Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.01.1996, Az.: 2 U 256/95

Sittenwidrigkeit eines Sandabbauvertrages auf Grund Umgehung naturschutzrechtlicher Bestimmungen; Sittenwidrigkeit bei Verletzung wichtiger Interessen der Gemeinschaft; Ausschluss einer Rückforderung bei beidseitigem Verstoß gegen die guten Sitten

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
17.01.1996
Aktenzeichen
2 U 256/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 21023
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0117.2U256.95.0A

Fundstelle

  • NuR 1996, 320 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Sittenwidrigkeit eines auf Umgehung naturschutzrechtlicher Bestimmungen gerichteten Sandabbauvertrages.

Gründe

1

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung der an den Be klagten auf Grund des "Werkvertrages zur Herstellung eines Teiches als Biotop" vom 25.02.1994 entrichteten 11.500,00 DM zu. Dieser Vertrag ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, und eine Rückforderung des geleisteten Betrages ist unter den gegebenen Umständen nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

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Ein Rechtsgeschäft kann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter wichtige Interessen der Gemeinschaft verletzt. Der bloße Verstoß gegen eine gesetzliche Verbotsvorschrift stellt noch keinen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § l38 Abs. 1 BGB dar. Das Rechtsgeschäft ist nach § l34 BGB nichtig, soweit das Gesetz nicht ein anderes bestimmt. Zur Begründung eines Verstoßes gegen die guten Sitten müssen besondere Umstände hinzutreten. Beide Parteien müssen bewusst ein Gesetz missachten, das grundlegende Belange der Gemeinschaft gegen Angriffe des einzelnen zu wahren bestimmt ist, um sich eigennützig Vorteile zu verschaffen (Sörgel-Hefermehl, l2. Auflage, § l38 Rdn. l94; m.w.N.). Zu den dermaßen nach § l38 Abs. 1 BGB geschützten Werten gehören auch die natürlichen Lebensgrund lagen einschließlich derer künftiger Generationen. Rechtsgeschäfte, die auf eine Umweltschädigung abzielen, können daher sittenwidrig sein (Palandt/Heinrichs, 55. Aufl., § l38 Rdn. 45, m.w.N.).

3

- So ist es hier. Nach der Aussage des Zeugen B., die die Klägerin sich ausdrücklich zueigen macht, waren sich der für die Klägerin handelnde Zeuge und der Beklagte darüber einig, dass der Bodenaushub zunächst in größerer Tiefe als in der u.a. auf die §§ l7 ff. Nds. Naturschutzgesetz gestützten Plangenehmigung nach dem NWG des Landkreises vom 3.9.l994 vorgesehen vorgenommen werden sollte, um die technisch mögliche Sandmenge zu entnehmen und zu verwerten, und zwar auch, soweit für die Teichherstellung eine solche Entnahme nicht erforderlich war. Die so entstandene Grube sollte dann bis auf die genehmigte Teichtiefe wieder aufgefüllt werden, und zwar mit dem Mutterboden von dem Grundstück und mit von der Klägerin zugeliefertem Boden. Sowohl der Beklagte als auch der Zeuge wussten, dass diese Abmachung nicht oder jedenfalls nicht völlig mit der Genehmigung, die dem Grundstückseigentümer erteilt worden war, übereinstimmte. Dementsprechend haben sie den schriftlich geschlossenen Vertrag dann auch "lediglich als Werk vertrag zur Herstellung eines Teiches als Biotop bezeichnet

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und nicht als Sandabbauvertrag".

6

Nach dieser Aussage war die zwischen den Parteien getroffene Abmachung von vornherein darauf gerichtet - entgegen § l7 Nds. Naturschutzgesetz - mehr Sand abzubauen als die Naturschutzbehörde zu gelassen hatte; mit Rücksicht darauf war auch der Preis von 10.000,00 DM (netto) für die Sandentnahme berechnet worden. Das heißt beide Parteien haben bewusst und gezielt das Naturschutzgesetz missachtet, um sich eigennützige Vorteile zu verschaffen. Das ist zu missbilligen, da der Pflege und Erhaltung der Umwelt grundlegende Bedeutung für die Gemeinschaft zukommt.

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Die nach § l38 Abs. 1 BGB eingetretene Nichtigkeit des Geschäfts führt vorliegend nicht zu einem Bereicherungsanspruch der Klägerin, denn gemäß § 8l7 Satz 2 BGB ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn - wie hier - beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt. Diese Bestimmung versagt die gerichtliche Durchsetzbarkeit für die Rückabwicklung eines derart zweifelhaften Geschäfts. Wer sich selbst außerhalb der Sitten- oder Rechtsordnung stellt, soll hierfür keinen Rechtsschutz erhalten.

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Die Anwendung des § 8l7 Satz 2 BGB hat zur Folge, dass bei zweiseitigen Rechtsgeschäften, insbesondere bei gegenseitigen Verträgen, der Vorleistende auf eigenes Risiko handelt, da er wegen der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts weder Erfüllung verlangen noch seine eigene Leistung zurückfordern kann (Palandt/Thomas, a.a.O., § 8l7 Rdn. l4 m.w.N.).