Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 06.09.2006, Az.: 15 U 1/06

Bereicherungsanspruch des Inhabers eines Wertpapierdepots nach Verkauf von Wertpapieren und bei Verfügen über das auf das Wertpapierdepot bezogene Referenz-Girokonto durch eine andere Person; Rechtsgrundlosigkeit mangels Recht zur Vornahme von Verfügungshandlungen; Gemeinschaftlicher Rechtserwerb eines Wertpapierdepots als Voraussetzung für eine Bruchteilsgemeinschaft; Stillschweigende Bildung einer Bruchteilsgemeinschaft unter Ehegatten im Hinblick auf eine ein Kontoguthaben betreffende Forderung gegen eine Bank; Stillschweigender Abschluss eines auf die Errichtung einer Ehegatten-Innengesellschaft gerichteten Vertrages; Unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag durch Wertpapierverkauf gegen den Willen des Depotinhabers

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
06.09.2006
Aktenzeichen
15 U 1/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 35737
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:0906.15U1.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 25.01.2006 - AZ: 2 O 324/05

Fundstellen

  • FamRB 2007, 321-322 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • FamRZ 2007, 826-827 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2007, 479-480

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein geschiedener Ehepartner haftet aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB (sog. Eingriffskondiktion) und ist demgemäß dem berechtigten Ehepartner zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet, wenn er über das auf den Namen des berechtigten Ehepartners lautende Wertpapierdepot durch den Verkauf von Wertpapieren und das darauf bezogene Referenz-Girokonto durch Überweisung des Verkaufserlöses verfügt und dadurch auf dessen Kosten einen Betrag von 60.003,00 EUR ohne rechtlichen Grund erlangt. Rechtsgrundlos in diesem Sinne bedeutet allein, dass dem Handelnden im Verhältnis zum Berechtigten kein Recht zur Vornahme der Verfügungshandlungen zustand.

  2. 2.

    Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gegenüber dem Bereicherungsanspruch kommt bei einem Handeln eines geschiedenen Ehepartners nur in Betracht, wenn dieser außerhalb des Zugewinnverfahrens gegen den anderen Ehepartner als dem Berechtigten einen Anspruch auf Teilhabe an dessen Wertpapierdepot oder an dem Guthaben des zu dessen Abwicklung dienenden Girokontos und auf Durchsetzung dieses Anspruchs in mindestens gleicher Höhe hat.

  3. 3.

    Die Begründung von Miteigentum in Form einer behaupteten Bruchteilsgemeinschaft setzt einen dazu erforderlichen gemeinschaftlichen Rechtserwerb i.S.d. § 741 BGB voraus. Ein solcher fehlt, wenn der Eröffnungsantrag für das Wertpapierdepot allein einen Ehepartner als Depotinhaber ausweist und auch nur von diesem unterzeichnet wurde, obwohl im Antragsformular eine Rubrik für die Bezeichnung eines zweiten Depotinhabers vorgesehen war.

  4. 4.

    Werden Wertpapiere im Namen und für Rechnung des Vollmachtgebers angeschafft, kommt es auf dessen Willen beim Erwerbsgeschäft und nicht auf den Willen des Bevollmächtigten an. Außerdem stellt § 1006 BGB für die Eigentumslage depotverwahrter Wertpapiere eine Vermutung auf, die für den (mittelbaren) Besitzer streitet.

  5. 5.

    Zwar kommt unter Ehegatten die stillschweigende Bildung einer Bruchteilsgemeinschaft an der ein Kontoguthaben betreffenden Forderung gegen die Bank gemäß §§ 741 ff. BGB in Betracht. Das gilt jedoch ohne weitere Anhaltspunkte nicht, wenn die Forderung durch den Verkauf allein einem Ehepartner gehörenden Wertpapiere entstanden ist, und wenn dem anderen Ehepartner nicht einmal Kontovollmacht erteilt worden ist. Der stillschweigende Abschluss eines auf die Errichtung einer Ehegatten-Innengesellschaft nach § 705 BGB gerichteten Vertrages setzt voraus, dass ein über die Verwirklichung der Ehegemeinschaft hinausgehender Zweck erreicht werden sollte. Davon ist aber nicht auszugehen, wenn das Wertpapierdepot der gemeinsamen Altersversorgung der Eheleute, mithin gerade der Verwirklichung der Ehegemeinschaft dienen sollte. Dann kommt auch kein Anspruch auf Auseinandersetzung gemäß §§ 730 ff. BGB in Betracht.

  6. 6.

    Eine in der Berufungsinstanz abgegebene Aufrechnungserklärung ist gemäß § 533 Nr. 2 ZPO unzulässig, wenn sie einen behaupteten Zugewinnausgleichsanspruch betrifft und somit nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

  7. 7.

    Wer als Sohn geschiedener Eheleute unberechtigt unter Benutzung des zu Gunsten des Berechtigten eingerichteten "online-banking" Wertpapiere aus dem Depot des Berechtigten verkauft und anschließend den Erlös vom Konto des Berechtigten auf das Konto des nichtberechtigten geschiedenen Ehepartners überweist, haftet aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 678 BGB, wenn er wusste oder zumindest erkennen musste, dass diese Transaktionen dem Willen des Berechtigten widersprachen. Er ist dann nach Maßgabe von § 249 BGB zum Schadenersatz verpflichtet. Darauf, dass die vom Landgericht angenommene angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt, weil es sich bei dem streitigen Geschäft um ein objektiv fremdes handelt und deshalb von einem Fremdgeschäftsführungswillen auszugehen ist, kommt es wegen der bei beiden Tatbeständen jeweils gleichen Rechtsfolge nicht an.

  8. 8.

    Zwei Beklagte haften gemäß § 421 BGB als Gesamtschuldner, wenn der Kläger die Leistung nur einmal fordern kann und sein Leistungsinteresse gegenüber beiden Beklagten dasselbe ist.

In dem Rechtsstreit
...
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 18. August 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brick,
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Meyer-Holz und
den Richter am Amtsgericht Kohlenberg
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Januar 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

2

II.

Die Berufung ist unbegründet.

3

Das Landgericht hat die Beklagten zutreffend als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) zur Zahlung von 60.003,00 EUR nebst Prozesszinsen an den Kläger verurteilt.

4

1. Haftung der Beklagten zu 1.

5

a)

Die Beklagte zu 1. haftet aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Altern. 2 BGB (sog. Eingriffskondiktion). Denn sie hat dadurch, dass der Beklagte zu 2. über das auf den Namen des Klägers lautende Wertpapierdepot (Verkauf von Wertpapieren) und das darauf bezogene Referenz-Girokonto des Klägers (Überweisung des Verkaufserlöses) verfügt hat, auf dessen Kosten den Betrag von 60.003,00 EUR ohne rechtlichen Rund erlangt und ist deshalb zur Herausgabe verpflichtet. Rechtsgrundlos in diesem Sinne bedeutet allein, dass dem Beklagten zu 2. im Verhältnis zum Kläger kein Recht zur Vornahme der Verfügungshandlungen zustand (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl, § 812 Rn 95). Das war der Fall, worauf im Einzelnen unter 2. eingegangen wird.

6

Die Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruchs durch den Kläger stellt gegenüber der Beklagten zu 1. auch keine nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung dar. Dies käme unter den vorliegenden Umständen nur in Betracht, wenn die Beklagte zu 1. in Höhe eines Betrages (Kurswertes) von mindestens 60.003,00 EUR einen Anspruch auf Teilhabe an dem Wertpapierdepot oder an dem Guthaben des zu dessen Abwicklung dienenden Girokontos und auf Durchsetzung dieses Anspruchs außerhalb des Zugewinnausgleichsverfahrens (§§ 1373 ff. BGB) hätte. Bereits an der ersten Voraussetzung fehlt es, wie sich aus folgendem ergibt.

7

b)

Die Begründung von Miteigentum der Beklagten zu 1. an den Wertpapieren des bei der Cxxx-Bank geführten Depots in Form der behaupteten Bruchteilsgemeinschaft ist nicht ersichtlich. Es fehlt an dem dazu erforderlichen gemeinschaftlichen Rechtserwerb i.S.d. § 741 BGB. Der Eröffnungsantrag für das Wertpapierdepot vom 7. März 2000 weist allein den Kläger als Depotinhaber aus und wurde nur von ihm unterzeichnet, obwohl im Antragsformular eine Rubrik für die Bezeichnung eines zweiten Depotinhabers vorgesehen war. Da nach dem mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 1. Dezember 2005 geführten Vortrag der Beklagten auch die Beklagte zu 1. bei der Antragsunterzeichnung durch den Kläger in den Geschäftsräumen der Cxxxbank zugegen war, hätte es ohne weiteres nahe gelegen, sie als zweite Depotinhaberin einzubeziehen. Dass dies unterblieben ist, lässt vorliegend nur darauf schließen, dass der Kläger Alleineigentümer der im Depot zu verwahrenden Wertpapiere sein sollte. Deshalb geht die Auffassung der Beklagten, die Beklagte zu 1. habe gemäß §§ 7 Abs. 1, 8 DepotG die Herausgabe von Wertpapieren in Höhe des halben Nennbetrages der im Depot befindlichen Papiere an sich selber verlangen können, fehl. Denn der Beklagten zu 1. fehlte es an der erforderlichen dinglichen Berechtigung für einen solchen Auslieferungsanspruch.

8

Auch soweit die Beklagten im Hinblick darauf, dass der Beklagte zu 2. die Wertpapiere im Namen und für Rechnung des Klägers angeschafft hat, geltend machen, maßgeblich für den Eigentumserwerb sei die Willensrichtung des das Erwerbsgeschäft Vornehmenden, dringen sie nicht durch. Denn es kommt auf den Willen des Vollmachtgebers an, mithin auf denjenigen des Klägers. Außerdem stellt § 1006 BGB für die Eigentumslage depotverwahrter Wertpapiere eine Vermutung auf, die für den (mittelbaren) Besitzer streitet (vgl. BGH NJW 1997, 1434, 1435) [BGH 25.02.1997 - XI ZR 321/95]. Dies war der aus dem Depotverwahrungsvertrag allein berechtigte Kläger.

9

c)

Eine Bruchteilsgemeinschaft hinsichtlich des Guthabens auf dem im Rahmenvertrag vom 7. März 2003 bezeichneten und auf den Namen des Klägers lautenden Referenz-Girokonto, auf das die Erlöse aus den Wertpapierverkäufen flossen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Zwar kommt unter Ehegatten die stillschweigende Bildung einer Bruchteilsgemeinschaft an der ein Kontoguthaben betreffenden Forderung gegen die Bank gemäß §§ 741 ff. BGB in Betracht (vgl. BGH NJW 2000, 2347 [BGH 19.04.2000 - XII ZR 62/98]). Aber dafür wären hier besondere Anhaltspunkte erforderlich, nachdem allein der Kläger Eigentum an den Wertpapieren erworben hat. Daran fehlt es, zumal der Beklagten zu 1. keine Kontovollmacht erteilt worden ist.

10

d)

Schließlich lässt sich auch nicht der stillschweigende Abschluss eines auf die Errichtung einer Ehegatten-Innengesellschaft nach § 705 BGB gerichteten Vertrages feststellen. Denn dafür wäre ein über die Verwirklichung der Ehegemeinschaft hinausgehender Zweck erforderlich (vgl. BGH NJW 2006, 1268, 1269 [BGH 28.09.2005 - XII ZR 189/02], m.w.N.). Nach dem Vortrag der Beklagten sollte das Wertpapierdepot aber der gemeinsamen Altersversorgung des Klägers und der Beklagten zu 1., mithin gerade der Verwirklichung der Ehegemeinschaft dienen. Deshalb kommt auch kein Anspruch der Beklagten zu 1. auf Auseinandersetzung gemäß §§ 730 ff. BGB in Betracht.

11

e)

Die mit Schriftsatz vom 3. August 2006 abgegebene Aufrechnungserklärung ist gemäß § 533 Nr. 2 ZPO unzulässig, weil sie einen behaupteten Zugewinnausgleichsanspruch der Beklagten zu 1. betrifft und somit nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

12

2. Haftung des Beklagten zu 2.

13

Der Beklagte zu 2. haftet aus unberechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 678 BGB, weil er am 14. und 15. Februar 2005 unter Nutzung des zugunsten des Klägers eingerichteten online-banking Wertpapiere aus dem Depot des Klägers verkaufte, um anschließend den auf das Referenz-Girokonto des Klägers geflossenen Erlös auf das Girokonto der Beklagten zu 1. zu überweisen. Denn er wusste oder musste zumindest erkennen, dass diese Transaktionen dem Willen des Klägers widersprachen. Deshalb ist der Beklagte zu 2. nach Maßgabe von § 249 BGB zum Schadenersatz verpflichtet.

14

Darauf, dass die vom Landgericht angenommene angemaßte Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt, weil es sich bei dem streitigen Geschäft um ein objektiv fremdes (nämlich des Klägers) handelt und deshalb von einem Fremdgeschäftsführungswillen des Beklagten zu 2. auszugehen ist (vgl. BGH NJW 2000, 72, 73) [BGH 23.09.1999 - III ZR 322/98], kommt es wegen der bei beiden Tatbeständen jeweils gleichen Rechtsfolge nicht an.

15

Daran, dass dem Beklagten zu 2. jedenfalls bewusst sein musste, dass der Verkauf der Wertpapiere zum Zwecke der Auskehrung des Verkaufserlöses an die Beklagte zu 1. dem wirklichen, mindestens jedoch dem mutmaßlichen Willen des Klägers widersprach, bestehen keine vernünftigen Zweifel, § 286 ZPO. Das ergibt sich schon daraus, dass der Beklagte zu 2. um die Streitigkeiten zwischen seinen getrennt lebenden Eltern genau wusste und er nach dem im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24. Oktober 2005 geführten Vortrag der Beklagten von der Beklagten zu 1. um Vornahme der streitigen Transaktionen ersucht wurde, weil diese davon ausging, der Kläger werde die von ihr begehrte Herausgabe der "hälftigen" Wertpapiere verweigern.

16

3. Gesamtschuldnerschaft

17

Die Beklagten haften dem Kläger gemäß § 421 BGB als Gesamtschuldner, weil dieser die Leistung nur einmal fordern kann und sein Leistungsinteresse gegenüber beiden Beklagten dasselbe ist (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 421 Rn 3 ff.).

18

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

19

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Brick
Dr. Meyer-Holz
Kohlenberg