Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 01.10.2003, Az.: L 6 U 328/01

Anspruch einer im ehelichen Gartenbaubetrieb Tätigen auf Anerkennung einer seitlichen Verbiegung der Wirbelsäule ( Skoliose) als Berufskrankheit; Berufliche Verursachung der Skoliose

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
01.10.2003
Aktenzeichen
L 6 U 328/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 10033
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:1001.L6U328.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 13.08.2001 - AZ: S 32 U 83/01

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. August 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die 1939 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten Entschädigungsleistungen wegen einer von ihr durch die Arbeit im ehelichen Gartenbaubetrieb verursacht angesehenen seitlichen Verbiegung der Wirbelsäule (Skoliose). Die Beklagte lehnte dieses Begehren ab (Bescheid vom 4. April 2001), nachdem der sie beratende Arzt für Orthopädie Dr. B. in der Stellungnahme vom 9. August 2000 darauf hingewiesen hatte, dass sich aus den Röntgenaufnahmen die extreme Form einer asymmetrischen lumbosakralen Übergangsstörung mit daraus resultierender dritt- bis viertgradiger Torsionsskoliose der Lendenwirbelsäule mit Scheitelpunkt bei L3 ergebe, die in eine skoliotische Biegung der Brustwirbelsäule übergehe. In Verbindung mit der skoliotischen Verbiegung bestünden mehrtägige Drehgleitvorgänge. In diesen Segmenten sei es zu Verschleißveränderungen der Bandscheibenräume gekommen. Die Röntgenbildauswertung ergebe somit mit Sicherheit kein berufsbedingtes Schadensbild, sondern eine klassische schicksalhafte Wirbelsäulenerkrankung. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2001).

2

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die am 25. Mai 2001 erhobene Klage durch Urteil vom 13. August 2001 abgewiesen.

3

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der am 5. September 2001 eingelegten Berufung. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Skoliose bestehe und beantragt sinngemäß,

  1. 1.

    das Urteil des SG Hildesheim vom 13. August 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2001 aufzuheben,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Skoliose Folge einer Berufskrankheit, hilfsweise festzustellen, dass sie Folge einer von der Beklagten wie eine Berufskrankheit zu entschädigenden Krankheit ist,

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, ihr Entschädigungsleistungen zu gewähren,

    hilfsweise, zum Nachweis, dass die Skoliose nicht Folge der im Jahr 1966 erlittenen Hirnembolie ist, ein neurologisches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzuholen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 13. August 2001 zurückzuweisen.

5

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

6

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin Dr. C. gutachtlich gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das orthopädische Gutachten vom 4. März 2003 verwiesen.

7

Der Senat hat die Beteiligten durch Verfügung des Berichterstatters vom 4. September 2003 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

8

Dem Senat haben neben den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

9

II.

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hält das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Entscheidung konnte deshalb durch Beschluss ergehen (§ 153 Abs. 4 SGG).

10

Das SG hat die - hinsichtlich des Feststellungsantrags gemäß § 55 Abs. 1 Ziffer 3 SGG - zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Daraus folgt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat. Denn die Skoliose ist nicht beruflich verursacht. Darauf haben alle Ärzte, die mit dieser Fragestellung beschäftigt waren, hingewiesen. Neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse liegen auch nach den Ausführungen des - auf Antrag der Klägerin gehörten - Sachverständigen Dr. C. nicht vor. Die Frage, ob die Skoliose Folge der Hirnembolie ist - das haben der Sachverständige und der Hausarzt der Klägerin überzeugend begründet (Bl. 11 des orthopädischen Gutachtens vom 4. März 2003: "charakteristisches Bild einer Lähmungsskoliose"; vgl. auch die Vermerke über das von der Beklagten mit Dr. D. geführte Telefongespräch vom 19. März 2001 und über das mit der Klägerin geführte persönliche Gespräch am 8. April 2001) -, ist rechtlich nicht erheblich. Denn in der gesetzlichen Unfallversicherung kommt es grundsätzlich nicht darauf an, auf welcher beruflich unabhängigen Ursache eine Gesundheitsstörung beruht. Deshalb war auch dem Antrag der Klägerin, nach § 109 SGG ein neurologisches Gutachten einzuholen, nicht nachzugehen. Entscheidend ist allein, dass keine medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisse über die berufliche Verursachung einer Skoliose bestehen. Das gilt insbesondere für das in den Vordergrund gestellte Ziehen eines Gießschlauches (Sitzungsniederschrift vom 13. August 2001), das - nach der unzutreffenden Vorstellung der Klägerin - über eine schräge Körperhaltung zu der Skoliose geführt haben soll (Anlage zur Klage vom 21. Mai 2001).

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

12

Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.