Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.01.1996, Az.: 2 U 240/95
Leistungsausschluss in der Privathaftpflichtversicherung bei ungenehmigter Verwendung erwerbsscheinpflichtiger pyrotechnischer Munition; Auslegung der Waffenklausel eines Versicherungsvertrages; Auslegung der Begriffe Schusswaffe und Munition in der Waffenklausel anhand der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Waffengesetzes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.01.1996
- Aktenzeichen
- 2 U 240/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21030
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0117.2U240.95.0A
Rechtsgrundlage
- § 2 Abs. 1 Nr. 3 WaffG
Amtlicher Leitsatz
Kein Leistungsausschluss in der Privathaftpflichtversicherung bei ungenehmigter Verwendung erwerbsscheinpflichtiger pyrotechnischer Munition, aber nicht mit einer Waffe im Sinn des WaffG.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Versicherungsschutz für seinen Sohn aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Privathaftpflichtversicherung in Anspruch.
Nach den vereinbarten "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung" (BBR) umfasst der Versicherungsschutz die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Privatperson "aus dem erlaubten privaten Besitz und aus dem Gebrauch von ... Schusswaffen sowie Munition und Geschossen, ...". Mitversichert ist u.a. die gesetzliche Haftpflicht unverheirateter volljähriger Kinder des Versicherungsnehmers, solange sie sich noch in einer Schul- oder sich unmittelbar anschließenden Berufsausbildung befinden.
Der danach noch mitversicherte Sohn des Klägers war am 1.1.1994 mit seinem Freund unterwegs.
Er führte eine Signal-Pistole (Fabrikat Röhm RG 3, Kaliber 6 mm) zum Verschießen von Kartuschenmunition für Knall- und Gaspatronen mit aufgeschraubtem Abschussbecher für pyrotechnische Munition (Kaliber 15 mm) mit sich. Beim Verschießen eines Pyro-Knallgeschosses von 40 mm Länge, das der Sohn des Klägers ohne waffenrechtliche Erlaubnis erworben hatte, wurde der Freund im Gesicht am rechten Auge getroffen mit der Folge, dass seine Sehkraft auf diesem Auge zu 90 % eingeschränkt ist.
Die Beklagte hat im ersten Rechtszug geltend gemacht: Der Versicherungsschutz für den Vorfall vom 1.1.1994 sei auf Grund der o.g. Waffenklausel in den BBR ausgeschlossen, da der Sohn des Klägers eine Schusswaffe mit munitionserwerbsscheinpflichtiger Munition benutzt habe, ohne dazu eine entsprechende Erlaubnis gemäß §§ 28,29 WaffG zu besitzen. Bei dem benutzten Abschussbecher für pyrotechnische Munition habe es sich um einen Lauf im Sinn von § 3 Abs. 2 Ziff. 1 WaffG gehandelt, da das Zusatzteil länger als die erforderliche Doppelkaliberlänge gewesen sei. Deshalb sei die verwendete Pistole eine Schusswaffe im Sinn von § 1 Abs.1 WaffG gewesen. Der Sohn des Klägers habe zum Vorfallszeitpunkt nicht über eine Waffenbesitzkarte verfügt, sodass es sich auch um einen unerlaubten Besitz einer Schusswaffe gehandelt habe. Darüberhinaus habe er hinsichtlich des verschossenen Pyro-Knallgeschosses nach § 29 WaffG erwerbsscheinpflichtige Munition ohne Erwerbsschein besessen, sodass auch der Besitz der Munition nicht erlaubt im Sinn der Versicherungsbedingungen gewesen sei.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Es habe sich bei der verwendeten Pistole nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht um eine Schusswaffe im Sinn des Waffengesetzes gehandelt, weil bei einer solchen Pistole nicht ein Geschoss im Sinn von § 1 Abs. 1 WaffG durch den Lauf getrieben werde; von einem Lauf im Sinn dieses Gesetzes werde dann gesprochen, wenn das Geschoss wenigstens 2 Kaliberlängen durch die "Führung" der Waffe getrieben werde. Dieses sei hier nicht der Fall gewesen.
Die verwendete Pyro-Knallpatrone sei zwar nach § 29 WaffG munitionserwerbsscheinpflichtig, aber keine für Schusswaffen bestimmte Munition gewesen. Wegen aller Einzelheiten wird auf das Urteil vom 4.9.1995 Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, das Landgericht habe übersehen, dass anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall, auf den es sich berufe, der Sohn des Klägers nach § 29 WaffG erlaubnispflichtige Munition verwendet habe, deren erlaubnisloser Erwerb zudem nach § 53 Abs. 4 Nr. 1 WaffG strafbar gewesen sei. Darüberhinaus sei es in der Entscheidung des BGH nicht um die Auslegung einer Waffenklausel gegangen, die mit der vorliegenden Klausel "nahezu identisch" sei, wie das Landgericht fehlerhaft angenommen habe.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Die Waffenklausel im vorliegenden Versicherungsvertrag stellt eine formularmäßige, für eine Vielzahl von Verträgen geltende Vertragsbestimmung dar, die deshalb in ihrem Inhalt frei auszulegen ist.
Mit dem angefochtenen Urteil, das sich insoweit zutreffend auf die BGH-Rechtsprechung (VersR 1978,409) stützt, sind im Interesse einer sicheren Rechtsanwendung die Begriffe Schusswaffe und Munition in der Waffenklausel des vorliegenden Versicherungsvertrages anhand der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Waffengesetzes auszulegen. Für die dementsprechende Auslegung des im Berufungsrechtszug nur noch streitigen Begriffs der "Munition" enthält das Waffengesetz in § 2 Abs. 1 eine zweifelsfreie Definition. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 WaffG ist auch pyrotechnische Munition nur solche, die zum Verschießen aus Schusswaffen bestimmt ist. Die vom Sohn des Klägers verschossene Munition wurde jedoch - wie jetzt unstreitig ist - gerade nicht aus einer Schusswaffe verschossen und war dazu auch nicht bestimmt. Auf den von der Berufung hervorgehobenen Gesichtspunkt der Erwerbsscheinpflichtigkeit der Munition kommt es nach der Begriffsbestimmung der Munition in § 2 Abs. 1 WaffG nicht an. Auch kommt es nach diesem Munitionsbegriff nicht darauf an, ob der erlaubnislose Erwerb und/oder Besitz nach den Bestimmungen des Waffengesetzes strafbar war oder nicht.
Mit dem Landgericht ist dieser Munitionsbegriff des Waffengesetzes der Auslegung auch der vorliegend vereinbarten Waffenklausel zugrundezulegen; es geht nicht anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht an, diese Bestimmung zum Nachteil des Versicherten strenger auszulegen, als es der zum Zeitpunkt des Schadensereignisses und der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages bestehenden Verwaltungspraxis und Gesetzeslage auf dem Gebiet des Waffenrechts entsprach. Der Begriff der Munition ist danach an den Begriff der Schusswaffe geknüpft, auf die Erwerbsscheinpflichtigkeit und Unerlaubtheit des Besitzes von Geschossen, die keine Munition im Sinn des Waffengesetzes sind, kommt es entgegen der Berufung für die Auslegung des Munitionsbegriffs in einer Waffenklausel nicht an.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus weiteren Formulierungen in der hier vereinbarten Waffenklausel selbst, etwa daraus, dass - wie die Berufungsklägerin geltend macht - die Begriffe "Schusswaffe" und "Munition" durch ein "sowie" und nicht durch ein "und" verbunden sind. Denn dass begrifflich Munition im Sinn dieser Klausel nur solche im Sinn von § 2 Abs. 1 WaffG ist, die zum Verschießen aus Schusswaffen bestimmt ist, wird durch das "sowie" in der Klausel nicht aufgehoben. Wäre es Absicht der Berufungsklägerin gewesen, durch das Wort "sowie" zum Ausdruck zu bringen, auch für den unerlaubten Besitz von Geschossen, die keine Munition im Sinn des Waffengesetzes sind, keinen Versicherungsschutz gewähren zu wollen, hätte sie den Begriff der "Munition" selbst dahin definieren müssen, dass sie ihn nicht im Sinn des Waffengesetzes verstehen wolle.