Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.02.2007, Az.: L 11 AL 185/06

Gewöhnliches Engelt familienfremder Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung als Grenze für die Grundlage des Arbeitsentgelts; Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes eines beschäftigten Ehegatten; Berücksichtigung des von dem Arbeitslosen erzielten beitragspflichtigen Arbeitsentgelts; Möglichkeit der Heranziehung des Tarifvertrages für Arzthelferinnen für eine ausgebildete Apothekenhelferin

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.02.2007
Aktenzeichen
L 11 AL 185/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 30627
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0220.L11AL185.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 05.05.2006 - AZ: S 9 AL 1773/04

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Hat die Leistungsempfängerin vor der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung im Betrieb des Ehegatten ausgeübt, ist die Agentur für Arbeit beweispflichtig für die Behauptung, dass die Betroffene dort ein höhers Arbeitsentgelt als familienfremde Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung erhalten hat. Gelingt der Leistungsverwaltung dieser Beweis nicht, ist das tatsächlich bezogene Arbeitsentgelt der Leistungsberechnung zugrunde zu legen.

  2. 2.

    Für die Feststellung des Arbeitsentgelts ist als Vergleichsmaßstab eine familienfremde Arbeitnehmerin in gleichartiger Beschäftigung bei vergleichbarer Qualifikation heranzuziehen. Fehlt es an einer gleichartigen Beschäftigung im Betrieb, reicht es aus, wenn das erzielte Entgelt üblich war, d.h., die Arbeitslose das erzielte Entgelt bei gleichartiger Beschäftigung auch bei einem anderen Arbeitgeber hätte erzielen können.

  3. 3.

    Es ist nicht unüblich, dass sich bei Leitungspositionen (wie etwa der Leitung des Verwaltungsbereichs einer großen Arztpraxis) das Bruttogehalt innerhalb einer fast 20-jährigen Betriebszugehörigkeit nahezu verdoppelt.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Arbeitslosengeldes.

2

Die im Jahre 1943 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Apothekenhelferin. Mit Wirkung vom 01. Februar 1986 schloss die Klägerin einen Arbeitsvertrag mit dem Arzt für Chirurgie/Plastische Chirurgie Dr. F. in der G. in H ... Die Klägerin wurde als "Arztsekretärin/Arzthelferin" beschäftigt. Das Gesamtbruttogehalt betrug 4.000,- DM (= 2.045,- EUR) pro Kalendermonat. Am 16. April 1993 heiratete die Klägerin ihren Arbeitgeber Dr. F ... Das Beschäftigungsverhältnis endete am 31. März 2004, weil die Arztpraxis am 01. April 2004 verkauft wurde. Das im Bemessungszeitraum bezogene beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt betrug 4.000,- EUR monatlich (April 2003 bis März 2004). Die Klägerin meldete sich mit Wirkung vom 01. April 2004 arbeitslos. Mit Schreiben vom 23. April 2004 teilte die Beklagte mit, dass bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes höchstens von dem Arbeitsentgelt auszugehen sei, das familienfremde Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung erhalten würden (§ 134 Abs. 2 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Daher belaufe sich das maßgebliche Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung bei dem Ehegatten auf 2.110,68 EUR monatlich. Diese Einstufung wurde auf den Gehaltstarifvertrag für Arzthelferinnen in der Tätigkeitsgruppe 4 (nach 17 bis 22 Berufsjahren) zurückgeführt.

3

Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 01. April 2004 (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 08. April 2004; Änderungsbescheid vom 27. April 2004). Gegen die endgültige Festsetzung des Arbeitslosengeldes (Änderungsbescheid vom 27. April 2004) legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sie nicht als "Arzthelferin", sondern als "Arztsekretärin" beschäftigt gewesen sei. Die eigenverantwortliche Leitung des gesamten Verwaltungsbereiches der großen chirurgischen Praxis ihres Ehemannes mit bis zu 20 Mitarbeitern habe ihrer Tätigkeit das maßgebliche Gepräge gegeben. Weit vor der Eheschließung habe sie im Jahre 1986 einen Arbeitsvertrag als Arztsekretärin mit einem überdurchschnittlichen Bruttolohn von monatlich 2045,- EUR erhalten. Solange die Praxis ihres Ehemannes noch in der G. integriert war, sei sie wie alle anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach BAT (früher BAT 6b) eingestuft gewesen. In den folgenden Jahren sei es zu kontinuierlichen Gehaltserhöhungen und Einstufungen aufgrund höherwertiger Tätigkeiten mit entsprechenden Alterszulagen gekommen. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit entspreche einer Verwaltungstätigkeit mit erheblicher Eigenverantwortung, entsprechend der Vergütungsgruppe BAT III a.F. (= 4.000,- EUR monatlich). Die Bemessung des Arbeitslosengeldes nach einem Bruttogehalt von 2.110,68 EUR monatlich komme im Ergebnis einer Gehaltsstagnation innerhalb von fast 20 Jahren gleich.

4

Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03. November 2004). Unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen wurde das hier relevante monatliche Arbeitsentgelt auf nunmehr 2.271,51 EUR nach dem Tarifvertrag für Arzthelferinnen in der Tätigkeitsgruppe 4 festgesetzt. Hieraus errechnete sich ein Arbeitsentgelt in Höhe von 524,19 EUR, sodass sich nach der maßgeblichen Leistungsgruppe C (entsprechend Steuerklasse III) ein auszuzahlendes Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 235,69 EUR (60% von 524,19 EUR) ergab.

5

Die Klägerin hat am 24. November 2004 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Unter Vertiefung ihres Vortrages aus dem Verwaltungsverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass auch eine familienfremde Arbeitskraft ein Gehalt in mindestens derselben Höhe erhalten hätte. Angesichts der Größe der chirurgischen Praxis und der Mitarbeiterzahl habe es sich um eine Tätigkeit mit Leitungsfunktion im Verwaltungsbereich gehandelt, die zu einer erheblichen Kostenersparnis bei der wirtschaftlichen Führung der Praxis geführt habe. Hierbei seien die Tätigkeiten wie die Aufsicht und Anleitung von Mitarbeitern, die selbständige Erstellung des Jahresabschlusses, der Einkommenssteuererklärungen, der Buchprüfung und aller weiteren rechnerischen Abschlüsse zur Vorbereitung behördlichen Überprüfungen besonders zu berücksichtigen. Während des Klageverfahrens ist der Änderungsbescheid vom 02. Januar 2005 ergangen, mit dem das Bemessungsentgelt von einem wöchentlichen auf einen täglichen Betrag ab 01. Januar 2005 umgestellt worden ist.

6

Das SG Hannover hat mit Urteil vom 05. Mai 2006 den Bescheid vom 23. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. November 2004 geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld auf der Basis eines monatlichen Bruttoverdienstes in Höhe von 4.000,- EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auch eine familienfremde Mitarbeiterin bei gleicher Tätigkeit ein Bruttogehalt in derselben Höhe erzielt hätte. Hierfür sei maßgeblich, dass die Klägerin weder als Arzthelferin noch als Arztsekretärin gearbeitet habe. Von Bedeutung sei vielmehr die leitende Tätigkeit im Verwaltungsbereich der Arztpraxis. Dass hier eine Tätigkeit in Leitungsfunktion ausgeübt worden sei, belege bereits der Arbeitsvertrag aus dem Jahr 1986. Hier sei viele Jahre vor dem Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Arbeitgeber ein weit überdurchschnittliches Gehalt (seinerzeit 4.000,- DM = 2.045,- EUR) vereinbart worden. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehälter in den vergangenen Jahren sei ein Bruttogehalt in Höhe von 4.000,- EUR plausibel.

7

Hiergegen richtet sich die am 04. August 2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes der Gehaltstarifvertrag für Arzthelferinnen in der Tätigkeitsgruppe 4 maßgeblich sei. Diese Einstufung berücksichtige insb. die Ausübung von Leitungsfunktionen, die ein wesentliches Tätigkeitsmerkmal in der Tätigkeitsgruppe 4 sei. Dieses Gehalt hätte eine familienfremde Beschäftigte üblicherweise erzielt.

8

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 05. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

10

hilfsweise,

den Ehemann der Klägerin als Zeugen zu vernehmen.

11

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzliche Prozessakte und die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Beklagten hingewiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß §§ 143 ff zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG Hannover unter Abänderung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, die Höhe des Arbeitslosengeldes auf der Grundlage des monatlichen Bruttoverdienstes von 4.000,- EUR im Bemessungszeitraum zu zahlen.

14

Gemäß § 129 Nr. 2 SGB III beträgt das Arbeitslosengeld für Arbeitslose, die nicht mindestens 1 Kind im Sinne von § 32 des Einkommenssteuergesetzes haben, 60% (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst die Entgeltabrechnungszeiträume, die in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des Anspruches, in denen Versicherungspflicht bestand, enthalten sind und beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruches abgerechnet waren (§ 130 Abs. 1 SGB III i.d.F. bis zum 31. Dezember 2004). Bemessungsentgelt ist das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt (§ 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.d.F. bis zum 31. Dezember 2004). Für Zeiten mit einer Beschäftigung ist als Entgelt nur das beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das der Arbeitslose erzielt hat (§ 134 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.d.F. bis zum 31. Dezember 2004).

15

Als Entgelt ist zu Grunde zu legen für Zeiten einer Beschäftigung bei den Ehegatten, dem Lebenspartner oder einem Verwandten in gerader Linie das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung, höchstens das Arbeitsentgelt, das familienfremde Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung gewöhnlich erhalten (§ 134 Abs. 2 Nr. 1 SGB III i.d.F. bis zum 31. Dezember 2004). Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, Manipulationen entgegenzuwirken, die das Ehe- oder Verwandtschaftsverhältnis leichter ermöglichen, wie etwa, das Arbeitsentgelt vor Beendigung der Beschäftigung so rechtzeitig zu erhöhen, dass ein höherer Anspruch auf Arbeitslosengeld entsteht (vgl. Pawlak, in Spellbrink/Eicher, Kassler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 11 RdNr. 229). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Differenzierung der Leistung aufgrund von Ehe- oder Verwandtschaftsverhältnissen sind mit Rücksicht auf die aufgezeigte Manipulationsgefahr nicht geteilt worden worden (vgl BSGE 73, 263 = BSG SozR 3-4100 § 112 Nr. 16 für die Vorläuferregelung; die hier bis zum 31. Dezember 2004 gültige Fassung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2005 aufgehoben worden).

16

Im maßgeblichen Bemessungszeitraum (vom 03. April 2003 bis 31. März 2004) hat die Klägerin unstreitig einen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 4.000,- EUR für die bei ihrem Ehegatten ausgeübte Tätigkeit in der Arztpraxis erzielt. Zwar hat die Beklagte dargelegt, dass eine familienfremde Arbeitnehmerin bei gleichartiger Beschäftigung ein deutlich geringeres Arbeitsentgelt in Höhe von monatlich 2.271,51 EUR nach dem Tarifvertrag für Arzthelferinnen in Tätigkeitsgruppe 4 (nach 17 bis 22 Berufsjahren) erzielt hätte. Zur Überzeugung des Senats ist es der Beklagten allerdings nicht gelungen, die Zahlung eines Entgelts, welches über dem einer Familienfremden liegt, zu beweisen. Die vergleichsweise herangezogenen Tätigkeiten bzw. Einstufungen erfassen nicht den Tätigkeitsschwerpunkt der Klägerin. Nach der im Sozialgerichtsprozess herrschenden Darlegungs- und Beweislast trägt die Beklagte die objektive Beweislast für die von ihr erhobene Behauptung, aus der sie ein Recht herleiten will (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl., III. 4.1. RdNr. 27 m.w.N.). Lässt sich mithin nicht feststellen, dass das Entgelt der Klägerin höher war als das einer familienfremden Arbeitnehmerin, geht dies zu Lasten der BA. Der Bemessung ist folglich das erzielte Entgelt iSv § 134 Abs. 1 SGB III zu Grunde zu legen.

17

Bei dem Vergleich, welches Entgelt zu Grunde zu legen ist, ist als Vergleichsmaßstab eine familienfremde Arbeitnehmerin in gleichartiger Beschäftigung bei vergleichbarer Qualifikation heranzuziehen. Fehlt es wie hier an einer gleichartigen Beschäftigung im Betrieb, reicht es aus, wenn das erzielte Entgelt üblich war, d.h., die Arbeitslose das erzielte Entgelt bei gleichartiger Beschäftigung auch bei einem anderen Arbeitgeber hätte erzielen können. Die Gleichartigkeit lässt sich nur anhand der wahrgenommenen Aufgaben feststellen (vgl. BSG a.a.O.). Zu Recht hat die Beklagte die Heranziehung des BAT verneint, weil die Klägerin im hier maßgeblichen Bemessungszeitraum nicht im öffentlichen Dienst tätig gewesen ist. Zu folgen ist der Beklagten auch insofern, als sie die Tätigkeit einer Chefarztsekretärin im Krankenhaus als nicht gleichartig eingeordnet hat. Gegen eine solche Vergleichbarkeit spricht, dass Chefarztsekretärinnen regelmäßig weder Aufsichts- noch Leitungsfunktionen gegenüber Mitarbeitern wahrnehmen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin bestand die Tätigkeit der Klägerin aber maßgeblich aus der Leitung des gesamten Verwaltungsbereiches der Arztpraxis ihres Ehegatten, insb. aus der selbständigen Leitung, Planung und Führung im Personalbereich, der Organisation der Arbeitsabläufe und der Verantwortlichkeit für sämtliche rechnerischen Abschlüsse und Überprüfungen seitens der Behörden.

18

Entgegen der Auffassung der Beklagten verbleiben deshalb begründete Zweifel, ob der Tarifvertrag für Arzthelferinnen heranzuziehen ist. Die Klägerin verfügt nicht über eine solche Berufsausbildung. Die Tätigkeitsbereiche der Klägerin unterscheiden sich erheblich von dem Tätigkeitsfeld einer Arzthelferin. Auch der im Jahre 1986 geschlossene Arbeitsvertrag deutete eher auf eine Tätigkeit als "Arztsekretärin" hin. Im Laufe der Jahre hatte der Verwaltungsbereich mit Rücksicht auf die Größe der Praxis (von bis zu 20 Mitarbeitern) erheblich an Bedeutung hinzugewonnen und mit ihm die hieraus resultierenden Tätigkeiten der Klägerin. Gegen die Anwendbarkeit des Gehaltstarifvertrags für Arzthelferinnen spricht auch, dass die Klägerin die gesamte Abrechnungstätigkeit, alle rechnerischen Abschlüsse bis hin zu den Steuererklärungen, eigenverantwortlich für die Praxis erstellt hat. Solche Tätigkeiten werden - auch nach Auffassung der Beklagten - üblicherweise nicht durch Arzthelferinnen ausgeführt. Der Senat geht nach eigener Überzeugungsbildung davon aus, dass die Klägerin eine außertarifliche Bezahlung bezogen hat, weil sie unstreitig eine Leitungsfunktion ausgeübt hat. Hierfür spricht maßgeblich, dass sie bereits im Jahre 1986 - also weit vor der Eheschließung mit dem Arbeitgeber - ein überdurchschnittliches Bruttogehalt bezogen hat. Seinerzeit entsprach das Gehalt einer Spitzeneingruppierung nach dem Arzthelferinnentarifvertrag, das üblicherweise nicht zu Beginn, sondern erst nach 17 bis 22 Berufsjahren gezahlt wird. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich ihr Gehalt unter Zugrundelegung dieses Tarifvertrages während eines fast 20jährigen Zeitraumes kaum erhöht hätte. Eine solche Gehaltsentwicklung hält der Senat für nicht realistisch.

19

Der zutreffende Vergleichsmaßstab ist daher das Gehalt einer familienfremden Arbeitnehmerin, die den Verwaltungsbereich einer großen Arztpraxis verantwortlich leitet. In Leitungspositionen ist es zur Überzeugung des Senats nicht unüblich, dass sich ein Bruttogehalt innerhalb einer fast 20 jährigen Betriebszugehörigkeit nahezu verdoppelt. Dies entspricht einer realistischen Entwicklung der Gehälter auf dem freien Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung von Alterszuschlägen. Diese Bewertung lässt auch keinen Raum für Manipulationen. Das Bruttogehalt der Klägerin von 4000,- EUR ist nicht etwa kurz vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erhöht worden, es lag vielmehr eine kontinuierliche Gehaltsentwicklung vor. Dies zeigt sich anhand des von der Beklagten beigezogenen Versicherungsverlaufes der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 17. November 2003). Hieraus ergibt sich ein maßgeblicher Gehaltssprung Anfang der 90er Jahre; ein Zeitpunkt, der noch vor der Eheschließung der Klägerin mit ihrem Arbeitgeber lag. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin erklärt sich dieser Gehaltssprung aus der Übernahme der Abrechnungstätigkeit durch die Klägerin, wodurch sich eine erhebliche Kostenersparnis für den Praxisbetrieb ergab. Danach hat die Klägerin über viele Jahre ein Gehalt auf gleichem Niveau bezogen, schließlich bis zur Arbeitslosmeldung.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin hat in beiden Rechtszügen obsiegt, so dass die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

21

Ein Grund, die Revision zuzulassen besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).-