Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 19.01.1996, Az.: 6 U 227/95
Keine Unterbrechung der Verjährung durch Bezugnahme auf einen von einem nicht postulationsfähigen Anwalt unterzeichneten Klageentwurf; Unterhaltsverzicht und Versorgungsausgleich; Verjährung der Ersatzansprüche eines Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt; Hemmung der Verjährung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 19.01.1996
- Aktenzeichen
- 6 U 227/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0119.6U227.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5l BRAO
- § 209 Abs. 2 BGB
- § 203 BGB
- § 253 Abs. 2 ZPO
- § 270 Abs. 3 ZPO
Fundstelle
- MDR 1996, 851-852 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Keine Unterbrechung der Verjährung durch Bezugnahme auf einen Klageentwurf, der von einem nicht postulationsfähigen Anwalt unterschrieben wurde
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung.
Im Januar 1991 beauftragte er den Beklagten, seine Interessen in einem Ehescheidungsverfahren wahrzunehmen. Er wollte sich nach 41 Ehejahren von seiner Frau scheiden lassen, mit der er neun Kinder hatte. Auf Anraten des Beklagten traf er am 2.7.1991 eine notariell beurkundete Scheidungsfolgenvereinbarung, mit der er seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Hausgrundstück auf seine Ehefrau übertrug; ferner verzichteten beide Eheleute wechselseitig auf Unterhalt. Das Amtsgericht schied die Ehe durch Urteil vom 20.8.1991 und führte gleichzeitig den Versorgungsausgleich durch, mit dem ein Teil der Renten- und Versorgungsanwartschaften des Klägers der geschiedenen Ehefrau übertragen wurden. Das Scheidungsurteil wurde am 20.8.1991 rechtskräftig.
Im Dezember 1992 beantragte der Kläger, vertreten durch Anwälte, die bei dem Prozessgericht nicht zugelassen waren, Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Beklagten mit der Begründung, die Scheidungsfolgenvereinbarung sei für ihn nachteilig gewesen, weil seine Ehefrau nach der Scheidung über ein höheres Einkommen verfüge als er, er seine Haushälfte somit ohne Gegenleistung übertragen habe; er sei der Auffassung gewesen, dass nach dem vereinbarten Unterhaltsverzicht ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werde. Den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Landgerichts vom 22.2.1993 hat der Senat durch die Beschwerdeentscheidung vom 10.8.1993 aufgehoben und die Sache an das Landgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat u.a. ausgeführt, das Schadensersatzbegehren biete dem Grunde nach hinreichende Aussicht auf Erfolg; zweifelhaft und klärungsbedürftig sei jedoch die Höhe des Anspruchs.
In der Folgezeit bemühte sich der Kläger, die Höhe des Anspruchs zu klären. Mit Schriftsatz vom 21.7.1994 teilte er, nunmehr durch Anwälte vertreten, die bei dem Prozessgericht zugelassen waren, dem Gericht mit, das Prozesskostenhilfegesuch werde nicht aufrechterhalten, weil sich herausgestellt habe, dass eine Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig sei. Zur Begründung des angekündigten Antrags werde Bezug genommen auf die bisherigen Ausführungen der Anwälte im Prozesskostenhilfeverfahren. Im Juli l995 verfügte das Landgericht die Zustellung der im Dezember 1992 eingereichten Klage.
Der Kläger hat von dem Beklagten Zahlung von 80.000,- DM nebst Zinsen verlangt. Dieser ist dem Schadensersatzbegehren entgegengetreten und hat sich im Übrigen auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung des Klaganspruchs abgewiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er trägt vor, zu der verzögerlichen Zustellung der Klageschrift sei es ausschließlich aus Gründen gekommen, die das Gericht zu vertreten habe.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm 80.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.7.1992 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt dem Berufungsvorbringen entgegen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die geltend gemachte Schadensersatzforderung ist verjährt.
Ersatzansprüche des Mandanten gegen den Rechtsanwalt verjähren nach § 5l BRAO (a.F., § 5l b n.F.) l. Alternative in 3 Jahren nach ihrer Entstehung. Entstanden sind die Ansprüche, sobald infolge der Pflichtverletzung des Anwalts ein Schaden eingetreten ist, d.h. die Vermögenslage des Mandanten verschlechtert worden ist (vgl. Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars, 5. Aufl., Rdn. I 262). Die Vermögenslage des Klägers hat sich mit dem Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung am 2.7.1991 verschlechtert, als er seine Haushälfte übertrug, deren Wert den Unterhaltsverzicht der Ehefrau deutlich überstieg. Die am 2.7.l994 ablaufende Verjährungsfrist hat er durch eine Klageerhebung oder durch andere Maßnahmen (§ 209 Abs. 2 BGB) nicht unterbrochen.
Allerdings ist die Verjährung nach § 203 BGB gehemmt, solange der Berechtigte durch höhere Gewalt innerhalb der letzten 6 Monate der Verjährungsfrist an der Rechtsverfolgung verhindert ist. Eine solche Hemmung tritt ein, wenn ein Gläubiger außer Stande ist, die Kosten des Rechtsstreits selbst aufzubringen, und er rechtzeitig Prozesskostenhilfe beantragt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 203 Rdn. 9 m.w.N.). dass diese Voraussetzungen bei dem Kläger vorlagen, hat dieser nicht dargetan. Einer solchen Annahme steht auch das Vorbringen in dem Schriftsatz vom 21.7.1994 entgegen, es habe sich inzwischen herausgestellt, dass eine Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig sei.
Selbst wenn man trotz des insoweit fehlenden Sachvortrags davon ausgeht, dass der Kläger subjektiv der Ansicht sein durfte, er sei bedürftig (vgl. dazu BGH VersR l982, S. 4l f), die Verjährung somit bis zur Anfertigung des Schriftsatzes vom 2l.7.l994 gehemmt war, wäre der Zeitraum von 6 Monaten in die Verjährungsfrist nicht einzurechnen (§§ 203, 205 BGB), sodass sich diese nach dem Wegfall des Hinderungsgrundes um 6 Monate verlängert hätte (vgl. BGH NJW 1990, l76, l78). Aber auch bis zum 21.11.1995 hat der Kläger eine den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO genügende Klageschrift nicht eingereicht.
Der Schriftsatz vom 21.7.1994 enthält die Bitte, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, in dem der "angekündigte Antrag" gestellt werden solle. Sodann heißt es, zur Begründung (des Antrags) werde Bezug genommen auf die bisherigen Ausführungen der Bevollmächtigten im Prozesskostenhilfeverfahren. Mit dem Prozesskostenhilfeantrag vom Dezember l992 hatte der Kläger eine undatierte Klageschrift eingereicht, die von seinem bei dem Prozessgericht nicht zugelassenen Bevollmächtigten unterschrieben war und ersichtlich als Klageentwurf behandelt werden sollte. Das Fehlen des in § 253 Abs. 2 ZPO zwingend vorgeschriebenen Inhalts einer Klageschrift kann im Anwaltsprozess durch Bezugnahme auf einen von einem nicht postulationsfähigen Anwalt unterschriebenen Klageentwurf (§§ 78, l29, l30 ZPO) nicht ersetzt werden (vgl. BGHZ 22, 254, 256) [BGH 29.11.1956 - III ZR 235/55]. Der Verantwortung für eine solche fehlerhafte Bezugnahme kann der Prozessanwalt nicht dadurch entgehen, dass er, wie hier, das Gericht "um entsprechenden Hinweis" bittet, falls die Bezugnahme als nicht ausreichend angesehen werde. Die Einreichung des unzureichenden Schriftsatzes war nicht geeignet, die Verjährung zu unterbrechen, und zwar unabhängig davon, dass das Landgericht mit Verfügung vom 11.8.1994 das Fehlen einer ordnungsgemäßen Klageschrift nicht beanstandet, sondern nur eine "übersichtliche Begründung der Positionen" vermisst hat.
Zudem ist die Zustellung des Schriftsatzes vom 2l.7.l994 (in beglaubigter Abschrift) nicht gemäß § 270 Abs. 3 ZPO"demnächst" erfolgt, sondern erst am 14.7.1995. Dabei mag dahinstehen, ob die gleichzeitig zugestellte beglaubigte Abschrift der Klage vom Dezember 1992, die auf gerichtliche Anforderung nochmals eingereicht wurde, nunmehr von dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers unterschrieben worden ist. Denn eine nachträgliche Heilung der Mängel konnte nach Fristablauf nicht mehr bewirkt werden.