Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 12.12.2018, Az.: L 3 KA 98/15

Höhe vertragsärztlichen Honorars; Anwendung eines arztpraxisbezogenen RLV; Arztindividuelle RLV-Leistungsanforderungen; Rechtswidrigkeit eines Honorarbescheides

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
12.12.2018
Aktenzeichen
L 3 KA 98/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 67937
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 22.07.2015 - AZ: S 71 KA 279/12

Redaktioneller Leitsatz

1. Ein Honorarbescheid ist rechtswidrig, wenn das Honorar für die RLV-relevanten Leistungen des MVZ ohne Anwendung eines arztpraxisbezogenen RLV, sondern lediglich unter Zugrundelegung der arztindividuellen RLV-Leistungsanforderungen im Abrechnungsquartal bis zur jeweils arztbezogen ermittelten Obergrenze des arztgruppendurchschnittlichen RLV festgesetzt wird.

2. Teil A Nr. 5 NVV-Vereinbarung 2011 ist mit höherrangigem Bundesrecht unvereinbar und daher nichtig.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. Juli 2015 aufgehoben und der Honorarbescheid für das Quartal III/2011 vom 12. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2012 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, über den Honoraranspruch der Klägerin für das Quartal III/2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 21.291 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Honoraranspruchs der Klägerin für die vom Regelleistungsvolumen (RLV) umfassten Leistungen im Quartal III/2011.

Die Klägerin betreibt ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in G., das seit dem Quartal II/2009 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. Ab dem Quartal I/2011 war Dr. H. als fachärztlich tätige Internistin mit dem Schwerpunkt Nephrologie im MVZ angestellt. Im streitbefangenen Abrechnungszeitraum nahm ferner Dr. I. seine Anstellung im MVZ als hausärztlich tätiger Internist auf.

Vor bzw zu Beginn des Quartals III/2011 teilte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) der Klägerin mit für jeden der angestellten Ärzte gesonderten Schreiben mit, dass für dieses Quartal kein individuelles RLV ermittelt werden könne, weil die Klägerin bzw ihre Angestellten im Basisquartal III/2010 noch nicht bzw noch nicht in dieser Konstellation tätig gewesen seien. Die RLV-relevanten Leistungen der Klägerin bzw ihrer Angestellten würden demnach maximal bis zur Höhe des durchschnittlichen RLV der relevanten Arztgruppe vergütet. Für Dr. H. ergebe sich danach eine RLV-Obergrenze von 21.100,85 Euro (Schreiben vom Mai 2011) und für Dr. I. eine solche in Höhe von 34.455,26 Euro (Schreiben vom 5. Juli 2011). Die Schreiben enthalten jeweils den Hinweis, dass die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Honorarbescheid genüge, da die Berechnung des RLV Bestandteil des Honorarbescheides sei und ohnehin im Rahmen eines etwaigen Widerspruchs überprüft werde.

Die Beklagte setzte das vertragsärztliche Honorar der Klägerin für das Quartal III/2011 auf 558.752,36 Euro fest (Bescheid vom 12. Januar 2012). Für die vom RLV umfassten Leistungen hatte die Klägerin 45.435,48 Euro angefordert. Davon erhielt sie 21.542,43 Euro als RLV zu 100 % vergütet; für die darüberhinausgehende RLV-Leistungsanforderung gewährte die Beklagte eine abgestaffelte Vergütung in Höhe von 2.602,32 Euro. Das zugrunde gelegte RLV setzte sich aus 21.100,85 Euro für Dr. H. und 441,58 Euro für Dr. I. zusammen. Dabei berücksichtigte die Beklagte für beide Ärzte jeweils die tatsächlich angeforderten Leistungen, im Fall von Dr. H. jedoch nur bis zur Höhe des zuvor mitgeteilten durchschnittlichen RLV der Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie.

Der dagegen von der Klägerin erhobene Widerspruch - für den keine Begründung vorgelegt worden ist - blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. April 2012).

Am 30. April 2012 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und dort eine fehlerhafte Ermittlung und Zuweisung des RLV gerügt. Für die vom RLV umfassten Leistungen des MVZ sei auch bei Dr. I. das durchschnittliche RLV der Arztgruppe zu berücksichtigen. Bei der Honorarfestsetzung für die RLV-relevanten Leistungen komme es nicht darauf an, welcher Arzt die Leistungen erbracht hat, weil die Zuweisung des (Gesamt-)RLV praxisbezogen zu erfolgen habe. Danach seien die Leistungsanforderungen für diesen Bereich in voller Höhe zu vergüten. Die davon abweichende Vorgehensweise der Beklagten stelle eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung von "Neupraxen" dar.

Die Beklagte hat demgegenüber auf die Regelung in Teil A Nr 5 der zwischen ihr und den zum Verfahren beigeladenen Krankenkassen(verbänden) abgeschlossenen "Vereinbarung zur Umsetzung der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2011" (NVV-Vereinbarung 2011) verwiesen. Danach werde Ärzten, die im Aufsatzzeitraum noch nicht 16 Quartale niedergelassenen waren (neue Praxen) bzw in eine bestehende Praxis neu hinzutretenden Ärzten grundsätzlich maximal das arztgruppendurchschnittliche RLV zugebilligt. Diese Formulierung impliziere, dass dem Arzt lediglich ein RLV in Höhe der tatsächlichen Leistungsanforderung, maximal aber in Höhe des Fachgruppendurchschnitts gewährt werde; anders als beim arztindividuellen RLV handele es sich dabei um eine Obergrenze und nicht um einen absoluten Wert. Dadurch solle sichergestellt werden, dass das dem neuen Arzt zugewiesene RLV tatsächlich nur von diesem und nicht von den übrigen in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder einem MVZ tätigen Ärzten ausgeschöpft wird; neue Ärzte würden somit von der Verrechnungsmöglichkeit innerhalb einer Praxis ausgenommen. Nach der ursprünglichen Regelung in der NVV-Vereinbarung 2009 sei neuen Praxen bzw neu in eine bestehende Praxis hinzutretenden Ärzten grundsätzlich das arztgruppendurchschnittliche RLV für das jeweilige Quartal zuzubilligen gewesen. Diese Regelung habe dazu geführt, dass insbesondere große Praxen und MVZ vermehrt neue Ärzte angestellt hätten, die nicht im genehmigten Umfang Leistungen erbracht hätten. Dementsprechend hätten die Praxispartner von dem fachgruppendurchschnittlichen RLV des neuen Arztes in erheblichem Umfang profitiert. Um der daraus resultierenden Gefahr einer missbräuchlichen Ausnutzung und Umgehung der dem RLV innewohnenden Begrenzung der Leistungsanforderung des einzelnen Arztes zur Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu begegnen, sei die seinerzeit geltende Regelung zum 1. Oktober 2009 dahingehend geändert worden, dass für die genannten Ärzte "maximal" das arztgruppendurchschnittliche RLV zu berücksichtigen gewesen sei.

Mit Urteil vom 22. Juli 2015 hat das SG Hannover die Klage abgewiesen. Das der Klägerin zugeteilte RLV sei von der Regelung in Teil A Nr 5 NVV-Vereinbarung 2011 gedeckt. Dabei ergebe sich die Möglichkeit der Zuteilung eines RLV-Anteils lediglich in Höhe der tatsächlichen Leistungsanforderung im Abrechnungsquartal noch mit hinreichender Deutlichkeit aus der Formulierung, dass "maximal" das arztgruppendurchschnittliche RLV zugebilligt wird. Aus der Bedeutung des Wortes folge, dass das zugewiesene RLV zunächst noch eine variable Größe, die obere Grenze aber der Arztgruppendurchschnitt sei. Wenn die tatsächliche Leistungsanforderung geringer sei, sei lediglich diese als RLV bzw als RLV-Anteil zu berücksichtigen. Diese Bedeutung ergebe sich auch aus der Systematik der Regelung, mit der lediglich Wachstumsmöglichkeiten und -grenzen für Neupraxen als gesonderte Leistungsbegrenzung geregelt würden, nicht aber die Zuweisung eines RLV in einer bestimmten Höhe. Zudem ergebe sich aus der historischen Entwicklung der Vorschrift, dass nicht in jedem Fall für alle Praxismitglieder von Neupraxen als RLV der Arztgruppendurchschnitt gewährt werden sollte, wenn die tatsächliche Leistungsanforderung dahinter zurückbleibt. Die Regelung der Beklagten verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere hätten Gesetzgeber und Bewertungsausschuss (BewA) den Gesamtvertragspartnern die Ausgestaltung von Regelungen für Anfängerpraxen überlassen. Bei der Ausgestaltung der Regelung sei nicht gegen ausdrückliche systematische Vorgaben im Hinblick auf das RLV verstoßen worden; insbesondere implizierten die Regelungen des BewA hinsichtlich des arztbezogenen RLV keinen Anspruch auf eine Verrechnungsmöglichkeit der Mitglieder einer Praxis beim RLV. Zudem liege kein Verstoß gegen die Vorgaben des Bundessozialgerichts ((BSG), Bezugnahme auf Urteil vom 17. Juli 2013 - B 6 KA 44/12 R - und Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R) in Bezug auf Neupraxen vor.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 7. August 2015 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 3. September 2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Dazu wiederholt sie im Wesentlichen ihre bisherige Argumentation.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. Juli 2015 aufzuheben und den Honorarbescheid für das Quartal III/2011 vom 12. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2012 abzuändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, über ihren Honoraranspruch für das Quartal III/2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zuzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Das SG Hannover hat ihre Klage zu Unrecht abgewiesen.

I. Gegenstand des Verfahrens ist der Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal III/2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2012. Dabei beschränkt sich die Klage auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Vergütung für die im streitbefangenen Quartal erbrachten und abgerechneten RLV-relevanten Leistungen; nur insoweit begehrt die Klägerin eine Abänderung der Bescheide und Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines neuen Honorarbescheides.

Die auf diese Teilfrage der Vergütung beschränkte Klage ist als (Teil-)Anfechtungs- und Leistungsklage in der Sonderform der Bescheidungsklage gemäß § 54 Abs 1, 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft (zur Sachgerechtigkeit einer solchen Antragstellung in vertragsärztlichen Honorarstreitigkeiten vgl BSG, Urteil vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 45/07 R, SozR 4-2500 § 106a Nr 5 mwN) und auch im Übrigen zulässig.

II. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Honorarbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit damit das Honorar für die RLV-relevanten Leistungen des MVZ ohne Anwendung eines arztpraxisbezogenen RLV, sondern lediglich unter Zugrundelegung der arztindividuellen RLV-Leistungsanforderungen im Abrechnungsquartal bis zur jeweils arztbezogen ermittelten Obergrenze des arztgruppendurchschnittlichen RLV festgesetzt wird. Soweit die Beklagte diese Vorgehensweise auf Teil A Nr 5 NVV-Vereinbarung 2011 stützt, ist die Vorschrift mit höherrangigem Bundesrecht nicht vereinbar und daher nichtig. Auch ansonsten fehlt es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Bemessung des dem MVZ für das Quartal III/2011 zustehenden RLV. Demzufolge wird die Beklagte das der Klägerin zustehende Honorar unter Zugrundelegung eines festen RLV für das gesamte MVZ neu zu ermitteln haben; dazu bedarf es vorab einer Anpassung der Regelung in Teil A Nr 5 NVV-Vereinbarung 2011 an die Rechtsauffassung des Senats.

1. Dem Begehren der Klägerin steht nicht entgegen, dass ihr für das streitbefangene Quartal durch gesonderten Verwaltungsakt ein RLV zugewiesen und die Zuweisung bestandskräftig geworden wäre. Denn tatsächlich hat die Beklagte der Klägerin vor Erlass des angefochtenen Honorarbescheides kein RLV zugewiesen, insbesondere nicht mit den Schreiben vom Mai 2011 und 5. Juli 2011.

Gemäß § 87b Abs 5 S 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V in der hier anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26. März 2007, BGBl I 378; aF) obliegt der KÄV die Zuweisung der Regelleistungsvolumina an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden sowie der jeweils geltenden regionalen Preise; dabei erfolgt die Zuweisung spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV. Die Zuweisung eines RLV erfolgt in Form einer eigenständigen Regelung und stellt daher einen Verwaltungsakt dar, der - zunächst unabhängig von dem späteren Honorarbescheid für das betroffene Quartal - gesondert anfechtbar ist (vgl BSG, Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 38/11 R, SozR 4-2500 § 87b Nr 1). Aus der gesonderten Anfechtbarkeit folgt ua, dass ein Vertragsarzt, der die Zuweisung eines RLV hat bestandskräftig werden lassen, an diese Festsetzung gebunden ist und im nachfolgenden Honorarstreitverfahren nicht mehr deren Fehlerhaftigkeit geltend machen kann (BSG aaO). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Die an die Klägerin gerichteten Schreiben der Beklagten vom Mai 2011 und 5. Juli 2011 mit dem Betreff "Amtliche Mitteilung zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung (NVV)" enthalten jeweils allgemeine (rechtliche) Hinweise auf die "wichtigsten Rahmenbedingungen für Ihre Quartalsabrechnung des 3. Quartals 2011" (ua Veröffentlichung der Euro-Gebührenordnung im Mitglieder-Portal, regionaler Punktwert für Niedersachsen, außerhalb von RLV und Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) zu vergütende Leistungen, mögliche Fallzahlzuwachsbegrenzung für das RLV im Quartal III/2012). Dabei hat die Beklagte entsprechend ihrer dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannten ständigen Verwaltungspraxis bei Praxen, in denen mehrere Ärzte tätig sind, jeweils auf die einzelnen Ärzte bezogene Schreiben verfasst. Diese lassen mit den hier gewählten Formulierungen zwar noch erkennen, dass für die arztbezogene Ermittlung des RLV bei Dr. H. (Schreiben vom Mai 2011) die Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie und bei Dr. I. (Schreiben vom 5. Juli 2011) die der Praktischen Ärzte, Allgemeinärzte und hausärztlichen Internisten zugrunde zu legen ist. Anders als im Fall des vormals im MVZ angestellten Arztes J. (weiteres Schreiben vom Mai 2011) hat die Beklagte jedoch weder in dem auf Dr. H. noch in dem auf Dr. I. bezogenen Schreiben eine Entscheidung über die Zuweisung eines konkret bezifferten RLV getroffen. Sie hat vielmehr in beiden Schreiben ausgeführt, dass ein individuelles RLV nicht ermittelt werden könne, da "Sie bzw. Ihr(e) Angestellte(r) im Basisquartal 3/2010 noch nicht tätig war(en) bzw. noch nicht in dieser Konstellation (Fachgruppe, Praxisort) tätig war(en)". Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis, dass die RLV-relevanten Leistungen der Klägerin bzw ihres/ihrer Angestellten "demnach maximal bis zur Höhe des durchschnittlichen RLV der relevanten Arztgruppe vergütet" würden und die Angabe des durchschnittlichen arztbezogenen RLV in der jeweiligen Anl 2 zu den Schreiben ändern daran nichts. Denn nach dem objektiven Erklärungsgehalt der Schreiben ist damit - anders als in § 87b Abs 5 S 1 SGB V aF vorgegeben - gerade keine verbindliche Rechtsfolge im Sinne der Zuweisung eines festen RLV an die Arztpraxis gesetzt worden. Die Formulierung lässt auch nicht erkennen, dass bei der Honorarabrechnung für das MVZ im Ergebnis nur die tatsächlichen Fallzahlen der einzelnen Ärzte - jeweils mit individueller Begrenzung auf das durchschnittliche RLV der jeweiligen Arztgruppe - berücksichtigt werden würden. Gegen eine dahingehende Auslegung der Schreiben spricht jedenfalls bei einer wie hier vorliegenden Tätigkeit mehrerer Ärzte im Rahmen einer vertragsarztrechtlich zulässigen Kooperationsform schon die rechtliche Vorgabe, dass das RLV nicht arztbezogen, sondern praxisbezogen zuzuweisen ist (dazu näher im Folgenden).

Im Übrigen könnte sich die Beklagte nicht auf eine möglicherweise nach Ablauf der Jahresfrist nach § 66 Abs 2 SGG eingetretene Bestandskraft berufen, wenn in den Schreiben vom Mai 2011 und 5. Juli 2011 die Zuweisung eines RLV zu erblicken wäre. Denn in den Schreiben, die keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, hat die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Berechnung des RLV die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Honorarbescheid genüge. Danach widerspräche es aber dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens, dem Begehren der Klägerin eine Bestandskraft von Zuweisungsbescheiden entgegenzuhalten (vgl dazu auch BSG, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - B 6 KA 23/17 B, juris mwN).

2.a) Rechtsgrundlage der hier maßgeblichen Regelungen zur Vergütung von Vertragsärzten ist § 87b SGB V aF. Danach sind die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der KÄV auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs 2 zu vergüten (Abs 1 S 1). Dabei sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen (Abs 2 S 1). Ein RLV in diesem Sinne ist die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge vertragsärztlicher Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist (Abs 2 S 2). Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist demgegenüber mit abgestaffelten Preisen zu vergüten (Abs 2 S 3 Halbs 1). Gemäß § 87b Abs 4 SGB V aF war dem BewA die Aufgabe übertragen, bundeseinheitliche Vorgaben für die Honorarverteilung zu treffen, welche die regionalen Partner der Honorarverteilungsvereinbarungen zu beachten hatten (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2018 - B 6 KA 2/17 R, SozR 4-2500 § 87b Nr 13 mwN).

Diesem Regelungsauftrag ist der BewA durch den im streitbefangenen Zeitraum anwendbaren Beschluss vom 26. März 2010 (im Folgenden: B-BewA 2010) nachgekommen. Damit sind die Vorgaben des ab dem Quartal I/2009 maßgebenden Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 (vgl dazu BSG aaO) im Wesentlichen unverändert fortgeschrieben worden. Nach Teil F Abschnitt I Nr 1.2.1 B-BewA 2010 waren die RLV (sowie die hier nicht relevanten QZV) für das jeweilige Abrechnungsquartal zu ermitteln. Dabei erfolgte die Ermittlung der RLV je Arzt (Teil F Abschnitt I Nr 1.2.2, "Arztbezug") unter Berücksichtigung des Umfangs seiner Tätigkeit laut Zulassungs- bzw Genehmigungsbescheid (Teil F Abschnitt I Nr 1.2.3). Die Höhe des arztbezogenen RLV ergab sich - vereinfacht dargestellt - aus der Multiplikation der RLV-Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert (Teil F Abschnitt I Nr 3.2.1 iVm Nr 2.6 und Anl 7). Demgegenüber hatte die Zuweisung des RLV nach Teil F Abschnitt I Nr 1.3.1 B-BewA 2010 praxisbezogen zu erfolgen, wobei sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der RLV der in der Praxis tätigen Ärzte ergab. Für die Honorarabrechnung war schließlich das einer Arztpraxis zugewiesene RLV (und die ggf zugewiesenen QZV) der in der Arztpraxis abgerechneten Leistungsmenge insgesamt gegenüberzustellen (Teil F Abschnitt I Nr 1.4).

b) Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben erweist sich der angefochtene Honorarbescheid als rechtswidrig, weil der Bemessung des RLV bei der hier gegebenen Sachlage keine wirksame Rechtsgrundlage zugrunde liegt (dazu unter aa). Außerdem ist es mit höherrangigem Bundesrecht nicht vereinbar, dass die Beklagte für das MVZ kein praxisbezogenes festes RLV für die abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, sondern lediglich für beide angestellten Ärzte gesonderte Obergrenzen der Honorierung in Abhängigkeit von der jeweiligen tatsächlichen individuellen Fallzahl zugrunde gelegt hat (dazu unter bb).

aa) Der B-BewA 2010 enthält keine abschließende Regelung zur arztbezogenen Ermittlung des RLV für den auch hier vorliegenden Fall, dass ein Arzt erst nach Abschluss des Vorjahresquartals in einem MVZ angestellt wird; dasselbe gilt im Übrigen für den Eintritt eines Arztes in eine BAG. Grundsätzlich ergab sich die Höhe des arztbezogenen RLV - wie im Vorstehenden ausgeführt - aus der Multiplikation der RLV-Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert (Teil F Abschnitt I Nr 3.2.1 iVm Nr 2.6 und Anl 7 B-BewA 2010). Auf der Grundlage dieser Vorschriften kann aber weder für Dr. H. noch für Dr. I. eine RLV-Fallzahl im Vorjahresquartal ermittelt werden. Denn nach Teil F Abschnitt I Nr 2.6 Buchst b S 1 B-BewA 2010 entspricht die Zahl der RLV-Fälle eines Arztes der Zahl der Behandlungsfälle gemäß S 1 der Arztpraxis multipliziert mit seinem Anteil an der RLV-relevanten Arztfallzahl der Praxis. Da keiner der beiden Ärzte im Quartal III/2010 im MVZ der Klägerin tätig war, hatte aber keiner von ihnen im Vorjahresquartal einen Anteil an der RLV-relevanten Arztfallzahl der Praxis. Dementsprechend enthält der B-BewA 2010 keine Vorgabe zur Höhe der RLV-Fallzahl eines Arztes in den ersten vier Quartalen seiner Anstellung in einem MVZ (bzw nach seinem Eintritt in eine BAG).

Insoweit oblag es den Vertragspartnern, ergänzende Regelungen zu treffen. Das folgt allerdings nicht bereits aus der Ermächtigung in Teil F Abschnitt I Nr 3.6 B-BewA 2010. Nach dieser Bestimmung hatten die Partner der Gesamtverträge Anfangs- und Übergangsregelungen für Neuzulassungen von Vertragsärzten, Praxen in der Anfangsphase und Umwandlung der Kooperationsform zu beschließen und sich insoweit über das Verfahren der Umsetzung zu einigen. Die (Neu-)Anstellung eines Arztes in einem MVZ ist eindeutig keine Neuzulassung eines Vertragsarztes; sie kann auch nicht als Umwandlung der Kooperationsform verstanden werden. Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG und der des erkennenden Senats in erster Linie auf den Wortlaut der jeweiligen vertraglichen Regelung abzustellen (vgl Senatsurteil vom 9. August 2017 - L 3 KA 76/16). Hintergrund ist, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und das vorrangig Aufgabe der Normgeber ist, ggf auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Die primäre Bindung an den Wortlaut folgt aber auch aus dem Gesamtkonzept des vertraglichen Regelwerks als eine abschließende Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung etwa durch einen Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse durch eine analoge Anwendung zulässt. Systematische Interpretation und entstehungsgeschichtliche Auslegung kommen nur bei solchen Regelungen in Betracht, deren Wortlaut unklar oder mehrdeutig ist (vgl zur Auslegungspraxis beim Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM): BSG, Urteil vom 18. August 2010 - B 6 KA 23/09 R, SozR 4-5531 Nr 7120 Nr 1; Urteil vom 15. August 2012 - B 6 KA 34/11 R, SozR 4-5540 § 44 Nr 1).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist die Anstellung eines Arztes in einem MVZ keine Umwandlung der Kooperationsform, und zwar auch dann nicht, wenn dieser Arzt an die Stelle eines zuvor im MVZ angestellten Arztes tritt. Denn durch die Anstellung bzw den personellen Wechsel ändert sich an der Kooperationsform MVZ als solcher nichts; in dieser Hinsicht ist der Wortlaut des Ermächtigungstatbestandes auch nicht unklar.

Die Notwendigkeit der Schaffung ergänzender Regelungen ist schließlich auch nicht auf die von Teil F Abschnitt I Nr 3.6 B-BewA 2010 erfassten Praxen in der Anfangsphase beschränkt. Denn ebenso wie der Eintritt eines Arztes in eine BAG kommt die Anstellung eines Arztes in einem MVZ auch nach Ablauf der von den Vertragspartnern festzulegenden Aufbauphase in Betracht. Ist dieser Zeitraum - für dessen Beginn die erstmalige Zulassung des MVZ maßgebend ist - verstrichen, kann sich die Praxis nicht durch Neuanstellung von Ärzten "verjüngen" und so die Eigenschaft als Aufbaupraxis länger als von den Vertragspartnern bestimmt oder gar durch regelmäßige Neueinstellungen "junger" Ärzte fortwährend behalten (vgl BSG Urteil vom 24. Januar 2018 - B 6 KA 23/16 R, juris). Demzufolge bedarf es einer generellen, auch für etablierte Praxen geltenden Regelung zur arztbezogenen Ermittlung des RLV in den ersten vier Quartalen nach dem Beginn der Anstellung eines Arztes im MVZ (und entsprechend nach dem Eintritt eines Arztes in eine BAG). Da der BewA eine derartige Regelung nicht geschaffen hat, durfte und musste die damit verbliebene Lücke von der Beklagten - hier über die gemeinsam mit den Kassen(verbänden) abgeschlossene NVV-Vereinbarung - geschlossen werden, weil die sich aus § 85 Abs 4 SGB V ergebenden Befugnisse der KÄV gemäß § 87b Abs 5 S 3 SGB V aF (im Gesetz sind nur beispielhaft die Bestimmung von Abrechnungsfristen und -belegen sowie zur Verwendung von Vergütungsanteilen für Verwaltungsaufwand genannt) durch § 87b SGB V aF unberührt bleiben.

Eine derartige Regelung zur Bemessung des RLV enthält Teil A Nr 5 NVV-Vereinbarung 2011 für den Fall, dass ein Arzt neu in eine bestehende Praxis hinzutritt. Nach S 4 Halbs 1 der Vorschrift gelten in diesem Fall S 1 und 2; dies gilt nach S 4 Halbs 2 nicht für den Fall, dass sich aus der bisherigen Arztfallzahl des hinzutretenden Arztes ein höheres RLV ergäbe. Ein "höheres RLV" in diesem Sinne macht allerdings weder die Klägerin geltend noch liegen dafür von Amts wegen zu berücksichtigende Anhaltspunkte vor. Auch scheidet eine Anwendung von S 2 der Vorschrift aus, weil die Klägerin von der dort vorgesehenen Möglichkeit eines Antrags auf Gewährung der "Vorjahresfallzahl der bisherigen Praxis" keinen Gebrauch gemacht hat.

Danach greift im vorliegenden Fall die Verweisung auf Teil A Nr 5 S 1 NVV-Vereinbarung 2011. Diese Vorschrift enthält jedoch keine inhaltlich hinreichend bestimmte Regelung zur Höhe des RLV eines MVZ, bei dem ein Arzt (oder wie hier: mehrere Ärzte) erst ab einem nach dem Vorjahresquartal liegenden Zeitpunkt angestellt worden sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG lässt sich der Formulierung "wird maximal das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen zugebilligt" nicht entnehmen, dass der Ermittlung des RLV in derartigen Fällen grundsätzlich die tatsächlichen Fallzahlen des einzelnen Arztes zugrunde gelegt werden. Richtig ist nur, dass der Begriff "maximal" das RLV im Sinne einer oberen Grenze beschränkt; der Begriff ist aber nicht gleichbedeutend mit den "tatsächlichen Fallzahlen" und lässt auch ansonsten nicht erkennen, wie das RLV unter den vorliegenden Bedingungen zu bemessen sein könnte. Die Vorschrift enthält hierfür auch ansonsten keine weitergehenden Vorgaben. Ebenso wenig kann die Formulierung im Sinne der Auffassung der Klägerin interpretiert werden, wonach stets das arztgruppendurchschnittliche RLV Anwendung finden soll, sofern nicht die tatsächlichen Fallzahlen im Vorjahresquartal höher lagen als im Arztgruppendurchschnitt. Denn einem solchen Normverständnis steht entgegen, dass das Wort "maximal" nachträglich eingefügt worden ist und auch von seinem Bedeutungsgehalt her eine Obergrenze, nicht aber einen fixen Wert markiert. Dementsprechend ist die Formulierung, dass maximal das arztgruppendurchschnittliche RLV zugebilligt wird, im Ergebnis inhaltsleer und damit unbestimmt, sodass die von der Regelung Betroffenen die daraus resultierende Rechtslage nicht konkret erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (vgl dazu BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 - B 6 KA 84/03 R, juris). Ob für die Anwendung der Norm in den ersten vier Quartalen ab Zulassung eines in Einzelpraxis tätigen Vertragsarztes - dessen arztbezogenes RLV und praxisbezogen zuzuweisendes RLV identisch sind - etwas Anderes gelten kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ist die Regelung in Bezug auf vertragsarztrechtlich zulässige Kooperationen wie einem MVZ nicht hinreichend bestimmt und damit nichtig.

Es kommt danach nicht entscheidend darauf an, dass das RLV bei Zugrundelegung der tatsächlichen Leistungsanforderung eines einzelnen oder mehrerer angestellter Ärzte eines MVZ im Abrechnungsquartal auch von vornherein nicht der (auch der Kalkulationssicherheit dienenden) bundesgesetzlichen Vorgabe in § 87b Abs 5 S 1 SGB V aF entsprechend rechtzeitig vor dem Abrechnungsquartal zugewiesen werden könnte, weil die tatsächlichen Fallzahlen erst mit dem Abschluss des Abrechnungsquartals bekannt sind. Eine "Zuweisung" des RLV erst nach Abschluss des Quartals im Honorarbescheid ist nicht vorgesehen und wäre auch mit den gesetzgeberischen Zielen der Festlegung von RLV nicht zu vereinbaren.

Für die Bemessung des RLV des MVZ der Klägerin im Quartal III/2011 liegt danach keine ausreichende Rechtsgrundlage vor. Schon aus diesem Grund erweist sich der Honorarbescheid als rechtswidrig; insoweit wird die Beklagte nach einer Anpassung der NVV-Vereinbarung 2011 an die Rechtsauffassung des Senats die Klägerin hinsichtlich des Honoraranspruchs des MVZ in diesem Quartal neu zu bescheiden haben. Bei der Anpassung der NVV-Vereinbarung 2011 wird insbesondere eine Regelung zu treffen sein, welche Fallzahl der arztbezogenen Ermittlung des RLV eines angestellten Arztes eines MVZ in den ersten vier Quartalen seiner Anstellung im MVZ zugrunde zu legen ist. Dabei steht den Vertragspartnern als Normgeber ein Gestaltungsspielraum zu, den auch die Gerichte zu respektieren haben; nähere Vorgaben für den Inhalt der Neuregelung durch den Senat kommen demzufolge nicht in Betracht.

Lediglich ergänzend weist der Senat auf die Rechtsprechung des BSG hin, wonach im Fall der (hier nicht gegebenen) Vergrößerung einer BAG durch den Eintritt eines Arztes im ersten Jahr nach dem Eintritt das RLV für die Praxis nicht allein nach deren (Gesamt-)Fallzahl im Vorjahresquartal berechnet werden darf; vielmehr muss in einem solchen Fall eine zusätzliche Fallzahl für das neu eintretende Mitglied berücksichtigt werden (vgl BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 - B 6 KA 44/12 R, SozR 4-2500 § 87b Nr 2). Das kann beispielsweise durch eine Erhöhung der Fallzahl der BAG entsprechend dem Personenzuwachs in der BAG oder durch Hinzurechnung der vom Eintretenden zuvor erbrachten Fallzahlen erfolgen, wobei dies normativ-schematisch vorgegeben oder an der Gestaltung des konkreten Falles ausgerichtet werden kann (vgl BSG aaO). Unabhängig davon, ob mit dem Eintritt eines Arztes in eine Praxis ein Personenzuwachs oder nur eine Änderung der personellen Zusammensetzung der BAG verbunden ist, spricht aus Sicht des Senats aber auch nichts dagegen, den Begriff "maximal" in Teil A Nr 5 S 1 NVV-Vereinbarung 2011 wieder zu streichen und für den neu eintretenden Arzt das arztgruppendurchschnittliche RLV zu berücksichtigen; das entspräche auch der ursprünglichen (Auffang-) Regelung in Teil F Nr 3.5 des Beschlusses des BewA vom 27./28. August 2008. Nichts anderes kann für das erste Jahr der Anstellung eines zusätzlichen Arztes in einem MVZ gelten. Ab dem fünften Quartal der Anstellung des Arztes im MVZ (bzw nach dem Eintritt eines Arztes in eine BAG) ist grundsätzlich die verbindliche Vorgabe des B-BewA 2010 zu beachten, also die Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal zugrunde zu legen; insoweit bedarf es einer Regelung der Vertragspartner auf regionaler Ebene nicht. Weiterhin wird die neue Regelung aber die Vorgaben aus der Rechtsprechung des BSG zur Honorierung von Ärzten in der Aufbauphase (vgl dazu Urteile vom 24. Januar 2018 aaO) zu beachten haben.

bb) Unabhängig von der fehlenden Rechtsgrundlage ist die Vorgehensweise der Beklagten zur Bemessung des RLV auch insoweit mit höherrangigem Bundesrecht unvereinbar, als für das MVZ kein praxisbezogenes festes RLV für die abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, sondern lediglich für beide angestellten Ärzte gesonderte Obergrenzen der Honorierung in Abhängigkeit von der jeweiligen tatsächlichen individuellen Fallzahl zugrunde gelegt worden ist. Nach den bereits angeführten und für die Gesamtvertragspartner verbindlichen Vorgaben des B-BewA 2010 hatte die Zuweisung der RLV praxisbezogen zu erfolgen. Steht der Honoraranspruch einer aus mehreren Ärzten bestehenden Arztpraxis - in Gestalt einer der vertragsarztrechtlich zulässigen Kooperationsformen - zu, muss danach zwingend dieser Praxis ein festes RLV zugeordnet werden. Die bundesrechtlich geforderte Zuweisung eines einheitlichen RLV an eine von mehreren Ärzten gebildete Arztpraxis (BAG, MVZ) hat zur Folge, dass innerhalb dieser Arztpraxis bei Beachtung der Fachgebietsgrenzen sowie qualifikationsgebundener Genehmigungen zur Leistungserbringung - die hier insbesondere in Bezug auf die Tätigkeit von Dr. H. nicht im Streit steht - weitgehende Flexibilität herrscht (vgl BSG, Urteil vom 24. Januar 2018 - B 6 KA 2/17 R aaO). Das gilt uneingeschränkt auch für den hier gegebenen Fall einer fachgebietsübergreifenden Praxis, für die der BewA insoweit keine Sonderregelungen zur praxisbezogenen Zuweisung von RLV geschaffen hat. Die Vertragspartner sind auch nicht ermächtigt worden, eine vom Beschluss des BewA vom 26. März 2010 abweichende Regelung für fachgebietsübergreifende Praxen zu vereinbaren, und eine derartige Vereinbarung haben die Vertragspartner in Niedersachsen auch tatsächlich nicht getroffen.

Die Beklagte hat dem MVZ der Klägerin aber keinen festen Wert eines praxisbezogenen RLV zugewiesen, sondern bei der Ermittlung des dem MVZ zustehenden Honorars jeweils nur die tatsächliche Fallzahl des einzelnen Arztes im Abrechnungsquartal bis zu einer individuellen Obergrenze (in Höhe des durchschnittlichen RLV der jeweiligen Arztgruppe) berücksichtigt. Das entspricht im Ergebnis einer arztbezogenen Zuweisung von RLV und verstößt gegen die auch hier zu beachtende bundesrechtliche Vorgabe, dass RLV zur Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit einer aus mehreren Ärzten bestehenden Arztpraxis der Praxis als solcher zuzuweisen sind. Denn mit dieser Vorgabe ist es nicht vereinbar, wenn die Partner der Gesamtverträge das wesensprägende Kernelement der Zuweisung von RLV an die Arztpraxis beseitigen. Das hat das BSG entschieden für den Fall des Eintritts eines weiteren Arztes in eine BAG, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung von Sonderregelungen zugunsten einer Aufbaupraxis vorliegen (vgl dazu BSG aaO). Nichts Anderes gilt im Fall der Anstellung eines Arztes in einem MVZ, und zwar unabhängig davon, ob das MVZ für diesen Arzt einen Aufbaustatus geltend machen kann oder nicht. Denn die bundesrechtliche Vorgabe differenziert gerade nicht zwischen Praxen im Aufbaustatus und etablierten Praxen; in beiden Fällen ist das RLV der Praxis zuzuweisen.

Wenn die Beklagte danach im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Verrechnung von RLV-Anteilen innerhalb einer Praxis einwendet, dass es in der vorliegenden Konstellation zu Verschiebungen zwischen den versorgungsbereichsspezifischen Verteilungsvolumina (vgl Teil F Abschnitt I Nr 3.1.1 des Beschlusses des BewA) käme, wenn dem MVZ auch für Dr. I. ein über dessen tatsächliche Leistungsanforderung hinausgehendes RLV zugewiesen würde, rechtfertigt das keine andere Entscheidung. Wenn es überhaupt zu solchen Verschiebungen kommt (und nicht nur zu einer Vergrößerung der Menge der erbrachten und abgerechneten Leistungen, die aus dem arztgruppenspezifischen Verteilungsvolumen (Teil F Abschnitt I Nr 3.1.3) der Gruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten sind), wäre das eine Folge des Umstands, dass der insoweit als Normgeber zuständige BewA keine differenzierten Regelungen für fachgleiche Praxen einerseits und fachgebietsübergreifende Praxen andererseits geschaffen hat; danach ist auch bei fachgebietsübergreifenden Praxen wie dem MVZ der Klägerin das zugewiesene (bzw zuzuweisende) RLV der von der Arztpraxis abgerechneten Leistungsmenge insgesamt gegenüberzustellen (Teil F Abschnitt I Nr 1.4 B-BewA 2010). Von diesen verbindlichen Vorgaben des BewA dürfen die Vertragspartner auf regionaler Ebene aber nicht abweichen.

Soweit die Beklagte zur Begründung ihrer Auffassung schließlich auf das Risiko eines Gestaltungsmissbrauchs hinweist, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Dabei kann die Geltendmachung von Ansprüchen auf der Grundlage der bestehenden rechtlichen Vorgaben allein noch keinen Gestaltungsmissbrauch begründen. Dafür reicht im vorliegenden Einzelfall auch der Umstand, dass Dr. I. im ersten Quartal seiner Anstellung im MVZ offenbar so gut wie gar keine Leistungen erbracht hat, für sich genommen nicht aus. Denn es ist von der Beklagten weder ermittelt noch dargelegt worden, welche Gründe zu der außerordentlich geringfügigen Leistungsanforderung des Arztes geführt haben. Denkbar ist aber, dass der neu eingestellte Arzt seine Tätigkeit im MVZ erst zum Ende des streitbefangenen Quartals aufgenommen hat; ferner sind vorübergehende Verhinderungen wegen Weiterbildung, Urlaubs oder Erkrankung möglich. Ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch im Einzelfall sieht sich der Senat aber nicht veranlasst, insoweit ins Blaue hinein Ermittlungen durchzuführen. Im Übrigen rechtfertigt das allgemeine Risiko eines Gestaltungsmissbrauchs keine generelle Abweichung von verbindlichen Vorgaben des BewA. Ein tatsächlicher Gestaltungsmissbrauch kann im Einzelfall jedoch eine sachlich-rechnerische Richtigstellung nach sich ziehen, etwa wenn ein Mitglied einer BAG oder ein angestellter Arzt eines MVZ tatsächlich überhaupt nicht oder allenfalls in geringfügigem Maße in der Praxis tätig ist (vgl dazu etwa Senatsurteil vom 28. Februar 2018 - L 3 KA 29/15 mwN). Das ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, und dafür reicht das von der Beklagten dargelegte Indiz einer geringfügigen Leistungsanforderung eines Arztes in dessen ersten Anstellungsquartal wie ausgeführt nicht aus.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm den §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).