Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 08.10.2003, Az.: L 4 KR 253/01

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
08.10.2003
Aktenzeichen
L 4 KR 253/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 39758
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:1008.L4KR253.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - AZ: S 11 KR 493/99

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage des Abschlusses der Wundheilung bei resorbierbarem Nahtmaterial im Sinne der Fallpauschalen Nrn. 9.021 und 9.082 des Bundesweiten Fallpauschalen-Katalogs für Krankenhäuser (Anlage zur Bundespflegesatzverordnung).

In dem Rechtsstreit

Schüchtermann-Schiller'sche Kliniken, Bad Rothen-felde GmbH Co. KG, vertreten durch den Geschäftsführer Dieter Stelmaszek, Ulmenallee 5, 49214 Bad Rothenfelde,

Klägerin und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A.,

gegen

AOK Westfalen/Lippe, Regionaldirektion Dortmund,

Nortkirchenstraße 103-105, 44263 Dortmund,

Beklagte und Berufungsklägerin,

hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2003 in Celle durch die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -, die Richterin Poppinga, den Richter Wolff sowie die ehren-amtlichen Richter Beutnagel und Prehn

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

TATBESTAND

1

Der Rechtsstreit betrifft die Krankenhausbehandlungskosten für die Versicherten B. (geboren 8. Juni 1916) und C. (geboren 28. November 1964).

2

Für die Versicherte D. verordnete der Arzt für Innere Medizin Dr. E. mit Datum vom 3. Juli 1998 stationäre Krankenhausbehandlung wegen einer operationspflichtigen Mitralinsuffizienz. Am 10. Juli 1998 zeigte die Klägerin der Beklagten die stationäre Aufnahme der Versicherten am 6. Juli 1998 an und beantragte Kostenübernahme. Am 7. Juli 1998 erfolgte operativ eine komplexe Mitralklappenrekonstruktion. Die Versicherte wurde am 11. Juli 1998 von der Station 9 auf Station 11 verlegt. In dem pflegerischen Verlegungsbericht vom gleichen Tage hieß es zur Wundversorgung, dass die Sternumnaht noch etwas blutig, aber sonst ohne Befund und mit einem Pflaster versehen sei. Am 13. Juli 1998 wurde dokumentiert, dass die Patientin "o. K." sei, der Thorax mit Waschbenzin gereinigt und die Pacer- und Drainfäden gezogen worden seien. Am 17. Juli 1998 wurde die Versicherte in die periphere kardiologische Station (Station 1) aufgenommen. In dem pflegerischen Verlegungsbericht wurden keine Auffälligkeiten mehr verzeichnet. Die Klägerin stellte der Beklagten unter dem 5. August 1998 für die Zeit vom 6. bis 13. Juli die Fallpauschale 9.081 ( 22.672,36 DM) und für die Zeit vom 13. bis 16. Juli 1998 jeweils 4 Tage Pflegesatz Chirurgie (á 214,53 DM) und den Basispflegesatz (á 55,14 DM) in Rechnung. In der Rechnung wurde als Datum der Wundheilung der 13. Juli 1998 genannt. Die Beklagte bezahlte nur die Fallpauschale 9.081 (22.672,36 DM). Die Beträge für den Pflegesatz Chirurgie und den Basispflegesatz (1.078,68 DM) zahlte sie nicht.

3

Für den Versicherten C. verordnete der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. am 21. Juli 1998 stationäre Krankenhausbehandlung zur Bypass-Operation unter der Diagnose koronare Herzkrankheit mit 2-Gefäßerkrankung bei Zustand nach Posterolateralinfarkt. Mit Datum vom 24. Juli 1998 zeigte die Klägerin die stationäre Aufnahme des Versicherten am 22. Juli 1998 an und beantragte die Kostenübernahme durch die Beklagte. Am 24. Juli 1998 wurden operativ eine Koronarrevaskularisation und zwei aortokoronare Venenbypassbrücken ausgeführt. Am 30. Juli 1998 wurde der Versicherte auf die Normalstation verlegt. Die ärztliche Feststellung vom gleichen Tage lautete: "Allgemeinzustand gut, Sternum stabil, Venen o.B." Am 3. August 1998 wurde der Versicherte zur Rehabilitation in die Salzetalklinik nach Bad Salzuflen verlegt. In der Rechnung der Klägerin vom 20. August 1998 wurden für die Zeit vom 22. bis 30. Juli 1998 die Fallpauschale 9.021 (22.778,46 DM) und für die Zeit vom 30. Juli bis zum 2. August 1998 jeweils für 4 Tage der Pflegesatz Chirurgie (á 214,53 DM) und der Basispflegesatz (á 55,14 DM) geltend gemacht. Als Datum der Wundheilung wurde in der Rechnung der 30. Juli 1998 genannt. Die Beklagte zahlte lediglich den um den Pflegesatz Chirurgie und den Basispflegesatz gekürzten Rechnungsbetrag (Differenz: 1.078,68 DM).

4

In beiden Fällen wurde resorbierbares Nahtmaterial verwendet.

5

Im vorprozessualen Schriftwechsel lehnte die Beklagte die Zahlung der Restbeträge mit der Begründung ab, dass neben den Fallpauschalen die Berechnung von tagesgleichen Pflegesätzen nach den gesetzlichen Bestimmungen ausgeschlossen sei. Die jeweiligen Grenzverweildauern, die für die Fallpauschale 9.081 mit 21 Tagen und für die Fallpauschale 9.021 mit 18 Tagen angesetzt seien, seien bei den Versicherten in beiden Fällen bei weitem nicht erreicht worden. Die angegebenen Daten der Wundheilung seien erheblich zu früh angesetzt worden und daher nicht nachvollziehbar.

6

Mit ihrer am 9. April 1999 erhobenen Klage hat die Klägerin die Differenz in beiden Fällen von insgesamt 2.157,36 DM eingeklagt. Nach den Feststellungen der behandelnden Kranken-hausärzte sei bei der Versicherten D. die Wundheilung am 13. Juli 1998 und bei dem Versicherten G. am 30. Juli 1998 eingetreten. Nur bis zu diesem Zeitpunkt sei demnach die jeweilige A-Fallpauschale in Ansatz zu bringen. Da in beiden Fällen die weitere Verweildauer von jeweils 4 Tagen nicht zur Abrechnung der B-Fallpauschalen berechtige, sei sie befugt, tagesgleiche Pflegesätze geltend zu machen.

7

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Beklagte durch Urteil vom 23. Oktober 2001 antragsgemäß zur Zahlung des geltend gemachten Betrages nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch der Klägerin begründe sich aus dem niedersächsischen Sicherstellungsvertrag in Verbindung mit den Bestimmungen der Bundespflegesatz-Verordnung (BPflV) und den hierzu ergangenen Entgeltkatalogen. § 17 Abs. 2a Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ermächtige die Spitzenverbände der Krankenkassen, den Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft, Vereinbarungen über die Entgeltkataloge und deren Weiterentwicklung zu schließen. Verfassungs-rechtliche Bedenken gegen diese Ermächtigung bestünden unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) nicht. Zwar seien gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 und § 16 Abs. 2 BPflV in den Behandlungsfällen, für die im Fallpauschalenkatalog eine Fallpauschale bestimmt sei, die für den Behandlungsfall angefallenen Krankenhauskosten grundsätzlich durch die Pauschale abgegolten und die Berechnung von Sonderentgelten und tagesgleichen Pflegesätzen daneben ausgeschlossen. Das BSG habe indessen mit überzeugender Begründung erläutert, dass die Sperrwirkung einer Fallpauschale nicht schon dann greife, wenn im Rahmen einer Krankenhausbehandlung die Abrechnung überhaupt irgendeiner Fallpauschale in Betracht komme. Notwendig sei vielmehr, dass die Fallpauschale auch im Hinblick auf den konkret zu überprüfenden Behandlungszeitraum einschlägig sei.

8

Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass im Falle der Versicherten D. die A-Fallpauschale 9.081 und im Falle des Versicherten G. die Fallpauschale 9.021 anzuwenden seien, die nach dem Wortlaut der Fallpauschalendefinition in Spalte 2 des Kataloges in der Anlage 1.1 zu § 11 BPflV die Versorgung von der Herzoperation "bis Abschluss der Wundheilung (z.B. Entfernung von Fäden/Klammern), mindestens jedoch bis Abschluss der Behandlung indikationsspezifischer Komplikationen" umfassten. Die Sperrwirkung der jeweiligen Fallpauschale habe jedoch im Falle der Versicherten D. nur bis zum 13. Juli 1998 und im Falle des Versicherten G. nur bis zum 30. Juli 1998 gegriffen. Dies folge daraus, dass an diesen Tagen die jeweilige Wundheilung abgeschlossen und damit der Geltungszeitraum der A-Pauschalen abgelaufen gewesen sei. Die vorgesehenen Anschluss-Fallpauschalen (B-Fallpauschalen) 9.082 und 9.022 hätten nicht zu Grunde gelegt werden können, weil die jeweiligen Mindestverweildauern nicht erfüllt worden seien. Somit seien für die verbleibenden 4 Tage der stationären Behandlung der Versicherten von der Klägerin zu Recht tagesgleiche Pflegesätze zur Abrechnung gebracht worden.

9

Soweit die Beklagte gegen die von den Ärzten der Klägerin festgestellten Zeitpunkte der Wundheilung am 13. bzw. 30. Juli 1998 Bedenken geltend gemacht habe, griffen diese nicht durch. Nach dem Wortlaut der Fallpauschalendefinition, dem System des Fallpauschalenkataloges und aus dem Sinn und Zweck der Abgren-zung von A- und B- Fallpauschale sei der "Abschluss der Wundheilung" im Sinne der Definitionen der Fallpauschalen 9.081 und 9.021 in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem die letzte Krankenhausleistung zur Behandlung der Operationswunde erbracht werde. Nach dem Wortlaut meine der Abschluss der Wundheilung nicht einen physiologischen Zustand, wie die Beklagte dargestellt habe, sondern den Zeitpunkt einer konkreten Behandlungsmaßnahme, die die aktive Versorgung der Operationswunde abschließe. Insbesondere Ziffern 1 und 2 der Abrechnungsbestimmungen zeigten auf, dass es der Systematik der Fallpauschalen entspreche, auf die Erbringung bestimmter Leistungen oder Prozeduren abzustellen. Die von der Beklagten und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe vertretene Auffassung, es müsse auf den medizinischen Abschluss der Wundheilung im Sinne des Erreichens einer ausreichenden Gewebsneubildung bzw. deren Reißfestigkeit abgestellt werden, führe zu erheblichen Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung, weil sie jedenfalls eingehendere Untersuchungen erfor-derten, die im Rahmen von Krankenhausabrechnungen, die als Massengeschäft zu betrachten seien, nicht gefordert werden könnten. Weder seien vom Verordnungsgeber Mindestgrenzen vorgegeben, noch könnten aus den Grenzverweildauern Rückschlüsse gezogen werden. Letztere seien allenfalls als Kalkulationsgrundlagen zu be-trachten.

10

Die in den Rechnungen genannten Daten der Wundheilung stünden in Übereinstimmung mit den Angaben in den jeweiligen Krankenhausakten. Spätere Behandlungsmaßnahmen im Wundbereich seien nicht erfolgt und auch nicht erforderlich gewesen, weil sich das Nahtmaterial aufgelöst habe. Der dokumentierte Verlauf lasse auch nicht den Schluss zu, dass das Vorgehen der Klägerin medi-zinisch als bedenklich zu betrachten sei. Dem Gutachten des Prof. Dr. H. sei im übrigen zu entnehmen, dass die neuen Nahttechniken einen früheren Abschluss der Wundheilung ermöglichten als in früheren Zeiten. Dass der Klägerin damit im Ergebnis dieser medizinische Fortschritt bei der Abrechnung zu gute komme, sei nicht zu beanstanden. Es sei Sache der Vertragspartner, diesen Entwicklungen bei den Verhandlungen über die Vergütung der Krankenhausleistungen Rechnung zu tragen. Der Tag der Wundheilung selbst werde nicht mehr von der A-Fallpauschale erfasst, so dass die Klägerin diesen Tag zu Recht bei der Berechnung der Pauschale außer acht gelassen habe. Der Zinsanspruch rechtfertige sich aus den Bestimmungen des Sicherstellungsvertrages und dem Diskontsatzüberleitungsgesetz.

11

Gegen dieses ihr am 7. November 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. November 2001 Berufung eingelegt. Sie sei zwar unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich bereit, den Anspruch der Klägerin auf Zahlung tagesgleicher Pflegesätze neben der Fallpauschale anzuerkennen. Das SG habe es bei seiner Entscheidung aber zu Unrecht unterlassen, den genauen Zeitpunkt der Wundheilung der Versicherten zu ermitteln. Es hätte schon im einzelnen angegeben werden müssen, an welchem Tag und mit welcher Maßnahme die aktive Versorgung der Operationswunde abgeschlossen worden sei. Dies sei darauf zurückzuführen, dass das SG den Begriff der Wundheilung mit dem Begriff der Wundbehandlung verwechselt habe. Sachgerechter sei es, auf den physiologischen Zustand des jeweiligen Patienten abzustellen als auf die Ausführung von Behandlungsmaßnahmen. Die angenommenen Zeitpunkte der Wundheilung wichen im übrigen signifikant von den Bewertungsrelationen ab, die den Fallpauschalen mit 12,09 Tagen bei der Fallpauschale 9.021 und mit 13,49 Tagen bei der Fallpauschale 9.081 zu Grunde gelegt worden seien. Zur Stützung ihres Standpunktes legt sie ein von dem Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenes Gutachten zur Weiterentwicklung der Fallpauschalen und Sonderentgelte nach der Bundespflegesatzverordnung vor.

12

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. Oktober 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Das SG habe den medizinischen Tatsachenbegriff der Wundheilung unter Beachtung der juristischen Auslegungsregeln korrekt ausgelegt. Die Beklagte habe die sich aus den Krankenakten im einzelnen ergebenden medizinischen Feststellungen nicht substantiiert bestritten, sondern allgemeine Erfahrungswerte an deren Stelle gesetzt, die zudem veraltet seien. An die Feststellungen der Krankenhausärzte seien die Krankenkassen aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in Bezug auf die medizinischen Tatsachen gebunden, soweit nicht begründete Zweifel im jeweils einzelnen Fall bestünden. In Bezug auf die der Klage zu Grunde liegenden Behandlungsfälle seien die vorliegenden konkreten Dokumentationen maßgeblich, die keine Auffälligkeiten aufwiesen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der Akten der Klägerin und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

16

Die gemäß § 143 und § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig.

17

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.

18

Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung der Versicherten D. und G. abgerechneten tagesgleichen Pflegesätze für die Zeiträume vom 13. bis 17. Juli 1998 und 30. Juli bis 2. August 1998 zu zahlen hat und als Rechtsgrundlage hierfür den zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Lan-desverbänden der niedersächsischen gesetzlichen Krankenkassen geschlossenen Sicherstellungsvertrag gemäß § 112 Abs. 2 Ziffern 1,2,4 und 5 Sozialgesetzbuch -Fünftes Buch- (SGB V) in Verbindung mit den Bestimmungen der BPflV und den Ermächtigungsnormen im KHG genannt (vgl. im einzelnen auch BSG SozR 3-5565 § 14 Nr. 1, Seiten 3/4). Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass die Bestimmungen des niedersächsischen Sicherstellungsvertrages auch dann verbindlich sind, wenn - wie hier - Krankenhaus und Krankenkasse verschiedenen Landesverträgen unterliegen (Urteil vom 18. November 1998, L 4 KR 159/97, Umdruck Seiten 6/7).

19

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BPflV in der hier maß-geblichen Fassung vom 9. Dezember 1997 (BGBl I S 2874) werden die allgemeinen Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen und Sonderentgelte (§ 11) bzw. einen Gesamtbetrag (Budget, § 12) unter anteiliger Umlegung auf den Patienten oder seinen Kostenträger mittels tagesgleicher Pflegesätze nach Maßgabe von Abteilungs-, Basis- oder teilstationären Pflegesätzen (§ 13) vergütet. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. BPflV vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 17 BPflV die bundesweit geltenden Entgeltkataloge für Fallpauschalen und Sonderentgelte und deren Weiterentwicklung einschließlich der Abrechnungsbestimmungen. Nach § 14 Abs. 5 Satz 3 BPflV sind, wenn Fallpauschalen nicht berechnet werden, tagesgleiche Abteilungs- und Basispflegesätze zu berechnen. Die Höhe der Fallpauschalen und pauschalierten Sonderentgelte nach § 17 Abs. 2a KHG vereinbaren die Landeskrankenhausgesellschaft, die Landesverbände der Krankenkassen, die Verbände der Ersatzkassen und der Landesausschuss des Verbandes der privaten Krankenversi-cherung auf Landesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien (BSG, a.a.O.).

20

Der als Anlage zur BPflV bekannt gemachte "Bundesweite Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser" in der hier maß-geblichen Fassung der 5. Änderungsverordnung zur BPflV vom 9. Dezember 1997, Anhang 1 Anlage 1.1 zu § 11 Abs. 1 BPflV enthält unter anderem folgende Pauschalen:

21

"Nr. 9.021 Herzoperation (Koronarchirurgie) unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine unter Verwendung autologer arterieller Grafts kombiniert mit aortokoronarem Venen-Bypass oder sonstiger Arterie, gegebenenfalls kombiniert mit TEA, ab Aufnahme/Verlegung in die Herzchirurgie; Versorgung bis Abschluss Wund-heilung (z.B. Entfernung von Fäden/Klammern), mindestens jedoch bis Abschluss der Behandlung indikationsspezifischer Komplikatio-nen" (A-Fallpauschale),

22

"Nr. 9.022 Weiterbehandlung im Anschluss an Fallpauschale 9.021 bis zum Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit; Mindestaufenthalt sieben Belegungstage" (B-Pauschale).

23

"Nr. 9.081 Herzoperation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine mit Korrektur einer Herzklappe, ab Aufnahme/Verlegung in die Herzchirurgie; Versorgung bis Abschluss der Wundheilung (z.B. Entfernung von Fäden/Klammern), mindestens jedoch bis Abschluss der Behandlung indikationsspezifischer Komplika-tionen" (A-Fallpauschale)

24

"Nr. 9.082 Weiterbehandlung im Anschluss an FP 9.081 bis zum Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit; Mindestaufenthalt 5 Belegungstage" (B-Fallpauschale).

25

Nach der Rechtsprechung des BSG sind Fallpauschalen- und Sonderentgeltkataloge streng nach ihrem Wortlaut anzuwenden (SozR 3-5565 § 14 Nr. 2, Seite 15). Das wird damit begründet, dass eine Vergütungsregelung, die für eine routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck nur erfüllen könne, wenn sie allgemein strikt nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt werde und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belasse. Sofern sich in der Praxis erweisen sollte, dass es bei der wortgetreuen Auslegung zu Ungereimtheiten komme, sei es Aufgabe der Vertragspartner, dies durch Weiterentwicklung der Fallpauschalen und Sonderentgelt-Kataloge und der Abrechungsbestimmungen zu beheben (vgl. Urteil des BSG vom 26. März 2003, B 3 KR 25/02 R, Umdruck Seite 7). Diese Sichtweise entspreche auch der Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Auslegung von Abrech-nungsbestimmungen im vertragsärztlichen Bereich (BSG a.a.O., m. w. N.). Für vom Wortlaut der Fallpauschalen abweichende medizinische Bewertungen sei kein Raum.

26

Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren inzwischen nicht mehr streitig, dass die Klägerin grundsätzlich berechtigt ist, neben den A-Fallpauschalen 9.021 und 9.081 tagesglei-che Pflegesätze zu berechnen, wenn der jeweilige Patient nach Abschluss der Wundheilung bis zum Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit noch weiter stationär behandelt wird und die Mindestverweildauern der B-Fallpauschalen 9.022 und 9.082 nicht erreicht werden (vgl. Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 19. November 2001). Streitig ist zwischen den Beteiligten allein noch die Frage, ob die Klägerin die Daten der Wundheilung bei den Versicherten mit dem 13. bzw. 30. Juli 1998 zutreffend festgestellt hat.

27

Das SG hat bei seiner die diesbezüglichen Feststellungen der Klägerin stützenden Entscheidung darauf abgestellt, dass der "Abschluss der Wundheilung" in dem Zeitpunkt vorliege, in dem die letzte Krankenhausleistung zur Behandlung der Operationswunde erbracht werde. Diese Auslegung ergebe sich aus dem Wortlaut der Fallpauschalendefinition, aus dem System des Fallpauschalen-Kataloges und aus dem Sinn und Zweck der Abgrenzung von A- und B-Fallpauschale. Der in der Definition ausdrücklich enthaltene Klammerzusatz: "z.B. Entfernung von Fäden/Klammern" lege nahe, dass mit "Abschluss der Wundheilung" nicht ein physiologischer Zustand gemeint sei, wie die Beklagte meine, sondern der Zeitpunkt einer konkreten Behandlungsmaßnahme, nämlich derjenigen, die die aktive Versorgung der Operationswunde abschließe. Diese Sichtweise entspreche außerdem der Systematik der gegenwärtigen Fallpauschalen, die allesamt durch die Erbringung bestimmter Leistungen (oder "Proceduren") definiert würden, nicht aber durch Diagnosen oder Behandlungsziele.

28

Das BSG hat in seinem Urteil vom 26. März 2003 erläutert (B 3 KR 25/02 R, Umdruck Seiten 7/8), dass es bei der Wundheilung um einen über einen längeren Zeitraum verlaufenden Prozess gehe. Innerhalb dieses Prozesses bedürfe es eines äußerlich klar erkennbaren und damit leicht feststellbaren Merkmals, um die A- und B-Fallpauschale voneinander abzugrenzen. Deshalb sei davon auszugehen, dass mit der ausdrücklichen Nennung der Fäden- bzw. Klammerentfernung in der Leistungsbeschreibung dieses markante Ereignis innerhalb des Prozesses der Wundheilung der verbindliche Zeitpunkt für die Abgrenzung sein solle. Außerdem sei in der Leistungsbeschreibung nicht nur von "Wundheilung", "Beginn der Wundhei-lung", "Eintritt der Wundheilung" oder von "äußerer" bzw. "primärer" Wundheilung die Rede, sondern es werde ausdrücklich der "Abschluss der Wundheilung" verlangt. Dieser sei nach der Klammererläuterung des Verordnungsgebers erst dann erreicht, wenn der Prozess der Wundheilung so weit fortgeschritten und stabilisiert sei, dass der natürliche Vorgang des Schließens einer Körperwunde nicht länger mit "künstlichen" Mitteln unterstützt werden müsse.

29

Das BSG hat in dieser Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, wie der "Abschluss der Wundheilung" zu bestimmen ist, wenn im Einzelfall - z. B. bei Verwendung selbstauflösenden Nahtmaterials (wie vorliegend) - weder Fäden zu ziehen, noch Klammern zu entfernen sind (vgl. a.a.O., Umdruck Seite 8). Es hat aber bereits früher entschieden, dass das zugelassene Krankenhaus und dessen Ärzte nach den vertraglichen Vereinbarungen mit den Kassen mit Wirkung für die Krankenkassen über die Krankenhausaufnahme (nach Prüfung der Notwendigkeit der vom Vertragsarzt verordneten Krankenhausbehandlung) des Versicherten sowie die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen entscheiden (BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1, Seite 4). Mit Inanspruchnahme der Leistungen des Krankenhauses durch den Versicherten entstehe (unabhängig von ausdrücklichen Kostenübernahmeerklärungen, die nach den vorliegenden Unterlagen in den Fällen der Versicherten D. und G. offenbar auch nicht abgegeben wurden) auch die Zahlungspflicht der Krankenkasse. Die Krankenkasse sei nur dann nicht an die Entscheidung des Krankenhausarztes gebunden, wenn dieser vorausschauend ("ex ante") hätte erkennen können, dass die geklagten Beschwerden nicht die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung begründeten, de lege artis also eine Fehlentscheidung getroffen worden sei (BSG a.a.O.).

30

Der erkennende Senat geht davon aus, dass diese Bindungswirkung der Entscheidung des Krankenhausarztes für die Krankenkasse nicht nur in Bezug auf die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung und konkrete Behandlungsmaßnahmen greift, sondern auch in Bezug auf die medizinischen Feststellungen zur Abgrenzung einzelner Behandlungsschritte bzw. -abschnitte. Er hält die Frage, wann der "Abschluss der Wundheilung" im Sinne der Fallpauschalen 9.021 und 9.081 eingetreten ist, für einen medizinischen Tatbestand, der durch den jeweils behandelnden Arzt jedenfalls dann festgestellt werden muss, wenn ein äußerer Tatbestand, wie das Ziehen von Fäden oder Entfernen von Klammern, wie in den vorliegenden Fällen nicht auszuführen ist. Damit folgt der Senat der Rechtspre-chung des Thüringer Landessozialgerichts (vgl. Urteil vom 24. Juni 2002 , L 6 KN 515/00 KR, veröffentlicht in JURIS, dort Seite 3), die inzwischen durch das Bundessozialgericht bestätigt wurde (Urteil vom 24. September 2003, B 8 KN 3/02 KR R).

31

In den vorliegenden Krankenakten der Versicherten D. und G. fehlen zwar derartige ausdrückliche Feststellungen. Der Senat erachtet es aber für ausreichend, wenn, wie hier, nach ärztlicher Visite auf Grund der aktuell vorliegenden Befunde die Entscheidung getroffen wird, den Versicherten von der Akutstation auf die jeweilige Normalstation zu verlegen, um sodann die Rehabilitationsfähigkeit des Versicherten herzustellen. Mit dieser Entscheidung wird konkludent festgestellt, dass der Prozess der Wundheilung so weit fortgeschritten und stabilisiert ist, dass der natürliche Vorgang des Schließens einer Körperwunde nicht länger mit "künstlichen" Mitteln unterstützt werden muss. Dass bei den Versicherten D. und G. ein derartiger Zustand gegeben war, ergibt sich zur Überzeugung des Senates aus den sehr sorgfältig geführten Krankenakten. In beiden Fällen waren die Versicherten in der Lage, sich selbständig zu ver-sorgen, und in beiden Fällen waren keine "künstlichen" Maßnahmen zur Unterstützung des Schließens der Körperwunden mehr erforderlich, was nach der Rechtsprechung des BSG eine Wundheilung belegt (vgl. Urteil vom 26. März 2003, B 3 KR 25/02 R). Im Falle der Versicherten D. waren zudem am 13. Juli 1998 bereits die Drainagefäden und Pacerdrähte gezogen.

32

Die Bedenken der Beklagten in Bezug auf den Zeitpunkt der Feststellung des Abschlusses der Wundheilung vermag der Senat nicht zu teilen, zumal sie keine auf die Einzelfälle der Versicherten D. und G. bezogenen Tatsachen vorgebracht hat, die die Entscheidungen der Krankenhausärzte der Klägerin unrichtig erscheinen lassen könnten. Sie argumentiert allgemein, der Verord-nungsgeber sei sich der Schwierigkeit bewusst gewesen, den Tag des Abschlusses der Wundheilung festzulegen. Deshalb sei aus Gründen der Nachvollziehbarkeit im Normalfall die für alle Akutbehandlungspauschalen definierte, der Bewertungsrelation zu Grunde gelegte durchschnittliche Verweildauer als Termin des Abschlusses der Wundheilung anzunehmen. Darin vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Mit der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erforderlichen streng am Wortlaut orientierten Anwendung der Fallpauschalen und der Abrechnungsbestimmungen steht diese Auffassung nicht in Einklang, denn diese sagen über die angenommenen kalkulatorischen Grenzverweildauern und deren Verbindlichkeit bei der Abrechnung konkreter Behandlungsfälle nichts aus.

33

Aus dem Gutachten des MDK Westfalen-Lippe (Dr. I. vom 30. April 2001 ergeben sich keine für die Beklagte günstigeren Erkenntnisse. Zwar meint der Gutachter Dr. J., dass der 6. postoperative Tag grundsätzlich nicht als Zeitpunkt des Wundheilungsabschlusses angesehen werden könne. Dr. J. begründet seine Ansicht jedoch im wesentlichen nur mit allgemein wissenschaftlichen Hinweisen, ohne konkret auf die vorliegenden Fälle einzugehen und die gegenteiligen Feststellungen der behandelnden Krankenhausärzte anhand der sorgfältig geführten Krankenakten zu widerlegen. Dem Gutachten kann bereits aus diesem Grunde daher keine entscheidende Bedeutung zukommen.

34

Hinzu kommt, dass sich die Behandlungsabläufe und Verweildauern in der Herzchirurgie seit Jahren stetig und deutlich verkürzt haben. Das wird durch das 1997 für das Bundesministerium für Gesundheit angefertigten Gutachten zur Weiterentwicklung der Fallpauschalen und Sonderentgelte nach der Bundespflegesatzverordnung belegt. In dem Gutachten wird überzeugend ausgeführt, dass die in der Herzchirurgie 1995 einkalkulierten Behandlungsabläufe und Verweildauern in einem Grossteil der Fälle seit Jahren nicht mehr adäquat seien (Seite I-53). So seien in der Praxis relativ frühzeitige Verlegungen, ja zum Teil sogar Entlassungen, zwischen dem 7. und 10. postoperativen Tag zu beobachten. Das Gutachten von Prof. Dr. H. vom 6. Juli 2001, das für das SG Gotha erstattet wurde, bestätigt diese Entwicklung. Prof. Dr. H. hält bei Herzoperationen der vor-liegenden Art den Abschluss der Wundheilung am 8. oder 9. postoperativen Tag durchaus für realistisch.

35

Die Feststellung der Wundheilung am 6. postoperativen Tag in den vorliegenden beiden Fällen weicht von den Ausführungen im Gutachten des Bundesministeriums für Gesundheit nicht in dem Maß ab, dass sich der Senat gedrängt fühlen müsste, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Die Feststellung des Zeitpunktes des Abschlusses der Wundheilung im Sinne der A-Fallpauschalen 9.021 und 9.081 durch die Ärzte der Klägerin liegt noch im Rahmen inzwischen üblicher Verweildauern und stimmt mit den Dokumentationen in den Krankenakten überein. Da sie von der Beklagten nicht mit konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Einwendungen angegriffen worden sind, steht fest, dass in den vorliegenden Fällen der Tag der Wundheilung der 13. bzw. der 30. Juli 1998 gewe-sen ist.

36

Somit ist die Berufung der Beklagten unbegründet.

37

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

38

Es hat keine Veranlassung bestanden, die Revision zuzulassen.