen, wenn es für dessen Bedarf verwendet wird. Dem Einkommen der Klägerin in Höhe von 249,00 Euro steht ein unstreitiger monatlicher Bedarf in Höhe von 319,89 Euro gegenüber, der nicht vollständig befriedigt wird. Die Klägerin hat für ihren zusätzlichen Bedarf an Lernmitteln mithin kein ausreichendes Einkommen und benötigt die begehrte Beihilfe zur Befriedigung ihres Bedarfs.

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Die kostenrechtlichen Nebenentscheidungen ergeben sich aus einer Anwendung der Regelungen der §§ 154 Abs. 1, 167 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.