Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 13.05.2004, Az.: 2 B 213/04
Abschiebungsandrohung; Abschiebungshindernis; Asyl; aufschiebende Wirkung; Beanstandungsklage; Bundesbeauftragter; Feststellung; Klage; Suspensiveffekt
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 13.05.2004
- Aktenzeichen
- 2 B 213/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50981
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs 1 AuslG 1990
- § 53 AuslG 1990
- § 39 AsylVfG 1992
- § 75 AsylVfG 1992
- § 34 AsylVfG 1992
- § 38 AsylVfG 1992
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die gegen die negative Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG und einer daraufhin ergangenen Abschiebungsandrohung nach erfolgreicher Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten erhobenen Klage kommt aufschiebende Wirkung zu. § 39 AsylVfG ist nicht analog anwendbar.
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der vom Kläger am 26.04.2004 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.04.2004 aufschiebende Wirkung zukommt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid vom 18.01.2001 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller zwar nicht als Asylberechtigter anzuerkennen sei, dass ihm jedoch Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zustehe. Eine Abschiebungsandrohung enthielt der Bescheid nicht. Nach Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hob das erkennende Gericht mit Urteil vom 09.01.2004 die Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG auf. Mit Bescheid vom 14.04.2004 stellte die Antragsgegnerin sodann fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und forderte den Antragsteller unter Fristsetzung (1 Monat) und Abschiebungsandrohung in den Irak zur Ausreise aus dem Bundesgebiet auf. Die Antragsgegnerin wies u. a. darauf hin, dass einer gegen ihren Bescheid gerichteten Klage keine aufschiebende Wirkung zukomme, da § 39 AsylVfG entsprechende Anwendung finde.
Der Antragsteller hat am 26.04.2004 Klage erhoben und einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO begehrt. Er trägt vor, die analoge Anwendung des § 39 Abs. 1 AsylVfG sei unzulässig.
Er beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird zur Ergänzung auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zur beurteilende Antrag ist zulässig.
Zwar beantragt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, doch ist dieses Begehren in einen Antrag auf Feststellung, dass seiner Klage aufschiebende Wirkung zukommt, umzudeuten, da sein Antragsziel erkennbar darauf gerichtet ist, eine sofortige Vollziehung der Abschiebungsandrohung durch die begehrte gerichtliche Entscheidung zu verhindern (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 80 Rn. 130).
Der Antrag hat in der Sache auch Erfolg.
Die Klage vom 26.04.2004 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.04.2004 hat aufschiebende Wirkung.
Nach § 75 AsylVfG haben Klagen in asylverfahrensrechtlichen Streitigkeiten nur in den Fällen des § 38 Abs. 1 und 73 AsylVfG aufschiebende Wirkung. Vorliegend ist ein Fall des § 38 AsylVfG gegeben. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erlässt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) nach den §§ 50 und 51 Abs. 4 des Ausländergesetzes die Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Nach §§ 35, 36 Abs. 1 AsylVfG beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist in den Fällen der Unbeachtlichkeit des Asylantrages (§ 29 AsylVfG) und der offensichtlichen Unbegründetheit (§ 29a, 30 AsylVfG) eine Woche. Nach § 38 AsylVfG beträgt die Ausreisefrist in sonstigen Fällen, in denen das Bundesamt den Ausländer nicht als Asylberechtigten anerkennt, einen Monat. Die Abschiebungsandrohung hat auch zu ergehen, wenn das Bundesamt zwar die Anerkennung als Asylberechtigter ablehnt, aber die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG feststellt (§ 50 Abs. 3 AuslG). Nach § 34 Abs. 2 AsylVfG soll mit der Entscheidung über den Asylantrag auch die Abschiebungsandrohung verbunden werden. Nach der Gesetzeslage enthält der Bescheid des Bundesamtes mit dem über die Asylberechtigung bzw. Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1, 53 AuslG entschieden wird, auch eine Abschiebungsandrohung. Dies gilt auch, wenn das Bundesamt – wie vorliegend – nach § 31 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG von der Feststellung zu § 53 AuslG abgesehen hat, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt sind.
Vorliegend ist ein Fall der §§ 35, 36 AsylVfG nicht gegeben. Es handelt sich vielmehr um einen sonstigen Fall nach § 38 AsylVfG. Das erkennende Gericht ist mit dem VG Neustadt a.W. (Beschl. v. 05.02.2001 – 7 L 2938/00 -, InfAuslR 2001, 203, 204) der Auffassung, dass eine Anwendung der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 2 AsylVfG nicht deshalb unzulässig ist, weil die isolierte Abschiebungsandrohung eine Entscheidung zur Asylberechtigung nicht trifft (so aber VG Leipzig, Beschl. v. 13.01.2000 – 6 A 31146/99.A –, Juris). § 38 Abs. 1 AsylVfG setzt weder seinem Wortlaut noch nach seinem Zweck voraus, dass die Verfügung der Ausreisefrist in dem selben Bescheid erfolgt, in dem eine Entscheidung über den Asylantrag getroffen wird. Voraussetzung ist vielmehr, dass der Asylbewerber vom Bundesamt nicht als Asylberechtigter anerkannt wird sowie, dass der Asylantrag nicht als offensichtlich unbegründet oder unbeachtlich abgelehnt wurde.
Es bedarf daher nicht einer analogen Anwendung des § 39 Abs. 1 AsylVfG. Die analoge Anwendung des § 39 AsylVfG (VG Düsseldorf, Beschl. v. 23.07.2003 – 21 L 2528/03.A -; VG Leipzig, Beschl. v. 20.08.2002 – 4 A 30476/02.A. -; VG Wiesbaden, Beschl. v. 27.09.2001 – 6 G 1793/01.A -, alle zit. nach Juris) wird mit dem vielfach als unbillig empfundenen Ergebnis, dass im vorliegenden Fall der Klage aufschiebende Wirkung zukommt, während im Fall des Asylbewerbers, dessen zunächst vom Bundesamt zuerkannte Asylberechtigung vom Verwaltungsgericht aufgehoben wurde, eine solche aufschiebende Wirkung nicht besteht, gerechtfertigt. Im Wege eines Erst-Recht-Schlusses wird daher die analoge Anwendung des § 39 Abs. 1 AsylVfG bejaht. Diese „Schieflage“ verkennt auch das Gericht nicht. Dennoch ist für die analoge Anwendung des § 39 AsylVfG kein Raum. Wie bereits oben dargelegt fehlt es an einer Regelungslücke. Die §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylVfG sind ohne weiteres anwendbar. Das als unbillig empfundene Ergebnis ist nicht Resultat einer Regelungslücke, sondern des Absehens vom Erlass einer Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt. Dazu ist das Bundesamt jedoch nicht verpflichtet. Nur für diesen Fall könne von einer Regelungslücke ausgegangen werden. Aus den dargelegten Gründen folgt das Gericht auch nicht dem VG Aachen (Beschl. v. 26. Febr. 2003 – 4 L 166/03.A -, zit. nach Juris), das weder § 38 noch § 39 AsylVfG anwenden will.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.