Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.12.2018, Az.: L 2 BA 39/18
Beitragshinterziehung; Beitragspflicht; dolus eventualis; Gesellschafter-Geschäftsführer; Säumniszuschlag; sicheres Wissen; Verschulden; Vorsatz
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 19.12.2018
- Aktenzeichen
- L 2 BA 39/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74035
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 18.04.2018 - AZ: S 47 R 406/16
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Auslegung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV hat sich auch an der verfassungsrechtlichen Zielvorgabe zu orientieren, wonach der Gesetzgeber effektive Maßnahmen zu ergreifen hat, um Benachteiligungen von sich rechtstreu verhaltenen Unternehmen zu vermeiden.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerinnen wenden sich gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid der Beklagten vom 19. Februar 2016, wobei im vorliegenden Berufungsverfahren unter Berücksichtigung des Trennungsbeschlusses des Senates vom 24. August 2018 noch die statusrechtliche Einordnung der Klägerin zu 2. als Geschäftsführerin der in der Rechtsform einer GmbH geführten Klägerin zu 1. und die daran anknüpfende Erhebung von Beiträgen zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung im Zeitraum 22. Mai bis 31. Dezember 2014 in einer Gesamthöhe von 10.603,02 € zuzüglich 1.608 € Säumniszuschläge zugunsten der zu 1. beigeladenen Krankenkasse als Einzugsstelle im Streit stehen.
Die Klägerin zu 1. ist 1994 von dem Kaufmann K. L., dem Ehemann der 1957 geborenen Klägerin zu 2., gegründet worden. Dieser hielt im Zeitpunkt seines Todes 90 % der Anteile der Klägerin zu 1; die restlichen 10 % standen der Klägerin zu 2. zu. Nach seinem Tode wurden die Anteile des Ehemanns zunächst von einer Erbengemeinschaft bestehend aus der Klägerin zu 2. als Ehefrau, den beiden Söhnen M. (geboren 1983) und N. (geboren 1984) und – bis zu ihrem Tod im Jahr 2006 – der Tochter der Eheleute gehalten. Die beiden Söhne hatten ihre Mutter, d.h. die Klägerin zu 2., seinerzeit bevollmächtigt, die Interessen der Erbengemeinschaft wahrzunehmen.
Zu Geschäftsführern der Klägerin zu 1. waren die Klägerin zu 2. sowie ein Fremdgeschäftsführer (der von Seiten der Klägerin als abhängig Beschäftigter zur Sozialversicherung gemeldet worden ist) bestellt. Der zwischen der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. am 30. Oktober 1997 abgeschlossene Geschäftsführervertrag sah ein (in monatlichen Raten von 45.000 DM zu zahlendes) Jahresbruttogehalt von 540.000 DM (welches mit Änderungsvertrag vom 26. Februar 1999 auf 594.000 DM erhöht worden war) vor. Nach § 3 des Vertrages hatte die Klägerin zu 2. ihre Arbeitskraft der Klägerin zu 1. zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin zu 1. verpflichtete sich des Weiteren insbesondere zur Gewährung einer jährlichen gewinnabhängigen Tantieme, zur Bereitstellung eines auch zu privaten Zwecken zur Verfügung stehenden Dienstwagens („der Oberklasse“), zur Übernahme der „Arbeitgeberanteile zur Krankenversicherung“ und zur Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen (§ 5 Abs. 3 des Vertrages). Der Klägerin zu 2. standen jährlich 30 Arbeitstage bezahlten Urlaubs zu (§ 7 des Vertrages). Im Krankheitsfall war ihr Gehalt für sechs Monate fortzuzahlen (§ 5 Abs. 6 des Vertrages).
Der Sohn Nicolas stand seit dem 16. Januar 2012 als „Assistent der Geschäftsleitung“ in einem Arbeitsverhältnis (abgeschlossen worden ist explizit ein „Arbeitsvertrag“) mit der O., einer Tochterfirma der Klägerin zu 1. Vereinbart war ein Jahresgehalt von 40.800 €. In diesen Vertrag ist aufgrund des Änderungsvertrages vom 4. Juli 2012 die Klägerin zu 1. als neue Arbeitgeberin eingetreten.
Mit Wirkung vom 22. Mai 2014 vereinbarten die Mitglieder der Erbengemeinschaft im Zuge der vorgesehenen Regelungen zur Unternehmensnachfolge eine Neuaufteilung der Gesellschaftsanteile, in deren Zuge die Klägerin zu 2. schenkungsweise Teile ihrer Anteile auf den Sohn N. übertragen hat. Seitdem halten der Sohn N. 55,75 % der Anteile, der Alexander 18,75 % und die Klägerin zu 2. 25,5 %.
Der Sohn Alexander, nicht aber der Sohn N., hat weiterhin die Klägerin zu 2. zur Wahrnehmung seiner Interessen in der Gesellschaft bevollmächtigt.
Die Geschäftsführung der Klägerin zu 1. wurde zunächst unverändert von der Klägerin zu 2. und dem Fremdgeschäftsführer wahrgenommen. Am 2. September 2015 wurde für den Sohn und Hauptgesellschafter N. L. eine Einzelprokura und am 3. Februar 2016 seine Bestellung zum Geschäftsführer eingetragen.
Auf der Basis einer nach § 28p SGB IV durchgeführten Betriebsprüfung hat die Beklagte mit Bescheid vom 19. Februar 2016 zulasten der Klägerin zu 1. rückständige Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 15.763,99 € (einschließlich 2.307 € Säumniszuschläge) festgestellt.
Diese Beträge verteilten sich auf folgende drei Teilkomplexe:
1. Die Klägerin zu 1. hat für die Tätigkeit des Sohnes N. im Zeitraum Juli 2012 bis 21. Mai 2014 zwar Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung, nicht jedoch die sog. Umlage U1 abgeführt. Die rückständigen Umlagebeiträge für diesen Zeitraum hat die Beklagte in Höhe von 2.330,61 € zuzüglich 699 € Säumniszuschläge (wobei entsprechende Säumniszuschläge nur bezogen auf den Zeitraum bis Juni 2014 festgesetzt worden sind; vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen zu Erstattungsansprüchen der Klägerin gegenüber der TKK aus dem Beschäftigungszeitraum ab dem 22. Mai 2014) ermittelt. Einzugsstelle für diese Umlage ist die TKK.
2. Nach § 37b EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten (Nr. 1) betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden, und (Nr. 2) Geschenke im Sinne des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 EStG, die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 Prozent erheben. Von dieser steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit hatte die Klägerin zu 1. bezüglich folgender Beträge Gebrauch gemacht: 2012 in Höhe von 1.008,40 €, 2013 in Höhe von 150 € und 2014 in Höhe von 76,33 €. Da es sich dabei aus Sicht der Beklagten um beitragspflichtige Einkünfte handelte, wurde die Klägerin zu 1. bezüglich der genannten Beträge im Rahmen eines sog. Summenbescheides zur Nachrichtung von Beiträgen zu allen Zweigen der Sozialversicherung zugunsten der KKH als Einzugsstelle in einer Gesamthöhe von 523,36 € herangezogen.
3. Des Weiteren hat die Beklagte ausgehend von der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. im Zeitraum ab dem 22. Mai 2014 (bis zum Ende des Prüfzeitraums am 31. Dezember 2014) die Klägerin zu 1. zur Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (zuzüglich Umlagen U1, U2 und UI) in einer Gesamthöhe von 10.603,02 € (zuzüglich 1.608 € Säumniszuschläge) herangezogen. Einzugsstelle für diese Beiträge ist die beigeladene Krankenkasse hkk Erste Gesundheit.
Neben der dargelegten Nachforderung rückständiger Beiträge zur Sozialversicherung in der erläuterten Höhe von 15.763,99 € (einschließlich 2.307 € Säumniszuschläge) setzte die Beklagte in diesem Bescheid zugleich eine Erstattungsforderung der Klägerin zu 1. gegenüber der TKK in Höhe von 9.765,26 € fest, da sie zu der Auffassung gelangt war, dass der Sohn Nicolas Gallenkamp seit der Übernahme der Mehrheit der Gesellschaftsanteile zum 22. Mai 2014 nicht mehr in einem sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin zu 1. stand, wohingegen die Klägerin zu 1. für N. L. im Zeitraum 22. Mai bis 31. Dezember 2014 unter der Annahme einer abhängigen Beschäftigung noch Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung entrichtet hatte. Bezüglich der erforderlichen Durchführung der Erstattung wurde die Klägerin zu 1. aufgefordert, sich an die dafür zuständige Einzugsstelle zu wenden.
Mit weiterem Bescheiden vom 19. Februar 2016 stellte die Beklagte noch einmal gesondert fest, dass die Klägerin zu 2. seit dem 22. Mai 2014 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin zu 1. stand und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung (unter Einschluss einer Beitragspflicht zu den Umlagekassen U1 und U2 sowie zur Insolvenzgeld-Umlage) unterlag.
Mit einem dritten Bescheid vom 19. Februar 2016 stellte die Beklagte ferner fest, dass Nicolas Gallenkamp seit dem 22. Mai 2014 nicht mehr in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin zu 1. stand.
Mit Widerspruch vom 8. März 2016 beantragten die Klägerinnen die „Aufhebung der in dem oben angegebenen Bescheid vorgenommenen versicherungsrechtlichen Beurteilung von Frau P. als abhängig Beschäftigte seit dem 22. Mai 2014“. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 04. Juli 2016 zurück.
Zur Begründung der am 01. August 2016 gegen „die angefochtenen Bescheide vom 19. Februar 2016“ gerichteten Klage haben die Klägerinnen geltend gemacht, dass sich an der Tätigkeit der Klägerin zu 2. als „einzig beherrschende Gesellschaftergeschäftsführerin“ zum 22. Mai 2014 nichts geändert habe. Änderungen habe es nur im Hinblick auf ihre Kapitalbeteiligung an der Klägerin zu 1. gegeben.
Sie beeinflusse aber weiterhin maßgeblich die Geschickte der Klägerin zu 1.
Die Klägerin zu 1. habe das Recht zur vollkommen freien Arbeitseinteilung; sie sei nicht in eine vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Im Zuge der schenkungsweise vorgenommenen Übertragen der Anteile auf ihren Sohn N. habe sie sich überdies das Recht vorbehalten (vgl. auch Schriftsatz vom 1. August 2018), im Rahmen eines Nießbrauches in den nachfolgenden zehn Jahren das Gewinnbezugsrecht für 62,5 % der Gesellschaftsanteile ausüben zu dürfen. Mit einer am 8. April 2016 im Handelsregister eingetragenen (in der Gesellschafterversammlung am 7. April 2016, Bl. 263 ff. Gerichtsakte, beschlossenen) Änderung der Satzung sei ihr nunmehr überdies ein Vetorecht zugesichert worden.
Auch vor dieser Änderung des Gesellschaftsvertrages sei ihre Abberufung als Geschäftsführerin im Ergebnis schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil eine solche Kündigung als eine gegen die Klägerin zu 2. als Schenkerin gerichtete schwere Verfehlung zu werten gewesen wäre. Mit einer solchen Kündigung hätte der Sohn als nunmehriger Hauptgesellschafter die gemeinsam mit seiner Mutter, der Klägerin zu 2., vorgenommenen Planungen zur Unternehmensnachfolge letztlich vollständig auf den Kopf gestellt.
Im Handelsregister wurde allerdings am 16. Januar 2017 die Abberufung der Klägerin zu 2. als Geschäftsführerin der Klägerin zu 1. eingetragen.
Mit Urteil vom 18. April 2018, den Klägerinnen zugestellt am 7. Mai 2018, hat das Sozialgericht Osnabrück die Klage abgewiesen. Die Klägerin zu 2. sei an Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden gewesen. Mit ihrer im maßgeblichen Zeitraum ab dem 22. Mai 2014 nur bestehenden Minderheitsbeteiligung habe sie keine ihr nicht genehmen Weisungen verhindern können.
Mit der am 15. Mai 2018 eingelegten Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter. Die Betriebsstätten der Q. -Gruppe, zu der auch die Klägerin zu 1. gehöre, stünden überwiegend im Eigentum einer R. GmbH, deren Alleingesellschafterin die Klägerin zu 2. sei. Auch ihr Arbeitsplatz als Geschäftsführerin der Klägerin zu 1. an deren Firmensitz befinde sich in einem der R. GmbH gehörenden Gebäude. Ein als Arbeitnehmer ohne Geschäftsführungsbefugnisse mitarbeitender Mehrheitsgesellschafter, wie dies bei ihrem Sohn Nicolas im Zeitraum ab dem 22. Mai 2014 festzustellen gewesen sei, habe aufgrund seiner Gesellschafterstellung auch gar nicht die Befugnis, der Geschäftsführerin Weisungen im Tagesgeschäft zu erteilen.
Zudem habe die Klägerin zu 2. insbesondere auch im Hinblick auf ihre damit verbundenen Tantiemenansprüche ein eigenes großes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin zu 1. gehabt. Sie sei nach außen hin unternehmerisch am Markt aufgetreten.
Da sie die weiteren Gesellschaftsanteile auf ihren Sohn N. – im Interesse einer langfristig ausgerichteten Regelung der Unternehmensnachfolge und zugleich mit der Zielrichtung einer Optimierung der erbschaftssteuerrechtlichen Belastungen - im Wege der Schenkung übertragen habe, habe sie ihr nicht genehme Weisungen jedenfalls nach Schenkungsrecht unter Berücksichtigung der mit einem sog. groben Undank verbundenen Rechtsfolgen verhindern können. Wer als Beschenkter das Ziel verfolge, den Schenker aus der Unternehmensleitung zu verdrängen, laufe Gefahr, dass die Schenkung nach § 530 Abs. 1 BGB wegen groben Undanks widerrufe werde. Ohnehin würden die Befugnisse von Mehrheitsgesellschaftern bereits durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht und das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens eingeschränkt.
Jedenfalls sei der Klägerin zu 1. kein Verschulden an der Nichtabführung der nunmehr festgesetzten Sozialversicherungsbeiträge vorzuhalten.
Mit Trennungsbeschluss vom 24. August 2018 hat der Senat folgende Teilstreitgegenstände abgetrennt:
a) Soweit die Klägerin zu 1. mit Beitragsnacherhebungsbescheid vom 19. Februar 2016 für die Tätigkeit des Sohnes N. im Zeitraum Juli 2012 bis 21. Mai 2014 zur Zahlung rückständiger Umlagebeiträge in Höhe von 2.330,61 € zuzüglich 699 € Säumniszuschläge (Einzugsstelle für diese Umlage ist die TKK) herangezogen worden ist, ist das Verfahren abgetrennt worden und wird unter dem Aktenzeichen L 2 BA 66/18 fortgeführt.
b) Soweit die Klägerin zu 1. mit Beitragsnacherhebungsbescheid vom 19. Februar 2016 im Rahmen eines sog. Summenbescheides zur Nachrichtung von Beiträgen zu allen Zweigen der Sozialversicherung zugunsten der KKH als Einzugsstelle in einer Gesamthöhe von 523,36 € herangezogen worden ist, weil sie betrieblich veranlasste Zuwendungen an abhängig Beschäftigte zwar nach § 37b EStG pauschal versteuert, nicht aber verbeitragt hat, ist das Verfahren abgetrennt worden und wird unter dem Aktenzeichen L 2 BA 65/18 fortgeführt.
Anknüpfend an Ihren Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sich der Regelungsgegenstand des Bescheides von Februar 2016 betreffend die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Geschäftsführerin T. (Bl. 193 ff. Verwaltungsvorgänge) nur auf den Zeitraum vom 22. Mai bis zum 31. Dezember 2014 beziehen soll.
Die Klägerinnen beantragen,
unter entsprechender Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Osnabrück vom 18. April 2018 den die Klägerin zu 2. betreffenden Statusfeststellungsbescheid der Beklagten vom 19. Februar 2016 sowie den Beitragsnacherhebungsbescheid der Beklagten vom 19. Februar 2016, soweit mit diesem Beiträge, Umlagen und Säumniszuschläge aufgrund der Tätigkeit der Klägerin zu 2. als abhängig Beschäftigte der Klägerin zu 1. festgesetzt worden sind, jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte, der Gerichtsakten aus den abgetrennten Verfahren L 2 BA 65 und 66/18 und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
1. Von einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen trotz ordnungsgemäßer Ladung (und nach vorsorglichem Hinweis des Senates vom 17. Dezember 2018, wonach an dem vorgesehenen Verhandlungstermin festgehalten werde) abgesehen; entsprechend den Hinweisen in der Terminsmitteilung hat der Senat ungeachtet des Ausbleibens der Klägerinnen in der Sache verhandelt und entschieden ((vgl. Keller in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 126, Rn. 4).
2. Die von den Klägerinnen mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 erhobene Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs geht ins Leere. Die Klägerinnen rügen insoweit, dass der Senat, der das von den Klägerinnen mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2018 geltend gemachten Ablehnungsgesuch gegen den Senatsvorsitzenden mit (ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters gefasstem) Beschluss vom 18. Dezember 2018 für unbegründet erklärt habe, versäumt habe, ihnen vor dieser Entscheidung den Inhalt einer dienstlichen Äußerung des Senatsvorsitzenden zur Kenntnis zu geben.
Eine entsprechende dienstliche Äußerung ist jedoch schon nicht abgegeben und dementsprechend vom Senat bei Erlass des Beschlusses vom 18. Dezember 2018 auch nicht berücksichtigt worden; dieser stützt sich vielmehr allein auf das Vorbringen zur Begründung des Ablehnungsgesuchs und den den Klägerinnen ohnehin bekannten Akteninhalt.
Der betroffene Richter hat im Ablehnungsverfahren lediglich die Stellung einer Auskunftsperson vergleichbar einem Zeugen (vgl OLG Köln, Beschluss vom 30.12.2008, 2 W 127/08, JMBl NW 2009, 89). Dienstliche Äußerungen nach § 44 Abs. 3 ZPO haben allein der Tatsachenfeststellung zu dienen; von einer inhaltlichen Würdigung des Ablehnungsgesuchs hat der abgelehnte Richter ohnehin grundsätzlich Abstand zu nehmen (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 – V ZR 8/10 –, NJW-RR 2012, 61; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – III ZA 12/17 –, juris).
Eine Stellungnahme ist dementsprechend von vornherein verzichtbar, wenn sie – wie im vorliegenden Zusammenhang - zur weiteren Aufklärung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch relevanten Sachverhaltes nicht erforderlich ist (vgl BFH, Beschluss vom 14.08.2007, XI S 13/07, BFH/NV 2007, 2139; BSG, Beschluss vom 29.03.2007, B 9a SB 18/06 B; BVerwG, Beschluss vom 8. März 2006 - 3 B 182.05 - juris; BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2015 – 5 PKH 12/15 D – juris).
3. Nachdem die Beklagte im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV zu der Einschätzung gelangt war, dass die Klägerin zu 2. ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin der Klägerin zu 1. im Zeitraum ab dem 22. Mai 2014 im Rahmen einer abhängigen und – bezogen auf die gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung – beitragspflichtigen Beschäftigung ausgeübt hat, hat sie diese Versicherungspflicht in dem die Klägerin zu 2. betreffenden Statusfeststellungsbescheid vom 19. Februar 2014 festgestellt und daran anknüpfend mit Beitragsnacherhebungsbescheid vom gleichen Tage die Klägerin zu 1. ausgehend von der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen ihr und der Klägerin zu 2. im Zeitraum ab dem 22. Mai 2014 (bis zum Ende des Prüfzeitraums am 31. Dezember 2014) zur Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (zuzüglich Umlagen U1, U2 und UI) in einer Gesamthöhe von 10.603,02 € (zuzüglich 1.608 € Säumniszuschläge) herangezogen. Gegen die entsprechenden Regelungen in beiden Bescheiden richtete sich sinngemäß der Widerspruch der Klägerinnen vom 8. März 2016, den die Beklagte bezogen auf beide Ausgangsbescheide mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2016 zurückgewiesen hat.
Die für die Klägerin zu 1. günstige Festsetzung einer Erstattungsforderung aufgrund der aus Sicht der Beklagten rechtsirrtümlichen Abführung von Beiträgen für den Zeitraum vom 22. Mai bis 31. Dezember 2014 für den (im vorliegenden Verfahren vorsorglich zu 6. beigeladenen) Sohn der Klägerin zu 2. und (seit dem 22. Mai 2014) Hauptgesellschafter der Klägerin zu 1. wird von den Klägerinnen nicht angefochten; dementsprechend haben sie mit Schriftsatz vom 27. November 2018 klargestellt, dass der den Beigeladenen zu 6. betreffende Statusfeststellungsbescheid vom 19. Februar 2014 nicht zu den im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheiden vom 19. Februar 2014 zählt.
Soweit der Beitragsnacherhebungsbescheid vom 19. Februar 2014 Verpflichtungen der Klägerin zu 1. zur Nachentrichtung von Beiträgen bzw. Umlagen aus anderen Rechtsgründen als der von der Beklagten geltend gemachten Beschäftigung der Klägerin zu 2. im Zeitraum vom 22. Mai bis 31. Dezember 2014 feststellt, sind diese unter Berücksichtigung des vorstehend erläuterten Trennungsbeschlusses vom 24. August 2018 nicht im vorliegenden Verfahren, sondern in den abgetrennten Verfahren L 2 R 65 und 66/18 zu prüfen, in denen die Klägerinnen ihre zunächst eingelegte Berufung inzwischen zurückgenommen haben (vgl. den Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2018 in den Verfahren L 2 R 65/18 und 66/18).
Bezüglich des die Klägerin zu 2. betreffenden Statusfeststellungsbescheides hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sich der Regelungsgegenstand dieses Bescheides von Februar 2016 (Bl. 193 ff. Verwaltungsvorgänge) nur auf den Zeitraum vom 22. Mai bis zum 31. Dezember 2014 beziehen soll. Soweit sich dieser Bescheid nach seinem Wortlaut ursprünglich eine Regelungsdauer auch über den 31. Dezember 2014 hinaus beigemessen hat, hat die Beklagte ihn mit dieser Erklärung korrigiert, so dass angesichts der Teilaufhebung dieses Bescheides für die Regelungszeiträume ab Januar 2015 dieser im vorliegenden Berufungsverfahren nur noch für den aufrecht erhalten gebliebenen Regelungszeitraum vom 22. Mai bis zum 31. Dezember 2014 zu überprüfen ist.
4. In der Sache hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. aufgrund ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der Klägerin zu 1. im streitbetroffenen Zeitraum vom 22. Mai bis 31. Dezember 2014 in einem abhängigen und der Beitragspflicht zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (einschließlich der Pflicht zur Abführung der Umlagen U1, U2 und UI) unterliegenden Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV gestanden hat, wobei mit dem angefochtenen Beitragsnacherhebungsbescheid ohnehin nur die Klägerin zu 1. (und nicht auch die Klägerin zu 2. persönlich) zur Nachentrichtung von Beiträgen zur Sozialversicherung herangezogen worden ist (mit denen im Ergebnis insbesondere Rentenanwartschaften zugunsten der Klägerin zu 2. begründet werden).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, U.v. 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20).
Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 vH der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 5/16 R –, Rn. 16, juris mwN).
Es ist im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, die Frage der Versicherungspflicht bzw. fehlender Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit schon zu Beginn der Tätigkeit (bzw. zum Zeitpunkt des Eintritts einer wesentlichen Veränderung, wie etwa zum Zeitpunkt eines Verlustes der bislang innegehabten Kapitalmehrheit) zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann. Gerade dieses Postulat der Vorhersehbarkeit ist es, dass das Recht der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung prägt und von Wertungen des - an ganz anderen praktischen Bedürfnissen ausgerichteten - Gesellschaftsrechts unterscheidet (BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 28 mwN).
Dementsprechend nimmt die Rechtsprechung bei Geschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung an (solange sie nicht jedenfalls über eine Sperrminorität am Kapital verfügen, vgl. etwa U.v. 18. Dezember 2001, aaO; U.v. 6. März 2003 - 11 AL 25/02 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 1, jeweils mwN). Insoweit ist insbesondere dem Umstand, dass ein solcher Geschäftsführer seine Arbeit selbst einteilen, er Zeit, Ort und Art ihrer Ausführung selbst bestimmen kann und er insoweit keinen Weisungen Dritter unterliegt, keine entscheidende, gegen eine abhängige Beschäftigung sprechende Bedeutung beizumessen. Es steht im Ergebnis der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht einmal entgegen, wenn der Geschäftsführer "im täglichen Dienstbetrieb" "im Wesentlichen frei walten und schalten" und, was Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung betrifft, „weitgehend weisungsfrei“ agieren kann (BSG, U.v. 18. Dezember 2001, aaO).
Im vorliegenden Fall verfügte die Klägerin zu 2. im streitbetroffenen Zeitraum vom 22. Mai bis zum 31. Dezember 2014 nur über eine Minderheitsbeteiligung im Umfang von 25,5 % der Anteile. Nach der damaligen Fassung des Gesellschaftsvertrages bedurften Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Stimmenmehrheit. Damit konnte die Klägerin gesellschaftsrechtlich auch gegen ihren Willen aus ihrer Position als Geschäftsführerin abberufen werden. Soweit im Zuge der – erst nach Ablauf des im vorliegenden Berufungsverfahren noch streitbetroffenen Zeitraums im Rahmen der Gesellschafterversammlung am 7. April 2016 beschlossen - Änderung der Satzung der Klägerin zu 2. ein Vetorecht eingeräumt worden ist, kam dieser Satzungsänderung keine rückwirkende Relevanz zu.
Nach den erläuterten rechtlichen Vorgaben vermag die eventuelle Möglichkeit eines Widerrufs der Schenkung zuvor schenkungsweiser abgetretener Gesellschaftsanteile nach § 530 Abs. 1 BGB auch dann keine Stellung als beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer im Sinne der erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung begründen, wenn dieser in einem solchen Eventualfall eines rechtswirksamen Widerrufs der Schenkung der abgetretenen Gesellschaftsanteile der Schenker erneut über eine Kapitalmehrheit verfügen sollte.
Insbesondere ist kein Rechtssatz erkennbar, wonach die Abberufung eines Minderheitsgeschäftsführers durch den Gesellschafter, der zuvor seine Gesellschaftsanteile im Wege einer Schenkung durch den Geschäftsführer erhalten hat, als solche bereits eine „schwere Verfehlung“ und „groben Undank“ beinhaltet. Die Frage, ob der Schenker aufgrund des Verhaltens des Beschenkten berechtigt ist, eine Schenkung zu widerrufen, ist schon im rechtlichen Ausgangspunkt vielmehr anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 – X ZR 270/02 –, Rn. 19, FamRZ 2006, 196). Der Widerruf einer Schenkung setzt nicht nur objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere voraus, vielmehr ist zu dem erforderlich, dass die Verfehlung auch in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann (BGH, Urteil vom 25. März 2014 – X ZR 94/12 –, Rn. 18, NJW 2014, 3021).
Selbstverständlich können im jeweiligen Einzelfall aber durchaus auch gute Gründe für einen Wechsel in der Geschäftsführung sprechen. Ein solcher muss keineswegs von einer „grob undankbaren Gesinnung“ (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005, aaO), getragen sein, sondern kann durchaus auch beispielsweise von der Zielvorstellung geleitet sein, dass ein Wechsel in der Geschäftsführung zum Erhalt des Unternehmens (und damit – je nach Fallgestaltung – etwa zum Erhalt des „Lebenswerks“ des Schenkers und/oder seines Ehegatten) erforderlich ist.
Grundsätzlich können andererseits auch besondere Fallgestaltungen in Betracht kommen, in denen die Abberufung des Geschäftsführers durch den von ihm beschenkten Hauptgesellschafter einen solchen groben Undank zum Ausdruck bringt. Dies gilt etwa für den von den Klägerinnen herangezogenen Fall des Brandenburgischen Oberlandesgericht (vgl. dessen Urteil vom 21. Juni 2016 – 6 U 101/14), in dem zwischen dem Schenker eines „Millionenvermögens“ und dem Beschenkten vor der Schenkung „kein affektiv geprägtes Verhältnis“ bestanden und in dem der damalige Schenker (anders als die Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall) sich durch spezifische Maßnahmen insbesondere in Form von Stimmrechtsvollmachten besondere Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft auch für den Zeitraum nach der Schenkung zu sichern versucht hatte und in dem die Abberufung des Schenkers als Geschäftsführers mit weiteren ihn beeinträchtigenden Maßnahmen bis hin zu einer räumlichen Verlagerung des Gesellschaftssitzes verbunden war und in dem aus Sicht des OLG im Ergebnis keine anerkennenswerten Gründe für das Verhalten auf Seiten des Beschenkten festzustellen waren.
Ungeachtet ihrer prinzipiellen Vorstellbarkeit sind solche eventuellen künftigen Konstellationen jedoch nicht geeignet, von Vornherein im Rahmen der gebotenen vorausschauenden Betrachtung eine gesicherte Rechtsstellung zu begründen, welche dem Minderheitsgeschäftsführer auch noch nach Abgabe der zuvor seine Mehrheit begründenden Gesellschaftsanteile im Wege der Schenkung eine gleichwohl fortbestehende gesicherte Rechtsposition wie etwa einem Mehrheitsgeschäftsführer vermitteln würde.
Dies gilt auch unter der Annahme, dass die vorausgegangene Schenkung der Gesellschaftsanteile nicht aus sittlicher Pflicht (vgl. zu den tatbestandlichen Voraussetzungen: BGH, Urteil vom 07. März 1984 – IVa ZR 152/82 –, NJW 1984, 2939) erfolgt ist, da anderenfalls ein Widerruf von vornherein ausgeschlossen wäre (§ 534 BGB).
Im vorliegenden Fall ist überdies zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführervertrag der Klägerin zu 2. typische Elemente eines Arbeitsvertrages zum Ausdruck brachte. Insbesondere waren ein festes in monatlichen Teilbeträgen auszuzahlendes Grundgehalt (welches bei einer guten wirtschaftlichen Entwicklung der Klägerin zu 1. um Tantiemen ergänzt wurde), die Bereitstellung eines auch zu privaten Zwecken zur Verfügung stehenden Dienstwagens („der Oberklasse“), die Übernahme der „Arbeitgeberanteile“ (sic!) zur Krankenversicherung und zur Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen vereinbart worden. Der Klägerin zu 2. standen jährlich 30 Arbeitstage bezahlten Urlaubs zu (§ 7 des Vertrages). Im Krankheitsfall war ihr Gehalt für sechs Monate fortzuzahlen (§ 5 Abs. 6 des Vertrages).
Die Klägerin zu 2. trug damit in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin kein unternehmerisches Risiko. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. insbesondere BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329, 332; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125,), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Als Geschäftsführerin war der Klägerin zu 2. das vereinbarte Festgehalt auch für den Fall fehlender Gewinne der Klägerin zu 1. sicher; für die Ausübung der geschäftsführenden Tätigkeit musste sie auch kein Kapital einsetzen.
Die unternehmerische Beteiligung an der Klägerin zu 1. in Form ihrer Minderheitsbeteiligung (deren wirtschaftliches Gewicht auch durch die im Zuge der Schenkung zusätzlich erworbenen Nießbrauchansprüche an den auf die verschenkten Anteile entfallenden Gewinnansprüche für einen Zeitraum von zehn Jahren erhöht wurde) ist für die rechtliche Einordnung ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin von der mit der Ausübung dieser geschäftsführenden Tätigkeit als solcher verbundenen unternehmerischen Risiken zu trennen. Die erläuterte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts knüpft schon im Ausgangspunkt an der Stellung eines Minderheitsgesellschaftergeschäftsführers an, der zwangsläufig im Rahmen der Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft auch unternehmerische Risiken (im rechtlichen Ausgangspunkt in Höhe des Wertes des jeweiligen Gesellschaftsanteils) trägt. Dieses Risiko trägt er aber unabhängig von dem Umstand, ob er als Geschäftsführer berufen ist oder nicht. Umgekehrt steht ihm eine Entlohnung für seine geschäftsführende Tätigkeit im Regelfall (und auch nach den im vorliegenden Zusammenhang getroffenen vertraglichen Vereinbarungen) unabhängig davon zu, ob die Gesellschaft im Ergebnis einen Gewinn oder einen Verlust erwirtschaftet. Zugleich bestehen die ihm aufgrund der Gesellschafterstellung zustehenden Ansprüche auf eine Beteiligung an einem Gewinn der Gesellschaft auch unabhängig von dem Anspruch auf Entgeltzahlung für die geschäftsführende Tätigkeit.
Ausgehend von dem in der Sache zutreffend festgestellten abhängigen Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. begegnen die Einzelheiten der Berechnung der nachzuentrichtenden Beiträge und Umlagen für ihre im Zeitraum vom 22. Mai bis 31. Dezember 2014 im Beitragsnacherhebungsbescheid vom 19. Februar 2016 keinen rechtlichen Bedenken; solche werden insbesondere auch von Seiten der Klägerinnen nicht aufgezeigt.
Ergänzend verweist der Senat auf die zutreffenden Begründungen der angefochtenen Bescheide.
5. Auch die mit dem angefochtenen Beitragsnacherhebungsbescheid vorgenommene Festsetzung von Säumniszuschlägen für die nachzuentrichtenden Beiträge und Umlagen für die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Zeitraum 22. Mai bis 31. Dezember 2014 in Höhe von 1.608 € begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet die erforderliche Rechtsgrundlage in § 24 SGB IV.
Für Beiträge (und Beitragsvorschüsse), die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen.
Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nach § 24 Abs. 2 SGB IV jedoch nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
Die in § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV normierte Befugnis der Beklagten, im Zuge der bei der Prüfung des Betriebes der Klägerin nach § 28p SGB IV auch Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu erlassen, umfasst nach den gesetzgeberischen Zielvorstellungen namentlich vor dem Hintergrund der angestrebten Konzentration der Prüfzuständigkeiten auch ihre Befugnis, im Zuge der Ermittlung der „Beitragshöhe“ die aus einer verspäteten Entrichtung von Beiträgen resultierenden Säumniszuschläge festzusetzen (Wehrhahn in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 101. EL September 2018, § 28p, Rn. 29; so im Ergebnis auch BSG, Urteil vom 04. September 2018 – B 12 KR 11/17 R –).
Ausgehend von der dargelegten Pflicht der Klägerin zu 1., aufgrund des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses Beiträge für die Klägerin zu 2. im streitbetroffenen Zeitraum zu entrichten, steht ihre Säumnis im Sinne des § 24 Abs. 1 SGB IV außer Streit. Auch die Einzelheiten der rechnerischen Ermittlung der Säumniszuschläge lässt keine Fehler erkennen, insoweit verweist der Senat ebenfalls auf den angefochtenen Bescheid (vgl. die Anlage zu diesem Bescheid, Bl. 184 der Verwaltungsvorgänge).
Der Festsetzung der Säumniszuschläge steht auch nicht die Regelung des § 24 Abs. 2 SGB IV entgegen. Die Klägerin zu 1. hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie unverschuldet keine Kenntnis von ihrer Pflicht zur Abführung von Beiträgen für die Klägerin zu 2. gehabt habe.
a) Die vorstehend erläuterte im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Fassung des § 24 SGB IV beruht in ihren Grundzügen auf der Neuregelung im Zuge des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (2. SGB-ÄndG vom 13. Juni 1994, BGBl. I, 1229). Während bis 1994 die Erhebung von Säumniszuschlägen nach der damaligen Fassung des § 24 SGB IV im Ermessen der Behörde stand, ist seit 1995 ihre Festsetzung zwingend vorgeschrieben. Damit wollte der Gesetzgeber eine Anpassung an die steuerrechtlichen Vorgaben in § 240 Abgabenordnung – AO – herbeiführen (BT-Drs. 12/5187, S. 30).
Bei der im Ausgangspunkt vom Gesetzgeber angestrebten Angleichung an das Steuerrecht ist aber nach Maßgabe der zitierten Gesetzesbegründung nur unzureichend analysiert worden, dass das Steuerrecht eine Erhebung von Säumniszuschlägen an die Voraussetzung knüpft, dass die maßgebliche Steuerzahlung von der Finanzverwaltung explizit festgesetzt oder vom Steuerpflichtigen selbst (entsprechend den dafür maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben) angemeldet worden ist (§ 240 Abs. 1 Satz 3 AO).
Unterbleibt (etwa im Umsatzsteuerrecht) schon die erforderliche Anmeldung (und fehlt auch eine Festsetzung der Steuerzahlung durch die Finanzverwaltung), dann sind im Steuerrecht keine Säumniszuschläge zu erheben. Übersieht beispielsweise ein Schönheitschirurg die Umsatzsteuerpflichtigkeit von operativen ästhetischen Eingriffen rein kosmetischer Natur (EuGH, Urteil vom 21. März 2013 – C-91/12 – DStR 2013, 757 [BFH 14.11.2012 - XI R 17/12]; BFH, Urteil vom 04. Dezember 2014 – V R 33/12 –, BFHE 248, 424) und sieht er deshalb von einer entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldung ab, ist er nicht zur Zahlung von Säumniszuschlägen an § 240 AO verpflichtet. Auch das Steuerrecht sieht zwar in solchen Fallgestaltungen durchaus Sanktionen vor. Insbesondere kommt die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach § 152 AO in Betracht. Ferner sind namentlich nach Maßgabe der § 233 ff. AO Zinsen auf die rückständigen Umsatzsteuerzahlungen (in Höhe von 6 % per anno, § 238 Abs. 1 Satz 1 AO; zu schwerwiegenden Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieses Zinssatzes vgl. BFH, Beschluss vom 03. September 2018 – VIII B 15/18 –, Rn. 26, BFH/NV 2018, 1279 mwN). Eine spezifische Sanktionierung mit einem Säumniszuschlag gemäß § 240 AO ist in solchen Fallgestaltungen im Steuerrecht jedoch nicht vorgesehen.
Wird hingegen – wie im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt – von Seiten eines Arbeitgeber nicht die rechtlich gebotene Meldung (§ 28a SGB IV) und Beitragsabführung aufgrund des Umstandes vorgenommen, dass die Mitwirkung einer Person in seinem Unternehmen im Rechtssinne im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt, dann wird dieser Arbeitgeber nicht zu einem Verspätungszuschlag entsprechend § 152 AO herangezogen, sondern zu Säumniszuschlägen entsprechend der § 240 AO nachgebildeten Regelung des § 24 SGB IV.
Der Gesetzgeber hat gesehen, dass eine Festsetzung von Säumniszuschlägen nach der Grundregel des § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch in Fallgestaltungen in Betracht kommt, in denen der Abgabepflichtige sich seiner Pflicht zur Beitragsentrichtung nicht bewusst ist. Vor diesem Hintergrund hat er die Ausnahmebestimmung des § 24 Abs. 2 SGB IV normiert, wonach in Fällen, in denen eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben ist, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
Hierzu hat er in der Gesetzesbegründung festgehalten, dass eine Regelung für die Fälle erforderlich sei, in denen Beiträge durch Bescheid rückwirkend festgestellt werden, der Beitragsschuldner aber unverschuldet keine Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hatte. In diesen Fällen ist ein Säumniszuschlag ganz oder zum Teil nicht zu erheben. Um die Anwendung dieser Vorschrift in der Praxis nicht zu erschweren, soll für den Beweis der unverschuldeten Nichtkenntnis das Mittel der Glaubhaftmachung genügen (BT-Drs. 12/5187, S. 30).
Damit kommt entscheidendes Gewicht der Frage zu, wie die in § 24 Abs. 2 SGB IV normierte tatbestandliche Voraussetzung einer „unverschuldeten“ Nichtkenntnis von der Beitragspflicht auszulegen ist.
b) Die Rechtsprechung des BSG beantwortet diese Frage nicht einheitlich: Im Urteil vom 01. Juli 2010 (B 13 R 67/09 R –, SozR 4-2400 § 24 Nr 5) hat der 13. Senat des BSG festgehalten, dass der Annahme einer unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht sowohl fahrlässiges wie auch vorsätzliches Verhalten im Sinne von § 276 BGB entgegenstehe. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließe insbesondere auch das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (im Sinne eines sog Organisationsverschuldens) eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV aus, bringe also die (auf der Grundlage dieser Entscheidung des 13. Senates) erforderliche Fahrlässigkeit zum Ausdruck.
Im gleich Sinne dürften auch die Formulierungen des 12. Senats des BSG in seinen Urteilen vom 24. März 2016 (B 12 KR 20/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 29, Rn. 35) und vom 04. September 2018 (B 12 R 4/17 R –, juris, Rn. 31) zu verstehen sein, wonach bei der Anwendung des § 24 Abs. 2 SGB IV zwischen einer „unverschuldeten oder vorwerfbaren Unkenntnis“ zu differenzieren ist. Damit hat das BSG in diesem Urteil zum Ausdruck gebracht, dass auch eine „Unkenntnis“ der Beitragspflicht der Anwendung der Festsetzung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV nicht entgegensteht, solange diese „vorwerfbar“ ist, also mangelnde Sorgfalt zum Ausdruck bringt.
Eher im Sinne einer strengeren Interpretation sind hingegen die Ausführungen im Urteil des BSG vom 26. Januar 2005 (B 12 KR 3/04 R –, SozR 4-2400 § 14 Nr 7, Rn. 36) zu werten, wonach für die Frage, ob unverschuldet „keine Kenntnis“ von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, in Ermangelung anderer Maßstäbe auf diejenigen zurückzugreifen sein soll, die das BSG im Urteil vom 30. März 2000 (B 12 KR 14/99 R - SozR 3-2400 - § 25 Nr 7, S 35 f.) für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelt habe; bei der Prüfung des subjektiven Tatbestandes des § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB IV seien „ähnliche Überlegungen“ anzustellen.
In dem in Bezug genommenen Urteil vom 30. März 2000 (aaO) hatte das BSG gerade klargestellt, dass für einen Vorsatz, wie ihn § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV voraussetzt, das „Bewusstsein und der Wille“ erforderlich seien, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Es reiche insoweit aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Fahrlässigkeit, auch in den Erscheinungsformen der bewussten oder der groben Fahrlässigkeit, könne hingegen nicht genügen.
Sollte diese (im Urteil vom 30. März 2000, aaO, zur Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entwickelten) Maßstäbe auch für die Prüfung des Tatbestandes des § 24 Abs. 2 SGB IV maßgeblich sein, dann würde sich die in dem o.g. Urteil vom 26. Januar 2005 aufgeworfene Frage, ob „unverschuldet“ keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, letztlich gar nicht stellen. Vielmehr würde auf der Basis eines solchen Ansatzes schon das Fehlen einer solchen Kenntnis zugleich das Fehlen eines auch nur bedingten Vorsatzes und damit das fehlende Verschulden im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV belegen, auf die Frage nach der Vorwerfbarkeit der Unkenntnis würde es bei einem solchen Ansatz nicht mehr ankommen.
Im Urteil vom 09. November 2011 (B 12 R 18/09 R –, BSGE 109, 254 [BSG 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R], Rn. 33) hat das BSG im Ausgangspunkt festgehalten, dass das Vorliegen eines (mindestens bedingten) Vorsatzes auch darüber entscheide, ob rechtmäßig Säumniszuschläge verlangt werden durften. Damit hat es im Ansatz dargelegt, dass schon das Fehlen eines Vorsatzes das Fehlen eines Verschuldens im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV belege. Allerdings finden sich in dem zitierten Absatz dieses Urteils auch noch folgende Ausführungen: Dabei wird hinsichtlich der Prüfung der subjektiven Tatbestandsseite (des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV) zu berücksichtigen sein, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit die Möglichkeit hat, darüber im Einzugsstellen- (vgl. § 28h SGB IV) und/oder Anfrageverfahren (vgl § 7a SGB IV) Gewissheit durch Herbeiführung der Entscheidung einer fachkundigen Stelle zu erlangen; der Verzicht auf einen entsprechenden Antrag kann vorwerfbar sein, soweit es die beitragsrechtlichen Folgen einer Fehlbeurteilung des Betroffenen anbelangt.
In seinem nachfolgenden Urteil vom 04. September 2018 (B 12 KR 11/17 R – juris, Rn. 26) hat der 12. Senat das BSG an dem Erfordernis eines (zumindest bedingten) Vorsatzes für die Feststellung eines Verschuldens im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV festgehalten. Zugleich hat es aber klargestellt, dass im Einzelfall durchaus von dem Verzicht auf eine Klärung (durch eine fachkundige Stelle) auf mindestens bedingten Vorsatz geschlossen werden könne, dies sei eine Frage der sorgfältigen Beweiswürdigung im Einzelfall.
Soweit der 12. Senat des BSG in seinen zitierten Entscheidungen auch darauf abstellt, dass es „vorwerfbar“ sein könne, wenn ein Arbeitgeber bei „Unklarheiten“ hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit darauf verzichtet, die Entscheidung einer fachkundigen Stelle herbeizuführen, soll demnach im Ergebnis keine Relevanz eines nur fahrlässigen Verschuldens zum Ausdruck gebracht werden. Solchen „Unklarheiten“ wird vielmehr – im Rahmen einer „sorgfältigen“ Beweiswürdigung – in dafür in Betracht kommenden Fallgestaltungen lediglich die Relevanz einer Indiziwirkung für die Prüfung des erforderlichen (bedingten) Vorsatzes auf Seiten des Beitragspflichtigen (oder auf Seiten einer anderen „mitverantwortlichen Person“) zugesprochen.
In seinem Urteil vom 12. Dezember 2018 (B 12 R 15/18 R) hat der 12. Senat des BSG (nach Maßgabe des insoweit bislang allein vorliegenden Terminberichts Nr. 53/18) darauf abgestellt, dass Säumniszuschläge „von dem Zeitpunkt des Eintritts der Kenntnis oder unverschuldeten Unkenntnis an“, also von dem Zeitpunkt des Eintritts der Kenntnis (im Sinne eines Vorsatzes) oder von dem Zeitpunkt des Eintritts einer „unverschuldeten Unkenntnis“ (im Sinne eines Fahrlässigkeitstatbestandes? – nach dem Zusammenhang könnte auch eine „verschuldete Unkenntnis“ gemeint sein) an, zu erheben sind. In dem Urteil wird (wiederum auf der Basis des Terminberichts) einerseits darauf abgestellt, dass § 24 Abs. 2 SGB IV einen wenigstens bedingten Vorsatz voraussetze, zugleich aber auch festgehalten, dass Kenntnis das „sichere Wissen“ darum sei, rechtlich und tatsächlich zur Beitragszahlung verpflichtet zu sein.
c) Nach Maßgabe der zitierten jüngeren Entscheidungen verlangt der 12. Senat des BSG im Ergebnis einen „mindestens bedingten Vorsatz“ auf Seiten des Beitragsschuldners (oder zumindest auf Seiten weiterer für die Beurteilung der Zahlungspflicht „mitverantwortlicher“ Personen, vgl. Terminbericht Nr. 53/18). Im Sinne eines sog. dolus eventualis, also eines bedingten Vorsatzes, soll zu prüfen sein, ob der Beitragsschuldner oder eine andere „mitverantwortliche Person“ die Zahlungspflicht zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat.
d) Nach Auffassung des erkennenden Senates ist eine „unverschuldete“ Unkenntnis des Beitragspflichtigen von der Beitragspflicht im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV dann anzunehmen, wenn er diese Beitragspflicht weder kannte noch kennen musste. Sowohl eine vorsätzliche Beitragshinterziehung als auch eine fahrlässige Verkennung der Beitragspflicht bringen ein Verschulden im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV zum Ausdruck.
(1) Schon im Ausgangspunkt ist ein gefestigter Gebrauch des Begriffs eines „Verschuldens“ in der Rechtssprache festzustellen, wonach dieser sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit umfasst. Solange der Gesetzgeber, wie im vorliegenden Zusammenhang, nichts Gegenteiliges zum Ausdruck bringt, spricht dies dafür, dass er den Begriff eines „Verschuldens“ in diesem üblichen und hergebrachten Sinne verstehen will.
Für das Bürgerliche Recht hat der Gesetzgeber eine Legaldefinition des Verschuldens in § 276 Abs. 1 BGB vorgenommen, wonach (vorbehaltlich abweichender gesetzlicher oder vertraglicher Vorgaben) der Schuldner sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit zu vertreten hat.
Auch im Sozialrecht wird der Begriff eines Verschuldens üblicherweise in dem Sinne verstanden, dass er sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Verschulden umfasst. Etwa bezogen auf das Tatbestandsmerkmal „ohne Verschulden“ in § 67 SGG befürwortet das BSG die Interpretation, dass eine Säumnis schuldhaft ist, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (BSG, Beschluss vom 28. Juni 2018 – B 1 KR 59/17 B – juris, Rn. 7).
Das Tatbestandsmerkmal einer „unverschuldeten“ Unkenntnis in § 24 Abs. 2 SGB IV ist auch dem Merkmal einer nicht „entschuldbaren“ Verspätung im Sinne der steuerrechtlichen Vorgaben über die Erhebung eines Verspätungszuschlages in § 152 AO (welcher seiner Struktur nach einen Teil der auch mit dem sozialrechtlichen Säumniszuschlag verfolgten Ziele sicherstellen soll) angelehnt; bezüglich dieser tatbestandlichen Voraussetzungen in § 152 AO ist anerkannt, dass auch ein nur fahrlässiges Verschulden der Annahme einer „entschuldbaren“ Verspätung entgegensteht. Eine solche ist vielmehr nur entschuldbar, wenn der Kläger (oder sein Vertreter) die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zuzumutende Sorgfalt nicht außer Acht gelassen hat (BFH, Urteil vom 26. April 1989 – I R 10/85 –, BFHE 157, 14, Rn. 8), womit im Ergebnis wiederum auf den gesetzlichen Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB Bezug genommen wird.
Auch in § 28e Abs. 3b SGB IV hat der Gesetzgeber auf ein „Verschulden“ (des einen anderen Unternehmer heranziehenden Unternehmers eines Baugewerbes) abgestellt. Diesbezüglich bringt bereits die Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber unter „Verschulden“ auch ein nur fahrlässiges Verschulden verstanden wissen wollte. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass sich der in Anspruch genommene Unternehmer nur dadurch entlasten könne, dass er den Nachweis führe, bei der Auswahl der Nachunternehmer die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns aufgewandt zu haben. Dazu gehöre beispielsweise eine Prüfung des Angebots des Nachunternehmers darauf, ob bei den Lohnkosten Sozialversicherungsbeiträge zutreffend einkalkuliert sind (BT-Drs. 14/8221, S. 15).
(2) Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal lautet „unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht“. Das Adjektiv „unverschuldet“ soll schon nach dem Wortlaut das Merkmal „keine Kenntnis“ qualifizieren. Indem das Gesetz im Ausgangspunkt auf das Fehlen einer Kenntnis von der Zahlungspflicht („keine Kenntnis“) abstellt, bringt es klar zum Ausdruck, dass durchaus auch Unkenntnis von der Zahlungspflicht mit einer Heranziehung zu Säumniszuschlägen einhergehen kann, und zwar dann, wenn diese nicht als „unverschuldet“ zu bewerten ist. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass eine fahrlässig verschuldete Unkenntnis gerade nicht der Festsetzung von Säumniszuschlägen entgegenstehen soll.
(3) Die Systematik des SGB IV lässt auch im Übrigen keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff „unverschuldet“ in § 24 Abs. 2 SGB IV nur den Tatbestand des Fehlens eines vorsätzlichen Verschuldens erfassen wollte. Im SGB IV befassen sich mehrere Regelungen mit den Folgen einer nicht (rechtzeitig) erfolgten Abführung geschuldeter Sozialversicherungsbeiträge, und zwar insbesondere § 24 Abs. 2 SGB IV, § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und § 14 Abs. 2 SGB IV. Ob diese einem „einheitlichen Regelungskomplex“ zuzuordnen sind, hängt zunächst vom Verständnis des Begriffs eines solchen „einheitlichen Regelungskomplexes“ ab. Für die Frage der Auslegung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen ist jedenfalls auch mit einer etwaigen semantischen Zuordnung zu einem „„einheitlichen Regelungskomplex“ nichts Richtungweisendes gewonnen. Die Auslegung der sprachlich unterschiedlich gefassten tatbestandlichen Voraussetzungen in den genannten Vorschriften muss vielmehr im Ausgangspunkt daran anknüpfen, dass der Gesetzgeber diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit jeweils spezifischen Regelungszwecken erlassen hat.
So hat der Gesetzgeber die 30jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV an die Voraussetzung „vorsätzlich“ vorenthaltener Beiträge geknüpft. Wenn er bei dieser Ausgangslage mit der angesprochenen Neufassung des § 24 Abs. 2 SGB IV zum 1. Januar 1995 an die tatbestandlichen Voraussetzungen in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV hätte anknüpfen wollen, dann wäre zu erwarten, dass er sich auch der entsprechenden Formulierungen bedient hätte. Der Gesetzgeber hätte etwa auch im Tatbestand des § 24 Abs. 1 SGB IV in Anlehnung an den Wortlaut des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV das Erfordernis einer „vorsätzlichen“ Nichtzahlung der Beiträge normieren können. Mit letztlich jedenfalls nahezu gleichem Ergebnis hätte er auch § 24 Abs. 2 SGB IV auf das Tatbestandsmerkmal „unverschuldet“ verzichten können, dann müsste der Beitragsschuldner nur noch glaubhaft machen, dass er keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte, die Beiträge also nicht vorsätzlich hinterzogen hatte.
Der Gesetzgeber hat aber bewusst die tatbestandlichen Voraussetzungen in § 24 Abs. 2 SGB IV ganz anders als in § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gefasst. Dies spricht dafür, dass er auch in der Sache unterschiedlich ausgestaltete Tatbestände normieren wollte.
An die heutige Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV konnte der Gesetzgeber mit der angesprochenen Neufassung des § 24 Abs. 2 SGB IV zum 1. Januar 1995 schon deshalb nicht anknüpfen, weil § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV erst mit Wirkung zum 1. August 2002 durch das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit vom 23. Juli 2002 (BGBl. I, 2787) eingeführt worden ist. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber auch nicht umgekehrt die Vorgaben des § 24 Abs. 2 SGB IV modifiziert.
Auch in den Materialien zu diesem Gesetz hat der Gesetzgeber nicht zum Ausdruck gebracht, dass er strengere Anforderungen an die Erhebung von Säumniszuschlägen als ein Verschulden im herkömmlichen Sinne (d.h. unter Einschluss eines Verschuldens in Form der Fahrlässigkeit) für angezeigt erachte. Die illegale Beschäftigung, zu deren Bekämpfung das Gesetz vom 23. Juli 2002 erlassen worden ist, ist vom Gesetzgeber als ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von verschiedenen Ordnungswidrigkeitentatbeständen oder Straftaten, von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder zum Leistungsmissbrauch verstanden worden (BT-Drs. 14/8221, S. 11). Der Gesetzgeber (aaO) hat insbesondere darauf abgestellt, dass Wettbewerbsverzerrung zwischen legaler und illegaler Arbeit zum Verlust von legalen Arbeitsplätzen führt bzw. die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen behindert. Er wollte explizit durch eine „Verschärfung der Sanktionen“ „die besondere Sozialschädlichkeit“ eines entsprechenden Verhaltens zum Ausdruck bringen (vgl. ebenfalls BT-Drs. 14/8221, S. 11).
Unabhängig von der im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht näher zu hinterfragenden Abgrenzung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV sprechen diese gesetzgeberischen Ansätze jedenfalls nicht dafür, dass der Gesetzgeber im Ergebnis eine Privilegierung der Nichtentrichtung von Beiträgen in dem Sinne bewirken wollte, dass eine „nur“ fahrlässige Verkennung der Abführungspflicht nicht mit Säumniszuschlägen sanktioniert werden dürfe. Davon ist umso weniger auszugehen, als die vom Gesetzgeber beobachteten Wettbewerbsverzerrungen zulasten rechtstreuer Wettbewerber natürlich auch durch fahrlässige Missachtungen von Beitragsabführungspflichten bewirkt werden können.
Der Gesetzgeber wollte mit dem Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit gerade das Ziel verfolgen, die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und des Leistungsmissbrauchs zu verbessern und ihr sozialschädlichen Folgen zu mindern (BT-Drs. 14/8221, S. 11). Diesem Ziel hat er eine besondere Dringlichkeit vor dem Hintergrund beigemessen, dass eine „Professionalisierung im Bereich der Organisation der illegalen Beschäftigung“ festzustellen war (BT-Drs. 14/8221, S. 12).
Eine Verschärfung der Anforderungen an eine Festsetzung von Säumniszuschlägen in dem Sinne, dass diese nicht schon bei fahrlässig schuldhafter, sondern nur bei vorsätzlicher Nichterfüllung der gesetzlichen Beitragsabführungspflichten festgesetzt werden dürfen, würde diese Zielvorgabe geradezu konterkarieren.
Dies gilt umso mehr, als die gesetzlichen Vorgaben abgesehen von den Vorgaben über die Erhebung von Säumniszuschlägen seit langem keine anderweitigen Regelungen über eine Verzinsung erst (auch deutlich, ggfs. erst nach mehreren Jahren) verspätet erbrachter Beitragszahlungen vorsehen. Die frühere Vorschrift des § 397 a Abs. 2 RVO über eine Verzinsung von Beitragsrückständen hat der Gesetzgeber im Interesse der „Verwaltungsvereinfachung“ (BT-Drs. 7/4122, S. 34) durch die in § 24 SGB IV (anfangs im Sinne einer Ermessensvorschrift) vorgeschriebene Erhebung von Säumniszuschlägen ersetzt. Die angestrebte Verwaltungsvereinfachung sollte aber durch einfach umzusetzenden Vorgaben über die Berechnung der Höhe der Säumniszuschläge bewirkt werden. Die Einzugsstellen sollten von den Mühen entbunden werden, die eine Heranziehung des „häufig wechselnden Diskontsatzes“, wie dies zuvor nach § 397a Abs. 2 RVO vorgesehen war, mit sich brachte (BT-Drs. 7/4122, S. 34). Der Gesetzgeber wollte hingegen keine „Verwaltungsvereinfachung“ in der Form herbeiführen, dass in Fällen der Nachlässigkeit (in denen auch nach der Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 01. Dezember 1972 – 12/3 RK 36/71 –, BSGE 35, 78, durchaus Zinsen nach § 397a Abs. 2 RVO a.F. zu erheben waren) auf eine Abschöpfung des Zinsvorteils gänzlich verzichtet wird.
Würde angesichts des Fehlens anderweitiger fortgeltender Vorgaben über eine Verzinsung von Beitragsrückständen auch eine Erhebung von Säumniszuschlägen nur bei einer vorsätzlichen Beitragshinterziehung in Betracht kommen, würde dem Beitragsschuldner sogar in Fällen einer grob fahrlässigen bzw. leichtfertigen Nichtabführung von Abgaben der sich ggfs. über mehrere Jahre erstreckende (im Zeitpunkt der erläuterten gesetzlichen Neuregelungen von 1994 und 2002 ausgehend von dem seinerzeitigen Zinsniveau noch eine deutlich größere Relevanz als während der derzeitigen Niedrigzinsphase aufweisende) Zinsvorteil verbleiben.
Gerade in Zusammenhängen der aus Sicht des Gesetzgebers zu bekämpfenden „Professionalisierung im Bereich der Organisation der illegalen Beschäftigung“ könnte eine solche Gesetzesinterpretation letztlich sogar geradezu als Einladung zur Missachtung von Beitragsabführungspflichten gewertet werden. Dies gilt insbesondere, solange sich Betroffene von der Erwartung leiten lassen, dass es auch bei einer eventuellen Aufdeckung der Verfehlung in den nachfolgenden Verfahren jedenfalls bei einem geschickten prozesstaktisch ausgerichteten Vorgehen gelingen dürfte, den Anschein eines „nur“ (wenn auch ggfs. grob) fahrlässigen Verhaltens aufrechtzuerhalten.
Überdies verlangt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für das Beitragsrecht (ebenso wie für das Steuerrecht, vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juni 1991 – 2 BvR 1493/89 –, BStBl II 1991, 654, BVerfGE 84, 239, Rn. 104) dass die Zahlungspflichtigen durch das Erhebungsgesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, so kann dies so kann dies die Betroffenen in ihrem Grundrecht auf Belastungsgleichheit verletzen. Eine unzulässige prinzipielle Verfehlung der anzustrebenden Gleichheit im Belastungserfolg wäre aber jedenfalls zu konstatieren, wenn einem Beitragspflichtig erhebliche Zinsvorteile ungeschmälert erhalten blieben, die er im Vergleich zu einem rechtstreuen Beitragspflichtigen dadurch erzielt hat, dass er bedingt durch eigene Fahrlässigkeit den gesetzlichen Beitragsabführungspflichten nicht termingerecht nachgekommen ist. Dies gilt umso mehr, als namentlich im geschäftlichen Wettbewerb Konkurrenten, die ihrerseits den gesetzlichen Beitragsabführungspflichten pünktlich nachkommen, mangels eigener Möglichkeiten zur effektiven Durchsetzung ihrer Belange auch einen Schutzanspruch (vgl. zu entsprechenden Schutzpflichten etwa BVerfG, B.v. 15. Februar 2006 – 1 BvR 1317/96 - NJW 2006, 1783) gegenüber dem Staat in dem Sinne haben, dass dieser wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen bedingt durch verzögerte bzw. ausbleibende Beitragszahlungen auf Seiten konkurrierender Unternehmen ergreift.
(4) Es lässt sich auch nicht objektivieren, dass der vom Gesetzgeber angestrebte Zweck der Säumniszuschläge, nur erreicht werden könnte, wenn der betroffene Beitragspflichtige, in der Praxis also überwiegend der zur Beitragsabführung verpflichtete Arbeitgeber, seine Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.
Säumniszuschläge haben insbesondere die Funktion, jedenfalls einen gesetzlich standardisierten Mindestschadensausgleich zu gewährleisten. Sie sollen dem Schadensausgleich bei allen betroffenen Versicherungsträgern und der Bundesagentur für Arbeit dienen. Darüber hinaus werden sie auch durch eine sog. Druckfunktion geprägt (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 32/00 R –BSGE 88, 146).
Auch eine nur fahrlässig unterbliebene Beitragsabführung verursacht jedoch einen Schaden auf Seiten der betroffenen Versicherungsträger. Dies betrifft insbesondere den Zinsnachteil, den erhöhten Verwaltungsaufwand und auch das Risiko, dass die Erfolgsaussichten einer erforderlichenfalls einzuleitenden zwangsweisen Beitreibung der Beitragsforderung mit zunehmendem Zeitablauf oft sinken.
Auch bei einer nur fahrlässigen Verkennung der Abführungspflicht ist die Erhebung von Säumniszuschlägen geeignet, die ihr vom Gesetzgeber beigemessene Druckfunktion auszuüben. Die Verhängung von Säumniszuschlägen kommt nach den gesetzlichen Vorgaben des § 24 SGB IV unabhängig davon in Betracht, ob dem Beitragsschuldner Einzelheiten über die Festsetzung und Berechnung solcher Säumniszuschläge bekannt sind; das Gesetz sieht insbesondere nicht vor, dass der Schuldner (wie etwa ein Zeuge gemäß § 377 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) zuvor einzelfallbezogen zu belehren sein könnte.
Soweit bei der Auslegung des § 24 Abs. 2 SGB IV als tatbestandliche Voraussetzung ein Vorsatz auf Seiten des Beitragsschuldners verlangt wird, soll sich dieser Vorsatz lediglich auf die Pflicht zur Abführung der geschuldeten Beiträge (und nicht auch auf damit eine verbundene Verpflichtung zur Abführung auch von Säumniszuschlägen) beziehen.
Bei dieser Ausgangslage besteht die die Säumniszuschläge prägende „Druckfunktion“ schwerpunktmäßig darin, dass bedingt durch ihre regelmäßige Festsetzung durch die Sozialversicherungsträger bei einer schuldhaften Säumnis sich in den betroffenen Bevölkerungskreisen (und damit im vorliegenden Zusammenhang insbesondere auf Seiten der Arbeitgeber) der Eindruck verfestigt, dass eine nicht gewissenhafte Beachtung der Beitragsabführungspflichten mit erheblichen (hier finanziellen) Nachteilen verbunden ist. Dies entspricht der Grundstruktur letztlich jeder staatlichen Androhung von Strafen und anderweitigen Sanktionen.
Die bundesdeutsche Rechtsordnung ist geradezu dadurch geprägt, dass auch nur fahrlässige Rechtsverstöße in vielen Zusammenhängen entsprechend sanktioniert werden. Rein beispielhaft sind Geldbußen nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO und ggfs. Punkte nach § 40 FeV in Fällen einer Missachtung von Vorgaben über Höchstgeschwindigkeiten im Straßenverkehr auch dann zu verhängen, wenn dem betroffenen Kraftfahrer nur Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (weil er etwa infolge von Unaufmerksamkeit das maßgebliche Verkehrszeichen übersehen hat).
Auch wenn nur ein Verschulden in Form der Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, können diese Sanktionen die ihnen vom Gesetzgeber zugewiesene „Druckfunktion“ ohne Weiteres erfüllen. Das Wissen um solche auch in Fällen bloßer Unaufmerksamkeit drohender Sanktionen soll die Kraftfahrer zu besonderer Aufmerksamkeit motivieren (und damit zugleich die Risiken im Straßenverkehr nachhaltig reduzieren). Eine entsprechende Sanktionierung fahrlässigen Fehlverhaltens ist mit generalpräventiven Effekten verbunden (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1997 – I ZR 242/94 –, BGHZ 135, 183). Gerade die gesetzlich vorgegebene Verteidigung der Rechtsordnung kann eine nachhaltige Ahndung auch fahrlässigen Verschulden gebieten (vgl. BGH, Urteil vom 06. Juli 2017 – 4 StR 415/16 –, Rn. 29, NJW 2017, 3011). Bei der beschriebenen Ausgangslage ist nichts dafür zu objektivieren, dass in Bezug auf die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Sanktionierung auch nur fahrlässigen Fehlverhaltens keine generalpräventive Wirkung, also keine „Druckfunktion“, vermitteln würde.
(5) Das Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet keine einengende Interpretation des § 24 Abs. 2 SGB IV im Sinne einer Interpretation des Tatbestandsmerkmals „unverschuldet“ als nicht vorsätzlich verschuldet.
Der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet insbesondere eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, wobei die Grenze der Zumutbarkeit für die Adressaten des Verbots gewahrt werden muss (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Die Prüfung an diesem Maßstab kann dazu führen, dass ein an sich geeignetes und erforderliches Mittel des Rechtsgüterschutzes nicht angewandt werden darf, weil die davon ausgehenden Beeinträchtigungen der Grundrechte des Betroffenen den Zuwachs an Rechtsgüterschutz deutlich überwiegen, so dass der Einsatz des Schutzmittels als unangemessen erscheint (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 09. März 1994 – 2 BvL 43/92 –, BVerfGE 90, 145; BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2018 – 1 BvR 97/14 –, juris).
Bei der Anwendung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist allerdings schon im Ausgangspunkt zu beachten, dass das Grundgesetz dem Gesetzgeber bei der Normierung von Strafdrohungen – und entsprechend bei der Normierung anderweitiger Sanktionsandrohungen - einen weiten Gestaltungsspielraum zuspricht. Dementsprechend darf aus richterlicher Sicht ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz bzw. das Übermaßverbot insoweit nur dann festgestellt werden, wenn die gesetzliche Regelung - gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führt (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1979 – 2 BvL 4/77 –, BVerfGE 50, 125, Rn. 50). Angesichts der verfassungsrechtlich normierten Bindung der Gerichte an die gesetzgeberischen Entscheidungen (Art. 20 Abs. 3 GG) gilt dieser Prüfmaßstab gleichermaßen für die Beurteilung einer Sanktionsnorm als verfassungswidrig im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG wie für eine Korrektur eines sich nach den weiteren Interpretationskriterien ergebenen Auslegungsergebnisses unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Interpretation.
Dabei kann gerade gegen die Annahme der Unzumutbarkeit sprechen, dass der Verpflichtete es selbst in der Hand hatte, vermittels „angemessener Pflichtanstrengungen“ den (fahrlässig begangenen) Rechtsverstoß und damit die an diesen anknüpfende Sanktion zu vermeiden (BVerfG, B. v. 07. Mai 2014 – 1 BvR 3571/13 – NJW 2014, 2340).
Schon im Ausgangspunkt ist überdies zu berücksichtigen, dass in vielen Zusammenhängen die Abgrenzung zwischen einem bedingten Vorsatz und einer ggfs. auch bewussten Fahrlässigkeit bei der nachträglichen vielfach erst nach vielen Jahren erfolgenden gerichtlichen Würdigung des Sachverhalts mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Die Abgrenzungsfrage zwischen bewusster Fahrlässigkeit und dolus eventualis wird als eine der schwierigsten und umstrittensten Fragen der Strafrechtsdogmatik eingeschätzt (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, 29. Aufl. 2014, StGB § 15 Rn. 72).
Diese Schwierigkeiten gehen auf Seiten der Rechtsanwender vielfach mit erheblichen Beurteilungsspielräumen einher; ihr Ergebnis hängt nicht selten maßgeblich auch von Zufälligkeiten der Ausgestaltung des einzelnen Sachverhalts etwa auch im Hinblick auf das Geschick des Betroffenen (und seiner Berater) im Hinblick auf eine Vertuschung eines (nicht selten tatsächlich durchaus vorhandenen) Vorsatzes ab. Solche Schwierigkeiten hindern den Gesetzgeber nicht daran, in Ausübung seines weiten gesetzgeberischen Ermessens bestimmte Rechtsfolgen an vorsätzlich begangene Rechtsverstöße zu knüpfen. Sie sollten aber zur Vorsicht bei der Annahme leiten, dass eine Interpretation insoweit auslegungsbedürftiger Tatbestände im Sinne einer Beschränkung einer Rechtsfolge auf vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen im Ergebnis mit besonderer Verlässlichkeit den Geboten der Gerechtigkeit, als deren Ausprägung sich insbesondere auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darstellt, und der Rechtsanwendungsgleichheit zu genügen vermag.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung darf sich überdies schon im Ausgangspunkt nicht mit einem isolierten Blick auf die Belastungen für den Beitragsschuldner begnügen. Vielmehr sind nach der bereits dargelegten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in die gebotene Gesamtabwägung namentlich auch das Gewicht sowie die Dringlichkeit der die Norm rechtfertigenden Gründe einzustellen. Die Nichtbefolgung von Beitragspflichten durch Arbeitgeber gefährdet nachhaltig die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme, sie beeinträchtigt den Wettbewerb und vermag letztlich sogar die Handlungsfähigkeit des Staates zu untergraben (vgl. dazu BT-Drs. 14/8221, S. 12). Sie nimmt den betroffenen Arbeitnehmern den vom Gesetzgeber mit den Vorgaben über die Pflichtversicherung intendierten Schutz insbesondere im Alters- und Krankheitsfall, wobei zum Ausgleich in vielen Fällen im Ergebnis die mit Steuermitteln finanzierten Grundsicherungssysteme einspringen müssen. Es liegt auf der Hand, dass damit Interessen der staatlichen Gemeinschaft von herausragender Relevanz betroffen sind.
Bei dieser Ausgangslage sieht der Senat keine tragfähige Grundlage für eine Bewertung, dass ein Anknüpfen von Sanktionen wie hier in Form von Säumniszuschlägen an ein Verschulden auch im Sinne einer fahrlässigen Verkennung von Beitragspflichten als solches zu schlechthin untragbaren Ergebnissen im Sinne der erläuterten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung führen könnte.
Überdies darf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit nur unter Berücksichtigung des normativen Zusammenhanges der in Betracht kommenden Regelung vorgenommen werden (BVerfG, B.v. 09. März 1994 – 2 BvL 43/92 –, BVerfGE 90, 145, Rn. 164). Die Vorschrift des § 24 SGB IV ist mithin nicht isoliert auf die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen, sondern in ihrem normativen Zusammenhang mit den weiteren die Festsetzung und Durchsetzung entsprechender Säumniszuschläge betreffenden gesetzlichen Vorgaben. Namentlich ist in die Bewertung auch die gesetzliche Regelung des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV mit einzubeziehen, wonach die Sozialleistungsträger Säumniszuschläge (ebenso wie andere Ansprüche) erlassen können (und angesichts des Gebots der pflichtgemäßen Ermessensausübung nach § 39 Abs. 1 SGB I in Fällen einer entsprechenden Ermessensreduktion auch müssen, vgl. dazu etwa BFH, Urteil vom 20. Mai 2010 – V R 42/08 –, BFHE 229, 83, Rn. 30), sofern deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles „unbillig“ wäre.
In der Gesamtschau machen die Vorgaben des § 24 und des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV deutlich, dass Säumniszuschläge im Ergebnis ohnehin nicht durchgesetzt werden dürfen, wenn und soweit unter Einbeziehung insbesondere auch ihrer sich rechnerisch in Anwendung des § 24 Abs. 1 SGB IV zunächst ergebenden Höhe die Grenze zur „Unbilligkeit“ nicht überschritten wird. Gerade mit dieser vom Gesetzgeber selbst im Ergebnis vorgegebenen Einschränkung ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits ausreichend Rechnung getragen worden. Zur Wahrung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben bedarf es mithin keiner Korrekturen im Tatbestand im Sinne einer Begrenzung des Verschuldens auf ein vorsätzliches Verschulden.
Soweit verfassungsrechtliche Bedenken im Sinne einer Unverhältnismäßigkeit von einzelnen Anwendungsergebnissen des § 24 SGB IV festzustellen sein mögen, sind diese durch eine sachgerechte einzelfallbezogene Anwendung des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV zu beheben. Sie bieten aber keine rechtfertigende Grundlage, abweichend von den gesetzgeberischen Intentionen pauschal den Anwendungsbereich von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV auf vorsätzliche Beitragshinterziehungen zu begrenzen. Mit einem solchen Ansatz wird entgegen den gesetzgeberischen Intentionen eine Vielzahl von Fallgestaltungen fahrlässiger Nichtabführungen vom Anwendungsbereich des § 24 SGB IV ausgeschlossen, in denen eine Festsetzung von Säumniszuschlägen gerade keinen verfassungsrechtlichen Bedenken namentlich im Hinblick auf das Übermaßgebot begegnet.
(d) Aus den dargelegten Gründen sind für die Beurteilung eines Verschuldens im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV die Vorgaben des § 276 Abs. 1 und 2 BGB zu berücksichtigen. „Erforderlich“ in diesem Sinne ist eine Sorgfalt, die darauf ausgerichtet ist, Beitragsausfälle auf Seiten der berechtigten Sozialleistungsträger möglichst zu vermeiden. Der Gesetzgeber hat die Arbeitgeber insbesondere auch aufgrund ihrer Sachnähe verpflichtet, eigenständig alle beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse der jeweils zuständigen Einzugsstelle nach § 28a SGB IV zu melden und wiederum eigenständig für eine vollständige Abführung der geschuldeten Beiträge nach Maßgabe der §§ 28d ff. SGB IV Sorge zu tragen. Insoweit werden die Arbeitgeber mit diesen gesetzlichen Vorgaben fremdnützig sowohl im Interesse der Beschäftigten als auch insbesondere im Interesse der Sozialleistungsträger und der von dieser repräsentierten Versichertengemeinschaft in Anspruch genommen.
Dementsprechend haben die Arbeitgeber bei dieser Melde- und Beitragsabführungspflichten sich an einer verständigen Wahrnehmung der ihnen insoweit anvertrauten Interessen der Versicherten und der Sozialleistungsträger auszurichten und diejenige Sorgfalt zu beachten, die für die vom Gesetzgeber vorgesehene umfassende Erbringung aller objektiv geschuldeten Beiträge erforderlich ist. Soweit der betroffene Arbeitgeber nicht seinerseits über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt, wird er regelmäßig fachkundiges Personal bzw. Berater heranziehen müssen, indem etwa - beispielsweise - die Lohnbuchhaltung einem Steuerberatungsunternehmen übertragen wird (vgl. etwa zu kaufmännischen Erkundigungspflichten BGH, U.v. 08. September 2011 – 1 StR 38/11 – NStZ 2012, 160).
Unter Berücksichtigung der gesetzlich übertragenen Pflicht zur fremdnützigen Durchsetzung insbesondere der Beitragsinteressen der Sozialleistungsträger darf sich ein Arbeitgeber in Zweifelsfällen regelmäßig nicht mit eigenen subjektiven Einschätzungen der Rechtslage begnügen. Grundsätzlich fordert bereits der Geltungsanspruch des Rechts, dass der Verpflichtete das Risiko seines Irrtums über die Rechtslage selbst trägt (BGH, Urteil vom 01. Dezember 1981 – VI ZR 200/80 –, NJW 1982, 635). Von einem unverschuldeten Rechtsirrtum kann nur bei Anlegung strenger Maßstäbe Raum bleiben. Bei Zweifeln über die Rechtslage sind Erkundigungen einzuziehen. Höchstrichterliche Entscheidungen sind zu beachten (BGH, Urteil vom 14. Juni 1994 – XI ZR 210/93 –, NJW 1994, 2754).
Da der Gesetzgeber in § 24 Abs. 2 SGB IV eine Glaubhaftmachung des Beitragsschuldners verlangt, wonach dieser unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte, obliegt es zunächst dem Arbeitgeber, substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, dass und aus welchen Gründen er von dem Fehlen eines versicherungspflichtigen Tatbestandes ausging und nicht einmal Zweifel zu erkennen vermochte, aufgrund derer die erforderliche Sorgfalt weitere Erkundigung namentlich in Form einer Einleitung von Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV oder anderweitiger Nachfragen bei einem betroffenen Sozialleistungsträger geboten hätte. Ohnehin betreffen die Umstände, die den Beitragsschuldner zur Nichtabführung der von Gesetzes wegen zu entrichtenden Beiträge bewogen haben mögen, seine eigene Sphäre, über die nur von seiner Seite nähere Auskünfte erteilt werden können.
Diesbezüglich lässt der unsubstantiierte Vortrag der Klägerinnen letztlich keine verwertbaren konkreten Darlegungen erkennen.
Jedenfalls ist im Ergebnis davon auszugehen, dass die GeschäftsführerInnen der Klägerin zu 1. bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Beitragspflicht hätten erkennen können. Die Klägerin zu 1. ist als Muttergesellschaft mit der Führung eines international agierenden Logistikkonzerns mit mehr 700 Mitarbeitern befasst und verfügt dementsprechend über besondere Erfahrung auch bei der Klärung von nicht alltäglichen Rechtsfragen.
Schon 2007 hat das BSG klargestellt, dass auch bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen, im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist (BSG, Urteil vom 04. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8). Soweit sie in der rechtlich gebotenen Weise auf die Hinzuziehung fachkundigen Personals bzw. fachkundiger externer Berater für die Prüfung der Beitragspflicht hingewirkt hätten, wäre diese Rechtsprechung erkannt und umgesetzt worden.
e) m Ergebnis ist darüber hinaus im vorliegenden Fall auch eine vorsätzliche Beitragshinterziehung auf Seiten der Klägerin zu 1. festzustellen. Selbst wenn entgegen der Rechtsauffassung des Senates ein Verschulden im Sinne eines (bedingten) Vorsatzes Voraussetzung für die Festsetzung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV erforderlich wäre, wäre ein solcher Vorsatz im vorliegenden Fall anzunehmen.
aa) Für einen Vorsatz im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und damit auch im Rahmen von § 24 Abs. 2 SGB IV (sofern ein Verschulden im Sinne dieser Vorschrift entgegen der Auffassung des erkennenden Senates überhaupt einen Vorsatz voraussetzen sollte) genügt ein sog. bedingter Vorsatz im Sinne eines dolus eventualis.
Der Begriff "vorsätzlich" schließt den bedingten Vorsatz ein (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35 mwN). Hierfür soll insbesondere ausreichen, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R –, BSGE 120, 209, Rn. 64).
bb) Soweit sich in dem o.g. Terminbericht Nr. 53/18 zum Verfahren B 12 R 15/18 R auch der Hinweis findet, dass unter „Kenntnis“ das „sichere Wissen“ zu verstehen sei, rechtlich und tatsächlich zur Beitragszahlung verpflichtet zu sein, soll diesem Ansatz nach dem Gesamtzusammenhang letztlich keine richtungweisende Bedeutung für die Verschuldensprüfung zukommen. Soweit eine „sicheres Wissen“, verstanden im Sinne eines sog. dolus directus, zu fordern sein sollte, wäre ein nur bedingter Vorsatz, also ein sog. dolus eventualis, gerade unzureichend. Nach Maßgabe des o.g. Terminberichts ist die Prüfung eines bedingten Vorsatzes aber das entscheidende Kriterium bei der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 SGB IV (anders im Ergebnis in Bezug auf die Prüfung eines Vorsatzes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV hingegen BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R –, BSGE 120, 209, Rn. 72).
cc) Aus der Sicht des erkennenden Senates besteht kein jedenfalls sachlicher Grund, bei der Anwendung der beitragsrechtlichen Vorschriften der §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einen dolus directus, wie er auch im Strafrecht nur vereinzelt Relevanz aufweist (vgl. etwa § 187 StGB), zu verlangen. Soweit nicht ausnahmsweise spezifische gesetzliche Vorgaben (wie etwa in § 187 StGB) Abweichendes zum Ausdruck bringen, reicht im Strafrecht für die vorsätzliche Begehung eines Delikts - wie beispielsweise ein Totschlag im Sinne von § 212 StGB - ein dolus eventualis aus (vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 01. März 2018 – 4 StR 399/17 –, BGHSt 63, 88; sogar ein Mord im Sinne des § 211 StGB kommt auch bei einem nur bedingten Tötungsvorsatz in Betracht, vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – 4 StR 361/17 – juris). Es sind keine Sachgründe dafür zu erkennen, dass davon abweichend im Beitragsrecht erst ein „sicheres Wissen“ von der Beitragspflicht als vorsatzbegründend zu werten sein sollte, also nur ein solches „sicheres Wissen“ eine sachgerechte Abgrenzung vorsätzlicher Gesetzesverstöße von lediglich fahrlässig begangenen Missachtungen ermöglichen würde (entsprechend für das Steuerstrafrecht: BGH, U.v. 08. September 2011 – 1 StR 38/11 – aaO).
dd) Ohnehin stellt die Einschätzung, dass ein bestimmter Sachverhalt von einer gesetzlich normierten Beitragspflicht erfasst werde, sich schon im Ausgangspunkt als ein wertendes Urteil dar, welches nicht dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist (BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 – VI ZR 251/80 – NJW 1982, 2246). Auch eine solche rechtliche Bewertung wird durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung geprägt (vgl. zu diesen Kriterien BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1982 – 1 BvR 1376/79 –, BVerfGE 61, 1).
Schon im Ausgangspunkt ist es letztlich gar nicht möglich, Fragen nach der Relevanz und ggfs. Überzeugungskraft einer solchen Bewertung ausgehend von dem kognitiven Ansatz eines „sicheren Wissens“ zu erfassen. Verfahrensrechtlich wird eine die Beteiligten (vorbehaltlich der Möglichkeit der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X) bindende Klärung des Vorliegens einer solchen Pflicht im jeweiligen Einzelfall durch die letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung bewirkt. Bis zu derem Erlass können Beteiligte (und auch gerichtliche Vorinstanzen) sich nur von Prognosen über den Inhalt einer künftig zu erlassenen letztinstanzlichen Entscheidung leiten lassen. Bereits ergangene höchstrichterliche Entscheidungen zu maßgeblichen Rechtsfragen weisen natürlich eine große Relevanz für entsprechend prognostische Einschätzungen auf; auch detaillierte Kenntnisse ihrer können jedoch schon im Ausgangspunkt kein „sicheres Wissen“ über den Inhalt einer erst künftig zu fällenden Entscheidung vermitteln. Abgesehen von der – wiederum nur im Rahmen eines wertenden Urteils zu beantwortenden - Frage nach der Vergleichbarkeit des den Präzedenzfällen jeweils zugrundeliegenden Sachverhalts mit dem in dem aktuellen Verfahren zur Beurteilung gestellten Geschehen, sind schon im rechtlichen Ausgangspunkt auch stets mögliche künftige Änderungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Betracht zu ziehen.
ee) Das Wissenselement des bedingten Vorsatzes ist nicht erst dann gegeben, wenn der Täter „zwangsläufig” mit dem Eintritt des Erfolges rechnet. Vielmehr handelt er bereits dann mit bedingtem Vorsatz, wenn er den Erfolgseintritt als (nur) möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (BGH, Urteil vom 30. 8. 2006 - 2 StR 198/06 - NStZ-RR 2007, 43).
ff) Nach der Rechtsprechung des BGH ist – zunächst bezogen auf Handlungsdelikte - das Willenselement des bedingten Vorsatzes gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Erfolges billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der maßgebliche Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Urteil vom 18. 10. 2007 - 3 StR 226/07 - NStZ 2008, 93, bezogen auf einen Tötungsvorsatz).
Schon im Ausgangspunkt ist damit klarzustellen, dass das sog. voluntative Vorsatzelement keine Billigung im Sinne einer subjektiven Wertschätzung des jeweiligen Taterfolges und noch weniger im Sinne einer rechtspolitischen Befürwortung der maßgeblichen rechtlichen Vorgaben zum Ausdruck bringen soll. Der Umstand, dass ein Arbeitgeber es beispielsweise rechtspolitisch für verfehlt erachten mag, bestimmte Ausprägungen einer abhängigen Beschäftigung der Beitragspflicht zu unterwerfen, steht als solcher der Annahme einer sog. billigenden Inkaufnahme der Möglichkeit einer Missachtung einer von der Rechtsordnung geforderten Anmelde- und Beitragspflicht nicht entgegen. Es genügt auch ein „Sich-Abfinden“ mit der Tatbestandsverwirklichung BGH, B.v. 20.11.1986 - 4 StR 633/86 NStZ 1987, 362); dabei kann sich der Täter auch mit einem an sich unerwünschten Erfolg im Sinne des voluntativen Vorsatzelements „abfinden“ (BGH, U.v. 18. 10. 2007 - 3 StR 226/07 NStZ 2008, 93; vgl. auch BGH, U.v. 08. September 2011 – 1 StR 38/11 – NStZ 2012, 160: Ob der Täter will, dass ein Steueranspruch besteht, ist für den Hinterziehungsvorsatz bedeutungslos).
Bei der Konkretisierung der erläuterten Grundsätze im Beitragsrecht ist weiter zu berücksichtigen, dass bei einer sog. Beitragshinterziehung dem Beitragsschuldner keine aktive Tathandlung, sondern ein Unterlassen zur Last gelegt wird. Er hat in Fallgestaltungen der vorliegenden Art versäumt, die gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung und damit korrespondierend die Entrichtung entsprechender Beiträge vorzunehmen. Im Strafrecht wird für einen Vorsatz bei Unterlassungsdelikten im Ausgangspunkt gefordert, dass der Unterlassende zu dem Zeitpunkt, zu dem er handeln sollte, die Gefahr für das Rechtsgutssubjekt sowie die Umstände kennt, die seine Garantenpflicht begründet. Hinzukommen muss für den Vorsatz die individuelle Möglichkeit des Täters, zur Abwehr der Gefahr tätig zu werden, die Erwartung oder mindestens die Erkenntnis der konkreten Möglichkeit des Erfolgseintritts sowie die Abhängigkeit des Erfolgseintritts davon, dass der Täter die ihm gebotene und mögliche Handlung nicht vornimmt (BGH, Beschluss vom 24. April 2018 – 1 StR 160/18 – StV 2018, 736).
Im Beitragsrecht ist jedenfalls in vielen Fallgestaltungen bei einem als Beitragsschuldner herangezogenen Arbeitgeber davon auszugehen, dass diesem seine grundsätzliche Pflicht zur Anmeldung von abhängig Beschäftigten (und der Abführung von Beiträgen für diese) und die Abhängigkeit des Erfolges im Sinne einer solchen Anmeldung und Beitragsabführung von entsprechenden Maßnahmen auf seiner Seite bekannt sind. Insbesondere sind in der Praxis durchaus häufig Fallgestaltungen zu beurteilen, in denen der Arbeitgeber – wie auch im vorliegenden Zusammenhang die Klägerin – für andere auch nach seinem Rechtsverständnis als abhängig Beschäftigte einzuschätzende Arbeitskräfte durchaus die erforderlichen Sozialversicherungsbeiträge ab(ge)führt (hat).
Soweit die strafgerichtliche Rechtsprechung im Rahmen der gebotenen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände auch eine sorgfältige Prüfung der „psychischen Verfassung bei der Tatbegehung“ oder etwa der „konkreten Angriffsweise“ verlangt (BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – 4 StR 361/17 –, Rn. 18, juris) finden sich dafür bei der Beurteilung eines tendenziell längerfristigen schlichten Unterlassens einer erforderlichen Anmeldung eines Arbeitnehmers und dem damit korrespondierenden Unterlassen einer entsprechenden Beitragsführung jedenfalls im Regelfall keine Parallelen. Entsprechendes gilt auch für den Ansatz, dass etwa bei einer spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Einzelhandlung aus dem Wissen von einem möglichen Erfolgseintritt nicht allein ohne Berücksichtigung der sich aus der Persönlichkeit des Täters und der Tat ergebenden Besonderheiten geschlossen werden dürfe, dass auch das voluntative Vorsatzelement gegeben sei (BGH, Urteil vom 25.11.1987 - 3 StR 449/87 - NStZ 1988, 175 [BGH 04.12.1987 - 2 StR 578/87]).
Bezeichnenderweise genügt es nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung für die Annahme eines Vorsatzes bei Steuerhinterziehungsdelikten (bei denen es sich ebenfalls um Unterlassungsstraftaten handelt), dass der Täter es für möglich hält, dass er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dass durch sein Verhalten Steuern verkürzt werden. Weitergehende Einschränkungen der Annahme eines Eventualvorsatzes ergäben sich diesbezüglich insbesondere auch nicht aus der voluntativen Seite des Vorsatzes (BGH, Urteil vom 08. September 2011 – 1 StR 38/11 – NStZ 2012, 160, Rn. 26). Diese Rechtsprechung läuft im Ergebnis auf einen Verzicht auf ein voluntatives Element für die Vorsatzfeststellung bei Unterlassungsdelikten insbesondere in Form von Steuerhinterziehungen hinaus, wobei Beitragshinterziehungen vergleichbare Grundstrukturen aufweisen.
gg) Damit konzentriert sich die Vorsatzfrage im Ergebnis regelmäßig auf die Prüfung der subjektiven Erkenntnis der konkreten Möglichkeit des Erfolgseintritts. Eine solche Erkenntnis fehlt im Ergebnis, wenn der Betroffene ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der maßgebliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. 10. 2007, aaO). Ein Vertrauen auf den Nichteintritt eines Erfolges beinhaltet im vorliegenden Zusammenhang ein Vertrauen darauf, dass die Heranziehung einer Arbeitskraft von den gesetzlichen Beitragspflichten nicht erfasst wird, so dass weder eine entsprechende Anmeldung des Erwerbstätigen zur Sozialversicherung noch eine Abführung von Beiträgen durch den Arbeitgeber von Gesetzes wegen gefordert wird. Für die Rechtsanwendung im Einzelfall ist es in diesem Zusammenhang nicht ausschlaggebend, ob das ernsthafte – nicht nur vage – Vertrauen auf den Nichteintritt des maßgeblichen Erfolges (also in Fallgestaltungen der vorliegenden Art auf die Nichterfassung der Heranziehung der Arbeitskraft von dem Pflichtbeitragstatbestand der abhängigen Beschäftigung) dogmatisch als Bestandteil des kognitiven Vorsatzelementes oder als Ausdruck eines eigenständigen voluntativen Vorsatzelementes zu verstehen ist.
Ob der Vorwurf eines vorsätzlichen Vorgehens zu erheben ist, ist im Ausgangspunkt sowohl im Straf-, als auch im Beitragsrecht auf der Basis einer sorgfältigen Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu prüfen. Ein Strafrichter ist nicht an der Feststellung eines Tötungsvorsatzes gehindert, weil der Täter nach einem kräftigen Messerstich mitten in die Brust des Opfers ein Lippenbekenntnis abgibt, dass er die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs nicht gesehen habe. Ebenso wenig wird ein Sozialgericht an der Feststellung eines Beitragshinterziehungsvorsatzes im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht schon durch einen Vortrag (also durch eine [Schutz-]Behauptung) eines Arbeitgebers gehindert, wonach ihm die Möglichkeit eines abhängigen und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht bekannt gewesen sei.
Insbesondere ist in der Rechtsprechung des BGH (in Bezug auf Handlungsdelikte) der Grundsatz anerkannt, dass die „objektive Gefährlichkeit“ der Tathandlung sich als „wesentlicher Indikator“ sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes darstellt (BGH, Urteil vom 01. März 2018 – 4 StR 399/17 –BGHSt 63, 88, Rn. 19). In Bezug auf Unterlassungsdelikte in Form von Steuerhinterziehungen hat der BGH den Grundsatz festgehalten, dass die bloße Berufung eines Angeklagten auf einen Irrtum über das Bestehen einer objektiv gegen Steuerabführungspflicht das Tatgericht nicht „nötige“, einen solchen Irrtum als gegeben anzunehmen. Es sei ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Umstände oder Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen - außer der bloßen Behauptung des Angeklagten - keine Anhaltspunkte bestünden (BGH, U.v. 8. September 2011 - 1 StR 38/11 - NStZ 2012, 160).
Ebenso wie im Strafverfahren eine Beweiswürdigung im Sinne der Nichtfeststellung eines zumindest bedingten Vorsatzes fehlerhaft sein kann, wenn das Gericht in seine Würdigung nicht hinreichend solche gewichtigen Umstände einbezieht, die die Annahme eines jedenfalls bedingten Vorsatzes nahelegen könnten (BGH, Urteil vom 30. 8. 2006 - 2 StR 198/06 - NStZ-RR 2007, 43), kommen entsprechende Bewertungsfehler bei einer Vorsatzprüfung im Rahmen von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in Betracht.
Selbstverständlich muss andererseits der jeweils zu beurteilende Sachverhalt eine tragfähige Grundlage für die Bildung einer entsprechenden richterlichen Überzeugung bieten. Nicht ausräumbare Zweifel stehen sowohl im Rahmen von § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV (nach den Grundsätzen der sog. materiellen Beweislast) als auch im Strafverfahren (in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo) der Feststellung eines entsprechenden Vorsatzes entgegen.
Ein Vertrauen auf den Nichteintritt des Erfolges wird im Regelfall nur dann als ernsthaftes – also nicht nur vages – und damit vorsatzausschließendes Vertrauen zu werten sein, wenn diesem auch eine nachvollziehbare Grundlage namentlich im Sinne einer jedenfalls nicht nur sehr flüchtigen Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der in Betracht kommenden Beitragstatbestände zugrunde liegt. Da Einzelheiten entsprechender Prüfungsbemühungen natürlich die eigene Sphäre des Beitragsschuldners betreffen, obliegt zunächst diesem ein entsprechend substantiierter Vortrag.
hh) Schon ein substantiierter Vortrag auf Seiten des Beitragsschuldners als auch dessen Würdigung im gerichtlichen Verfahren werden in der Praxis allerdings vielfach durch die Zeitabläufe nachhaltig erschwert. Oft liegen mehrere Jahre zwischen der maßgeblichen Heranziehung einer Arbeitskraft und der Prüfung einer daraus ggfs. resultierenden Versicherungspflicht im Zuge einer Betriebsprüfung (und erst recht im Verhältnis zu nachfolgenden gerichtlichen Verfahren). Auch einem gutwilligen Arbeitgeber, der sich (was bei lebensnaher Betrachtung allerdings nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden darf) redlich um die Aufklärung auch des subjektiven Sachverhalts bemühen sollte, wird sich vielfach gar nicht mehr an Einzelheiten seiner Überlegungen und Kenntnisse erinnern können, die ihn seinerzeit im maßgeblichen Heranziehungszeitraum zu der Einschätzung bewogen haben, dass kein anmelde- und versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet worden ist. Dies gilt umso mehr, als die Heranziehung von Arbeitskräften insbesondere in größeren Betrieben zum Routinegeschäft gehört. So werden dem Senat Sachverhalte unterbreitet, in denen etwa der Inhaber eines großen landwirtschaftlichen Betriebes im Laufe weniger Jahre rund tausend Aushilfskräfte herangezogen hat.
Das menschliche Wissen ist in vielen Zusammenhängen nur ein temporäres. Das menschliche Leben wird durch die Aufnahme neuer Informationen und damit durch die Erlangung neuer Kenntnisse geprägt, damit korrespondiert aber geradezu zwangsläufig, dass auch frühere vorhandene Kenntnisse in Wegfall geraten. Beispielsweise sei zur Veranschaulichung der Problemlage angemerkt, dass der Senat im Verfahren L 2 R 148/15 im Herbst 2015 zwei Prüfer(innen) eines Rentenversicherungsträgers zu einer im Sommer 2011 durchgeführten (eine überdurchschnittliche Relevanz aufweisende) Betriebsprüfung als Zeugen vorgenommen hat. Im zeitlichen Zusammenhang mit der damaligen Prüfung und den in ihrem Zuge durchgeführten Besprechungen hätten die beruflich erfahrenen Zeugen sicherlich auch noch ein detailliertes Wissen über die Abläufe gehabt. 2015 war von diesen anfänglichen Kenntnissen aber nach ihren Ausführungen bei der vom Senat durchgeführten Vernehmung nichts Greifbares mehr verblieben.
Im Ausgangspunkt ergibt sich daraus die prinzipielle Empfehlung, dass entsprechende Prüfungen so dokumentiert werden sollten, dass sie auch noch nach Jahren rekonstruiert werden können (wobei Rechtsberater in der Praxis vor einer Vorlage entsprechender ggfs. geführter Unterlagen etwa an ein Gericht allerdings nicht selten zunächst deren „Vorzeigbarkeit“ abklären dürften). Im Gerichtsalltag zeigen sich jedenfalls viele Fallgestaltungen, in denen keine nachvollziehbaren Einzelheiten der Prüfungsvorgänge auf Seiten des Beitragsschuldners aufgezeigt werden.
ii) In solchen Fallgestaltungen bleibt letztlich nur die Gesamtwürdigung im Rahmen einer sog. lebensnahen Betrachtung des Sachverhalts, ob bei einem Arbeitgeber insbesondere mit der geschäftlichen Erfahrung des jeweiligen Beitragsschuldners die Erkenntnis jedenfalls der Möglichkeit einer Anmelde- und Beitragspflicht zu bejahen ist. Entsprechendes gilt, soweit entsprechend den erläuterten Ansätzen des BSG auch ein Vorsatz auf Seiten solcher Personen (etwa entsprechend der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zur Wissensvertretung bzw. zur Repräsentantenhaftung für solche Personen, denen bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren, vgl. dazu beispielsweise BGH, Urteil vom 11. Dezember 2018 – KZR 26/17 –, Rn. 87, juris) Relevanz erlangen kann, welche für die Beurteilung der Zahlungspflicht „mitverantwortlich“ sind. Ebenso wie nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung nicht selten Fallgestaltungen in Betracht kommen, in denen der Tatrichter (mangels anderweitiger näherer Einblicke in die Psyche des Täters) allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung zur Tat schließen muss (BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – 4 StR 361/17 –, Rn. 18, juris), können solche Wertungen im Beitragsrechtsstreit Relevanz erlangen.
Ähnlich wie im Strafverfahren beispielsweise ein (zumindest) bedingter Tötungsvorsatz „auf der Hand“ liegt, wenn der Täter das Opfer in einer Weise verletzt, die „offensichtlich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ zum Tode führt (vgl. BGH, B. v. 18. 10. 2006 - 2 StR 340/06 - NStZ-RR 2007, 45), kommt es auch im Beitragsrecht vielfach im Ergebnis darauf an, ob aus der Sicht eines Arbeitgebers mit den geschäftlichen Erfahrungen des betroffenen Beitragsschuldners (vgl. - bezogen auf die Vorsatzprüfung bei Steuerhinterziehungen - zur erforderlichen Einbeziehung auch des Umganges von Kaufleuten mit den in ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten: BGH, Urteil vom 08. September 2011 – 1 StR 38/11 – NStZ 2012, 160) jedenfalls die Möglichkeit zu erkennen ist, dass die Rechtsordnung die Heranziehung der betroffenen Arbeitskraft einem abhängigen und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zuordnet.
Dieser Ansatz liegt auch der Rechtsprechung des BSG zugrunde, wonach eine den Vorsatz indizierende Kenntnis von der Beitragspflicht regelmäßig angenommen werden kann, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (zB bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 12 R 11/14 R –, BSGE 120, 209). Ein tendenziell eindeutiges Beispiel beinhaltet etwa die Konstellation, dass ein Bauunternehmer ungeachtet seiner (auch durch Beitragszahlungen für andere Arbeitskräfte dokumentierten) Kenntnisse über die Beitragspflichten als Arbeitgeber von Beitragszahlungen für einen regelmäßig mit über 100 Monatsstunden herangezogenen und mit einem dem Bereich des Üblichen zuzurechnenden Stundenlohn entlohnten insbesondere mit Stemmarbeiten nach Einzelweisungen herangezogenen Handlanger im Hinblick darauf absieht, dass er formal mit diesem einen Werkvertrag abgeschlossen habe (vgl. auch zur steuerrechtlichen Parallelproblematik BGH, U.v. 08. September 2011 – 1 StR 38/11 – NStZ 2012, 160: Auch in Fällen, in denen ein nicht steuerlich sachkundiger Steuerpflichtiger eine von ihm für möglich gehaltene Steuerpflicht dadurch vermeiden will, dass er von der üblichen Geschäftsabwicklung abweichende Vertragskonstruktionen oder Geschäftsabläufe wählt, kann es für die [gemeint: willentliche] Inkaufnahme einer Steuerverkürzung sprechen, wenn er keinen zuverlässigen Rechtsrat einholt, sondern allein von seinem laienhaften Rechtsverständnis ausgeht).
Das BSG stellt des Weiteren darauf ab, dass Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit die Möglichkeit eröffnen, darüber im Einzugsstellen- (vgl § 28h SGB IV) und/oder Anfrageverfahren (vgl § 7a SGB IV) Gewissheit durch Herbeiführung der Entscheidung einer fachkundigen Stelle zu erlangen; der Verzicht auf einen entsprechenden Antrag könne vorwerfbar sein, soweit es die beitragsrechtlichen Folgen einer Fehlbeurteilung des Betroffenen anbelangt (vgl. U.v. 09. November 2011 - B 12 R 18/09 R –, BSGE 109, 254 [BSG 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R]). Diesbezüglich kann es im Zusammenhang mit einer Vorsatzprüfung allerdings im rechtlichen Ausgangspunkt nur auf subjektiv erkannte Unklarheiten ankommen. Hat der Beitragspflichtige nach der (auf der Grundlage einer Gesamtbewertung des Sachverhalts getroffenen) Überzeugung des Gerichts selbst entsprechende Unklarheiten gesehen (ohne diese ernsthaft abzuklären), dann spricht dies indiziell für einen jedenfalls bedingten Vorsatz.
Sieht der Beitragspflichtige seinerseits hingegen keine Unklarheiten und hat er ernsthaft – und nicht nur vage – auf die Nichterfassung von einer Beitragspflicht vertraut, dann kann der Vorsatz nicht aus objektiv – namentlich aus der Sicht eines Rechtskundigen – festzustellenden „Unklarheiten“ hergeleitet werden. Anderenfalls würde die Vorsatzprüfung zu einer Fahrlässigkeitsprüfung etwa im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB abgefälscht. Andererseits gilt auch natürlich auch bezüglich der Feststellung entsprechender Zweifel der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Auch wenn der Beitragsschuldner solche nicht einräumt, können die Umstände des jeweiligen Einzelfalls für deren Existenz sprechen.
jj) Im vorliegenden Fall spricht die gebotene Gesamtbewertung des Sachverhalts für eine Bewertung in dem Sinne, dass die Geschäftsführer der Klägerin im Sinne jedenfalls eines bedingten Vorsatzes die Möglichkeit gesehen haben, dass mit der Übertragung der Kapitalmehrheit an den Sohn bei gleichzeitiger Fortführung des Geschäftsführungsvertrages ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. begründet worden ist.
Die subjektiven Vorstellungen und Erwägungen der auf Seiten des Arbeitgebers für die Geschäftsführung und damit auch für die Beitragsabführung verantwortlichen Personen sind im Ausgangspunkt der eigenen Sphäre des Arbeitgebers, hier also der Klägerin zu 1., zuzuordnen. Dementsprechend obliegt ihr diesbezüglich zunächst ein substantiierter und detaillierter Vortrag. Folgerichtig hat der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung des § 24 Abs. 2 SGB IV dem Beitragsschuldner auferlegt, das Fehlen eines Verschuldens auf Seiten der Verantwortlichen glaubhaft zu machen. Die Klägerinnen haben nichts substantiiert vorzutragen vermocht, was für ein ernsthaftes Vertrauen auf Seiten der Geschäftsführer sprechen könnte, wonach ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht in Betracht kommen könnte.
Die Übertragung der Kapitalmehrheit auf den Sohn ist im Rahmen rechtlicher komplexer Vertragsgestaltungen vorgenommen worden. Die Übertragung der Anteile in Verbindung insbesondere auch mit der Einräumung eines langjährigen Nießbrauchsrechts an den Erträgen der übertragenen Kapitalanteile zugunsten der Mutter ist augenscheinlich auf der Basis eingehender Überlegungen und intensiver rechtlicher Beratung durchgeführt worden. Die Klägerin ist zu 1. ist die Muttergesellschaft eines international tätigen Konzerns mit mehreren hundert Beschäftigten. Die erfolgreiche Ausübung der geschäftsführenden Tätigkeiten in einem solchen Unternehmen setzt eine intensive Auseinandersetzung auch mit den rechtlichen Vorgaben voraus.
Die Klägerin zu 1. hat der Klägerin zu 2. auch typisches Arbeitsentgelt gewährt. Entsprechend den dargelegten vertraglichen Vereinbarungen hat die Klägerin zu 1. an die Klägerin zu 2. auch im streitbetroffenen Zeitraum 22. Mai bis 31. Dezember 2014 ein solches in Form insbesondere regelmäßiger monatlicher Gehaltszahlungen entrichtet; auch die vertragliche vereinbarte Bereitstellung eines auch zu privaten Zwecken zur Verfügung stehenden Dienstwagens, die Übernahme der „Arbeitgeberanteile zur Krankenversicherung“ und die vertraglich vereinbarte Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen (§ 5 Abs. 3 des Vertrages) sprechen für ein typisches Arbeitsentgelt. Der Klägerin zu 1. standen jährlich 30 Arbeitstage bezahlten Urlaubs zu (§ 7 des Vertrages). Im Krankheitsfall war ihr Gehalt für sechs Monate fortzuzahlen (§ 5 Abs. 6 des Vertrages).
Eine den Vorsatz indizierende Kenntnis von der Beitragspflicht kann, wie bereits ausgeführt, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung regelmäßig angenommen werden, wenn für das gesamte typische Arbeitsentgelt (zB bei "Schwarzarbeit") überhaupt keine Beiträge entrichtet werden (BSG, U.v. 16. Dezember 2015, aaO). Von einer solchen Nichtverbeitragung des gesamten typischen Arbeitsentgelts ist auch im vorliegenden Zusammenhang auszugehen. Der unsubstantiierte Vortrag der Klägerinnen bietet keinen Anhalt, um von einer Entkräftigung dieser Indizwirkung ausgehen zu können.
6. Die Festsetzung von Säumniszuschlägen in Höhe von 1.608 € bedingt durch die nicht fristgerechte Entrichtung der Beiträge für die abhängige Beschäftigung der Klägerin zu 2. im Zeitraum 22. Mai bis 31. Dezember 2014 ist auch nicht mit einer Unbilligkeit für die beitragspflichtige Klägerin zu 1. im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV verbunden.
a) Im rechtlichen Ausgangspunkt sind Entscheidungen nach § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB IV und damit insbesondere über einen (Teil-)Erlass einer Forderung wie etwa eines Anspruchs auf Säumniszuschläge nicht im Ausgangsverfahren, sondern im Rahmen des nachfolgenden Einziehungsverfahrens treffen (BSG, Urteil vom 01. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R –, SozR 4-2400 § 24 Nr 5). Im vorliegenden Verfahren muss der Senat nicht abschließend zu der Frage Stellung nehmen, inwieweit Ausnahmen von diesem Ansatz insbesondere im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit und den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG namentlich dann in Betracht kommen, wenn eine Unbilligkeit im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV maßgeblich bereits aus der Grundstruktur der im Ausgangsverfahren herangezogenen gesetzlichen Anspruchsgrundlage resultiert.
Entsprechendes gilt für die Frage nach der Entscheidungskompetenz des für die Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV zuständigen Rentenversicherungsträgers. Dessen in § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV normierte Befugnis, im Zuge einer Betriebsprüfung Verwaltungsakte insbesondere auch zur „Beitragshöhe“ zu erlassen, wird aus den bereits erläuterten Gründen dahingehend interpretiert, dass davon insbesondere angesichts angestrebten Konzentration der Prüfzuständigkeiten auch die Befugnis umfasst wird, im Zuge der Ermittlung der „Beitragshöhe“ zugleich die aus einer verspäteten Entrichtung von Beiträgen resultierenden Säumniszuschläge festzusetzen. Hiervon ausgehend dürfte es folgerichtig sein, diese Prüfzuständigkeit auch auf eine Klärung der Frage zu erstrecken, ob eine maßgeblich bereits aus der Grundstruktur der gesetzlichen Anspruchsgrundlage des § 24 SGB IV resultierende Unbilligkeit im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV zu konstatieren ist.
Eine abschließende Klärung dieser Frage bedarf es im vorliegenden Rechtsstreit allerdings nicht, da ohnehin im vorliegenden Einzelfall keine Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift festzustellen ist.
b) Bei der Regelung des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die die Behörde dazu ermächtigt, zur Erreichung eines den Umständen des Einzelfalles gerecht werdenden Ergebnisses auf die Einziehung von Geldleistungen zu verzichten, die ohne diese Ermächtigung gemäß dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland - GG -) eingezogen werden müssten (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 19. Oktober 1971 – GmS-OGB 3/70 – BVerwGE 39, 355 zu entsprechenden Regelungen in der damaligen Vorschrift des § 131 AO).
Gerade da, wo nicht logische Subsumtion, sondern das an den Umständen des Einzelfalles orientierte Billigkeitsempfinden für die Entscheidung maßgeblich ist, zeigt das Ermessen, das nicht stets nur vom Zerrbild seines Missbrauchs her gesehen werden darf, seine "großartige Seite", indem es den Einzug der Einzelfallgerechtigkeit in das zwingende Recht ermöglicht (vgl. ebenfalls Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, aaO).
Dementsprechend ist auch ein Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen geboten, wenn ihre Einziehung im Einzelfall, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Säumniszuschläge, nicht zu rechtfertigen ist, obwohl der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Erhebung der Säumniszuschläge aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (BFH, Urteil vom 20. Mai 2010 – V R 42/08 –, BFHE 229, 83, Rn. 19 mwN). Gerade § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV bietet damit eine geeignete gesetzliche Grundlage, um den auch vom BSG im Urteil vom 12. Dezember 2018 (B 12 R 15/18 R, zitiert nach Maßgabe des o.g. Terminsberichts) herangezogenen Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit effektiv umzusetzen.
c) Dem Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit kommt eine noch gesteigerte Relevanz zu, wenn ohnehin von Verfassungs wegen eine sachgerechte Würdigung und Bewertung der Umstände des Einzelfalls gefordert werden. Im Strafrecht muss insbesondere die angedrohte Sanktion in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen; insoweit deckt sich der Schuldgrundsatz in seinen die Strafe begrenzenden Auswirkungen mit dem Verfassungsgrundsatz des Übermaßverbotes. Gemessen an der Idee der Gerechtigkeit müssen Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 2 BvL 12/77 –, BVerfGE 50, 205-217, Rn. 38 mwN). Die einen Täter treffenden Folgen einer Straftat müssen zur Schwere der Rechtsgutsverletzung und des individuellen Verschuldens in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen, die im Einzelfall verhängte Sanktion muss in diesem Sinne schuldangemessen sein (BVerfG, B.v. 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 –, BVerfGE 110, 1, Rn. 57; B.v. 07. Oktober 2008 – 2 BvR 578/07 –, NJW 2009, 1061, Rn. 28;
BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2014 – 7 C 6/12 – NVwZ 2014, 939).
Die verfassungsrechtliche Herleitung dieses an der Idee der Gerechtigkeit orientierten (BVerfG, aaO) Grundsatzes aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG (vgl. ebenfalls BVerfG, B.v. vom 17. Januar 1979, aaO) verdeutlicht, dass dieser Ansatz sich nicht auf das Strafrecht im klassischen Sinne (unter Einschluss insbesondere des Ordnungswidrigkeitsrechts und des Disziplinarrechts) beschränken kann, sondern sich auch auf andere staatliche Sanktionen mit strafähnlicher Wirkung erstrecken muss. Dem Schuldgrundsatz unterliegen dementsprechend auch Sanktionen, die wie eine Strafe wirken.
Strafähnlich ist eine Maßnahme freilich nicht schon dann, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende, Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck. So hat das Bundesverfassungsgericht den in § 890 Abs. 1 ZPO geregelten Zwangsmaßnahmen, die neben der Disziplinierung des Schuldners auch Sühne für eine begangene Zuwiderhandlung bezwecken, strafähnliche Wirkung zugesprochen; dagegen hat es die Anordnung von Untersuchungshaft im Ermittlungsverfahren und die Unterbringung drogenabhängiger Täter in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB wegen des sichernden Charakters dieser Maßnahmen nicht als strafähnlich angesehen (vgl. BVerfG, B.v. 14. Januar 2004, aaO, Rn. 59 mwN).
Auch Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV stellen sich auch als staatliche Sanktionen dar (BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 3/11 R - BSGE 111, 268, vgl. in diesem Sinne auch BT-Drs. 16/3100, S. 182). Sie haben letztlich eine doppelte Funktion: Zum einen sollen sie zum Ausgleich des durch die verzögerte Beitragsentrichtung bewirkten Schadens insbesondere in Form des Zinsnachteils auf Seiten der Sozialleistungsträger dienen. Ihre Aufgabe beschränkt sich aber nicht auf einen den Ausgleich dieses Schadens. Lediglich ein Teil der nach § 24 SGB IV zu erhebenden Säumniszuschläge soll diesem Zweck dienen. Der restliche (jedenfalls angesichts der langjährigen Niedrigzinsphase inzwischen deutlich überwiegende) Anteil soll hingegen eine zusätzliche Bestrafung bewirken. Die Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV beinhalten damit einerseits einen Anteil, der auf einen Ausgleich des Zinsnachteils auf Seiten der Sozialleistungsträger und des damit korrespondierenden Zinsvorteils auf Seiten des Beitragsschuldners gerichtet ist (Zinsausgleichskomponente) und zum anderen einen Anteil, der zielgerichtet im Sinne einer zusätzlichen Bestrafung den Pflichtverstoß auf Seiten des Beitragsschuldners sanktionieren soll (Strafkomponente). Insoweit verfolgen die Säumniszuschläge das Ziel einer Ahndung eines sozialethischen Fehlverhaltens in Form der Nichtbeachtung der Beitragsabführungsvorschriften. Gerade auch die Ausgestaltung eines Verschuldens als tatbestandliche Voraussetzung in § 24 Abs. 2 SGB IV bringt das den Säumniszuschlägen innewohnende sozialethische Unwerturteil zum Ausdruck.
Nur die Zinsausgleichskomponente der Säumniszuschläge verfolgt das Ziel einer Abschöpfung des (Zins-)Gewinns. Dieses Ziel ist schon unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkt sachgerecht und weist als solches keine pönale Natur auf (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 –, BVerfGE 110, 1-33, Rn. 63). Die Strafkomponente der Säumniszuschläge geht bewusst über eine Abschöpfung des (Zins-)Gewinns hinaus und wird von einem pönalen Charakter geprägt.
Mit der Vorgabe eines Säumniszuschlages in Höhe von einem Prozent für jeden Säumnismonat, entsprechend einem Jahreszins von 12 %, hat der Gesetzgeber bewusst eine Sanktionshöhe vorgegeben, die auch im Rahmen einer typisierenden Betrachtung den üblicherweise zu erwartenden Schaden sehr deutlich übersteigt. Bezeichnenderweise sieht § 238 Abs. 1 Satz 1 AO nur eine Verzinsung mit 0,5 % im Monat vor (zu durchgreifenden Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit auch dieses Zinssatzes vgl. BFH, Beschluss vom 03. September 2018 – VIII B 15/18 –, Rn. 26, BFH/NV 2018, 1279 mwN).
Soweit die Höhe der Säumniszuschläge die Höhe des typischerweise zu erwartenden Schadens bewusst deutlich übersteigen (vgl. zur Zuordnung jeweils von Teilbeträgen der Säumniszuschläge zu den einzelnen mit der Verhängung verfolgten verschiedenen Zwecken etwa BFH, Urteil vom 29. August 1991 – V R 78/86 –, BFHE 165, 178), erklärt sich dies aus der ihnen des Weiteren zukommenden Straffunktion, mit der die schon angesprochene Druckwirkung sowohl unter spezial- als auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten herbeigeführt werden soll. Insoweit handelt es sich um eine von einem Schadensausgleich losgelöste Nachteilsauferlegung, welche den begangenen Rechtsverstoß in Form der nicht rechtzeitigen Beitragsentrichtung ahnden und damit zugleich die Bereitschaft sowohl des einzelnen Betroffenen als auch zugleich der übrigen Beitragsverpflichteten zur gewissenhaften Beachtung der gesetzlichen Beitragsabführungspflichten fördern soll.
Säumniszuschläge weisen mithin einen den typischerweise insbesondere in Form des Zinsnachteils zu erwartenden Schaden der verspäteten Beitragszahlung übersteigende Anteil auf. Dieser in den Säumniszuschlägen enthaltene Sanktions- bzw. Strafanteil, mit dem die Sanktionswirkung und damit zugleich die sog. Druckfunktion herbeigeführt werden soll, darf entsprechend den erläuterten verfassungsrechtlichen Vorgaben nur in den von dem Geboten der Einzelfallgerechtigkeit und der sachlichen Billigkeit gesteckten Grenzen erhoben werden. Dieser Sanktionsanteil weist eine strafähnliche Wirkung auf.
d) Der damit im Hinblick auf die Strafkomponente der Säumniszuschläge erforderliche Prüfung des Schuldprinzips kommt bei der Anwendung des § 24 SGB IV eine gesteigerte Relevanz vor dem Hintergrund zu, dass die gesetzliche Vorschrift schon ihrer Struktur nach Regelungen beinhaltet, die eine Überschreitung der Grenzen einer sachgerechten Ahndung begünstigen.
§ 24 SGB IV enthält eine sog. absolute Strafandrohung, weil bereits der Gesetzgeber mathematische exakte Vorgaben über die Berechnung der Säumniszuschläge unter Einschluss des in diesen inbegriffenen Strafanteils vorgibt, ohne dass in dieser Vorschrift dem Sozialleistungsträger noch ein gesondertes Ermessen zur Überprüfung der Angemessenheit der sich rechnerisch ergebenden Beträge eingeräumt wird. Hat beispielsweise ein Beitragsschuldner versehentlich im Jahr 2010 10.000 € Beiträge nicht fristgerecht gezahlt und wird dieses Versäumnis im Zuge einer 2014 eingeleiteten und 2015 abgeschlossenen Betriebsprüfung aufgedeckt, dann sind nach § 24 SGB IV in dem 2015 erlassenen Bescheid Säumniszuschläge in Höhe von rund 6.000 € (ca. 60 Monate Säumnis zu jeweils 1 % der rückständigen Beiträge, die mathematisch exakte Berechnung knüpft an den in den einzelnen Beitragsmonaten jeweils zu erbringenden Zahlungen an) zu erheben. Ausgehend von der Annahme eines (insbesondere Zinsschadens) in Höhe von ca. 1.500 € würden von diesem Betrag rund 4.500 € auf den Sanktions- bzw. Strafanteil entfallen.
Dessen Höhe hat im Ergebnis bereits der Gesetzgeber losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls vorgegeben. Die damit zu konstatierende absolute Androhung einer bestimmten Strafe ist jedoch nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn dem Richter von Gesetzes wegen die Möglichkeit offen bleibt, bei der Subsumtion konkreter Fälle unter die abstrakte Norm zu einer schuldangemessenen Strafe zu kommen (BVerfG, B.v. 07. Oktober 2008 – 2 BvR 578/07 – NJW 2009, 1061, Rn. 29). Erst eine sachgerechte Anwendung des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV eröffnet in Bezug auf Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV die von Verfassungs wegen gebotene Möglichkeit, sicherzustellen, dass die Sanktion nicht den Rahmen einer schuldangemessenen Bestrafung überschreitet.
Eine sorgfältige Prüfung ist dabei umso mehr geboten, als die gesetzlichen Berechnungsvorgaben schon im Ausgangspunkt nicht darauf ausgerichtet sind, schuldangemessene Sanktionen bezüglich der in den Säumniszuschlägen inbegriffenen Sanktionsanteile herbeizuführen. Der Gesetzgeber hat – letztlich im Interesse der schon angesprochenen Verwaltungsvereinfachung – einheitliche Berechnungsvorgaben für die Säumniszuschläge erlassen, mit denen diese sowohl ihre Funktion zum pauschalen Schadensausgleich als auch ihre Straffunktion erfüllen sollen. Der Gesetzgeber hat dabei aber übersehen, dass von Verfassungs wegen die Höhe einer schuldangemessenen Strafe nach anderen Maßstäben als ein im Ausgangspunkt nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu ermittelnder (Zins-)Schaden zu bemessen ist.
Für den angestrebten Ausgleich eines sich (jedenfalls ganz überwiegend) als Zinsnachteil darstellenden Schadens ist es natürlich im Ausgangspunkt sachgerecht, die Dauer der Säumnis zu ermitteln und für die Säumniszeit eine (angemessene) Verzinsung vorzusehen. Die Dauer der Säumnis ermöglicht aber schon im Ausgangspunkt keine konkreten Rückschlüsse auf das Ausmaß des dem Beitragspflichtigen vorzuwerfen Verschuldens. Das Ausmaß der vorzuwerfenden Pflichtwidrigkeit wird im Ausgangspunkt insbesondere durch die Schwere der Sorgfaltswidrigkeit bestimmt. Diese wird aber ihrerseits nicht dadurch richtungweisend geprägt, in welchem zeitlichen Abstand die Pflichtwidrigkeit von Seiten der Sozialleistungsträger aufgedeckt wird. Bezeichnenderweise hat sich die Strafzumessung in Steuerstrafsachen im Ausgangspunkt entsprechend dem Schuldgrundsatz an der Höhe des tatsächlich angerichteten Steuerschadens (und nicht etwa – auch - ausschlaggebend an der Zeitspanne, die zwischen der Tat und ihrer Aufdeckung durch die Finanzbehörden verstrichen ist) auszurichten (BGH, Urteil vom 07. Februar 2012 – 1 StR 525/11 –, BGHSt 57, 123, Rn. 20) .
Im allgemeinen Strafrecht würde es eine nicht überzeugende (und nicht den Vorgaben des § 46 StGB entsprechende) Strafzumessung darstellen, wenn von zwei Personen, die jeweils als Ersttäter eine Jacke im Wert von 100 € in einem Bekleidungsgeschäft entwendet haben, der eine zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen und die andere zu einer Strafe von nur 20 Tagessätzen verurteilt würden und der Richter zur Begründung darauf abstellen sollte, dass der erste Täter erst nach sechs Monate, der zweite jedoch schon nach einem Monat von der Polizei ermittelt worden sei.
Vergleichbare Wertungswidersprüche sind mit den Vorgaben des § 24 SGB IV verbunden. Auch der in den Säumniszuschlägen mitenthaltene Strafanteil wird der Höhe nach dadurch maßgeblich mitbestimmt, in welchem zeitlichen Abstand zu dem Sorgfaltsverstoß dieser im Rahmen etwa einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV aufgedeckt wird. Aus der Sicht des Beitragspflichtigen ist es jedoch letztlich zufällig, ob eine Betriebsprüfung wenige Monate oder erst beispielsweise vier Jahre nach einem Verstoß gegen die Beitragsabführungspflichten durchgeführt wird. Die Höhe der Säumniszuschläge und damit auch die Höhe der in ihnen inbegriffenen Strafanteile der Säumniszuschläge wird damit nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen maßgeblich durch diese Zeitspanne bestimmt, obwohl diese als solche keine richtungweisenden Rückschlüsse auf das Ausmaß des Verschuldens zulässt.
e) Die verfassungsrechtliche Problematik, wonach die Höhe der sich rechnerisch in Anwendung des § 24 SGB IV ergebenden Sanktion den Rahmen einer schuldangemessenen Sanktionierung überschreiten kann, besteht unabhängig von der Frage, ob das Verschulden im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV entsprechend § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen ist oder lediglich vorsätzliche Pflichtverstöße mit Säumniszuschlägen belegt werden dürfen. Dem Schuldgrundsatz ist auch und insbesondere bei der Ahndung vorsätzlicher Verfehlungen uneingeschränkt Rechnung zu tragen. Auch bei Vorsatztaten gibt der Zeitablauf zwischen Begehung und Aufdeckung als solcher regelmäßig keine richtungweisenden Aufschlüsse über das Ausmaß des Verschuldens. Davon ist noch weniger auszugehen, wenn diese Zeitspanne maßgeblich von Zufälligkeiten im Verwaltungsablauf (hier in Bezug auf die Terminierung von Betriebsprüfungen) abhängt.
In der gebotenen Gesamtbetrachtung kann überdies auch einer vorsätzlichen Pflichtverletzung ein nur eher geringeres Gewicht beizumessen sein. Beispielsweise bei vorsätzlichen Körperverletzungen sieht das Gesetz in § 223 StGB einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafen (und auch mehr bei Vorliegen eines Qualifizierungstatbestandes im Sinne der §§ 224 ff. StGB) vor, auch viele vorsätzlich begangene Körperverletzungen sind jedoch schuldangemessen im unteren Bereich des gesetzlich Strafrahmens und damit tendenziell nur im Sinne einer relativ geringen Geldstrafe zu ahnden (soweit nicht ohnehin eine Einstellung des Verfahrens insbesondere nach § 153a StPO in Betracht kommt). Andererseits können auch nur fahrlässig begangene Körperverletzungen ein so erhebliches Gewicht aufweisen, dass eine Freiheitsstrafe zu verhängen ist. § 229 StGB sieht einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vor.
In der Praxis fallen durchaus auch Fallgestaltungen auf, in denen die Beitragshinterziehung erst nach Verurteilung des Beitragspflichtigen wegen einer (nur in vorsätzlicher Begehungsform in Betracht kommenden) Straftat nach § 266a StGB im Rahmen einer Betriebsprüfung zu einer entsprechenden Beitragsnacherhebung führt und in denen die im strafrechtlichen Verfahren in Anwendung des Schuldgrundsatzes verhängte Strafe im Ergebnis sehr deutlich hinter der strafähnlichen Sanktion in Form des Strafanteils der sich rechnerisch ergebenden Säumniszuschläge zurückbleibt.
Darüber hinaus kann gerade bei vorsätzlich begangenen Beitragshinterziehungen eine Missachtung des Schuldprinzips vor dem Hintergrund sich ergeben, dass eine doppelte Ahndung einmal durch die in Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV inbegriffenen Strafanteile und zum anderen durch die Verhängung einer Kriminalstrafe nach § 266a StGB in Betracht kommt. In solchen Fallgestaltungen ist (insbesondere durch den jeweils zuletzt tätigen Gesetzesanwender) sicherzustellen, dass auch in der Gesamtbetrachtung (entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG, B.v. 29. Oktober 1969 – 2 BvR 545/68 –, BVerfGE 27, 180 zum Disziplinarrecht; vgl. auch zum Verbot einer doppelten Gewinnabschöpfung: BVerfG, B.v. 23. Januar 1990 – 1 BvL 4/87 – BVerfGE 81, 228, Rn. 37) die Grenzen einer schuldangemessenen Sanktionierung nicht überschritten werden.
Strukturelle Probleme bezüglich der verfassungsrechtlich gebotenen verlässlichen Umsetzung des Schuldgrundsatzes weist § 24 SGB IV ferner vor dem Hintergrund der inzwischen seit etlichen Jahren festzustellenden Niedrigzinsphase auf. Im Vergleich zu den vom Gesetzgeber 1994 und 2002 vorgefundenen wirtschaftlichen Ausgangslage hat sich der auf Seiten der Sozialleistungsträger bei verzögerten Beitragszahlungen zu erwartende Zinsschaden deutlich reduziert (zu sich daraus jedenfalls im Steuerrecht ergebenden erheblichen Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit eines gesetzlich vorgeschriebenen Zinssatzes von 6 % per anno vgl. BFH, Beschluss vom 03. September 2018, aaO). Bei unverändert gebliebener Höhe der Säumniszuschläge führt dies im Ergebnis zu einer Verschiebung im wechselseitigen Verhältnis des in diesen Zuschlägen beinhalteten Schadensausgleichsanteils zu dem gleichfalls inbegriffenen Strafanteil. Dabei ist nichts dafür zu erkennen, dass mit dem niedrigeren Zinsniveau unter Schuldgesichtspunkten ein Bedarf nach einer höheren schadensunabhängigen Sanktionierung entsprechender Pflichtverstöße einhergeht.
Die vorstehend aufgezeigten strukturellen Defizite der gesetzlichen Vorgaben des § 24 SGB IV sollten den Gesetzgeber de lege ferenda zu einer sachgerechten Änderung veranlassen. Bis dahin obliegt es den Gerichten, durch eine sachgerechte Anwendung des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV in Umsetzung der erläuterten verfassungsrechtlichen Vorgaben jedenfalls zu verhindern, dass die Anwendung dieser Vorgaben im Einzelfall zu nicht mehr schuldangemessenen Ergebnissen führt.
f) Ungeachtet des dargelegten weitreichenden verfassungsrechtlichen Prüfauftrages hinsichtlich einer im Sinne des § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV in Betracht kommenden Unbilligkeit ist eine solche im Ergebnis im vorliegenden Einzelfall nicht festzustellen.
Die Klägerin hat, wie im Einzelnen bereits ausgeführt worden ist, durch erhebliches Verschulden Beiträge in Höhe von rund 10.000 € bis zur Betriebsprüfung nicht gezahlt. Damit hat sie vorwerfbar das Risiko begründet, dass der Fehler auch im Zuge einer Betriebsprüfung nicht erkannt werden würde und einen dauerhaften Beitragsausfall auf Seiten der Sozialleistungsträger nach sich ziehen konnte.
Die Klägerin zu 1. ist die Muttergesellschaft eines Konzerns mit mehr als 700 Mitarbeitern. Ein Säumniszuschlag von 1.608 € (von dem noch ein Anteil dem typisierend zu ermittelnden Zinsschadensausgleich abzurechnen ist), vermag angesichts des erheblichen Verschuldens der Verantwortlichen der Klägerin zu 1. keine Unbilligkeit zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.
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